Bei den Wellenbewegungen dachte ich weniger an das deutsche Kaiserreich, als an die Französische Revolution, die 1807 den Juden im Königreich Westfalen die Emanzipation beschert hatte. Die jüdischen Gemeinden standen daher eher positiv zu Jerome Bonaparte, was ihnen allerdings als Verrat ausgelegt wurde, als 1813 Kurfürst Wilhelm I. von der Mehrzahl bejubelt zurückkehrte.

Sorry, das hatte ich überlesen.
"Wellen" war allgemein gehalten, und der Begriff kann offen in den ökonomischen und politischen Kontext gestellt werden. Insofern hätten wir schon zwei unmittelbare Beispiele für Kausalitäten, die keinen Bezug zu Luther aufweisen.

Bei der Welle des Antisemitismus nach 1875 verbanden sich alte antisemitische Klischees mit einer Ablehnung der Errungenschaften und Verwerfungen, die die Französische- und die Industrielle Revolution brachten, und die 1871 nach der Reichsgründung bestätigt und erneuert wurden.
Diese Verbindung mit alten Klischees kann man sehen, aber das kopiert die Diskussion oben zu Luther in gewissem Sinne in eines neues Betrachtungsfeld.

Wir haben das schon einmal an anderer Stelle zur "Great Depression" diskutiert: betrachtet man die beteiligten akademischen Schichten, lagen die Kausalitäten eher in einem krisenbedingt anschwellenden Sozialneid, in der Verdrängung jüdischer "Konkurrenz".
 
da ich es nicht weiß, frage ich nach:
wie viele verbrannte Synagogen und massakrierte jüdische Stadt-/Dorfviertel in reformierten Gebieten von Luthers Lebzeiten bis zum 19. Jh. gibt es denn?

kann es sein, dass da die Kreuzzugszeit ergiebiger ist?
 
da ich es nicht weiß, frage ich nach:
wie viele verbrannte Synagogen und massakrierte jüdische Stadt-/Dorfviertel in reformierten Gebieten von Luthers Lebzeiten bis zum 19. Jh. gibt es denn?

Ich kenne keine solchen Erhebungen. Da müsste man jetzt jede jüdische Gemeinde einzeln anschauen und deren Geschichte aufarbeiten.
 
Judenpogrome gab es immer wieder. Besonders schlimm war es in Zeiten der Pest. Viele Fälle vor Luther, weniger danach. Wenn man das für jede einzelne Gemeinde aufarbeiten wollte, würde das vermutlich eine bibeldicke Abhandlung ergeben. Daneben gab es die alltägliche Drangsalierung, die unter der Pogromschwelle blieb. Zum Beispiel die Entscheidung der Obrigkeit, Abwässer an jüdischen Gotteshäusern vorbeizuleiten - wohl wissend, dass Synagogen in der Nähe von frischem Wasser errichtet werden müssen.

MfG
 
da ich es nicht weiß, frage ich nach:
wie viele verbrannte Synagogen und massakrierte jüdische Stadt-/Dorfviertel in reformierten Gebieten von Luthers Lebzeiten bis zum 19. Jh. gibt es denn?

kann es sein, dass da die Kreuzzugszeit ergiebiger ist?

Die Pogrome von Worms und Speyer mögen furchtbar gewesen sein, aber so schlimm soche Exzesse für die gemeinden auch waren, kaum weniger drückend entwürdigend und in letzter Konsequenz auch existenzbedrohlich waren die Ausweisungen aus Städten und Gemeinden, die Aufenthaltsbeschränkungen und all die Abgaben, die von Juden erhoben wurden.

Auf Reichsgebiet gab es seit dem 11. Jhd keine Pogrome mehr, und sie waren auch im übrigen europa selten, weil sie schlichtweg unrationell sind. Wer vom Mob ums leben gebracht wird, bei dem kann keiner mehr abkassieren, abgesehen davon, dass sie ein schlechtes bild auf die autorität eines Souveräns wirft, wenn er Schutzbefohlene nicht schützen kann. Große Judenpogrome ereigneten sich um 1650 in der heutigen Ukraine. Der Kosakenausstand des bogdan Chmelnyzkyj richtete sich eigentlich gegen die Herrschaft polnischer Magnaten, und obwohl es noch 20 Jahre früher jüdische Kosaken gab, richtete sich der Zorn der Saporoger Kosaken auf ihrem Vormarsch nach Westen gegen römisch-katholische Polen und gegen Juden. Die zahlen der opfer sind schwer abzuschätzen, Gunnar Heinsohn schätzte die Zahl der Ermordeten auf 32- 50.000, während einige andere Autoren (Uwe Danker) bis zu 100.000 Opfer angeben.

