WK-1: "Deutschland trug zweifellos große Schuld am Kriegsausbruch"

Bei Bethmanns und auch Jagows Handeln in der Julikrise muss m.E. das kurz vorher Bekanntwerden der britisch-russischen Verhandlungen zwecks einer Marinekonvention in Rechunung gestellt werden, will heissen, wie wurde die Entscheidung dieser Männer durch die Affäre der Marinekonvention beeinflusst?

Eines dürfte jedoch klar sein. Die Enttäuschung von Bethmann war sehr groß, zu dem er von London nicht die Wahrheit zu hören bekam.
 
Es gab keine fest ausgearbeitete Operationsplanung außerhalb der Rahmenüberlegungen von Schlieffen und Moltke, lediglich die jährlichen "Kriegsspiele". Auf diese griffen die Akteure, wie zB von Kluck, nach eigenen Erfahrungen zu, hatten aber keine "Blaupause" zur Hand.

Das war Fakt für Bethmann-Hollweg, und in die Kalkulationen der Risikostrategie einzubeziehen.

Der Glaube an den Erfolg der Planung für 1914 scheint ein generelles Problem im Vorfeld der Feldzüge gewesen zu sein, wie Hamilton es ja unter "War Planning" im 1. Kapitel ausführt. Und erstaunlicherweise nahezu keine alternaven Szenarien vorbereitet worden sind und ebenfalls die Planung für den weiteren Verlauf nahezu fehlte. Und somit eigentlich auch keine Vorstellung, wie sich der Krieg entwickeln würden. Außer der Hoffnung, er würde kurz sein.

http://books.google.de/books?id=YFwwVhrlXsEC&printsec=frontcover&dq=war+planning+1914&hl=de&sa=X&ei=bMzmUsWUNYfBswaCwoHYBg&ved=0CDMQ6AEwAA#v=onepage&q=war%20planning%201914&f=false

Allerdings und das verwundert denn schon, Moltke und seine Kollegen zogen informell bereits in 1914 durchaus einen langen Krieg mit völlig unsicherem Ausgang ins Kalkül. (Berghahn, Sarajewo 28. Juni 1914, S. 99).

Und am 28. Juli schrieb Moltke an Bethmann Hollweg einen Brief, der sich wie eine Prognose der dann folgenden Ereignisse las, indem er prognostizierte, dass „die Kultur fast des gesamten Europas auf Jahrzehnte hinaus vernichtet“ wird (ebd. S. 107).

Diese Vorstellungen paßten so gar nicht mehr in die "überlegene" Feldzugsplanung des deutschen Generalstabs. Und spätestens an diesem Punkt hätten Moltke und Bethmann Hollweg den konsequenten Weg der Deeskalalion beschreiten müssen und das "Schlafwandeln" beenden. Und natürlich auch alle anderen Militärs und Politiker in Europa!

Bei Bethmanns und auch Jagows Handeln in der Julikrise muss m.E. das kurz vorher Bekanntwerden der britisch-russischen Verhandlungen zwecks einer Marinekonvention in Rechunung gestellt werden, will heissen, wie wurde die Entscheidung dieser Männer durch die Affäre der Marinekonvention beeinflusst?

Im Juli - ist jetzt aus dem Kopf zitiert - zog Bethmann Hollweg seine vermeintliche Trumpfkarte aus dem Ärmel und bot den Briten an, die Niederlande neutral zu belassen und keine territorialen Forderungen gegenüber Frankreich zu formulieren. Und verlangte im Gegenzug die Neutralität. Das wurde natürlich abgelehnt!

Dass die Kanalküste von Belgien ein sehr sensibles Küstenvorfeld für GB bildete und da noch - quasi im Hintergrund - die politisch und militärisch relativ sinnfreie "Risikoflotte" lauerte, schien Bethmann übersehen zu haben.

Wie insgesamt die Dimension der von GB seit 1832 garantierte Neutralität Belgiens nicht ausreichend im DR berücksichtigt worden schien. So schreibt Berghahn „Auch Moltke scheint eine mögliche Intervention Großbritaniens bei den diversen Verfeinerungen seines Westaufmarschplanes nicht ernst genommen zu haben.“ (Der erste Weltkrieg, S. 35). Die entsprechende Kommentierung der Kampfkraft der französischen Armee, des britischen Expeditions-Korps und der belgischen Streitkräfte durch die deutsche Armee war zudem durch eine gewisse Form der Überheblichkeit gekennzeichnet.

