Die Weihnachtsgeschichte im Lichte der Geschichtschreibung

Eckert

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Die Weihnachtsgeschichte als Bericht von der Geburt Jesu gehört wohl zu den bekanntesten Teilen des Neuen Testaments. Kein Heilig Abend ohne Lesung, kein Krippenspiel ohne Bezug:


[FONT=Arial Black, sans-serif]Es begab sich aber zu der Zeit, daß ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, daß alle Welt geschätzt würde. [/FONT]
[FONT=Arial Black, sans-serif]Und diese Schätzung war die allererste und geschah zu der Zeit, da Cyrenius Landpfleger in Syrien war. [/FONT]
[FONT=Arial Black, sans-serif]Und jedermann ging, daß er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Stadt. [/FONT]
[FONT=Arial Black, sans-serif]Da machte sich auch auf Joseph aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, darum, daß er von dem Hause und Geschlechte Davids war, auf daß er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe, die war schwanger. [/FONT]
[FONT=Arial Black, sans-serif]Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, daß sie gebären sollte.[/FONT]
[FONT=Arial Black, sans-serif]Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.[/FONT]
[FONT=Arial Black, sans-serif]Lukas 2, 1-7[/FONT]


Die geschichtlichen Bezüge gestatten eine Zuordnung und vielleicht sogar eine Deutung. Noch in den 1960er Jahren wurde von Historikern bemerkt, einen Landpfleger Cyrenius habe es für die Zeit von Jesu Geburt (vermutlich zwischen 7 und 4 v.Chr.) in Syrien nicht gegeben, also sei alles Legende. Schauen wir in der Internetliste der Statthalter Syriens nach, so kommt dafür aber doch einer in Frage:


Publius Quinctilius Varus, Statthalter in Syrien von 7/6 bis 5/4 v.Chr.. Varus ist ein hoher Staatsbeamter und Verwaltungsfachmann, dazu ein Vertrauter des Kaisers Augustus. Zehn Jahre später, von 5 bis 9 n.Chr., ist er Statthalter in Germanien. Dort führt er das römische Steuerwesen ein. Dies empört die Germanen. Unter Arminius kommt es zur Varusschlacht bei Kalkriese.


Die Schätzung in Syrien ist also eine Steuerschätzung. Wer kann, flieht, von Nazareth Richtung Süden nach Jerusalem oder weiternach Bethlehem.Lesen wir den Bericht erneut, so wird aus dem Bürger, der eine Mehrtagesreisemacht, um sich beim zuständigen Amteinzutragen, ein Steuerflüchtling.


Bethlehem hat für den Bericht einen wichtigen Vorzug: Es ist die Stadt Davids, aus der ein NachkommeDavids Israel retten wird, so die Prophezeiung in Mich 5, 1 und Jes 9, 6. Eine solche Prophezeiung fehlt für Nazareth, daher die Meinung „Was kann von Nazareth Gutes kommen“ (Joh 1, 46).


Imersten Evangelium, Markus,fehlt die Weihnachtsgeschichte. Zu wichtig sind die Aufrufe „Lasset euch versöhnen mit Gott“, die Gleichnisse und die Wunder. Später, nach der Niederschrift um ca. 40 n.Chr., glaubenwohlviele, Jesus aus Nazarethwäre sicherin Bethlehem geboren. So enthält das Evangelium nach Lukas (60 bis 90 n.Chr.) den Bericht. Matthäus 2, 1 bringt eine Kurzfassung, gefolgt von der Flucht nach Ägypten. Insgesamt ist die Weihnachtsgeschichte also die Geschichte einer Flucht, wie auch heute viele sie erleben.

Eckert
 
Schauen wir in der Internetliste der Statthalter Syriens nach, so kommt dafür aber doch einer in Frage:

Vor allem kommt der hier in Frage:
Publius Sulpicius Quirinius ? Wikipedia

Kyrenios ist anscheinend die griechische Namensform von Quirinius.