Diese Pogrome hatten auch auf die judengemeinden in Mittel-und Westeuropa erhebliche Auswirkungen, weil sich ein Massenexodus total verarmter Juden nach Westen ergoss. Bis dahin war es den jüdischen gemeinden trotz aller Schwierigkeiten gelungen, ein beachtliches Armenfürsorgewesen aufrechtzuerhalten. zeitgenössische Quellen berichten, dass manche Judenherbergen an einem Tag von 50 bettlern beehrt wurden, und es sind diese Pogróme in der heutigen Ukraine der historische Hintergrund, dass im jiddischen das Wort Gast eine zweideutige Bedeutung bekam. Manchen Juden blieb wie Dickens Fagin nur der Ausweg in die Kriminalität, und auf Gaunerlisten aus dem 17. Jhd findet sich mancher leiser oder afrom Polack.

Eine weitverzweigte hessische Judenfamilie, die sich bis 1938 nachweisen lässt trug den Namen Walach. Der Urenkel des aus der ukraine Geflüchteten Namensträgers konnte ende des 18. jhds für einen schutzbrief für seinen Neffen 30 rthl bezahlen und einen Betrag für die Renovierung der Kirche im hessischen Hausen stiften.
 
Judenpogrome gab es immer wieder. Besonders schlimm war es in Zeiten der Pest. Viele Fälle vor Luther, weniger danach. (...)
das liest sich doch recht verblüffend im bisherigen Faden-auf-und-ab :pfeif::D (klar weiß ich auch, dass ich das aus dem Kontext gerupft hab - aber es bot sich grad soo schön an :) Maelonn wird mir das verzeihen)
 
da steht was interessantes (nach was ähnlichem hatte ich gefragt):
Auslöser für die zunehmende Missachtung der Rechte der Juden waren u. a. die bekannten judenfeindlichen Schriften Luthers von 1543.
leider ist dem Wiki-Artikel die Quelle dieser zwiefachen Behauptung (Luthers Schriften als Auslöser sowie dass diese damals so bekannt gewesen seien) nicht zu entnehmen.
 
das liest sich doch recht verblüffend im bisherigen Faden-auf-und-ab :pfeif::D (klar weiß ich auch, dass ich das aus dem Kontext gerupft hab - aber es bot sich grad soo schön an :) Maelonn wird mir das verzeihen)

Dir verzeihe ich alles. Und wenn Du jetzt noch nachweist, dass Luthers Judenhass den Antijudaismus oder den Antisemitismus nicht befeuert sondern geradezu eingedämmt hat, dann... gehe ich nächsten Sonntag in die Kirche. :devil:

MfG
 
...

leider ist dem Wiki-Artikel die Quelle dieser zwiefachen Behauptung (Luthers Schriften als Auslöser sowie dass diese damals so bekannt gewesen seien) nicht zu entnehmen.

Die Frage ob Luthers (späte) Schriften, insbesondere seine verblüffend hasserfüllte Attacke von 1543, "Auslöser" waren, wird sich schwerlich klären lassen.

...vielleicht lässt sich aber herausfinden, wie verbreitet diese waren.
Und das sollte man nicht nur aufs "damals" beziehen.
Denn ein großer Mann, oder eine große Frau, wirkt ja über die eigene Zeit hinaus..

Grüße hatl

... und der Kleine ist zu großen Irrtümern nicht befähigt.
 
Judenpogrome gab es immer wieder. Besonders schlimm war es in Zeiten der Pest. Viele Fälle vor Luther, weniger danach. Wenn man das für jede einzelne Gemeinde aufarbeiten wollte, würde das vermutlich eine bibeldicke Abhandlung ergeben. Daneben gab es die alltägliche Drangsalierung, die unter der Pogromschwelle blieb. Zum Beispiel die Entscheidung der Obrigkeit, Abwässer an jüdischen Gotteshäusern vorbeizuleiten - wohl wissend, dass Synagogen in der Nähe von frischem Wasser errichtet werden müssen.

MfG

Judenpogrome ereigneten sich in Frankreich und im Reich vor allem in Worms und Speyer im Zuge des 1. Kreuzzugs.Aber auch in Würzburg wurden Juden ermordet In Franken zogen das "Rindfleischpogrom" 1298 und 1336 die Armlederbewegung eine Blutspur. Die weitaus meisten Todesfälle dürften auf das die Pogrome in der Ukraine im Zusammenhang des schon erwähnten Kosakenaufstands. In der Ukraine wird Bogdan Chelmynski, der Ataman der Saporoger Kosaken als Nationalheld verehrt.

