arch-angelsk
Mitglied
Du hast sicher recht silesia.
Meiner Ansicht nach, war es ein Verbrechen. Ob nun dieser Bombenangriff laut Völkerrecht ein Kriegsverbrechen war oder nicht ist mir persönlich eigentlich egal. Nazi-Deutschland hat einen Krieg angezettelt und das alleine ist doch schon ein Verbrechen.
Ich weiss ich bin mal wieder sehr unhistorisch, aber ich kann einfach mit diesen Legitimitätsversuchen (egal von welcher Seite) nichts anfangen.
Tut mir leid Ursi, aber gerechtfertigte moralische Verurteilungen sollten in der Geschichtsschreibung aussen vor bleiben.
Ich finde die Debatten der Rechten über die Ursachen des Zweiten Weltkrieges kranken teilweise an denselben Mißverständnissen wie die Interpretationen der Vergangenheitsbewältiger. Nämlich der Versuch die “Schuld” einfach umzudrehen und nicht an sich den Begriff “Schuld” selbst in Frage zu stellen.
In der revisionistischen Sichtweise wird der Bösewicht Hitler oft einfach ersetzt durch den Bösewicht Roosevelt, den Bösewicht Churchill oder den Bösewicht Stalin.
Beide Sichtweisen halte ich für falsch, weil sie mit einer massiven Moralisierung geopolitische Tatbestände einhergehen. Das ist übrigens Relevant auch für die Gegenwart, weil Moralisierung jede vernünftige Außenpolitik zu nichte machen muß. Die Amerikaner können ja jetzt ein Lied davon singen, es betrifft aber genauso jene Deutschen, die meinen, Diplomatie könne durch Demos ersetzt werden.
Zwischen dem Ende des Dreißig Jährigen Krieges 1648 und dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 waren Hegemonialkriege in Europa die Normalität und nicht die Ausnahme.
Man kann verschiedene Phasen unterteilen: Habsburg gegen Frankreich, England gegen Frankreich, Habsburg gegen Preußen, Rußland gegen Habsburg, Deutschland gegen die Entente. Diese Auseinandersetzungen folgten einer bestimmten Eigengesetzlichkeit, die mit dem Begriff “Schuld” nicht beschrieben werden kann. Sie waren die Folgen eines anarchischen Staatensystems, in dem jeder Staat seinem “heiligen Egoismus” folgte unter Aufbietung mit unter sehr brutaler Methoden.
Der Zweite Weltkrieg stellt hier meiner Ansicht nach keine Ausnahme da. Die Frage, wer “schuld” am Krieg war, halte ich für ebenso relevant oder nicht relevant wie die Frage, wer schuld am Krieg 1870/71 oder Krimkrieg, oder dem Siebenjährigen Krieg oder dem Spanischen Erbfolgekrieg war.
Vieles, was in diesem Zusammenhang betrieben wird, ist einfach nur Erbsenzählerei.
Jede Großmacht in Europa verfolgte mehr oder weniger offen hegemoniale Absichten.
Bis zum Zweiten Weltkrieg galt es in Europa durchaus als selbstverständlich, das “Krieg ein Mittel der Politik” ist. Das hat sich natürlich im nuklearen Zeitalter geändert, aber eine Rückprojektion dieser Mentalität ins Zeitalter der europäischen Mächte ist ahistorisch.
Wer sich zum Beispiel heute noch darüber aufregt, daß Churchill nicht bereit war, mit Deutschland Frieden zu schließen, geht genauso naiv an die Sache heran, wie diejenigen, die immer noch an demokratische Kreuzzüge glauben. Die Briten haben die Politik betrieben, die sie 300 Jahre lang betrieben haben, nämlich jeden Ansatz einer Hegemonie auf dem Kontinent zu verhindern. Aus ihrer geographischen Lage heraus auch eine vollkommen rationale Perspektive.
Für Deutschland als Mittelmacht, die immer von Mehrfrontenkriegen bedroht war, stellt sich die Lage schon aus geographischen Gründen anders dar. Otto von Bismarck wußte noch wie vorsichtig, mit wieviel Intelligenz und Fingerspitzengefühl deutsche Außenpolitiker agieren mußten, um nicht in die Falle der geopolitschen Einkreisung zu geraten.
Die angemessene Frage ist die, hat die deutsche Regierung vor dem Zweiten Weltkrieg eine Diplomatie betrieben, die man als klug und vorausschauend, eine Politik, die die Gefahr der Einkreisung immer mit einkalkulierte. Wenn man einen Vergleich zieht etwa zwischen der Politik Bismarcks und der Politik der Regierung Hitler muß man zu dem Ergebnis kommen, daß die Außenpolitik Hitlers geprägt war von Va Banque und außenpolitischen Dilettantismus. So etwas kann zwar für eine Weile erfolgreich sein, so wie ein Spieler am Roulette eine Weile erfolgreich sein kann, aber dann irgendwann heißt es …rien ne va plus.
Um zurück zum Thema Rotterdam zu kommen. Die Frage nach Schuld und Verbrechen wird in der Kriegsführung wieder insofern interresant, inwiefern man gegen geltendes Kriegsrecht verstossen hat. Hier hatte das Nazireich eindeutig sehr oft gegen Recht und Menschlichkeit verstossen. Die Diskussion welche militärischen Handlungen völkerrechtswidrig sind oder nicht ist legitim. Sie aber per se als verbrecherisch zu bezeichnen, da der Krieg von Deutschland aus ging halte ich für falsch.