Publius Quinctilius Varus, Statthalter in Syrien von 7/6 bis 5/4 v.Chr.

Wenn ich richtig informiert bin, waren Galiäa und Judäa damals nicht dem Statthalter in Syrien unterstellt.
Was hat also Varus mit Nazareth, Jerusalem oder Bethlehem am Hut?

Die Schätzung in Syrien ist also eine Steuerschätzung. Wer kann, flieht, von Nazareth Richtung Süden nach Jerusalem oder weiternach Bethlehem.
Was sollte diese Flucht bringen? Gab es in Jerusalem oder Bethlehem keine Steuerbeamten?

Lesen wir den Bericht erneut, so wird aus dem Bürger, der eine Mehrtagesreisemacht, um sich beim zuständigen Amteinzutragen, ein Steuerflüchtling.
Ich habe den Bericht mehrmals gelesen. Wo steht das mit der Flucht?

 
@Eckert
Was ist der Ziel deines Posts? Möchtest du nun sagen, dass die Familie von Jesus Steuerflüchtlinge (Verbrecher?) waren? Möchtest du die Weihnachtsgeschichte belegen oder widerlegen?
Soweit ich weiß ist mittlerweile überall anerkannt (auch mindestens in Teilen der Evangelischen Kirche, wenn nicht sogar in der ganzen Evang. Kirche, bei der Katholischen kirche aber wahrscheinlich nicht), dass man die Jahreszahlen 1 als Geburt Jesu Christi und 30 (33) n.Chr. als Todesjahr ein paar Jahre in beide Richtungen verschieben kann. Zwischenzeitlicher Stand war mal (oder ist immer noch? das kann ich nicht sicher behaupten, müsste ich erstmal nochmal neuere Literatur lesen) als wahrscheinliches Geburtsdatum eine Jesus nach der Bibel im Jahr 4 v.Chr..
 
Soweit ich weiß ist mittlerweile überall anerkannt (auch mindestens in Teilen der Evangelischen Kirche, wenn nicht sogar in der ganzen Evang. Kirche, bei der Katholischen kirche aber wahrscheinlich nicht), dass man die Jahreszahlen 1 als Geburt Jesu Christi und 30 (33) n.Chr. als Todesjahr ein paar Jahre in beide Richtungen verschieben kann.
Warum bei der katholischen Kirche "wahrscheinlich nicht"?
Wenn ich mich nicht irre, liebäugelt z. B. Herr Josef Ratzinger mit einem Geburtsjahr um 6/7 v. Chr.

Zwischenzeitlicher Stand war mal (oder ist immer noch? das kann ich nicht sicher behaupten, müsste ich erstmal nochmal neuere Literatur lesen) als wahrscheinliches Geburtsdatum eine Jesus nach der Bibel im Jahr 4 v.Chr..
4 v. Chr. war das Todesdatum Herodes des Großen. Nach Matthäus müsste Jesus vor Herodes' Tod geboren worden sein.
 
Warum bei der katholischen Kirche "wahrscheinlich nicht"?
Wenn ich mich nicht irre, liebäugelt z. B. Herr Josef Ratzinger mit einem Geburtsjahr um 6/7 v. Chr.

4 v. Chr. war das Todesdatum Herodes des Großen. Nach Matthäus müsste Jesus vor Herodes' Tod geboren worden sein.

Das wäre eine nette Überraschung, wenn die kath. Kirche genauso fortschrittlich ist, deshalb mein wahrscheinlich.
 
Normalerweise vermeide idh es, persönlich zu werden. Aber jetzt juckt es mich, eine Ausnahme zu machen. Die PISA-Studien sind immer wieder Anlass zu Klagen, diie heutige Jugend habe Schwierigkeiten, Texte zu verstehen. Das scheint aber nicht nur für die Jugend zu gelten.