Aber noch einmal, so furchtbar solche Exzesse waren, in den langfristigen Auswirkungen waren die "kalten Pogrome" die Ausweisungsdekrete zuerst aus den Reichsstädten, dann aus den Fürstentümern gravierender. Seit dem auisgehenden 15. Jahrhundert wurden Verhältnisse geschaffen, die im Grunde Bestand bis zum Ende des Alten reichs hatten. Nominell war zwar immer noch der Kaiser der Schutzherr,aber dessen Einverständnis ließ sich durch Sporteln erkaufen, und die Ausweisungsdekrete verschiedener Fürsten konnten so wirksam werden, weil sie von Interessen führender Kreise getragen wurden. auf den Landtagen machten insbesondere die Städte ihren Einfluss für die Vertreibung der Juden geltend. Die Folgen waren gravierend, denn die Juden verloren ihren urbanen Lebensraum und wurden aufs Land abgedrängt. Dort aber waren Juden sowohl vom Handwerk, als auch vom Grunderwerb ausgeschlossen. Nach den vertreibungenaus reichsstädten und reichsabteien, konnten Juden nur in territorien unterschlupf finden, deren Herrschaften ihnen aus fiskalischen Interessen den Aufenthalt erlaubten. Meist waren das Territorien von Reichsrittern, n den großen Fürstentümern wurde ihnen bald wieder die Ansiedelung gestattet, allerdings gegen hohe Gebühren. In den reichsstädten Nürnberg, Schweinfurt und Rothenburg durften juden dagegen nicht einmal übernachten. 45 xr kassierte schweinfurt pro Tag von einem juden, der sich dort aufhielt und dazu musste er 15 xr an eine Person zahlen, die ihn begleitete und die Einhaltung überwachte. Der Nürnberger Rat erneuerte und verschärfte noch 1800 ein Judendekret von 1730, obwohl aufgeklärte Bürger aus humanitären für Lockerung plädiert hatten. Im fränkischen Gunzendorf durften sich dagegen 1722 Juden ansiedeln, als das Dorf an das Hochstift Würzburg fiel. Die Juden besetzten wohnungen, aus denen man die ansässigen Protestanten vertrieben hatte. Die miete war nicht geringer, als der Schutzzoll.

Die Blutspur mittelalterlicher Pogrome scheint sich in der Neuzeit zu verlieren, die Greuel, die während der Rindfleisch- und Armlederpogrome ganze Gemeinden in Franken ausgelöscht hatten, ereigneten sich nicht mehr, die exzesse wurden in manchen Traktaten Ende des !7. jhds bedauert, aber antisemitishe Feindseligkeit konnte schon einmal zu Plünderungen und Misshandlungen führen wie 1692 ein Würzburger Edikt vermerkte und 1699 mussten gegen Plünderungen im Bamberger Land Militär aufgeboten werden. Oft aber sah die obrigkeit weg, so dass es relativ risikolos wurde, Juden zu überfallen und auszurauben. Der Zigeuner Hannikel entschuldigte sich noch ende des 18. jhds, juden auszurauben könnte nicht so schlecht sein, wenn die meisten sich drüber freuten. Wenn Ritualmordgeschichten im 17. und 18. jhd in Frage gestellt wurden, mussten die juden 1656 ein Unschuldszeugnis für ein angeblich getötetes Kind in Feuchtwangen ablegen. 1687 heizte in Gerabrunn der Pfarrer eine Pogromstimmung an, die sich erst legte, als ein vermisstes Kind wieder aufgefunden wurde. Eine Bettlerin, die ihre Klientel kannte wurde 1797 von Bamberger Behörden ügesucht, weil sie mit einer ritualmordgeschichte gemeinsam mit ihrem Sohn gebettelt hatte.
 
Antisemitismus?