Deswegen würde ich die "Marinekonvention" in der akuten Bedeutung für Bethman Hollweg oder Jagow in 1914 eher geringer ansiedeln, zumal sie, zusammen mit Riezler, noch von der Kalkulierbarkeit ihrer Risikostrategie an der Peripherie, dem Balkan, "überzeugt" waren. Bzw. im Fall von Bethmann Hollweg die Sicht in 1914 einer allgemeinen pessimistischen Bewertung wich.
 
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So wie ich es zu verstehen versuche,
sind die Riezler-Tagebücher eine wesentliche Quelle für die Ergründung der Geisteshaltung von Bethmann Hollweg.
...
Hierin liegt das zentrale, ja
das weltgeschichtliche Versagen
Riezlers und seines Mentors, das
um so auffälliger ist, als Riezler es
niemals als ein solches begriffen zu
haben scheint. Fritz Stern brachte
dieses Faktum auf den Punkt,
als er 1967 schrieb, dass Riezlers
Aufzeichnungen „für die deutsche
Politik am meisten durch das
belasten, was sie nicht enthielten
– durch das Fehlen von Stellen, die
Bethmanns Bemühungen um den
Frieden dokumentiert hätten.“ Was
für Bethmann galt, galt auch für
seinen Sekretär.
...
http://www.badw.de/aktuell/akademie_aktuell/2008/heft4/07_Afflerbach.pdf

hatl

(Vielleicht kann man auch sagen und vermuten, dass die technische Entwicklung (industrielle Massenproduktion von Waffen, bei gleichzeitiger geradezu abenteuerlicher Steigerung deren Wirksamkeit und der Wirtschaftskraft insgesamt) schneller war als die Entwicklung des Vorstellungsvermögens der Akteure an der Spitze der Entscheidungsgewalt .. und auch der Nahrungskette.)
 
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Interessanter Beitrag: Zocker brachen 1914 den großen Krieg vom Zaun.

Das Jahr 2014 wird vielleicht doch viel für das Bewusstsein der Leute tun, egal ob solche Thesen sich letztlich als richtig oder falsch erweisen. Wenn ich an meinen Geschichtsunterricht zurück denke, damals haben sich nur eine Handvoll Mitschüler dafür interessiert...
 
Interessant ist an dem Medienrummel eigentlich zweierlei.

Einmal wird das Interesse gesteigert, was die Historiker sicher freut (und den Verkaufszahlen und der Nachfrage nach Statements förderlich ist).

Die nun relevanten "Plattformen" wie Kurzfilme, Podiumsdiskussionen etc. tragen aber zu dem Forschungsstand nichts bei. Immerhin lässt sich Altbekanntes wie die "calculated risk"-Strategie neu aufwärmen (siehe Artikel) und als neuer (?) Konsens verkaufen.:D
 
Das mag sein, aber mehr Interesse dürfte der Forschung mehr Mittel bringen. Vor allem aber scheint mir Bedarf daran zu bestehen, die vorhandenen Erkenntnisse in den verschiedenen Ländern zu verbreiten. ;)

Das hast Du recht, und das meinte ich mit positiven Wirkungen des allgemeinen Interesses.

Die negative Einschränkung war bzgl. des Erkenntniswertes solcher "Podiumsdiskussionen", die höchstens Unterhaltungswert aufweisen (sozusagen ein intellektuell aufgemotzter Stammtisch), aber eben nichts zur Forschung beitragen. Selbst die Zusammenfassungen sind wertlos.

Aber wie man hier im Forum anhand von für den Erkenntnisstand belanglosen Presselinks betrachten kann, findet der Unterhaltungswert große Beachtung. Sonst würde das wohl kaum gepostet. Ich finde das ganz interessant, weil im Gegensatz dazu kaum Diskurse über die Substanz der diskutierten Forschungen, über Deutungen anhand von Nachweisführungen, und Analysen geführt werden. Die headlines von tatsächlichen oder sogar nur angeblichen Ergebnissen sind wichtiger als das warum, wann und "wie genau". Nicht einmal zwischen Deutungen und Ereignisbeschreibungen wird hinreichend unterschieden, Hauptsache: "es passt". Tiefer "Eingestiegen" (im Forum) wird fast nie, oder das wäre mir entgangen.

