Hallo zusammen,
nun hat Augusto "seitenlang" geduldig Erkenntnisse vorgetragen, die aufzeigen, dass das damalige Germanien nicht überwiegend aus Wildnis bestand, sondern zum Einen eine ertragreiche Landwirtschaft aufweisen konnte und auch Bergbau schon entwickelt war und zumindest mehrere Jahre dabei mit den Römern "zusammengearbeitet" wurde. Cassius Dio (Römische Geschichte 18,1-22,2) hatte das bereits sehr gut zusammengefasst:
"...In eben jener Zeit hatten sich in Germanien folgende Ereignisse abgespielt: Die Römer hatten gewisse Teile davon in Besitz, nicht zusammenhängende Gebiete, sondern nur solche Bezirke, wie sie gerade unterworfen worden waren, weshalb dann auch hiervon keine Erwähnung geschah.
2. Und römische Soldaten lagen dort in Winterquartieren, und man begann eben mit der Anlage von Städten. Die Barbaren selbst paßten sich den neuen Sitten an, gewöhnten sich an die Abhaltung von Märkten und trafen sich zu friedlichen Zusammenkünften. Doch hatten sie noch nicht ihre alten Gewohnheiten, ihre angeborenen Sitten, ihr früheres ungebundenes Leben und die Macht vergessen, wie sie vom Waffenbesitz kommt.
3. Daher fühlten sie sich, solange sie diese Sitten nur allmählich und sozusagen nebenher unter genauer Überwachung verlernten, weder durch den Wandel in ihrer Lebensart gestört, noch merkten sie wie sie andere wurden..."
Die Römer hatten also bereits gewisse Teile des Landes im Besitz. Was werden das wohl für Landstriche gewesen sein? Nun, die Antwort fällt nicht schwer. Sicher die strategisch äußerst wichtigen Stellen, hier wurden sicher auch die in anderen Quellen erwähnten Kastelle/Befestigungen angelegt. Dann aber doch auch die Gebiete, die sich wirtschaftlich gut nutzen ließen. Man begann auch mit der Anlage von Städten, hielt Märkte ab. Meine Frage ist hier, da ja die Gebiete der neu eroberten Provinzen unter kaiserlicher Verwaltung standen, wie denn nun diese (kultivierten) Gebiete von den Römern bezeichnet wurden. Ist denn vehement die Einrichtung von kaiserlichen Domänen in diesem Fall anzuzweifeln, nur weil eine solche von Tacitus nur einmal als Ortsbestimmung für eine Schlacht erwähnt wurde?
In welchem Zusammenhang schrieben die antiken Autoren denn sonst von Saltus, wenn nicht Landgüter oder Verwaltungseinheiten (Cicero, Catull, Frontinus, etc.) gemeint waren?
Oft wird Tacitus selbst als Zeuge aufgerufen, da er den Herkynischen Wald sowohl als Silva, als auch mit Saltus bezeichnet (Germania). Warum machte der Mann das? im ersten Buch beschreibt er u.a. allgemein die Landschaft Germaniens und benutzt hier den Begriff "Herkynischer Wald" als den korrekten Namen dieses riesigen Gebietes. Im zweiten Teil wendet er sich den einzelnen Stämmen in Germanien zu und bei der Beschreibung der Chatten benutzt er hier "Saltus" und jedermann hält das für in Ordnung, Saltus ist halt polysem und bedeutet auch "Wald". Doch ist das wirklich so? Erinnern wir uns, die Chatten werden als ein ganz besonderer Menschenschlag beschrieben, sie unterscheiden sich von den anderen Stämmen, besonders weil sie so abgehärtet und frei von Verweichlichungen sind! Was härtet die Chatten dermaßen ab? Das Leben im Wald? Das machen nahezu alle anderen Stämme auch, nein, er schreibt sogar zweimal, was diese Leute so besonders macht - der Herkynische Saltus! Sind wir uns einig, dass allgemein das Leben im Gebirge wesentlich härter gegen Klimaunbill macht, als das Leben im schützenden Wald?
Tacitus greift hier eine Besonderheit des Herkynischen Waldes heraus, nämlich dessen Gebirgscharakter, der sich übers gesamte Chattenland zieht! Saltus bedeutet an dieser Stelle also "Gebirge", nicht irgendeine Form von/mit Wald!
Dann haben wir noch in Tacitus ann.2,11,2:
„eum Cherusci fugam simulantes in planitiem saltibus circumiectam traxere”
Hier wird vor der Schlacht bei Idistaviso der Verband der Bataver mit ihrem Fürsten Chariovalda in eine Falle gelockt. Eine Ebene, die von "bewaldeten Waldgebirgen" umgeben war? Doch wohl eher nicht, also entschloss man sich diese Stelle mit "bewaldeten Höhen" zu übersetzen. Einfacher und direkter wäre "bewaldete Gebirge" zu benutzen.
Nochmal Tac.ann.2,14,2.
