Die Weihnachtsgeschichte im Lichte der Geschichtschreibung

Könnte hier eine Pseudoetymologie seitens Lukas vorliegen? Dass er Quirinius' Namen von der Stadt oder Provinz Kyrene herleitete?

Soweit ich es beurteilen kann, war das keine persönliche Eigenheit von Lukas, sondern die damals übliche, auch von anderen Autoren verwendete Schreibweise. Auf Josephus wurde ja schon hingewiesen, und möglicherweise hat sich Lukas (wer immer er war) sogar nicht nur hinsichtlich der Schreibweise, sondern auch der Person des Qurinius bei ihm bedient.
Κυρήνιος war eben die adäquateste Transkription.
 
Könnte hier eine Pseudoetymologie seitens Lukas vorliegen? Dass er Quirinius' Namen von der Stadt oder Provinz Kyrene herleitete?
Keine Ahnung.
So recht vorstellen kann ich es mir aber nicht. Im 1. Jhdt. n. Chr. stammten Statthalter noch aus Italien, somit hätte es für Lukas nicht wirklich Grund gegeben, zu vermuten, dass der Name eines Italikers etwas mit Kyrene zu tun haben konnte. Andererseits aber kann ich nicht ausschließen, dass er den Nachnamen vielleicht für einen (in der Familie erblich gewordenen) Siegesnamen (wie Germanicus) gehalten haben könnte.

Soweit ich es beurteilen kann, war das keine persönliche Eigenheit von Lukas, sondern die damals übliche, auch von anderen Autoren verwendete Schreibweise. Auf Josephus wurde ja schon hingewiesen, und möglicherweise hat sich Lukas (wer immer er war) sogar nicht nur hinsichtlich der Schreibweise, sondern auch der Person des Qurinius bei ihm bedient.
Κυρήνιος war eben die adäquateste Transkription.
Bloß dass Flavius Iosephus den Quirinius passender als Κυρίνιος transkribiert hat.
 
Es muss auch bedacht werden, dass nach Mommsen Quirinius zweimal Statthalter in Syrien gewesen sein könnte, wie auch der schon oben durch Sepiola verlinkte Wikipedia-Artikel etwas unübersichtlich angibt. Das erste Mal wäre dann in die Zeit 11-7 v. Chr. gefallen. Schon entfällt das chronologische Problem.

Bleibt das Problem, dass Quirinius Statthalter von Syrien und eben nicht König von Judäa war. Nun hatte der syrische Statthalter zwar eine gewisse Kontrollfunktion für Judäa, aber wieso sollte in einem anderen Reich ein römischer Zensus stattfinden?

Zum Einen berichtet Tacitus, dass Archelaos, König der Kappadokier einen Zensus nach römischem Vorbild durchführte. (Annalen VI, 41) Ein Zensus in einem Klientelstaat ist also nicht von vornherein abzulehnen. Das man den römischen Freund um Hilfe bat, mag nahe liegen. Vor allem, falls man durch ihn zu so einer Maßnahme gedrängt wurde, was es ja tatsächlich geben soll und wegen des berichteten Aufstands auch nahe liegt. Das Folgende ist aber für Judäa naheliegender.

Zum Anderen hatte Pompeius in Judäa sowohl einen König eingesetzt, als auch Tribute und Abgaben an Rom festgelegt. Und um die korrekte Höhe dieser Abgaben wird sich wohl Rom selbst gekümmert haben, was den Zensus in Judäa erklärt.

Nun muss man zwischen 2 verschiedenen Zählungen unterscheiden. Zum einen ist da die Reichsweite Zählung der Römischen Bürger. Eine solche führte Augustus tatsächlich 8 v.Chr. durch und kam dabei auf 4.233.000 "cives Romani". Dann wurden in den Provinzen die Steuerpflichtigen Peregrinen gezählt. Man kann dem Text des Lukasevangelium spitzfindige Unterscheidungen, die im Text nicht so richtig kenntlich gemacht werden unterstellen, oder von einer Verwechselung mit der Zählung in der 2. syrischen Statthalterschaft des Quirinius ausgehen. Doch fällt auf, dass die Steuerschätzung in Ägypten alle 14 Jahre vorgenommen wurde und Quirinius 2. Amtszeit in Syrien, für die eine solche belegt ist, 6 n.Chr. begann. Da liegt die Vermutung nahe, dass tatsächlich 7 v.Chr. eine Steuerschätzung stattfand, die der Evangelist mit dem römischen Zensus vermengte.