Mal sehen, ob das 100-jährige mehr flockige und deutungslastige Schnellschriften bringen wird, um die Marktlage mitzunehmen, oder doch noch substantiell neue Analysen (das ist natürlich rein subjektiv betrachtet, und gemessen an dem Stand, den ich kenne).
 
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Und noch ein Buch zum Thema mit frischen Sichtwinkeln, das derzeit offensiv beworben wird:

Herfried Münkler - Der Große Krieg, Rowohlt Berlin, seit 06.12.2013 im Handel,


Trägt Deutschland die Schuld am Ausbruch des Ersten Weltkrieges?
•Zweifellos gehörte Deutschland im Sommer 1914 zu den wichtigsten Aggressoren – aber es trug diese Verantwortung keineswegs allein. Je genauer man sich die komplexen Ereignisse vor dem Krieg in den verschiedenen Ländern anschaut, „desto stärker verteilt sich die Verantwortung für den Krieg auf alle europäischen Großmächte“, schreibt Münkler.

Warum sieht Münkler die Kriegsursache nicht allein in der deutschen Innenpolitik vor 1914?
•Die Franzosen, so Münkler, fürchteten um ihre Marginalisierung, die Russen hätten sich um den Einflussverlust nach der Niederlage gegen Japan im Jahre 1905 gesorgt, Österreich-Ungarn um seinen Großmachtstatus. Und weil auch in Großbritannien die Angst vorm Niedergang herrschte und die Deutschen unter einer "Einkreisungsobsession" gelitten hätte, sei in den Köpfen kein Platz mehr für eine rationale Interessenverfolgung gewesen. So etwas sei unter solchen Umständen "kaum möglich". Münkler betont, dass in Deutschland nicht alle Zeichen auf Krieg standen: "Von den drei ausschlaggebenden Akteuren - dem Kaiser, dem Reichskanzler und dem Generalstabschef – hat nur Moltke (Anm. d. Red: der Generalstabschef) diesen Krieg seit geraumer Zeit angestrebt, und selbst er hat nur geltend gemacht, dass man ihn bald führen müsse, wenn man ihn denn führen wolle", bilanziert Münkler.

Quelle: Huffington Post
 
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Sean McMeekin kommt in seiner sehr ausführlichen Studie Juli 1914 zu dem Ergebnis, er wirkt hier ergänzend zu Clark, das die Russen, vor allem Sasnow und auch die Franzosen, insbesondere Poincare, der mit russischen Geld 1913 die Präsidentenwahl gewonnen hatte, und der französische Botschafter in Petersburg ganz erheblich am rad der Geschichte gedreht haben, in dem sie sich nämlich für die Krieg entschieden hatten. Die deutsche Schuld wird keineswegs kleingeredet, der Blankoscheck war und ist äußerst schwerwiegend, und auch Berchthold hat die Krise massiv vorangetrieben.

Aufschlußreich ist insbesondere das Tagebuch von Schilling der Stabschef von Sasonow, das Auskunft darrüber gibt, das Sasonow noch vor der serbischen Antwortnote zum Krieg entschlossen war. Sasonow hatte nämlich bereits am 24.Juli dem russischen Finanzminister angewiesen das russische Kapital aus dem Deutschen Reich abzuziehen und den Generalstabschef die Mobilmachung vorzubereiten. Den Serben, die schon auf der ganzen Linie nachgeben wollten, wurde von den Russen entsprechend der Rücken gestärkt. In Petersburg wollte man genau wie in Paris den Krieg.
 
Sean McMeekin kommt in seiner sehr ausführlichen Studie Juli 1914 zu dem Ergebnis, er wirkt hier ergänzend zu Clark, das die Russen, vor allem Sasnow und auch die Franzosen, insbesondere Poincare, der mit russischen Geld 1913 die Präsidentenwahl gewonnen hatte, und der französische Botschafter in Petersburg ganz erheblich am rad der Geschichte gedreht haben, in dem sie sich nämlich für die Krieg entschieden hatten. Die deutsche Schuld wird keineswegs kleingeredet, der Blankoscheck war und ist äußerst schwerwiegend, und auch Berchthold hat die Krise massiv vorangetrieben.
Das Problem ist nur, Mr. McMeekin bringt keine Beweise für seine Theorien. [Und wenn man sich anschaut was er sonst so schreibt, ist es auch kein Wunder... Richard Evans Reviews Sean McMeekin's "The Russian Origins of the First World War" | New Republic ]
Ein mit russischem Geld finanzierter französischer Präsident der 3. Republik, und kriegslüsterne Franzosen und Russen, das klingt als ob es direkt aus der Feder der „Zentralstelle für Erforschung der Kriegsursachen" kommt. Russland und Frankreich hatten seit 1894 eine Allianz, diese war eine Reaktion auf den Dreibund. Die Behauptung Frankreich und Rußland hätten sich für den Krieg entschieden ist durch nichts bewiesen, weder in Theorie, noch in Praxis - keiner der genannten hat schließlich etwas zum Ausbruch des 1.WK beigetragen, geschweige denn ihn verursacht.