"non campos modo militi Romano ad proelium bonos, sed si ratio adsit, silvas et saltus"
Nicht bloß das offene Feld sei für den römischen Soldaten geeigneter Kampfplatz, sondern, richtig benützt, auch Wälder und Höhen; (Übers. Strodtbeck, Sondheimer erfindet sogar "bewachsene Höhen"!)
Warum wird das Wort Saltus nur dermaßen frei übersetzt? Textzusammenhang? Da würde "Gebirge" auch in Ordnung sein, da Wälder ja auch oft einige "Höhen" haben.
Aber was sollen die guten Leute, allesamt wohl Altphilologen, denn auch machen, da ja eisern feststeht, dass Saltus natürlich nur Wald(-gebirge, -pass, -schlucht, usw. usw.) bedeuten kann!
Ähnlich in Tac. ann.1,50,2.:
"inde saltus obscuros permeat consultatque, ex duobus itineribus breve et solitum sequatur an inpeditius et intemptatum eoque hostibus incautum."
Von da ziehen sie durch dunkle Wälder und beratschlagen, ob sie von zwei Marschlinien die kurze und gewöhnliche oder die beschwerlichere, noch nicht versuchte und darum von Feinden unbewachte einschlagen sollen.
Im Jahre 14 zieht Germanicus gegen die Marser um die aufmüpfigen Legionen zu beschäftigen. Wieder taucht Saltus als "Wald" übersetzt auf, tatsächlich hatten die Truppen aber ein unbekanntes (auch das bedeutet "obscurus") Gebirge zu überwinden, von dem nur bisher ein Durchmarschweg bekannt war. Nun, man entschloss sich für den beschwerlichen Weg übers Gebirge. Als man das geschafft hatte, bekam Germanicus Nachricht von der bevorstehenden Feier der Marser und schickte, wie immer, Caecina los die Hindernisse im Wald (Silva!), in dem man sich nun befand, zu beräumen.
Die Römer überfielen danach die nichtsahnenden Marser.
Wieder Tac. ann.1,50,2:
"excivit ea caedes Bructeros, Tubantes, Usipetes; saltusque, per quos exercitui regressus, insedere.
Dieses Blutbad setzte die Brukterer, Tubanten, Usipeten in Bewegung; sie besetzten die waldigen Gebirge, über die das Heer zurück musste
Siehe da, die Römer mussten nicht durch dunkle Wälder zurück, sondern über das Gebirge (das hier, welch Überraschung, auch noch bewaldet ist - ohne Wald geht es nicht bei Saltus!), wie oben bereits angemerkt.
Weiter bei Tac. ann.1,50,3.
"sed hostes, donec agmen per saltus porrigeretur, immoti, dein latera et frontem modice adsultantes, tota vi novissimos incurrere."
Der Feind rührte sich nicht, bis sich der Zug durch den Wald hingedehnt hätte; hierauf aber stürzt er sich, während er leichte Angriffe auf Flügel und Front unternahm, mit ganzer Macht auf den Nachtrab.
Jetzt frage ich mich doch ernsthaft, wo nun plötzlich der Wald herkommt? Grade haben wir festgestellt, dass die Römer ein vorher unbekanntes Gebirge überwanden und auch die Germanen im Gebirge lauerten!
Gehen wir ins Jahr 15, nach der Beerdigung der Varuslegionen. Tac.ann.1,63,1.
"Sed Germanicus cedentem in avia Arminium secutus, ubi primum copia fuit, evehi equites campumque, quem hostis insederat, eripi iubet. Arminius colligi suos et propinquare silvis monitos vertit repente; mox signum prorumpendi dedit iis, quos per saltus occultaverat."
Germanicus aber zog jetzt dem in unwegsame Gegenden zurückweichenden Arminius nach und befahl, sobald sich die Gelegenheit bot, der Reiterei anzusprengen und das vom Feind besetzte Feld wegzunehmen. Arminius heißt die Seinigen sich zu sammeln und dem Wald näher zu rücken; dann wendet er sich unversehens und gibt sofort denen, die er in den Wäldern umher versteckt hatte, das Zeichen hervorzubrechen.
Komisch, einerseits lässt Arminius seine Truppen sich sammeln und d e m Wald näher rücken, plötzlich gibt es noch viel mehr Wälder, aus denen andere Germanen hervorbrechen. Ist es nicht eher so, dass sich die versteckten Truppen in den umgebenen Gebirgen befunden hatten?
Auch bei Caecina an den langen Brücken füllten nachts die Gesänge der Germanen die Täler und die widerhallenden Gebirge. Gut möglich, oder?
Was meinen andere Quellen?
Cornelius Nepos (Hannibal)
"saltum Pyrenaeum transiit. quacumque iter fecit, cum omnibus incolis conflixit: neminem nisi victum dimisit. ad Alpes posteaquam venit, quae Italiam ab Gallia seiungunt, quas nemo umquam cum exercitu ante eum praeter Herculem Graium transierat (quo facto is hodie saltus Graius appellatur), , (Er überschritt das Pyrenäengebirge, kämpfte, wo er immer seinen Weg nahm, mit allen Bewohnern, und ließ keinen Feind unbesiegt davonkommen. Nachdem er zu den Alpen gelangt war, die Italien von Gallien trennen, und die nie jemand vor ihm mit einem Heer überschritten hatte, außer dem griechischen Herakles, weshalb heutzutage dies Gebirge das graiische heißt,)
Alles korrekt mit Gebirge übersetzt!