Da ich gerade meine Bücher nicht zur Hand habe, beziehe ich die genauen Angaben bequemerweise hierher. Das Dokument enthält allerdings ein paar Fehler.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja, aber die Chronologie des Josephus ist ja nicht immer zuverlässig. Allerdings, hoffentlich liest das nicht der Großinquisitor, traue ich Lukas auf dem Gebiet weniger zu. Aber die Mommsensche Theorie ist wiederum ziemlich verlockend.

Darauf, dass Lukas vielleicht auch einiges durcheinander geworfen hat, habe ich ja schon hingewiesen. Wenn ich mich korrekt erinnere, ist auch schon mal vermutet worden, dass die Aufenthalte des Quirinius im Osten einfach verwechselt wurden. Schließlich bleiben Militäraktionen eher im Kopf als die Steuererklärung, auch wenn man selber nicht betroffen ist. Und die in Ägypten nachgewiesene Regelmäßigkeit bleibt ja auch bei einer Verwechslung des Statthalters bestehen.

Dann spukt mir da aber noch ein Hinweis im Kopf herum, den ich aber erst nachschlagen muss, vielleicht verwechsele ich da etwas.
 
Soweit ich es beurteilen kann, war das keine persönliche Eigenheit von Lukas, sondern die damals übliche, auch von anderen Autoren verwendete Schreibweise. Auf Josephus wurde ja schon hingewiesen, und möglicherweise hat sich Lukas (wer immer er war) sogar nicht nur hinsichtlich der Schreibweise, sondern auch der Person des Qurinius bei ihm bedient.
Κυρήνιος war eben die adäquateste Transkription.

Bloß dass Flavius Iosephus den Quirinius passender als Κυρίνιος transkribiert hat.

Eben, Iosephus transkribiert anders. Daher mein Gedanke der pseudoetymologischen Herleitung bei Lukas.
 
Ich hatte im Kopf, dass Quirinius in einer Inschrift aus Antiochia als Prokonsul erwähnt wird. Leider ist aber Antiochia in Pisidien und nicht Antiochia am Orontes gemeint. Er ist dort wohl als Statthalter Galatiens zu erkennen. Wegen des erfolgreichen Feldzugs gegen die Homonadenser wird er dort zum Duumviren ernannt.

Tacitus lokalisiert diesen Feldzug allerdings in Kilikien. (Annalen III, 48) Als Prokonsul ist er somit wohl in mehreren Provinzen eingesetzt worden, um die Homonadenser zu schlagen. Wenn ihm zu diesem Zweck auch die syrischen Legionen vorübergehend unterstellt wurden, ist eine Verwechslung mit dem wahrscheinlichen damaligen Syrischen Statthalter Saturninus naheliegend.
 
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Ich hatte im Kopf, dass Quirinius in einer Inschrift aus Antiochia als Prokonsul erwähnt wird. Leider ist aber Antiochia in Pisidien und nicht Antiochia am Orontes gemeint. Er ist dort wohl als Statthalter Galatiens zu erkennen. Wegen des erfolgreichen Feldzugs gegen die Homonadenser wird er dort zum Duumviren ernannt.


Bei deinem Beitrag musste ich an L. Sergius Paullus, den "gottesfürchtigen" Statthalter von Creta et Cyrene denken, der in der Apostelgeschichte erwähnt wird und den Paulus auf seiner 1. Missionsreise aufsucht und zum Christentum bekehrt. Aus Inschriften lässt sich belegen, dass dieser aus Antiochia ad Pisidiam stammte.
 
Es muss auch bedacht werden, dass nach Mommsen Quirinius zweimal Statthalter in Syrien gewesen sein könnte, wie auch der schon oben durch Sepiola verlinkte Wikipedia-Artikel etwas unübersichtlich angibt. Das erste Mal wäre dann in die Zeit 11-7 v. Chr. gefallen. Schon entfällt das chronologische Problem.