Aufschlußreich ist insbesondere das Tagebuch von Schilling der Stabschef von Sasonow, das Auskunft darrüber gibt, das Sasonow noch vor der serbischen Antwortnote zum Krieg entschlossen war. Sasonow hatte nämlich bereits am 24.Juli dem russischen Finanzminister angewiesen das russische Kapital aus dem Deutschen Reich abzuziehen und den Generalstabschef die Mobilmachung vorzubereiten. Den Serben, die schon auf der ganzen Linie nachgeben wollten, wurde von den Russen entsprechend der Rücken gestärkt. In Petersburg wollte man genau wie in Paris den Krieg.
Hier wird einfach Ursache und Wirkung vertauscht, es waren das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn, welche sich darüber im klaren waren was ein Angriff auf Serbien für Russland bedeutet. Den Verteidigern eine Mitschuld am Krieg zu geben, weil sie auch zu den Waffen griffen ist armselig. Ja, als Reaktion auf das österreichisch-ungarische Ultimatum an Serbien wurde am 24. Juli 1914 russisches Kapital abgezogen, und es wurde eine Teilmobilmachung für den 28. Juli beschlossen. Russland ersuchte allerdings Ö-U um eine friedliche Lösung, wie auch GB und F um Vermittlung bemüht waren. Die einzigen, die Krieg wollten, waren in Berlin und Wien zu finden.

Leider gibt es keine brauchbare Chronologie zum 1.WK. auf Deutsch im Netz zumindest habe ich keine gefunden.
Ich empfehle dies (24. Juli....)
The July Crisis, 1914: Chronology of Events
http://www.gwpda.org/comment/chrono1.htm

Hier ist das beratende Memorandum Russlands an Serbien vom 24. Juli 1914:
Russian Memorandum of Advice to Serbia - World War I Document Archive

Um Verträge, Memoranden usw. zu finden, sollte man lieber hier als bei ominösen Quellen nachsehen, einiges ist auch in deutscher Sprache verfügbar: World War I Document Archive
 
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Der Hinweis mit dem russischen Geld für Poincares Wahl zum Präsidenten entstammt aus Iswolskis Aufzeichungen.

Das jetzt auch McMeekin als fragwürdig dargestellt wird, war ja zu erwarten. Nichts darf die deutsche Hauptschuld in Frage stellen, an der ja schon Clark mächtig gerüttelt hat.

Der Anlass war doch wohl dier Ermordung von Franz Ferdinand oder bekomme ich da jetzt etwas durcheinander. Die Ursachen reichen wesentlich weiter zurück und da sind alle Großmächte ganz gewiss keine Unschuldlämmer.
Und die serbissche Regierung wußte von den Plänen der Mörder und hat aktiv nichts dagegen unternommen.

Die Mobilmachung der Österreicher richtete sich weder gegen Russland noch gegen Frankreich, sondern gegen Serbien. Die versteckte russische Mobilmachung, die sehr frühzeitig begonnen hatte, richtete sich hingegen gegen österreich-Ungarn und damit griff formal der Vertrag von 1879.

Ohne Frage, die deutsche Schuld in Form des Blankoschecks und Berchtholds Forcierung der Krise ist gewiss nicht unerheblich. Aber die Russen wollten genau wie die Österreicher diesen Krieg un die Franzosen haben sie munter dabei unterstützt, genau wie die Deutschen die Österreicher.
 
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.....

Hier wird einfach Ursache und Wirkung vertauscht, es waren das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn, welche sich darüber im klaren waren was ein Angriff auf Serbien für Russland bedeutet. Den Verteidigern eine Mitschuld am Krieg zu geben, weil sie auch zu den Waffen griffen ist armselig. ...

