@Sepiola:
Den verstehe ich immer noch nicht.
Tacitus nimmt Reste von Germanen auf nichtrömischem Boden nicht zur Kenntnis?
Was willst Du damit sagen?
Ich sagte und wollte sagen, dass Tacitus Reste von
Kelten auf nichtrömischem Boden nicht abhandelt (ob er sie überhaupt zur Kenntnis nahm, ist dann schon die zweite Frage). Von solchen Resten können wir fast sicher im Markomannenreich ausgehen. Auch in Teilen Süddeutschlands, z.B. im Taubertal, macht der archäologische Befund keltische Restbevölkerung wahrscheinlich. In einem der Kelten-Threads hier gab es eine interessante Diskussion, ob die Cherusker nicht keltischen Ursprungs bzw. stark keltisch beinflusst waren, als Indiz hierfür werden u.a. Eigennamen wie Segestes herangezogen. Schließlich halte ich auch starke keltische Reste bei den Sugambrern zumindest für nicht a priori ausgeschlossen.
Danke übrigens für den Link. Da stehts ja auch:
Zitat:
Der Unterschied in der Art und Weise des Siedelns zwischen den Kelten und Germanen kann sogar auch unter dem Gesichtspunkt der heutigen Archäologie als richtig bezeichnet werden.
Und genau vor diesem Hintergrund wird es relevant, das keltische Reste mit durchaus anderen Siedlungsformen bei Tacitus nicht vorkommen. Der Unterschied - stadtartige Siedlungen, häufig in Höhenlage (oppidum) bei den Kelten vs. aufgelockerte Einzelbebauung bei den Germanen - ist Dir vermutlich present. Archäölogisch ist die Weiternutzung solcher Höhensiedlungen in der Kaiserzeit zumindest für zwei Städte, nämlich Würzburg (Burgberg) und Quedlinburg (Schlossberg), belegt. Dazu kommen weitere Städte, deren Aufbau (Hügellage, Kirche am höchsten Punkt) eher keltisch denn germanisch anmutet, beispielsweise Limburg und Marburg, beide gelegen in einem Gebiet, dessen Germanisierung erst kurz vor Eintreffen der Rämer erfolgte.
Limburg an der Lahn ? Wikipedia
Frühere Funde auf dem Limburger Domberg lassen darauf schließen, dass dieser bereits um 500 v. Chr. eine
keltische Siedlung trug. Ihr Zentrum lag auf dem heutigen Domplatz.
Besiedlungsspuren aus der Kaiserzeit sind mir für Limburg nicht bekannt, aber, wie gesagt, die Stadtstruktur, und die
zwei dort kürzlich ergrabenen römischen Militärlager, geben schon zu denken...
Vor diesem Hintergrund hätte ich mir denn schon - um es vorsichtig ausdzudrücken - etwas genauere Angaben bei Tacitus erhofft. Der archäologische Befund macht den Fortbestand einiger spät-keltischer oppida in der Germania Libera nämlich durchaus wahrscheinlich.
Was die Bodenschätze angeht, können wit uns vermutlich einigen, dass Tacitus das Eisen in der Tat erwähnt, Silber (und Blei) jedoch - wider besseres Wissen - unterschlagen hat. Danke für den entsprechenden Link zu den Annalen.
Tacitus sagt, das Land sei Fruchtbäumen widerstrebend.
"Nicht das Klima" steht nicht bei Tacitus, das ist Dein Einschub.
Wie war das mit dem sinnentstellenden Zitieren?
.
Bei "nicht das Klima" habe ich keine Anführungszeichen genutzt, weil ich hier Tacitus nicht zitiert, sondern erläutert habe. Wenn es an der entsprechenden Tacitus-Stelle einen expliziten Vermerk zum Klima gibt, den ich übersehen haben sollte, korrigier mich gerne. Bis auf weiteres verstehe ich aber Tacitus so, dass er - Oliven hin oder her - den Boden der Germania als generell für Obstbau nicht geeignet erklärt. Nicht nur hessische Äppelwoi-Trinker dürften diese Aussage in Frage stellen.
Um dann zur Gesamtwertung zurückzukommen: Diese sollte, wie richtig ausgeführt, alle Quellen berücksichtigen. Hier mag sich unser Quellenverständnis unterscheiden - Du scheinst eher textorientiert, für mich sind auch Archäologie, Pollenanalyse etc. wesentliche Quellen.
15 n. Chr. gab es in der fraglichen Gegend im rechtsrheinischen Germanien garantiert Berge und Wälder, aber garantiert keine römischen Verwaltungsbezirke.
Bei den unzweifelhaft vorhandenen Bodenerhebungen bin ich mir nicht ganz sicher, ob die Römer sie wirklich als Berge und nicht eher als Hügel (colli) angesehen haben. Ossing und Wiehengebirge, selbst Sauerland und Taunus, sind keine Alpen, auch nicht vergleichbar mit Appenin oder Schwarzwald.
Pollenanalysen belegen, dass die Lippe-Region in der fraglichen Zeit nicht sonderlich waldreich war. 500 Jahre Eisenverhüttung an Sieg und Lahn dürften dort durchaus Spuren im Waldbestand hinterlassen haben - damals wurde ja noch Holz(-kohle) statt Steinkohle zur Verhüttung verwendet. Hierfür spricht u.a., dass laut Tacitus (die Stelle müsste ich bei Bedarf noch raussuchen, aber vermutlich wirst Du sie auch ohne mich finden) die Römer fürchteten, dass nach Regenfällen Lahn und Eder anschwellen und unpassierbar werden könnten. So etwas geschieht eigentlich nur bei geringer Bewaldung und Bodenbedeckung, andernfalls puffert der Wald zunächst die Niederschläge ab.