Theodor Mommsen sprach sich allerdings nicht für eine erste Statthalterschaft des Quirinius um 11-7 v. Chr. aus, sondern für eine um 3/2 v. Chr. Die erstere Datierung stammt ursprünglich von William Mitchell Ramsay. Die Thesen und Hypothesen zu Quirinius in Syrien sind recht zahlreich. Ich hatte mich auch mal mit den Datierungen der syrischen Statthalterschaften beschäftigt. Bei Bedarf kann ich für einzelne Punkte Literatur und Quellen noch mal nachschlagen und nachliefern. Hier nur mal knapp aus dem Gedächtnis meine damaligen „Ergebnisse“ zu den Amtszeiten der Statthalter in Syrien in jener Zeit (in runden Klammern dahinter die jeweiligen Hauptquellen):

bis 13 v. Chr. M. Vipsanius Agrippa als Generalstatthalter des Ostens (Iosephus; Cass. Dio u. a.)

ab 13 v. Chr. bis spätestens ca. 9 v. Chr. M. Titius (Iosephus)

[Laut Ramsay, Bleckmann u. a.: zw. ca. 11-9(/7) v. Chr. P. Sulpicius Quirinius (Homonadenserkrieg bei Tacitus u. Strabon; Lukas; Titulus Tiburtinus)]

ca. 9-7/6 v. Chr. Sentius Saturninus (Iosephus)

ab 7/6 v. Chr. bis frühestens 4 v. und spätestens 1 v./1 n. Chr. Quinctilius Varus (Antiochenische Münzen; Iosephus u. a.)

[Laut Syme, Levick u. a.: zw. 4-1 v. Chr. L. Calpurnius Piso (Titulus Tiburtinus)]

[Laut Mommsen, Emil Schürer u. a.: um 3/2 v. Chr. P. Sulpicius Quirinius (Homonadenserkrieg bei Tacitus u. Strabon; Lukas; Titulus Tiburtinus)]

ab frühestens 2, spätestens 1 v./1 n. Chr. bis 4 n. Chr. Gaius Caesar als praepositus Orienti mit prokonsularischem Imperium (Cass. Dio; Sueton u. a.)

4-6 n. Chr. L. Volusius Saturninus (Antiochenische Münzen)

ab 6/7 n. Chr. Sulpicius Quirinius (Iosephus)



Dass also Quirinius um 6/7 n. Chr. Statthalter in Syrien war, steht aufgrund der Datierung bei Iosephus (37. Jahr nach dem Krieg bei Actium) ziemlich fest.
Aufgrund des Todesjahres des Herodes müsste Lukas nun, wenn sich der Evangelist nicht vertan hat, von einer früheren syrischen Statthalterschaft des Quirinius sprechen als Iosephus es tut (oder wenigstens von einer früheren, ziemlich hohen Amtsstellung des Qurinius in Syrien). Gibt es dafür Indizien?

Der von Riothamus angesprochene Krieg gegen die Homonadenser, den Quirinius in Kilikien führte und der aufgrund von Meilensteinen mit einiger Sicherheit noch vor die Zeitenwende datiert werden kann, bezeugt zumindest schon mal eine Tätigkeit des Quirinius in der Region vor 6/7 n. Chr. (genauso wie seine Rolle als rector des Gaius Caesar im Osten, welche allerdings erst in die Zeit nach dem Tod des Herodes fällt). Da Kilikien damals schon zur Provinz Syrien gehört haben wird, könnte Quirinius den Krieg also als syrischer Statthalter geführt haben. Die unterschiedliche Datierungen dieser früheren Statthalterschaft (entweder zw. 11-7 oder 3/2 v. Chr.) resultieren übrigens aus unterschiedlicher Datierung jenes Krieges.
Außerdem existiert eine Inschrift, der sog. Titulus Tiburtinus, mittels welcher ein Anonymus geehrt wurde, der nach Augustus starb, aber noch unter Augustus scheinbar zweimal (iterum) Statthalter in Syrien war. Damit sahen einige wie z. B. Mommsen eine frühere (Lukas) und eine spätere (Iosephus) Statthalterschaft des Quirinius in Syrien bestätigt.