...Wer kann, flieht, von Nazareth Richtung Süden nach Jerusalem oder weiternach Bethlehem.Lesen wir den Bericht erneut, so wird aus dem Bürger, der eine Mehrtagesreisemacht, um sich beim zuständigen Amteinzutragen, ein Steuerflüchtling...


[FONT=Arial Black, sans-serif]Und jedermann ging, daß er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Stadt. [/FONT]
[FONT=Arial Black, sans-serif]Da machte sich auch auf Joseph aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, darum, daß er von dem Hause und Geschlechte Davids war, auf daß er sich schätzen [/FONT][FONT=Arial Black, sans-serif]ließe[/FONT]

Die Flucht ist keine vor dem Steuerschätzer oder -pächter, sondern vor Herodes. Damit ist auch schon die Aporie skizziert, vor die die beiden Evangelien die Funktionäre beider Konfessionen stellten, falls sie sich festlegen sollten/wollten eine genaue Jahresangabe zu machen. Etwas mehr dazu gibt es da:
Weihnachtsgeschichte ? Wikipedia
 
Im Lukasevangelium kommt eine Flucht vor Herodes gar nicht vor, das ist im Matthäusevangelium der Fall. Auch wenn in der allgemeinen Wahrnehmung die beiden Weihnachtsgeschichten vermischt werden, muss man berücksichtigen, dass sie sich in Wahrheit klar voneinander unterscheiden:
Bei Lukas leben Josef und Maria in Nazareth und reisen wegen der Sache mit der Steuerschätzung nach Betlehem, weil Josef ursprünglich von dort stammte. Jesus wird in Betlehem geboren, dann reist die Familie nach Jerusalem zum Tempel, dann kehrt sie nach Nazareth zurück, wo Jesus aufwächst.
Bei Matthäus leben Josef und Maria in Betlehem, wo auch Jesus geboren wird. Sie fliehen vor Herodes nach Ägypten, wo sie bis zu dessen Tod leben. Danach wollen sie zurückkehren, trauen sich aber nicht nach Betlehem, das jetzt im Herrschaftsbereich des Archelaos liegt, zurück, sondern ziehen stattdessen nach Galiläa, wo sie sich in Nazareth niederlassen.
Bei Matthäus fehlt also die Geschichte mit der Steuerschätzung, und Betlehem ist tatsächlich der Heimatort; nach Nazareth zieht die Familie erst später. Bei Lukas fehlt die Flucht, dafür ist Nazareth der eigentliche Heimatort und Betlehem kommt nur über die Steuerschätzung ins Spiel.

Die Schätzung in Syrien ist also eine Steuerschätzung. Wer kann, flieht, von Nazareth Richtung Süden nach Jerusalem oder weiternach Bethlehem.Lesen wir den Bericht erneut, so wird aus dem Bürger, der eine Mehrtagesreisemacht, um sich beim zuständigen Amteinzutragen, ein Steuerflüchtling.
Wie Du aus einer Reise nach Betlehem, um sich dort in die Steuerliste eintragen zu lassen, eine Steuerflucht machen kannst, ist mir unbegreiflich.
 
@Sepiola /2/: Publius Sulpicius Quirinius wird in wikipedia favorisiert. Jedoch scheint für die Weihnachtsgeschichte seine Statthalterzeit in Syrien recht spät, nämlich 6-12 n.Chr., siehe "Liste der römischen Statthalter in Syrien". D.h. zehn Jahre nach Jesu Geburt. Für die erste Steuerschätzung ist damit Publius Quinctilius Varus der geeignetere Kandidat. Schließlich hat dieser auch das Netz über Germanien geworfen. Wir müssen sehen, für die Steuerschätzung kam zunächst Grundbesitz in Frage, dazu Firmeneigentum (Weinkellerei, Gutshof mit Großvieh,...). Schließlich auch der gemeine Mann. Aber wie wollte man den erfassen, alle hatten ja nur einen Namen, nicht wie heute Vor- und Zunamen. Am besten, die Steuerschätzer suchten ihn an seinem Arbeitsplatz auf, z.B. den Schmied: Wieviele Arbeiter, wieviel Handwerkszeug? Dann gleich die Vorauszahlung für ein Jahr. Kein Geld da? Dann Mitnahme eines Teils des Handwerkzeugs. Das hieß oft Existenzvernichtung.
 