Interessant finde ich im Zusammenhang einen Artikel des evangelischen Theologen Pangritz.
Daraus:
...
2. Zur Terminologie: Eine terminologische Klärung scheint hier jedoch nötig zu sein.
Natürlich ist es anachronistisch, von Luthers „Antisemitismus” zu reden. Der Begriff des „Antisemitismus” stammt aus dem 19. Jahrhundert und meint primär die
rassistisch motivierte Feindseligkeit gegen Juden. Demgegenüber ist es unter
christlichen Theologen üblich geworden, bei religiös motivierter Judenfeindschaft
nicht von „Antisemitismus”, sondern von „Antijudaismus” zu reden. Und die
Empörung war groß, als Daniel J. Goldhagen es wagte, auch den „eliminatorischen
Antisemitismus” der Deutschen u.a. theologiegeschichtlich herzuleiten.[7]
Dazu wäre zu sagen, daß Differenzierung gewiß nicht schadet. Der Verdacht drängt sich jedoch auf, daß die säuberliche Unterscheidung zwischen Rassen-
Antisemitismus und religiös motiviertem Antijudaismus zur Verharmlosung des
letzteren dienen soll. Als machte es für die Verfolgten einen Unterschied, aus
welchen Motiven heraus die Täter handeln. Und – um hier auf Luther
zurückzukommen –: Luther hat gelegentlich durchaus zur „eliminatorischen” Tat aufgerufen.
Ich ziehe es daher vor, auch bei Luther von „Antisemitismus” zu reden, bleibe mir dabei jedoch der Tatsache bewußt, daß es historisch (und auch in Luthers
Biographie) durchaus verschiedene Spielarten von Antisemitismus gab und gibt.
..
(Man kann bewundernd staunen wie differenziert und kritisch sich evangelische Theologie mit Luther auseinandersetzt.)

Die "säuberlich" genaue Unterscheidung der Begriffe "Judenfeindlichkeit" oder "Antijudaismus" auf der einen Seite,
und des modernen Begriffs des "Antisemitismus",
hat eben auch den Effekt der Verwischung vorhandener Konturen.
Dieter hat es ja sehr zutreffend ausgedrückt:
Ob Synagogen nun aus antisemitischen oder antijudaischen Gründen angesteckt werden, ist letztlich wumpe.
http://www.geschichtsforum.de/684568-post129.html
 
Zuletzt bearbeitet:

meiner Ansicht nach ist es ein erheblicher Unterschied, ob man in der frühen Neuzeit schikaniert und weggejagt oder ob man im 20.Jh. industriell verschleppt und ermordet wird... in diese Extreme kann man den Unterschied zwischen antijudaisch und antisemitisch ebenfalls denken, ohne die Begriffe falsch zu verwenden. ...und das ist dann nicht mehr so locker vom Hocker "wumpe" ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
meiner Ansicht nach ist es ein erheblicher Unterschied, ob man in der frühen Neuzeit schikaniert und weggejagt oder ob man im 20.Jh. industriell verschleppt und ermordet wird...

Dekumatland,

es ist selbstverständlich ein wesentlicher Unterschied in der Potenz der Möglichkeiten des 20. Jhds zu erkennen.
 
Für mich stellt sich das Ganze bezügl. der Ausgangsfrage im Moment folgendermaßen dar:

Wer den Begriff Antisemitismus weiter fasst - "Antisemitismus" gewissermaßen als Synonym für besonders hartnäckige und krasse Judenfeindlichkeit gebraucht -, der kann und muss Luther einen Antisemiten nennen.

Wer den Begriff Antisemitismus enger fasst - ihn also im rassebiologischen Sinne versteht -, der kann Luther nicht einen Antisemiten nennen.

Beide Antisemitismus-Definitionen sind statthaft und, soweit ich das überblicke, in der Literatur anzutreffen. Was die Frage betrifft, ob Luther eine Antisemit war oder nicht, hängt m. E. mittlerweile alles an der Antisemitismus-Definition.


Was ein allzu starker Ausblick auf den Antisemitismus zur Zeit des Nationalsozialismus mit der Einschätzung der Ansichten Luthers über Juden zu schaffen hat, ist mir nicht klar.
Sicher, wollte man der Geschichte der Rezeption von Luthers Ansichten über die Juden nachgehen, so müsste man zwangsläufig auch auf den Antisemitismus zur nationalsozialistischen Zeit zu sprechen kommen.
Will man aber Luthers Ansichten in ihrer Zeit beurteilen und benennen (und ich dachte darum ging es hier eigentlich), ist das Einbeziehen viel späterer judenfeindlicher Strömungen (ganz egal wie ähnlich sie dem Luther sind) m. E. fehl am Platz.
 
Das sind keine langweiligen Definitionsübungen.

Es geht im Kern auch nicht um Vergleiche von Motiven des 16. und 20. Jahrhunderts, oder um vergleichenden Opferzahlen der frühen Neuzeit, mit der Abstufung bis zum eliminatorischen NS-Antisemitismus.

