Sumer und der Indus

Nennt er für seine Hypothese irgendwelche handfesten Anhaltspunkte?

Es gibt einen gewaltigen Anmerkungsapparat, dessen Durchforstung ich mir allerdings geschenkt habe. Dass die Sumerer von Osten zugewandert sein könnten, las ich bereits mehrfach. Im Kern stand dahinter immer die Abstammungslegende der Sumerer vom sagenhaften "Dilmun" - das man nicht gleichsetzen könne mit der Insel Dilmun/Bahrein - und die vorsumerischen Namen einiger Städte Südmesopotamiens.

Viele Hypothesen zielen allerdings darauf ab, dass sich die Sumerer autochthon aus der Obed-Kultur entwickelt haben. Das alles ist bis heute umstritten.
 
Es gibt einen gewaltigen Anmerkungsapparat, dessen Durchforstung ich mir allerdings geschenkt habe

Die Argumente befinden sich im Haupttext, nicht in den Anmerkungen.
Dazu gibt es genau 1 Anmerkung des Herausgebers.

Saggs schreibt:

1. "Die Ergebnisse von Geländebegehungen, so genannten Surveys, an mehreren archäologischen Fundorten deuten darauf hin, dass es nach der mittleren Uruk-Zeit in Südwestiran einen größeren Bevölkerungsrückgang und im südlichsten Teil Babyloniens einen Zuwachs gab. Diese Beobachtung ließe sich mit einer Einwanderung südwestiranischer Volksgruppen nach Babylonien erklären." (S. 35)

2. "Einige Mythen berichten von dem Land Dilmun, das man sich wie ein Paradies vorstellte, weil es dort weder Krankheit noch Tod gab. Obwohl nach 2200 v. Chr. der Name Dilmun die Inseln Bahrain und Failaka, möglicherweise auch die sie umgebende arabische Küste des Persischen Golfs bezeichnete, scheint er sich im frühen 3. Jahrtausend v. Chr. auf eine Region zu beziehen, die im südlichen Iran lag." (S. 38)

3. "Ein weiterer Bezug zu Iran findet sich in einem Epos, in dem von den Bewohnern von Uruk berichtet wird, dass sie mit dem hinter sieben Bergketten liegenden Land Aratta Handel trieben. Da es sich bei den genannten Bergen nur um den Zagros gehandelt haben kann, muss Aratta in Iran zu lokalisieren sein. Den Schilderungen des Epos zufolge, scheinen beide Völker die Göttin Inana verehrt und eine gleichartige Kultur gehabt zu haben. Außerdem verständigten sie sich offensichtlich in derselben Sprache. Mit aller Vorsicht darf dies möglicherweise als Hinweis darauf gelten, dass die Region, in der die älteste Sumerisch sprechende Volksgruppe vor ihrer Ansiedelung in Babylonien lebte, weiter östlich lag als vermutet." (S. 38)

In der Anmerkung des Herausgebers wird darauf hingewiesen, dass Aratta auch ein mythischer, nicht lokalisierbarer Ort "in weiter Ferne" bedeuten könne.
Das schränkt die Gültigkeit des dritten Arguments wohl ziemlich ein.

Das zweite Argument ist kein Argument, sondern eher ein Zirkelschluss. Für eine Lokalisierung von Dilmun im Iran gibt es keine schriftlichen Hinweise, und schon gar nicht aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. Die Dilmun-in-Iran-Hypothese ist vom Aratta-Mythos abgeleitet. Meint jedenfalls die englische Wikipedia: Dilmun - Wikipedia, the free encyclopedia
 
Sehr schön, danke Sepiola, das klingt doch sehr plausibel nach den direkten südöstlichen Nachbarn am Golf, das spätere Elam, die Gegend um Susa. Elam (Altertum) ? Wikipedia

Nun müßte man nur noch wissen, aus welchen Gründen die Menschen über den Zagros ins mesopotamische Nachbartal migrierten.
 
Nun müßte man nur noch wissen, aus welchen Gründen die Menschen über den Zagros ins mesopotamische Nachbartal migrierten.

Dass die Sumerer aus dem iranisch/pakistanischen Raum kamen, ist nur eine von vielen Hypothesen. Stark favorisiert wird vor allem die Vermutung, dass sich die Sumerer autochthon aus der Obed-Kultur entwickelten.
 