@ Anthropos #3: Ich vermute, es gab damals keine Meldeämter, so scheint die Mär vom braven Bürger, der dort hin strebt, wenig glaubhaft. Heute haben die meisten die Einstellung: Steuervermeider oder Steuerflüchtling = Täter auf Kosten von uns allen. Damals, in Judäa wie in Germanien, war das nicht so ausgemacht: Gelder für den Cäsar = neue Truppen, neue Paläste. Von sozialer Sicherung für die Bevölkerung keine Rede! Für den einzelnen ging es um die Entscheidung: Vernichtung der eigenen Existenz oder Flucht. Das gilt im Raum Syrien auch heute.
 
@ Liborius #6: In der Geschichte von der Geburt Jesu im Lukasevangelium ist Herodes der Große nicht aufgeführt (sein Sohn, Herodes Antipas, bei der Gefangennahme von Johannes dem Täufer in Luk 3,19 und Markus 6,14. Matthäus nennt die Weisen aus dem Morgenland, von denen Herodes der Große von der Geburt Jesu erfährt (Mat. 2,1 ff.). Darauf Flucht nach Ägypten.
 
Für die erste Steuerschätzung ist damit Publius Quinctilius Varus der geeignetere Kandidat.

Hast Du meine Einwände nicht gelesen, oder hast Du sie nicht verstanden?


1.

Kyrenios ist anscheinend die griechische Namensform von Quirinius.

Wie kommt Lukas darauf, Varus in Kyrenios umzubenennen?

2.

Wenn ich richtig informiert bin, waren Galiäa und Judäa damals nicht dem Statthalter in Syrien unterstellt.
Was hat also Varus mit Nazareth, Jerusalem oder Bethlehem am Hut?

Wieso sollte Varus in einem Gebiet eine Steuerschätzung durchführen, für das er gar nicht zuständig war?
 
@Sepiola /2/: Publius Sulpicius Quirinius wird in wikipedia favorisiert. Jedoch scheint für die Weihnachtsgeschichte seine Statthalterzeit in Syrien recht spät, nämlich 6-12 n.Chr., siehe "Liste der römischen Statthalter in Syrien". D.h. zehn Jahre nach Jesu Geburt. Für die erste Steuerschätzung ist damit Publius Quinctilius Varus der geeignetere Kandidat.
"Kyrenios" (so im griechischen Originaltext des Lukasevangeliums) ist die gräzisierte Form von "Quirinius". Ich verweise auf Flavius Iosephus' "Jüdische Altertümer", wo mehrmals der syrische Statthalter "Kyrinios" genannt wird. Aus Iosephus geht klar hervor, dass dieser Kyrinios Statthalter von Syrien zu der Zeit wurde, als Archelaos als Ethnarch von Iudaea abgesetzt wurde, also 6 n. Chr.
Da es im Griechischen kein "qu" gab, musste man "Quirinius" irgendwie gräzisieren. Die gräzisierte Form von "Quinctilius Varus" lautet bei Flavius Iosephus "Uaros Kointilios" ("V" gab's im Griechischen auch keines).