Oder Livius: Ab urbe condita libri ( Römische Geschichte, übersetzt von Konrad Heusinger 1821)
"ii nuntiant maiore periculo quam emolumento exercitum per invios saltus in Macedoniam inductum." (Buch 44,20)
Mehr mit Gefahr als Nutzen sei das Heer über unwegsame Waldgebirge in Macedonien eingeführt
Ein komplett bewaldetes Gebirge ist eigentlich ein Mittelgebirge und in der Regel nicht völlig unwegsam. Ein Gebirge allerdings kann da schon mehr Hindernisse bieten. Genauso beim nächsten Text:
"eadem temeritate avidam ulteriorum semper gentem in saltus invios deductam," (Buch 9, 38)
Bei der ihrem Volke eigenen Begierde, immer weiter vorzudringen, eben so unbesonnen, wie damals, in unwegsame Gebirgswälder geführt,
"sed iis qui hos ipsos Ligures aliquotiens pecorum modo fugientes per saltus invios consectati ceciderunt?" (Buch 40, 27)
von welchen eben diese Ligurier zu mehreren Malen als flüchtige Herden Vieh in unwegsamen Waldungen eingeholt und zusammengehauen wurden?
Hier sind es nur unwegsame Waldungen, warum auch hier nicht unwegsame Gebirge?
"obsidet ultro et oppugnat, quem scrutantes ante devios saltus abditum et latentem vix inveniebamus." (ebenda)
ein Feind, den wir, wenn wir ihm ehemals in unwegsamen Waldgebirgen nachspürten, kaum in seinen Löchern und Schlupfwinkeln auffinden konnten!
Hier mal wieder eine korrekte Übersetzung:
"Galli Transalpini per saltus ignotae antea uiae, ut ante dictum est," (Buch 34, 45)
Die Gallier aus dem Land jenseits der Alpen, die auf einem bisher unbekannten Weg über das Gebirge nach Italien hinübergekommen waren.
Aber es gibt auch kuriose Übersetzungen, die häufig mangels historischer oder geografischer Kenntnisse des Übersetzers entstehen:
"biduo, quo senatum legerunt censores, Q. Fulvius consul profectus in Ligures, per invios montes Ballistae saltus cum exercitu transgressus," (Buch 40, 53)
Hier weiß der gute Heusinger nicht, dass der Mons Ballistae ein jetzt nicht mehr bekannter Berg in Ligurien ist und übersetzt:
In den zwei Tagen, an welchen die Censorn den Senat ablasen (besser: sammelten - Ostfale), brach der Consul Quintus Fulvius gegen die Ligurier auf, zog mit seinem Heere durch „unwegsame Gebirge“ und Waldthäler,
Wobei saltus hier die Waldthäler sein sollen? Ist schon kurios, oder?
oder hier:
"non haec Furculas nec Caudium nec saltus invios esse," (Buch 9, 14)
Hier ist keine Klause! kein Caudium! kein unwegsamer Gebirgswald,
Nun muss man wissen, dass Livius einen Rachefeldzug der Römer gegen die Samniten beschreibt, die ein Jahr vorher, 321 v.Chr., angeblich ein 50.000-Mann-Heer der Römer in eine Falle bei den Caudinischen Pässen (Gabelpass=Furculas) in ein Falle gelockt hatten, wo die Römer zwischen unüberwindlichen Gebirgen gefangen waren, die Samniten lediglich die Pässe sperren mussten. Ergebnis: Die Römer mussten unters Joch durch!
Abgerechnet wurde ein Jahr später und mit den obigen Rufen drangen die Legionäre in das Samnitenlager ein. Heusinger übersetzte Furculas mit Klause, na gut, der Kriegsruf ist wenigstens spaßig, aber Saltus als Schlachtruf hier mit Gebirgswald zu übersetzen ist ein wenig umständlich, oder?
Zum Schluss führe ich noch den guten Isidor an der in seinem Werk sich auch der Beschreibung des Saltus widmet:
"Saltus sunt vasta et silvestria loca, ubi arbores exiliunt inaltum."
Und wenn man für vasta die Bedeutung "ungeheuer weit" statt des gängigen "wüst" nimmt, kommt eine schöne Definition eines Gebirges bei raus:
Gebirge sind ungeheuer weite und bewaldete Regionen, wo die Bäume (schier) bis in den Himmel reichen
Denn wenn die saltus sowieso schon bewaldet sind, muss man ja nicht extra "Waldgebirge" schreiben. Das ist genauso unsinnig wie "Berggebirge".
Bleibt die Frage, ist der teuto burgiensi saltu eher ein danach nie wieder auftauchendes Gebirge, oder doch eher ein Landgut, welches nach seiner Zerstörung in Vergessenheit geraten ist?
Beste Grüße
Ostfale