Gegen die Annahme von der zweimaligen syrischen Statthalterschaft des Quirinius in Syrien lassen sich aber auch Argumente vorbringen:
1. Nach der der bestechend vorgetragenen Meinung von Ronald Syme u. Barbara Levick hat Quirinius die Homonadenser eher als Statthalter der Provinz Galatia-Pamphylia bekriegt; das hat Riothamus auch schon angerissen.
2. Der durch den Titulus Tiburtinus geehrte Konsular muss dem Wortlaut der Inschrift nach nicht zwangsläufig zweimal Syrien vorgestanden haben; seine erste Statthalterschaft könnte er stattdessen auch in einer anderen kaiserlichen Provinz absolviert haben.
3. Die Inschrift wurde nicht nur dem Quirinius, sondern auch einem halben Dutzend anderer kaiserlicher Legaten (wie z. B. dem oben genannten L. Calpurnius Piso) zugeordnet, wodurch dann die vermeintliche syrische Statthalter-Lücke zwischen Varus und Gaius Caesar anderweitig besetzt bzw. geschlossen würde.

Ob und wie man den Quirinius zu Lebzeiten des Herodes in Syrien als Statthalter einordnen kann ist eine heiß diskutierte Frage. Ich persönlich kriege Lukas und Iosephus in diesem Punkte zurzeit noch nicht gedanklich unter einen Hut. Es gibt zwar noch diverse andere Erklärungsversuche, z. B. dass Quirinius um die Zeit der Geburt Jesu eine Art Legat mit Sonderaufgaben (also kein legatus Augusti pro praetore) im syrischen Raum war (denn unter dem ersten Princeps war die kaiserliche Provinzialverwaltung noch nicht so statisch) oder dass er ein kaiserlicher Provinzialzensus-Beamter war, der neben dem syr. Statthalter wirkte, oder dass Quirinius und Saturninus (od. Varus) die Provinz Syrien kollegial als kaiserliche Legaten verwalteten. Eine ältere Überlegung ist, dass Quirinius Generalstatthalter des Ostens gewesen sein könnte (ähnlich wie Agrippa und Gaius Caesar?), unter dem in den einzelnen Provinzen, also auch in Syrien, weiterhin ordentliche Legaten amtierten. Aber diese Erklärungen scheinen mir alle sehr vage zu sein.


Was die apographe/ Einschreibung bei Lukas betrifft, so halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass sie unter dem röm. Klientelkönig Herodes durchgeführt worden sein kann. Strabon schreibt am Ende seines Werkes, wo er über die Einteilung und Verwaltung der Provinzen durch Augustus handelt, beinahe so, als sei die Verwaltung durch einheimische Klientelherrscher eine Form der kaiserlichen Provinzialverwaltung gewesen. Aus Iosephus wird deutlich, wie abhängig Herodes von Augustus war, wie sehr er bemüht und letztlich auch genötigt war, ganz dessen Willen zu erfüllen. Und wir wissen aus Iosephus außerdem, dass ein paar Jahre vor dem Tod des Herodes jeder einzelne seiner Untertanen einen Eid auf den Caesar abzulegen hatte. Es würde mich nicht wundern, wenn dieser Loyalitätsakt in gewisser Weise einer Art Meldung bzw. Volkszählung oder Einschreibung nahekam, in Vorbereitung auf die Festsetzung der Kopfsteuer, die man womöglich gedachte, in naher Zukunft im Klientelreich einzuziehen. Das sind natürlich nur Vermutungen, aber ich schätze die damalige Situation schon so ein, dass die Juden bereits unter Herodes von einer von Rom angeordneten apographe – wie sie im einzelnen auch immer näher ausgesehen haben mag – betroffen gewesen sein können. Falls Augustus darin irgendeinen Vorteil gesehen hat, so bin ich sogar überzeugt, dass einer Einschreibung der Herodes-Untertanen überhaupt nichts im Wege stand. In solchen Dingen dürfte der Wille des Caesar Gesetz gewesen sein.

Darüber, wie eine Reise der hl. Familie von Galiläa nach Bethlehem damit in Zusammenhang stehen könnte, habe ich mir allerdings noch keine Gedanken gemacht, genau so wenig darüber, ob die Geschichte besser im Rahmen der Kopf- oder im Rahmen der Grundsteuer zu erklären wäre.
Wie gesagt, ist es für mich ebenso eine offene Frage, wie man den Quirinius chronologisch da unterkriegt. Die Weihnachtsgeschichte des Lukas ist insgesamt äußerst schwierig, chronologisch zu klären. Selbst das Todesjahr des Herodes steht in der Forschung längst nicht so fest, wie es uns der Blick in die Lexika weismacht. Unter den Historikern ernsthaft diskutiert werden die Jahre 5, 4, 3 und 1 v. Chr. Ich lese z. B. zurzeit in „The Herodian Dynasty“ von Nikos Kokkinos, der sich für 5 v. Chr. ausspricht. Aber klar ist Kokkinos nur eine Fachstimme von vielen.
 