Das beste, was ich hierzu auf die Schnelle finden konnte, ist folgende Sedimentanalyse der Aar (im Taunus entspringender Nebenfluss der Lahn):
http://www.google.de/url?sa=t&rct=j...UBUPNbgfSaOlvB3D82NNp3Q&bvm=bv.76247554,d.d2s
For the section from Michelbach to the Aar estuary near Diez (Lahn River), we had to produce calculations with another time scale, which gave the following results: 46 % of the skeleton-free sediments in this section were accumulated from 1500 BC to 1000 AD, only 10 % during the High Middle Ages (1000 - 1320 AD) and since then, 44 %. (..)
Another reason is the severe deforestation by small, decentralised ironworks during the Middle Ages and one large ironwork during Early Modern times. Since 1656 and particularly in the 18th century, the iron smelt of Michelbach was one the largest consumers of charcoal in the Eastern Rhenish Massif. Temporarily, the ironworks of the historic Duchy of Nassau employed around 400 people to transport the charcoal needed from all over the Middle Rhine region. Some ironworks in the region were even shut down temporarily because of the lack of charcoal. Only a small portion of the forests remained. (..)
More information is needed regarding the large amount of sediment which was accumulated in the middle and lower reaches during the Holocene until 1000 AD. (..)
Schmenkel (2001) evidenced in the Usa Valley, 30 km east of the Aar, a significant increase of non-tree pollen during the Iron Age, which decreased again in the Roman age. Therefore, human influence must have been stronger before Christ.
M.a.W: Da wird ein Teil des Taunus untersucht, der nachweislich durch Holzkohlegewinnung im Mittelalter und der frühen Neuzeit fast völlig entwaldet war. Zur allgemeinen Überraschung stammen aber mehr der festgestellten anthropogenen Sedimente aus Bronze-, Eisen- und Römerzeit als aus dieser Entwaldungsperiode. Im Nachbartal hat sich gezeigt, dass der dortige Entwaldungshöhepunkt in der Eisenzeit lag. Nehme ich das alles mal zusammen, dürfte dort in der Eisenzeit kaum mehr Wald als im 17./18. Jahrhundert gestanden haben, d.h. so gut wie gar keiner mehr. Und was vermeldet uns Tacitus diesbezüglich? Hmm...
Nehmen wir denn als letztes noch den guten Julius Caesar als Quelle: Der bezeugt zunächst einen Germanisierungsprozess bei rheinischen Kelten, insbesondere den Belgern. Des weiteren treten die Sugambrer ziwschen Rhein, Sieg und Lippe als Bündnispartner der Eburonen und anderer rechtsrheinischer Kelten in Erscheinung, was nahelegt, dass sie ebenfalls germanisierte Kelten bzw. keltisierte Germanen waren. Nachdem der Widerstand in Gallien gebrochen war, bauten die Römer dort relativ schnell Verwaltungsstrukturen unter Rückgriff auf lokale Strukturen und Eliten auf. Warum sollten sie mit der kulturell vermutlich ähnlich gearteteten rechtsrheinischen Bevölkerung anders verfahren sein? Spricht nicht im Gegenteil die Stadtgründung von Waldgirmes, und die Kooperation mit Segestes, für einen ähnlichen Ansatz? Davon lessen wir bei Tacitus zwar nichts, bei anderen zeitgenössischen Quellen aber so einiges.
Andersrum gesagt: Ich halte es für extrem unwahrscheinlich, dass nach mehr als zehn Jahren Pazifizierung, die in Rom offenbar als erfolgreich abgeschlossen betrachtet wurde, Varus mit dem Mandat zur Einführung römischer Verwaltung, Rechtspflege und Steuereinziehung nach Germanien geschickt wird, ohne dass bereits die entsprechenden Grundlagen, d.h. verwaltungsmäßige Territorialeinteilung, bestehen bzw, von ihm als erster Schritt direkt nach Ankunft geschaffen werden.
Wir haben noch nicht einmal einen Beleg, dass vor 15 n. Chr. zu dieser Zeit saltus im Sinne von "Flächen unter direkter zentralstaatlicher Verwaltung" überhaupt de facto existiert haben.
Oh,
de facto haben wir einige Belege für solche Flächen. In meinem ersten Post hatte ich eine Dissertation der Uni Bonn verlinkt, die ziemlich ausfürlich frühaugusteische Erlasse (37 v Chr., wenn ich mich richtig erinnere) für ebensolche Gebiete in Kylikien und Palästina diskutiert. Im übrigen wird dort auch aufgezeigt, wie es Augustus über dieses Institut gelang, sich persönlichen (kaiserlichen) Zugriff auf die ägyptischen Einkünfte zu sichern, ohne die er nicht in der Lage gewesen ware, seine Vetranen zu entlohnen.
De nomine taucht der Begriff saltus jedoch dort noch nicht auf, sondern erstmals bei Plinius. Einige Amateurhistoriker, z.B. einen gewissen Herrn Mommsen, hat dies jedoch nicht davon abgehalten, die Existenz des Begriffs Saltus im Sinne von "Flächen unter direkter zentralstaatlicher Verwaltung" bereits für die republikanische Zeit zu postulieren. Ein Argument hierfür ist, das neben kaiserlichen auch senatorische saltus belegt sind, und die Einführung eines solchen senatorischen Instituts erst in der Kaiserzeit dem allgemeinen Trend zur Aushöhlung senatorischer Rechte durch den Kaiser widersprechen würde. Des weiteren befindet sich der von Plinius genannte saltus in der Emilia, also auf römischem Kerngebiet, wo er verwaltungstechnisch einen Fremdkörper bildet. Dies macht Neubildung unwahrscheinlich und deutet eher auf einen altüberkommenen Status hin.