[MOD: Tagespolitik gelöscht/MOD]
 
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Und noch ein Buch zum Thema mit frischen Sichtwinkeln, das derzeit offensiv beworben wird:

Herfried Münkler - Der Große Krieg, Rowohlt Berlin, seit 06.12.2013 im Handel,

Trägt Deutschland die Schuld am Ausbruch des Ersten Weltkrieges?
•Zweifellos gehörte Deutschland im Sommer 1914 zu den wichtigsten Aggressoren – aber es trug diese Verantwortung keineswegs allein. Je genauer man sich die komplexen Ereignisse vor dem Krieg in den verschiedenen Ländern anschaut, „desto stärker verteilt sich die Verantwortung für den Krieg auf alle europäischen Großmächte“, schreibt Münkler.
...

Quelle: Huffington Post

Das ist doch unveränderlicher Stand der Diskussion zur Kriegsschuld Deutschlands seit Jahrzehnten, oder? Hat sich nichts verändert!
 
Ich bin auf diesem Sektor völlig unbelesen.

Was sagen denn diese Autoren? :grübel:

Stark verkürzt sehen sie nicht wie beispielsweise Fritz Fischer die Hauptschuld beim Deutschen Reich, sondern das alle Schuld haben. Clark gewichtet nicht, arbeitet, und das ist mal erfrischend anders als in den vielen Darstellungen auf dem Markt, die eben nicht unerhebliche Schuld der Russen und Franzosen und die Versäumnisse der Briten heraus. McMeekin geht weiter und bewertet klipp und klar und Russland und Frankreich kommen dabei nicht sonderlich gut weg. Dabei wird die deutsche Schuld und die der Österreicher keineswegs verharmlost und schöngeredet.
 
McMeekin geht weiter und bewertet klipp und klar und Russland und Frankreich kommen dabei nicht sonderlich gut weg.

Eine durchaus kompetente Kritik an "July 1914" findet sich bei amazon.

Prekär ist dabei der Versuch von Turgot, mittlerweile jeden Historiker, der sich gegen die These von Fischer stellt, automatisch als "richtig" in seiner Sicht zu immunisieren.

Und provoziert somit den Widerspruch einer einseitigen "Verherrlichung" der Arbeiten von McMeekin. Um hinterher wieder verwundert festzuhalten, dass alle anderen nicht neutral agieren würden. Eine kritische Distanz sollte man nicht nur von anderen fordern, sondern vor allem selber an den Tag legen.

Und deshalb: Eine angemessene Bewertung der Arbeit von McMeekin kann ohnehin nur vor dem Hintergrund anderer Arbeiten zu dem Thema erfolgen. Und an diesem Punkt ergeben sich deutlich Widersprüche bei McMeekin zu wichtigen Arbeiten zum russischen Ursprung des WW 1 von Fuller, Geyer, Tomaszewski, Lieven oder Gatrell.
 
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Prekär ist dabei der Versuch von Turgot, mittlerweile jeden Historiker, der sich gegen die These von Fischer stellt, automatisch als richtig zu immunisieren.

Verherrlichung? Nun übertreibst du aber maßlos. Ich habe McMeekins von Mainstreams abweichende Meinung kurz vorgestellt, die Clark ergänzt.

Ich möchte einmal in aller Klarheit und Deutlichkeit festhalten, das ich hier viele hunderte von Beiträgen verfasst habe, die sich kritisch mit der Außenpolitik des Deutschen Kaiserreichs auseinandergesetzen.

Da gab es wenig Widerspruch. Seit einiger Zeit widme ich mich kritisch der Außenpolitik der anderen Großmächte (großbritannien, Frankreich und Russland) habe auch hier durchaus entsprechende Literatur konsumiert, und schon weht mir eine überaus steife Brise ins gesicht. Entweder lese ich falsche Bücher, falsche Historiker oder sehr die Dinge einfach falsch. Fischer seine Arbeit ist schon über ein halbes Jahrhundert alt und sicher nicht mehr aktuell. Nur weil ich vor eniger Zeit einmal Hew Strachan sein auf deutsch übersetztes Werk kritisiert habe, bedeutet das noch lange nicht, das ich grundsätzlich alle angelsächsische Historiker kritisiere oder gar ablehne, weil diese das Deutsche Reich kritisieren. Das ist nun wirklich nicht mehr fair. In meinen zahlreichen Regalen finden sich viele britische, amerikanische.... Historiker.