Was die apographe/ Einschreibung bei Lukas betrifft, so halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass sie unter dem röm. Klientelkönig Herodes durchgeführt worden sein kann.
Dann bleibt aber die Frage, warum Lukas in diesem Zusammenhang ausdrücklich Quirinius erwähnt.
Darüber, wie eine Reise der hl. Familie von Galiläa nach Bethlehem damit in Zusammenhang stehen könnte, habe ich mir allerdings noch keine Gedanken gemacht, genau so wenig darüber, ob die Geschichte besser im Rahmen der Kopf- oder im Rahmen der Grundsteuer zu erklären wäre.
Leider gibt Lukas keine wirklich plausible Begründung für die Reise nach Bethlehem. "Darum, dass er aus dem Haus und Geschlecht Davids war" ist eine rein theologisch motivierte Sichtweise. Daraus kann man kaum steuerrechtliche Schlussfolgerungen ziehen.

David hat 1000 Jahre vor Josef gelebt und ist schon jung aus Bethlehem weggezogen. Seine direkten Nachkommen wohnten nicht mehr in Bethlehem. Wozu sollten sich die Nachfahren 1000 Jahre später ausgerechnet auf dem Bethlehemer Finanzamt melden?
Nur ein völlig wahnsinniger Behördenchef würde so eine Verordnung erlassen.
 
Im Prinzip ist die Betonung der (legalen aber wohl nicht biologischen) Herkunft des Nazaräers von David doch wohl eh der einzige Grund, die Geburt des Nazaräers nach Bethlehem zu verlegen. Die Steuerschätzung Augusti war die konstruierte causa Lucae für Josef nach Bethlehem zu ziehen. Da dieser Grund nur konstruiert war, ist die Datierung dieser Steuerschätzung im Grunde genommen für das tatsächliche Geburtsjahr Christi irrelevant.

So... und jetzt zerfleischt mich. :cool:
 
Man kann wohl davon ausgehen das man aus den Kindheitsgeschichten das wenigste historisch relevante Material herauspressen kann, um es vorsichtig auszudrücken.
 
Im Prinzip ist die Betonung der (legalen aber wohl nicht biologischen) Herkunft des Nazaräers von David doch wohl eh der einzige Grund, die Geburt des Nazaräers nach Bethlehem zu verlegen. Die Steuerschätzung Augusti war die konstruierte causa Lucae für Josef nach Bethlehem zu ziehen. Da dieser Grund nur konstruiert war, ist die Datierung dieser Steuerschätzung im Grunde genommen für das tatsächliche Geburtsjahr Christi irrelevant.

So... und jetzt zerfleischt mich. :cool:

Man kann wohl davon ausgehen das man aus den Kindheitsgeschichten das wenigste historisch relevante Material herauspressen kann, um es vorsichtig auszudrücken.

Ihr zwei habt weitesgehend recht. Die Evangelisten wollten mit ihren Schriften die Leute von Jesus Taten beeindrucken und haben deshalb einfach mal Sachen auch geschrieben die nicht so passten. Es wurden angebliche messianische Prophezeiungen aus den alten Schriften genommen und diese wurden dann auf Jesus Taten bezogen. Auch wenn diese "Prophezeiungen" ursprünglich eine andere Intention hatten, anders lauteten oder sogar ganz erfunden waren. Zudem kannten die Jünger Jesus erst als er schon älter war und deshalb musste ihnen entweder Jesus selber oder seine Familie/Familienfreunde von seiner Geburt erzählt haben und mündliche Übertragungen sind jetzt nicht die sicherste Variante um sichere Daten weiterzugeben. Vorallem nicht wenn es um den Sohn Gottes ging. Deshalb wird es wahrscheinlich immer Unstimmigkeiten beim Geburtsjahr geben.
 
