Hannibal hat nicht etwa die Bewohner massakriert, sondern die Stadtmauern geschleift und die Bevölkerung in von ihm noch kontrolliertes Gebiet zwangsweise deportiert.
Hannibals Methode bei Rückzügen war ZWANGSDEPORTATION nicht MASSAKRIEREN von Verbündeten!
Hätte Hannibal genug Schiffsraum gehabt, dann wäre er wohl ähnlich vorgegangen, weil alles andere gegen seine Interessen verstiess.
Was hat das genau mit unserer Diskussion zu tun? Hannibal ließ die abtrünnigen Italiker doch nicht massakrieren, weil er verbrannte Erde hinterlassen wollte oder weil er nicht genug Schiffsraum für sie hatte, sondern weil sie ihm nicht folgen wollten. Diejenigen, die ihm folgten, nahm er mit. Er massakrierte nicht seine Verbündeten, er wollte sie nicht einmal nach Afrika zwangsdeportieren, sondern forderte sie auf, ihm zu folgen. Wer das nicht wollte, wurde nicht etwa in Ketten gelegt (außer vermutlich diejenigen, die von seinen Soldaten versklavt wurden), sondern getötet. Das waren allerdings keine Verbündeten mehr, sondern (zumindest aus seiner Sicht) Abtrünnige, Verräter, Deserteure.
Einen weiteren Aspekt haben wir noch nicht beachtet. Hat Hannibal seine Pläne in Italien wirklich vollständig aufgegeben als er im Jahre 203 abzog?
Wenn er sich eine Option nach Italien zurückzukehren offenhalten wollte, wäre das Abschlachten von Verbündeten ein absolutes "no Go".
Es gibt keinen Beweis für derartige Absichten Hannibals aber ein klares Indiz. In seinem Exil nach dem Krieg diente Hannibal als Militärberater des Königs Antiochos in dessen Krieg gegen Rom.
Hannibal unterbreitete Antiochos einen Plan ihm ein Heer zu unterstellen. Mit diesem wollte er zunächst nach Karthago um dort eine von ihm kontrollierte Regierung einzusetzen und dann wieder in Süditalien landen. Diese Pläne wurden aber von König Antiochos nicht umgesetzt.
Als Hannibal aus Italien abzog, konnte er doch noch nicht wissen, dass sich ihm Jahre später bei Antiochos eine neue Chance eröffnen würde. Insofern sind Hannibals Exil und Pläne bei Antiochos kein Argument dafür, dass er bereits bei seinem Abzug aus Italien seine baldige oder auch spätere Rückkehr plante. Er könnte auch erst bei Antiochos auf die Idee gekommen sein, den Krieg gegen Rom nicht in Griechenland auszutragen, sondern wieder ins Herz des Feindes zu tragen.
Aber grundsätzlich stimme ich Dir zu: Als Hannibal Italien verließ, ließ er ein paar Garnisonen zurück. Das könnte in der Tat darauf hindeuten, dass er einen Brückenkopf behalten wollte, um nach der Vernichtung Scipios zurückzukehren. Es könnte aber auch bedeuten, dass er bloß den Römern noch ein bisschen Arbeit hinterlassen wollte. Vielleicht wollte er auch einen Kleinkrieg in Süditalien anzetteln.
Trotzdem kann ich nur noch einmal betonen: Er schlachtete nicht Verbündete ab, sondern Abtrünnige. So etwas war durchaus nicht ungewöhnlich.
Im Übrigen hast Du selbst schon von ihm durchgeführte Zwangsumsiedlungen erwähnt. Er siedelte auch 3.000 karthagerfreundliche Bürger aus Thurioi und 500 weitere vom Land nach Kroton um, das er zum Hauptquartier ausbauen wollte. Solche Zwangsumsiedlungen sind auch nicht gerade die freundlichste Art, mit Verbündeten (und die genannten Thurier waren wirklich Verbündete, keine Abtrünnigen) umzugehen. Seine Beliebtheit wird er damit auch nicht gesteigert haben. Aber Du weist doch selbst gerne darauf hin, dass die Römer gnadenlos gewesen seien und Hannibals Verbündeten ohnehin keine Möglichkeit für einen erneuten Seitenwechsel offengestanden sei. Wenn man davon ausgeht, konnte es Hannibal egal sein, was seine verbliebenen Verbündeten von ihm hielten, weil sie ohnehin an ihn gebunden waren. Mit dem Abfall von Städten, die bislang den Römern treu geblieben waren, war ohnehin nicht mehr zu rechnen.
Ich halte Seibert's Beweis, dass Livius seine eigene Aussage entlarft hat, für stichhaltig und den Versuch, da was anderes hineinzuinterpretieren für schwach. Ich denke das Vorwürfe an mich oder moderne Historiker Hannibal einfach nur reinwaschen zu wollen unbegründet sind. Es gibt jede Menge objektiver Gründe (siehe verherige Beiträge) warum ein Massaker für Hannibal nicht nur keinen Sinn macht, sondern auch gegen Hannibals eigene Interessen ist.
Die hartnäckige Ignoranz gegen diese Argumente kann ich nur schwer nachvollziehen. Hundert Jahre Geschichtsforschung kann man doch nicht einfach ignorieren!
Dann erkläre mir doch bitte einmal, warum Diodor ein römischer Siegergeschichtsschreiber, der Hannibal diskreditieren wollte, gewesen sein soll.
Dann machen wir einmal ein Gedankenexperiment: Bekanntlich wurden etliche Einwohner von Tyros nach der Eroberung der Stadt durch Alexander den Großen massakriert, der Rest versklavt. Das wissen wir aus griechischen und römischen Quellen. Aber was wäre, wenn wir es stattdessen nur aus phoinikischen und persischen Quellen wüssten? Wie würden dann moderne Autoren das Massaker werten? Würden sie es dann nicht auch als gezielte Diskreditierung Alexanders durch den Feind verwerfen und behaupten, dass den Einwohnern nach der Eroberung ihrer Stadt in Wahrheit kein Leid zugefügt wurde? (Nicht auszudenken, wenn wir verschiedene Untaten Caesars in Gallien nicht aus seinem eigenen Werk, sondern aus gallischen Quellen kennen würden ...)
Bei Hannibals Massaker sind wir in der glücklichen Lage, zwar keine karthagische, aber zumindest eine nichtrömische Quelle dazu zu haben, trotzdem wird sie hartnäckig ignoriert.
Was nun die "objektiven Gründe" betrifft, kann ich nur noch einmal darauf hinweisen, dass die Ermordung Abtrünniger und Unwilliger gerade auch bei den Römern eine praktizierte Disziplinierungsmaßnahme war. Die Alternative wäre gewesen, dass Hannibal seinen Kriegern gestattet, zu tun und zu lassen, was sie wollen - und jeden, dem gerade danach war, seinen Abschied nehmen zu lassen. Das war bestimmt nicht in Hannibals eigenem Interesse.
Und was Livius' "Entlarvung" betrifft, erkläre mir doch einmal, was daran "schwach" sein soll, wenn ich vermute, wenn ein Censor den Heratempel ausraubt und ihn die Senatoren dafür kritisieren, indem sie sagen, er habe einen Tempel verletzt, den nicht einmal Pyrrhos und Hannibal verletzt hätten, dass sie dann damit meinten, dass ihn nicht einmal Pyrrhos und Hannibal ausgeraubt hätten, und nicht dass sie meinten, er habe einen Tempel verletzt, den Hannibal nicht durch ein Massaker entweiht hatte.