Hatten wir eigentlich den Papst mit seinem Kirchenstaat zu den Gewinnern gezæhlt? Ich meine, man sollte das tun. Immerhin war der Kirchenstaat gænzlich von der Karte verschwunden.
Das die anderen Mæchte nicht zumindest versuchten, sich Teile unter den Nagel zu reissen, sondern diesen Staat in der alten Grøsse wieder aufleben liessen, erstaunt mich.
Vermutlich hat man sich gegenseitig nicht mehr gegønnt, und ein einiges Italien zu verhindern wichtiger.
Wie auch immer: Ein Gewinner.
Ganz so einfach war es dann nicht.
Der Papst schickte seinen besten Mann zum Kongress:
Ercole Consalvi ? Wikipedia
Dieser forderte dann alle ehemaligen päpstlichen Gebiete und Legate zurück, einschließlich Avignon und des Venaissin, die bis 1790 zum päpstlichen Stuhl gehörten.
Consalvi war bemüht, zu allen wichtigen Fürsten und Gesandten gute Beziehungen zu unterhalten.
In die Quere kam ihm ein Vorschlag Talleyrands, den päpstlichen Vertreter zum Leiter einer allg. Kommision zu machen, da in dieser Funktion Consalvi sich Feinde machen konnte (musste), da der Vatikan dann Stellung zu den Forderungen der einzelnen Mächte hätte beziehen müssen. Ein Gebet: "Gott möge nicht zugeben, dass der Vorschlag Herrn Talleyrands angenommen wird!" half dann auch.
Frankreich und Österreich, beide in Italien engagiert, verlangten dann, dass der Papst auf die Fürtentümer Pontecorvo und Bénévent verzichten solle.
Consalvi ließ nicht davon ab, nicht nur die Legationen zu verlangen, er begründete dies auch mit der These, dass keine Abtretung gültig sei, da der Papst nur Sachwalter, nicht aber Besitzer des Erbteils Sankt Petri sei.
Er ließ auch durchblicken, dass, sollten die Rechte des Heiligen Stuhls nicht geachtet werden, geistliche Blitzschläge - sprich Exkommunikation - gegen die widerspenstigen Herrscher zur Anwendung kommen könnten, was Franz I. zu einem Stirnrunzeln veranlasste.
Man einigte sich dann. Der Heilige Stuhl erhielt fast alles zurück. "Mit dem Friedensvertrag sollten dem Papst die Legationen Pontercorvo und Bénévent wiedergegeben werden. Der Heilige Stuhl würde wegen Avignon [und des Venaissin], wegen der kleinen Abtretung im Gebiete von Ferrara und wegen des Rechtes, in Ferrara und Comacchio Garnisionen zu halten, wohl protestieren, aber mit Maß, und nicht die ganze Christenheit in Feuer und Flamme setzen.", schließlich wollten die Mächte nicht als "Plünderer Jesu Christ dargestellt werden."
Ein Brief bereitete Consalvi angeblich schlaflose Nächte:
Talleyrand hatte ihm einen Brief seiner Frau mit den höflichsten Schmeicheleien übergeben lassen.
Ein Brief, der beantwortet werden musste, schließlich mussten auch zu Frankreich und zu seinem Vertreter gute Beziehungen bestehen.
Aber wie?
An die Fürstin von Talleyrand zu schreiben ging nicht, da dies ein Anerkenntnis der Ehe des ehem. Bischofs bedeutet hätte,
an Mme. Grand zu schreiben ging auch nicht, dies hieße ihr Schimpf anzutun und sie als Konkubine zu brandmarken,
nicht zu antworten wäre eine Beleidigung für sie und auch ihren Mann.
Kardinal Pacca wusste Rat: er empfahl, "mit einem höflichen Brief zu antworten, dessen Überschrift einfach 'Madame' lautete, die Adresse auf dem Umschlag mit sämtlichen Titeln von jemand anders schreiben zu lassen und den Brief mit einem Siegel zu schließen, das nicht das seine wäre; den Brief endlich mit der Post zu schicken, nicht aber dem Fürsten Talleyrand zu übergeben." So geschah es dann.
Grüße
excideuil
Vergl.
Ferrero, Guglielmo: „Wiederaufbau – Talleyrand in Wien“, Leo Lehnen Verlag, München, (1950), Seiten 213, 278/9, 328/9
Nicolson, Harold: „Der Wiener Kongress – Über die Einigkeit unter Verbündeten 1812-1822, Atlantis Verlag, Zürich, o.J., Seite 225