Ich gehe grundsätzlich nicht davon aus das Jesus ihnen von seiner Geburt oder gar der Jungfräulichkeit seiner Mutter erzählt hat, die Geburtsgeschichte hat halt die Funktionen.

- Die Neugier der Leute zu befriedigen.
- Prophezeiungen zu erfüllen.
- zu zeigen er ist der Messias mit Wundern.
 
Mir ist gerade aufgefallen, dass Quirinius in der Antiochischen Inschrift als Präfekt benannt wird. Das ist ein geringer Titel für einen gewesenen Konsul, der zudem einen Krieg führen soll. Es dürfte eher wahrscheinlich sein, dass er als Ämterhäufung mehrere Provinzen bekam und mit zusätzlichen Truppen noch einen Wohlklingenden Titel. Und da man sich an einen erfolgreichen Feldherrn besser erinnert, war es für Lukas damals, als Quirinius Statthalter war. Dadurch, dass das Kommando auch Kilikien umfasst haben muss, erstreckte es sich zwangsweise ja auch auf einen Teil Syriens. Die Nachricht von Quirinius als Statthalter Syriens bei Lukas wäre damit auch nur bedingt falsch.

Was die Kindheitsgeschichten angeht, gab es ja Verwandte Jesu, die die Jünger sicherlich mal gefragt haben, wo er her kam, ob er schon als Kind auffällig war und so weiter. Ratzinger /Benedikt XVI. bringt übrigens in seinem Jesusbuch ernsthaft Maria als Quelle für die Kindheitsgeschichte Jesu ins Spiel. Aber er interpretiert die Kindheitsgeschichten dann größtenteils doch als bloße Positionsbestimmung der Evangelisten für ihre Werke.

Was die Reise nach Betlehem angeht, kann das durchaus notwendig gewesen sein. Joseph mag als Bürger Betlehems gegolten haben. Und schließlich konnten für unterschiedliche Städte unterschiedliche Steuern und Tribute gelten. Hätte er sich in Nazareth gemeldet, hätte er vielleicht einen Vorteil aufgegeben. Real lebte er woanders, aber als Angehöriger einer bestimmten auf David zurückgeführten Sippe, war er Bürger Betlehems. Jedenfalls stellt es Lukas so dar. Das ist durchaus stimmig. Auch, wenn wir das mit der Sippe nicht beurteilen können. Denn Lukas hätte es nicht so erzählt, wenn die Zeitgenossen hätten sagen können, dass es völliger Blödsinn sei.

Was die Datierung angeht, wundere ich mich immer, wie man auf die Daten kommt. Meist ist ohne Begründung zu lesen: wahrscheinlich dann und dann. Entweder wir nehmen die Evangelien zur Hand, oder wir sagen, dass wir es nicht wissen. 4. v.Chr. ist Herodes gestorben. Also muss Jesus davor geboren sein. Die überzeugendste Himmelserscheinung, die Gelehrte nach Juda hätte locken können, war die Konjunktion von Jupiter (symbolisierte auch im Osten Herrschaft), Uranus (stand für Israel) im Sternbild Fische (Stand für die Levante) 7 v.Chr.. Zufällig war Quirinius damals in Kilikien tätig, was teilweise zu Syrien gehörte. Und dazu passt auch die Zeitspanne zwischen einer eventuellen damaligen Steuerschätzung und der späteren des Quirinius. Und es passt zu der Tatsache, dass Jesus geboren sein muss, bevor die Schafe aufgestallt wurden, wenn man denn den Evangelien so weit folgen will. Und ... - Ja, ich höre ja schon auf. Was ich sagen will:

Bei abweichenden Daten ist meist zu erkennen, dass die Autoren die Evangelien nicht als Quellen anerkennen wollen. Dann dürften sie aber gar kein anderes Datum nennen, sondern müssten sagen: wir wissen es nicht, wahrscheinlich so um Christi Geburt herum. Nicht, dass das genaue Datum wichtig wäre, aber es ist methodologisch Blödsinn.
 
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Real lebte er woanders, aber als Angehöriger einer bestimmten auf David zurückgeführten Sippe, war er Bürger Betlehems. Jedenfalls stellt es Lukas so dar. Das ist durchaus stimmig.
Nicht stimmig ist Lukas' Begründung, dass Josef nach Bethlehem musste, weil er "aus dem Haus und Geschlecht Davids war". Haus und Geschlecht Davids befanden sich seit tausend Jahren nicht mehr in Bethlehem.