Zur Zeit, als Varus Statthalter von Syrien war, waren sowohl Galilaea als auch Iudaea noch Teil des Reiches von Herodes, somit von Syrien und dem Römischen Reich unabhängig. Erst 6 n. Chr. kam Iudaea unter römische Herrschaft. Es erhielt zwar einen eigenen Präfekten (Coponius), war aber dem Statthalter von Syrien unterstellt. Auch darüber schreibt Flavius Iosephus zu Beginn des 18. Buches seiner "Jüdischen Altertümer" ausdrücklich. Er erwähnt ebenfalls die Steuerschätzung des Kyrinios in Iudaea.
Nur so ergibt die Geschichte im Lukasevangelium halbwegs Sinn: Betlehem lag in Iudaea, somit im nunmehr römischen Gebiet. Galilaea gehörte zwar zur Tetrarchie von Herodes Antipas, aber wenn Josef aus Betlehem stammte, kann er trotzdem zur Teilnahme an der Steuerschätzung verpflichtet gewesen sein, weswegen er sich in seine Heimatstadt begab.

Du hast schon recht, 6-12 n. Chr. ist recht spät und passt nicht mit den sonstigen Angaben in den Evangelien zu Jesu Geburtstermin (unter Herodes laut Matthäus) zusammen. Es passt auch nicht mit Lukas' eigener Angabe zusammen, wonach Jesus etwa im 15. Regierungsjahr des Kaisers Tiberius getauft wurde und damals etwa 30 Jahre alt war.
Aber diese chronologische Unmöglichkeit kann man nicht reparieren, indem man entgegen Flavius Iosephus und jeglicher sprachlichen Plausibilität Kyrenios mit Quinctilius gleichsetzt und ihn zur Zeit, als Iudaea noch unabhängig war, dort eine Steuerschätzung durchführen lässt.

Wir müssen sehen, für die Steuerschätzung kam zunächst Grundbesitz in Frage, dazu Firmeneigentum (Weinkellerei, Gutshof mit Großvieh,...). Schließlich auch der gemeine Mann. Aber wie wollte man den erfassen, alle hatten ja nur einen Namen, nicht wie heute Vor- und Zunamen. Am besten, die Steuerschätzer suchten ihn an seinem Arbeitsplatz auf, z.B. den Schmied: Wieviele Arbeiter, wieviel Handwerkszeug?
Wir haben leider kaum Informationen darüber, wie das genau ablief. Lediglich über die Volkszählungen in Ägypten sind wir näher informiert, nur leider sind Rückschlüsse von Ägypten auf andere Provinzen problematisch, da in Ägypten auch unter römischer Herrschaft lange Zeit das Verwaltungssystem der Ptolemäer beibehalten wurde. Aber soweit wir informiert sind, lief es tatsächlich so, dass ein Edikt an alle Einwohner erlassen wurde, sich zu melden. Das stimmt also wieder mit der Darstellung bei Lukas überein.
 
Zuletzt bearbeitet:
@ Anthropos #3: Ich vermute, es gab damals keine Meldeämter, so scheint die Mär vom braven Bürger, der dort hin strebt, wenig glaubhaft.

Das ist keine Mär.
Mitunter mussten die Untertanen weite Wege zurücklegen, um ihre Steuererklärung auf dem zuständigen Amt abzugeben.