Es geht final um den Disput, ob sich zwischen Luthers Hetze und Hass gegen Juden und den Verbrechen des 20. Jahrhunderts "Kontinuitäten" sehen lassen, und wenn ja, ob dies sogar in einer kausalen Kette gesehen werden sollte. In der Diskussion spielt es eine untergeordnete Rolle, ob Luthers Hass eher theologisch begründet ist, in Abgrenzung zu späteren sozialdarwinistischen oder rassistischen Motiven.

In dem Sinne ist die Themenüberschrift auch kein Selbstzweck, oder ruckzuck mit dem Hinweis auf Definitionen, einem Irrtum zwischen 3 Jahrhunderten, und abweichenden Opferzahlen zu klären.
 
Luther gehörte, am Ende des Mittelalters, in denn sogenannten "sächsischen Reichskreis".
Hier ist neben vielen anderen auch die Abstammung wichtig, zumindest außerhalb der Städte, da bestimmte immer noch die Mutter den Stand.
Von daher hat Luthers Sicht der Juden sicher auch , im modernen klassischen Sinn antisemitische Züge. Allerdings war Luther nicht rassistischer als sein Umfeld. Wir dürfen nicht vergessen die allgemeinen Menschenrechte gabs nicht, "über die Rechte eines Christenmenschen" von Herzog Julius von Braunschweig ist gerade eben verfasst (auch hier werden Juden nicht wahrgenommen) usw.
Toleranz gegen "Andersgläubige" , ja Toleranz, sind Fremdwörter....
Luther lebte und wirkte quasi in einem antisemitischen Umfeld. In einem antislawischen aber auch, nebenbei bemerkt. Andere Minderheiten gabs nun mal nicht

Und als Kind seiner Zeit und seiner Region war er ein Antisemit, wie jeder andere auch
 
...
Es geht final um den Disput, ob sich zwischen Luthers Hetze und Hass gegen Juden und den Verbrechen des 20. Jahrhunderts "Kontinuitäten" sehen lassen, und wenn ja, ob dies sogar in einer kausalen Kette gesehen werden sollte. ....

Gut prononciert. Das Continuum ist m.E. die Judenfeindlichkeit, aus welcher Motivlage auch immer: theologischer, rassenbiologischer, aus "Sozialneid", oder wie es scorpio w.o. formulierte, "weil man die Juden nicht leiden konnte", also einer eher diffusen bzw. vermengten Motivlage, individueller Motivlage, die dann auf alle Juden projeziert wurde, fiskalische Motive, politische Motive etc. Diese Kontinuitätskette kann faktisch beliebig erweitert werden und findet sich in der Geschichte aller europäischen Ländern. Sie findet Ausdruck in vielerlei Gestalt wie Progrome, "kalte Progrome" @scorpio danke für diesen Begriff, also Ausweisungen, darüber hinaus diskriminierende Bekleidungsvorschriften, Berufsverbote, "Judensteuern", "Kammerknechtschaft", Einschränkung der Rechtsfähigkeit, auch diese Kette läßt sich beliebig fortsetzen.

Diese potentielle und offene Judenfeindlichkeit läßt sich in allen europäischen Staaaten nachweisen, egal ob katholisch, protestantisch, orthodox oder auch antireligiös geprägt und unabhängig von der Staatsform und der Epoche.

Warum dieses Continuum sich durch die europäische Geschichte zieht, ist schwer fassbar, da die Motivlage so umfassend war/ist.

Ideengeschichtlich reiht sich da Luther gut ein, er ist nur dadurch sozusagen historisch auffällig, weil er eine hohe historische Wirkungsmächtigkeit hat.

@silesia

"... Es geht final um den Disput, ob sich zwischen Luthers Hetze und Hass gegen Juden und den Verbrechen des 20. Jahrhunderts "Kontinuitäten" sehen lassen, und wenn ja, ob dies sogar in einer kausalen Kette gesehen werden sollte. ..."

Hervorhebung durch mich.

Unterstellen wir dieses Continuum, was denke ich unbestreitbar ist, muß diese Kausalität verneint werden. Ursächlich ist ein "Qualitätssprung", einerseits Judenhass, Judenfeindlichkeit mit allen vorstehnd genannten Ausprägungen aber, dieses stellt nicht die physische Existenz der Juden in ihrer Gesamtheit infrage, dazu finde ich auch nichts bei Luther. Verfolgung, Diskriminierung auch bei Luther, ja; Vernichtung bzw. Auslöschung, nein.

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Übrigens, Luther geht in seiner "Judenpolemik" nicht nur nicht über III. LK, Can. 26 hinaus, sondern er er bleibt auch getreulich bei Augustinus.

M. :winke:
 
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