Man könnte natürlich versuchen, Lukas zu retten, indem man zur Überbrückung irgendwas daherfabuliert. Z. B. die Sippe sei Jahrhunderte später wieder nach Bethlehem zurück migriert. Das wäre aber, wie Du ganz richtig sagst: "methodologisch Blödsinn".

Denn Lukas hätte es nicht so erzählt, wenn die Zeitgenossen hätten sagen können, dass es völliger Blödsinn sei.
Das ist kein Argument.
Lukas erzählt eine Menge Dinge, die völliger Blödsinn sind, wenn man Matthäus glaubt.
Bei Matthäus lässt Herodes alle Neugeborenen umbringen, weshalb Josef mit seiner Familie erst nach Ägypten und dann nach Nazareth flieht.
Bei Lukas spazieren die Eltern mit dem Neugeborenen seelenruhig nach Jerusalem.

Oder, anderes Beispiel (spielt Jahrzehnte später):

Bei Matthäus bereut Judas den Verrat, er bringt die Silberstücke zurück, wirft sie in den Tempel und erhängt sich.
Bei Lukas zeigt Judas keine Reue, sondern kauft sich von den Silberstücken einen Acker. Er erhängt sich auch nicht, sondern stirbt durch einen Sturz.


Die überzeugendste Himmelserscheinung, die Gelehrte nach Juda hätte locken können, war die Konjunktion von Jupiter (symbolisierte auch im Osten Herrschaft), Uranus (stand für Israel) im Sternbild Fische (Stand für die Levante) 7 v.Chr..
Bei Matthäus steht nichts von einer Konjunktion.
Da zieht der Stern vor den Weisen her, "bis er über der Stelle stand, wo das Kind war".

So stehts nun mal da, und wir können uns fragen, was Lukas dem Leser hiermit sagen will.

Ich halte nichts davon, Lukas' Geschichten so lange zu verbiegen, bis sie zu irgendeiner Hypothese passen.


Und es passt zu der Tatsache, dass Jesus geboren sein muss, bevor die Schafe aufgestallt wurden, wenn man denn den Evangelien so weit folgen will.
Was meinst Du mit "bevor die Schafe aufgestallt wurden"?
 
Bei der Aufzählung ging es mir nur um generelle Argumente in dem Zusammenhang. Ob Stern oder Konjunktion, oder das verbringen der Schafe in die Ställe für den Winter, was gegen den Termin 25.12. für die Geburt spricht, ist dabei uninteressant. Es war nur wichtig, dass diese Argumente ernsthaft in die Diskussion gebracht wurden. Ob sie stimmig sind, ist eine andere Geschichte. Es ging mir nur um aus den Quellen zur Geburt - andere als die beiden Evangelien gibt es ja wohl nicht - gewonnene Argumente im Gegensatz zu seltsamen Erleuchtungen von Historikern. ;) Ja, das meine ich nicht ernst. Aber ich hätte in dem Zusammenhang doch gerne einmal die Argumentation für Daten gesehen, die z.B. nach dem Tod des Herodes liegen.

Das mit dem Haus und Geschlecht Davids ist eine sehr steile These von Dir. Und irrelevant. Jedenfalls in diesem Zusammenhang. Denn damit ist die Sippe Josefs gemeint. Diese hat es gegeben, wenn es Josef gab. Und sie kann damals sehr wohl aus Bethlehem stammen und Rechte in Bethlehem haben, was Lukas ja wohl mit der fraglichen Stelle sagen will. Und wenn sich diese Sippe wirklich auf David zurückführte, was wir ja schon ohne Ergebnis in einem anderen Thread diskutiert haben, muss sie zurückgekommen sein oder nie weggegangen sein, oder die Fiktion der Abstammung angenommen haben. Da sind wir also nicht einmal auf Spekulation angewiesen. Wie Du bemerkt haben solltest, habe ich hier auch nicht behauptet, dass es sich um die Sippe Davids handelt, da ich diese Diskussion hier nicht wieder aufmachen wollte. Ich schrieb nur, dass Lukas das behauptete, und, dass das keineswegs als totaler Blödsinn erschienen sein wird. Damit ist auch nicht gesagt, dass es so oder so war, sondern nur, dass Wahrscheinlichkeitsargumente hier nicht angebracht werden können.