Tatsächlich gibt es eine auf einem Papyrus erhaltene spätere Anordnung aus dem Jahre 104 n.Chr. des praefectus Aegypti Vibius Maximus, der offenbar zahlreichen Wanderarbeitern in Alexandria, die sich dort als Landarbeiter verdingen, befiehlt, zur Steuererfassung an ihren Heimatort zurückzukehren.[30] Wörtlich heißt es in dem Edikt: "Mit dem Beginn des jedes einzelne Haus betreffenden (Haus zu Haus) Zensus ist es notwendig, alle Personen aufzurufen, die aus welchen Gründen auch immer von ihren Wohnsitzen abwesend sind, zu ihren eigenen (heimischen) Herden zurückzukehren, damit die üblichen Meldeformalitäten ausgeführt werden können ..."
...
Doch zunächst zu einem anderen Fall, der vergleichsweise sehr viel besser dokumentiert ist: Der Fund des Privatarchivs einer jüdischen Frau mit Namen Babatha. Sie flieht im Bar Kokhba-Aufstand aus ihrem Heimatort Maoza bei Zoara (genau an der Südspitze des Toten Meeres in der Provinz Arabia gelegen), obgleich schwer zu verstehen ist, weshalb sie ausgerechnet in die judäische Gefahrenzone des Aufstandes zieht, wo nämlich ihr Familienarchiv gefunden wurde.[35] Die Entdeckung ihrer Dokumente (35 Papyri) im Jahr 1961 in der sogenannten "Höhle der Briefe" im Wadi Nahal Hever westlich vom Toten Meer, die dort 1800 Jahre unberührt gelegen hatten, eben so, wie sie von Babatha sorgfältig in Leinen verschnürt in einem Lederbeutel deponiert worden waren, ist ein Glücksfall. In unserem Zusammenhang interessiert vor allem der Papyrus Nr. 16, eine beglaubigte Kopie ihrer Steuererklärung vom 2. und 4. Dezember 127 (zwei Tage brauchten die Beamten, bis sie die Steuererklärung bearbeitet hatten und ihr das Dokument aushändigten), dem Jahr, in dem Kaiser Hadrian den Statthalter der Provinz Arabia, Titus Aninius Sextius Florentinus, einen Provinzzensus durchführen lässt.
...
Die Steuererklärung machte Babatha in Rabbath-Moab, das ungefähr 40 km von ihrem Heimatort Maoza entfernt östlich am Toten Meer liegt, obgleich die Urkunde den Vermerk enthält, dass Maoza zum Verwaltungsbezirk von Petra, der Provinzhauptstadt, gehört, das wiederum 80 km weiter südlich liegt. Nun gibt es zwei Erklärungsansätze für die zensusbedingte Wanderung in das Steuerbüro von Rabbath: Babatha und ihrem Mann Judanes stand es frei, an welchem Ort, ob in Petra oder Rabbath, sie ihre Steuererklärung machten und da Rabbath nur halb so weit, nämlich ungefähr zwei Tagesreisen entfernt war, entschieden sie sich für dieses. Die zweite Möglichkeit ist, dass dort das für sie zuständige Steuerbüro lag.[37]
H-M. Zilling: "Überlegungen zum Zensus des Quirinius" - H-Soz-u-Kult / Forum / Diskussionen
 
@ Anthropos #3: Ich vermute, es gab damals keine Meldeämter, so scheint die Mär vom braven Bürger, der dort hin strebt, wenig glaubhaft. Heute haben die meisten die Einstellung: Steuervermeider oder Steuerflüchtling = Täter auf Kosten von uns allen. Damals, in Judäa wie in Germanien, war das nicht so ausgemacht: Gelder für den Cäsar = neue Truppen, neue Paläste. Von sozialer Sicherung für die Bevölkerung keine Rede! Für den einzelnen ging es um die Entscheidung: Vernichtung der eigenen Existenz oder Flucht. Das gilt im Raum Syrien auch heute.


Also gab es damals nur Menschen, die schnell starben, da sie Steuern zahlten und dann die Menschen, die vor Steuereintreiber flüchteten? Ich würde sagen, dass esim Normalfall in jeder Gesellschaft einfach die große Mehrheit gibt die hörig ist, Steuern zahlt und ein jeweils relativ normales leben führt.
 
@Sepiola /2/: Publius Sulpicius Quirinius wird in wikipedia favorisiert. Jedoch scheint für die Weihnachtsgeschichte seine Statthalterzeit in Syrien recht spät, nämlich 6-12 n.Chr., siehe "Liste der römischen Statthalter in Syrien". D.h. zehn Jahre nach Jesu Geburt. Für die erste Steuerschätzung ist damit Publius Quinctilius Varus der geeignetere Kandidat. Schließlich hat dieser auch das Netz über Germanien geworfen.
Deine Argumentation steht schon wieder auf dem Kopf. Du hast dir ein Geburtsjahr Jesu zurechtgelegt und versuchst alles zu eliminieren, was dieses in Frage stellt. Soll dieser Thead einen Sinn haben wäre zu untersuchen, was die außerbiblische Geschichtsschreibung an Fakten liefert und dann kann versucht werden, daraus ein mutmaßliches Geburtsjahr abzuleiten. Dann stellt sich aber eben das Problem, dass die Daten von Herodes und Kyrenios (von denen außer dir niemand Zweifel hat, wer gemeint ist) im hiesigen Kontext nicht zu Deckung zu bringen sind.