Nun müßte man nur noch wissen, aus welchen Gründen die Menschen über den Zagros ins mesopotamische Nachbartal migrierten.

Wenn man einerseits den Betrachtungszeitraum eingangs etwas ausdehnt, und den Blick andererseits regional auf Mesopotamien beschränkt, gab es ja mehrere Wellen des "Hin- und Herschwappens" von Populationen zwischen dem nördlichen Teil bis Anatolien und dem südlichen Mesopotamien.

Hinweise können sich aus den Warenströmen und den Untersuchungen der Tierbestände (Schafe) ergeben. Der rege Handel mit den östlichen Gebieten kann eine Grundlage auch für Siedlungsbewegungen im Verlauf des 3. Jtsd. geben. Ein weiterer Aspekt ist der vermutete rasante Anstieg der Tierbestände, die nun eben nicht auf Nahrungsknappheiten hindeuten. Offenbar führte aber das Wachstum der Population, ggf. auch durch den Zustrom aus dem Osten, dann zu Problemen gegen Ende des 3. Jahrtausends (wenn man den Untersuchungen zu den Siedlungszahlen und -größen folgt, die dann wieder abnehmende Tendenzen aufweisen).

Kohl, The Making of Bronze Age Eurasia, dort Kapitel 5: Entering a sown world of irrigation agriculture - Process of movement, assimilation and transformation into the "civilized" world east of Sumer.

EDIT: entsprechend der Themenüberschrift müsste man dabei auch die kleineren kulturellen "Zentren" zwischen Sumer und Indus, die anscheinend über diesen Austausch wie "Scharniere" funktioniert haben, andererseits ebenfalls durch Austausch beinflusst wurden, betrachten.
 
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In diesem Zusammenhang ist vieleicht eine vor einigen Jahren bei ARTE ausgestrahlte Doku interessant, bei der es um neuere Ausgrabungen im südlichen Iran geht (einfach bei YT als Suchbegriff Aratta eingeben). Die These das es sich bei der dort gefundenen Kultur um das von den Sumerern "Aratta" genannte Land handeln könnte, scheint mir recht plausibel.
 
Es gibt da eine Reihe von Hypothesen.
Aratta - Wikipedia, the free encyclopedia

Und möglicherweise verschiedene Verweise auf Aratta in M1 und M3:

"Legendary city of great wealth and power, referred to in M3 Sumerian literary and lexical texts, and often sought, on the basis of the literary references to it, in the highlands of Iran east or northeast of Anshan. Aratta may have been a real city, but this cannot be confirmed. Its fabled wealth was due to the vast quantities of precious stones and metals which the local population extracted from their mines. According to the literary tradition, seven mountains had to be crossed within or beyond Anshan in order to reach Aratta. The city’s conquest was the greatest achievement of Enmerkar, a legendary early Sumerian king of Uruk known from several Sumerian poems. In two of these poems, the king is supported in his attack upon Aratta by his son, and by the hero Lugalbanda and his seven brothers. A city named Aratta is supposedly attested also in M1 texts, and there has been some debate as to whether it should be identified with Sumerian Aratta; however, the M1 attested city is clearly located in Babylonia, and in any case the cuneiform signs which represent its name should be read ‘Bas’ (a town near Sippar) rather than ‘Aratta’."

Routledge Handbook: Peoples and Places of Ancient Western Asia.
 
In diesem Zusammenhang ist vieleicht eine vor einigen Jahren bei ARTE ausgestrahlte Doku interessant, bei der es um neuere Ausgrabungen im südlichen Iran geht (einfach bei YT als Suchbegriff Aratta eingeben). Die These das es sich bei der dort gefundenen Kultur um das von den Sumerern "Aratta" genannte Land handeln könnte, scheint mir recht plausibel.

Ob die im südiranischen Hochland ausgegrabene Ortschaft das legendäre sumerische Aratta war, sei dahingestellt. Stichhaltige Beweise dafür fehlen. Aber auch wenn es nicht "Aratta" war, so hat man immerhin einen bemerkenswerten Ort ausgegraben, der bereits vor über 5000 Jahren eine kulturell bemerkenswerte Höhe erreichte. Und die Archäologen haben Handelsströme Richtung Westen ermittelt, d.h. ins mesopotamische Tiefland hinein.