Was Matthäus angeht, muss ich später antworten, da ich hier keine Bibel habe.
 
Bei der Aufzählung ging es mir nur um generelle Argumente in dem Zusammenhang. Ob Stern oder Konjunktion, oder das verbringen der Schafe in die Ställe für den Winter, was gegen den Termin 25.12. für die Geburt spricht, ist dabei uninteressant. Es war nur wichtig, dass diese Argumente ernsthaft in die Diskussion gebracht wurden.

Manche "Argumente" kann man einfach nicht ernstnehmen.

Schafe werden normalerweise ganzjährig im Freien gehalten.

http://www.geschichtsforum.de/709235-post23.html

Tierhaltung | Nds. Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit



Das mit dem Haus und Geschlecht Davids ist eine sehr steile These von Dir.
Wieso?
Laut dem Alten Testament ist David zwar als kleiner Junge in Bethlehem aufgewachsen, später hatte er sein Haus aber in Jerusalem. Davids Sohn Nathan, von dem Josef laut Lukas abstammen soll, war gebürtiger Jerusalemer.
Hast Du anderweitige Informationen?


Denn damit ist die Sippe Josefs gemeint.
Lukas schreibt von der Sippe Davids (zu der er Josef zählt).


Diese hat es gegeben, wenn es Josef gab. Und sie kann damals sehr wohl aus Bethlehem stammen und Rechte in Bethlehem haben, was Lukas ja wohl mit der fraglichen Stelle sagen will.
Will das Lukas mit der fraglichen Stelle sagen?
Ich glaube nicht.
Sagen tut er es jedenfalls nicht.
Dafür erzählt er kurz darauf, dass Josef und Maria in Bethlehem "keinen Platz in der Herberge" gefunden haben und ihr Neugeborenes in eine Futterkrippe legen mussten.
Das spricht nicht gerade dafür, dass Josef in Bethlehem Verwandte oder gar Immobilien besessen hätte...
 
Das mit dem Haus und Geschlecht Davids ist eine sehr steile These von Dir. Und irrelevant. Jedenfalls in diesem Zusammenhang. Denn damit ist die Sippe Josefs gemeint. Diese hat es gegeben, wenn es Josef gab.

Das sehe ich nicht so. Lukas begründet die Reise nach Bethlehem ausdrücklich damit, dass Joseph seine Abstammung auf David zurückführte:
Ἀνέβη δὲ καὶ Ἰωσὴφ ἀπὸ τῆς Γαλιλαίας ἐκ πόλεως Ναζαρὲτ εἰς τὴν Ἰουδαίαν εἰς πόλιν Δαυῒδ ἥτις καλεῖται Βηθλέεμ, διὰ τὸ εἶναι αὐτὸν ἐξ οἴκου καὶ πατριᾶς Δαυῒδ,
Nach EÜ: So zog auch Josef von der Stadt Nazareth in Galiläa hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Bethlehem heißt; denn er war aus dem Haus und Geschlecht Davids.
Dann kommt es aber - folgte man deinen Ausführungen - zur Diskrepanz: Anstatt Verwandte aufzusuchen, sucht man nach Herbergen (καταλύματι) findet aber keine und muss im Stall unterkriechen (naja, im Grunde ist bei Lukas nur immer wieder von der Krippe [φάτνῃ] die Rede).
Lukas' Botschaft ist hier ganz klar: Jesus ist Gott, Jesus ist von legal königlicher Abstammung und trotzdem erniedrigt Gott sich, soweit man sich erniedrigen kann, indem er unter den widrigsten Umständen seine menschliche Gestalt annimmt.

Was Matthäus angeht, muss ich später antworten, da ich hier keine Bibel habe.
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Edit: Okay, Sepiola ist mir da um einige Stunden zuvorgekommen. Aber was sind schon Stunden vor der Weltgeschichte oder gar vor Gott?

Dafür erzählt er kurz darauf, dass Josef und Maria in Bethlehem "keinen Platz in der Herberge" gefunden haben und ihr Neugeborenes in eine Futterkrippe legen mussten.
Das spricht nicht gerade dafür, dass Josef in Bethlehem Verwandte oder gar Immobilien besessen hätte...
 
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