Wir müssen sehen, für die Steuerschätzung kam zunächst Grundbesitz in Frage, dazu Firmeneigentum (Weinkellerei, Gutshof mit Großvieh,...). Schließlich auch der gemeine Mann. Aber wie wollte man den erfassen, alle hatten ja nur einen Namen, nicht wie heute Vor- und Zunamen. Am besten, die Steuerschätzer suchten ihn an seinem Arbeitsplatz auf, z.B. den Schmied: Wieviele Arbeiter, wieviel Handwerkszeug? Dann gleich die Vorauszahlung für ein Jahr. Kein Geld da? Dann Mitnahme eines Teils des Handwerkzeugs. Das hieß oft Existenzvernichtung.

@ Anthropos #3: Ich vermute, es gab damals keine Meldeämter, so scheint die Mär vom braven Bürger, der dort hin strebt, wenig glaubhaft. Heute haben die meisten die Einstellung: Steuervermeider oder Steuerflüchtling = Täter auf Kosten von uns allen. Damals, in Judäa wie in Germanien, war das nicht so ausgemacht: Gelder für den Cäsar = neue Truppen, neue Paläste. Von sozialer Sicherung für die Bevölkerung keine Rede! Für den einzelnen ging es um die Entscheidung: Vernichtung der eigenen Existenz oder Flucht. Das gilt im Raum Syrien auch heute.

Damals konnte man nicht mit einer Unterschrift oder einem Mausklick Millionen ins Ausland veschieben. Eine Flucht, wie du, Eckert, sie propagierst, wäre daher das probateste Mittel gewesen, die eigene Existenz zu ruinieren. Die Habe, die du aufzählst wäre also gerade auf jeden Fall weggewesen. Und zu Gold, Weihrauch und Myrrhe kam der Bauhandwerker ja erst später und auch nur lt. Mt.
Die Steuerpächter konnten zwar schon reichlich gnadenlos sein (nicht ganz zufällig sind die Zöllner so verrufen in der Bibel) und das Pachtsystem konnte schon dazu verleiten. während der Pachtzeit möglichst viel herauszupressen. Aber gemäß der Weisheit, dass man die Kuh, die man melken will,nicht schlachten soll. war eine erdrosselnde Besteuerung inopprtun. Seine Abgaben zu leisten, war also nicht nur für "brave Bürger" das kleinere Übel.

Publicani ? Wikipedia
Steuerpacht ? Wikipedia

@ Liborius #6: In der Geschichte von der Geburt Jesu im Lukasevangelium ist Herodes der Große nicht aufgeführt (sein Sohn, Herodes Antipas, bei der Gefangennahme von Johannes dem Täufer in Luk 3,19 und Markus 6,14. Matthäus nennt die Weisen aus dem Morgenland, von denen Herodes der Große von der Geburt Jesu erfährt (Mat. 2,1 ff.). Darauf Flucht nach Ägypten.

Ja eben. Deshalb solltest du auch die Schuld an der Flucht, die Mt. ihm zuschreibt, nicht dem Steuerschätzer in die Schuhe schieben.
 