Manche sprechen hier bereits von der Dschiroft-Kultur, da der ausgegrabene Ort nahe dieser iranischen Stadt liegt und man bereits ein größeres Areal mit noch anderen Fundplätzen erforscht hat. Diese Kultur wäre dann ein Bindeglied zwischen der Indus-Kultur und der sumerischen Kultur gewesen - möglicherweise. http://de.wikipedia.org/wiki/Jiroft-Kultur

Bislang war der Raum des späteren Persien immer ein archäologisch weißer Fleck, den man sich höchstens von wilden, unzivilierten Bergvölkern bewohnt vorstellte. Diese Vorstellung hat jetzt Risse bekommen.
 
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Weniger zum Aufstieg, sondern zu den diversen Klima-Hypothesen beim Niedergang der (Harappan-)Induskultur gibt die neue Publikation einige (die Klima-Hypothese nicht bestätigende) Erkenntnisse:

PLOS.one, wie üblich im open access:
Altered cropping pattern and cultural continuation with declined prosperity following abrupt and extreme arid event at ~4,200 yrs BP: Evidence from an Indus archaeological site Khirsara, Gujarat, western India

Der Aufsatz zur Phase etwa 4200 BP ist auch gerade wegen der Aufarbeitung der archäologischen Arbeiten der letzten Jahre interessant. Datüber hinaus gibt es ein dickes Literaturverzeichnis zu Harappa-Publikationen.
 
Ich erhielt gestern (sicher nicht als einziger) eine PN von Pjotr Steinkeller über das Erscheinen des folgenden Werks:

(academia.edu)

Babylonia, the Gulf Region and the Indus - Archaeological and Textual Evidence for Contact in the Third and Early Second Millennia BC

(Buchbesprechung)

Babylonia, the Gulf Region and the Indus: Archaeological and Textual Evidence for Contact in the Third and Early Second...

Laursen and Steinkeller rigorously review textual and archeological data. One comes away with a sense of how delicate the ebb and flow of trade between Oman [Makkan], Bahrain [Dilmun], Marhasi [southeastern Iran], the Indus civilization [Meluha], and Mesopotamia was in the 3rd millennium. Intense periods of contact and exchange were followed by fallow ones. One can infer that trade relationships were dependent on political, religious, tribal, or navigational ties that were fragile and subject to disruption.
 
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David Reich, bekannt durch seine Mitwirkung an den diversen paleogenetischen Studien zur Früh- und Vorgeschichte, bewirbt nun sein neues Buch zum Stand der Forschung im "indischen Spiegel":

Buch:
Who We Are and How We Got Here: Ancient DNA and the New Science of the Human Past

Artikel Indien in "The Caranvan":
The Collision that Formed India

Wieder treibt ihn sein Spezialgebiet herum, die Wanderungsbewegungen zwischen Neolithikum und früher Bronzezeit. Während es in Europa um Yamnaya-"Steppeinvasionen" in der Ost-West-Richtung und eine Bevölkerungsveränderung im späten Neolithikum bis nach England aufgezeigt wird, geht es hier um die West-Ost-Richtung nach Südasien (und in anderen Publikationen weiter bis Südostasien).
 
Weniger zum Aufstieg, sondern zu den diversen Klima-Hypothesen beim Niedergang der (Harappan-)Induskultur gibt die neue Publikation einige (die Klima-Hypothese nicht bestätigende) Erkenntnisse:

PLOS.one, wie üblich im open access:
Altered cropping pattern and cultural continuation with declined prosperity following abrupt and extreme arid event at ~4,200 yrs BP: Evidence from an Indus archaeological site Khirsara, Gujarat, western India

Der Aufsatz zur Phase etwa 4200 BP ist auch gerade wegen der Aufarbeitung der archäologischen Arbeiten der letzten Jahre interessant. Datüber hinaus gibt es ein dickes Literaturverzeichnis zu Harappa-Publikationen.

Zum "4.2ka-event", zur Klimaveränderung etwa vor 4200 Jahren, gibt es jetzt ein Sonderheft der Climate of the Past (CP).
CP – Special issue – The 4.2 ka BP climatic event

Darunter eine Publikation (ua beteiligt Staubwasser, Uni Köln) zu den massiven, 300 Jahre dauernden klimatischen Veränderungen (Dürre, Abkühlung), mit den Folgen für die Induskultur.

CP - Indian winter and summer monsoon strength over the 4.2 ka BP event in foraminifer isotope records from the Indus River delta in the Arabian Sea
 
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