Um hinterher wieder verwundert festzuhalten, dass alle anderen nicht neutral agieren würden. Eine kritische Distanz sollte man nicht nur von anderen fordern, sondern vor allem selber an den Tag legen.

Alle anderen? Eine kritische Distanz bedeutet bestimmt aber nicht Einseitigkeit oder? Wo ist denn hier beispielsweise die scharf formulierte Kritik an GB?
 
Der Hinweis mit dem russischen Geld für Poincares Wahl zum Präsidenten entstammt aus Iswolskis Aufzeichungen.

Das jetzt auch McMeekin als fragwürdig dargestellt wird, war ja zu erwarten. Nichts darf die deutsche Hauptschuld in Frage stellen, an der ja schon Clark mächtig gerüttelt hat.

Ich würde ihn nicht als fragwürdig hinstellen, aber ich würde ihn wie jede Publikation skeptisch hinterfragen. Ein Beispiel zu diesem "Finanzierungsthema":

1. die Originalstelle bei McMeekin, englische Ausgabe von July 1914:

„Or, as critics believed, he had won the presidency in 1913 owing to Russian bribes—as much as two million francs a year were wired in from Petersburg—and the help of corrupt journalists such as Calmette. As Russia’s ambassador, Alexander Izvolsky, boasted to Foreign Minister Sazonov after helping grease the wheels for Poincaré’s triumph: “We are therefore, for the period of his seven year term of office, perfectly safe from the appearance of such persons as Caillaux . . . at the head of the French Government.”4“

Es geht demnach bzgl. Izvolsky (nur) um die Begeisterung über den Wahlsieg Poincares, nicht um den Beleg der Finanzen. Die Fußnote gibt weiteren Aufschluss, woher das stammen soll:

2. Das Zitat:
„4. Quoted in ibid., 235. On Russian bribes: Fay, vol. 1, 270 and 270n79.“

Das Ibid bezieht sich hier auf Beatty, ist irrelevant.
Auszüge aus: McMeekin, Sean. „July 1914: Countdown to War.“

3. also weiter zu Fay, S. 270 und Fußnote 79:

"There were also journalists outside Russia who wrote in the Pan-Slav cause, and who exercised an influence on Sazonov while at the same time receiving funds from the; Russian Foreign Office. Of these the most important was, Wesselitzki, the London correspondent of the Novoe Vremia. He had been given subsidies and the use of a summer villa at St. Petersburg when Izvolski was Minister of Foreign Affairs. “These expenditures were not in vain,” wrote Izvolski in 1911, when urging that his successors at the Russian Foreign Office should continue to subsidize Wesselitzki.(79) "

Fußnote 79:
79. Izvolski to Neratov, Nov. 23, 1911; M.F.R., p. 138; Stieve, I. 181. For a detailed statement of the “reptile funds” distributed to Russian newspapers in 1914, with names and amounts, totalling nearly a million rubles, see I.I. Tobolin, “Reptilnyi Fond, 1914-1916", in Krasnyi Arkhiv, X, 332-338 (1925).

Es geht also hier um den russischen "Reptilienfonds", zum Schmieren der russischen und ausländischen Presse. McMeekin benutzt das, um einen kausalen Zusammenhang mit Poincares Wahlsieg herzustellen, was sich aus dem Zitat nicht hergibt. Nun kann man sich Fay noch etwas näher anschauen, der als Isolationist in den 1920ern die europäischen Mauscheleien und Verschwörungen zum Weltkrieg thematisierte. In der Funktion wurde Fay wiederum durch breites Aufkaufen seiner Auflagen inkl. Streuen in Übersetzungen in alle Länder durch die deutsche Reichregierung "subventioniert", würde ich McMeekin stilistisch folgen: sicherlich auch durch direkte Zuschüsse.

Soll nur ein Beispiel sein.

Die deutsche Übersetzung von McMeekin habe ich leider nicht, in den "Russian Origins of World War" von McMeekin habe ich die Stelle noch nicht gefunden. Das Zitat in "July 1914" in der englischen Originalausgabe, was sich angeblich auf eine Stelle bei Fay stützt, sehe ich jedenfalls als - vorsichtig gesagt - unseriös an.
 
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