@ Sepiola #11 und 14. Zu 1: Wieso schreibt Lukas Cyrenius, wo doch die beiden Kandidaten für den Statthalter Quinctilius (Vorname) bzw. Quirinius (Nachname) heißen? Das Evangelium nach Lukas entsteht um 60 n.Chr. Wir schauen einfach bei Flavius Josephus nach, ggf. in wikipedia. Wo schlägt Lukas nach bei der Niederschrift der Heilsgeschichte? Für Heutige ist es bereits schwierig, über Personen im Dritten Reich zu schreiben: Wer leitete das RSHH? Wo lebte Thälmann?
Zu 2: Varus für Judäa nicht zuständig. Als Herodes der Große stirbt, schlichtet er den Erbstreit seiner drei Söhne. Als später in Judäa ein Aufstand ausbricht, läßt er ihn niederschlagen und 2000 Aufständische kreuzigen. Wenn in Syrien die Steuerpflichtigen ermittelt werden, ist Nazareth kein sicheres Pflaster mehr.
Der Steuer-Papyrus aus Alexandria ist ein gutes Argument für die Existenz eines Meldeamtes. Aber wie mitgeteilt, stammt dieses aus 104 n.Chr., also gut hundert Jahre später. Vielleicht war das Verfahren bei der ersten Steuerschätzung noch nicht so ausgebaut.
 
@ Anthropos #15: Ich denke, rabiate Methoden der Steuer-Eintreibung haben sich im römischen Imperium mit der Zeit abgeschliffen. Immerhin galt für den Bürger "Wo nichts ist, hat der Cäsar sein Recht verloren".
 
@ Sepiola #11 und 14. Zu 1: Wieso schreibt Lukas Cyrenius, wo doch die beiden Kandidaten für den Statthalter Quinctilius (Vorname) bzw. Quirinius (Nachname) heißen? Das Evangelium nach Lukas entsteht um 60 n.Chr. Wir schauen einfach bei Flavius Josephus nach, ggf. in wikipedia. Wo schlägt Lukas nach bei der Niederschrift der Heilsgeschichte? Für Heutige ist es bereits schwierig, über Personen im Dritten Reich zu schreiben: Wer leitete das RSHH? Wo lebte Thälmann?
...
Oben das "Evangelium nach Ravenik" nicht gelesen?
"Kyrenios" (so im griechischen Originaltext des Lukasevangeliums) ist die gräzisierte Form von "Quirinius". Ich verweise auf Flavius Iosephus' "Jüdische Altertümer", wo mehrmals der syrische Statthalter "Kyrinios" genannt wird. Aus Iosephus geht klar hervor, dass dieser Kyrinios Statthalter von Syrien zu der Zeit wurde, als Archelaos als Ethnarch von Iudaea abgesetzt wurde, also 6 n. Chr.
Da es im Griechischen kein "qu" gab, musste man "Quirinius" irgendwie gräzisieren. Die gräzisierte Form von "Quinctilius Varus" lautet bei Flavius Iosephus "Uaros Kointilios" ("V" gab's im Griechischen auch keines).
Von den Zeitgenossen unserer Väter, Großväter und Lehrer wussten wir auch schon vor der Wikipedia und ohne schriftliche Dokumente. Wir bekamen es erzählt, manches bis zum Überdruss, anderes allerdings auch wieder nicht so genau.

Im Übrigen war Griechisch im Römischen Reich nicht weniger wichtig als Lateinisch. Die Notwendigkeit der Transkription stellte sich also dauernd und du darfst davon ausgehen, dass die dabei unter Schreibkundigen üblichen Konventionen auch ohne Nachschlagen nicht nur Lukas und Josephus bekannt waren.
 
"Kyrenios" (so im griechischen Originaltext des Lukasevangeliums) ist die gräzisierte Form von "Quirinius". Ich verweise auf Flavius Iosephus' "Jüdische Altertümer", wo mehrmals der syrische Statthalter "Kyrinios" genannt wird.

Könnte hier eine Pseudoetymologie seitens Lukas vorliegen? Dass er Quirinius' Namen von der Stadt oder Provinz Kyrene herleitete?
 
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