Das Problem liegt an anderer Stelle: Du stellst Dinge als Tatsachen dar, die allenfalls hypothetischer Natur sind. (..)Ohne einen systematisschen Sprachvergleich haben diese Dinge alle keinen Beweiswert.
Hier rennst Du offene Türen ein. Ich schrieb:
P.S: Dieser Ort (erste Nennung als "Luk") kommt potentiell venetisch daher. (..) Vielleicht sollte wirklich mal jemand anfangen, nach keltischen und venetischen Toponymen östlich der Weichsel zu suchen...
Das Problem ist, dass explizit als Hypothesen gekennzeichnete Aussagen nicht als solche zur Kenntnis genommen werden. Entweder werden sie mit dem Killerargument "alles spekulativ" weggebügelt, oder in etwas umgedeutet, was ich nie gesagt habe ("stellst Dinge als Tatsachen dar".) In diesem Zusammenhang möchte ich auch dekumatland bitten, sich nochmals die Erläuterungen zu meinem Erkenntnisziel anzusehen, bevor er weiter über eine angeblich von mir postulierte Uniformität aller Veneter fabuliert.
http://www.geschichtsforum.de/730462-post192.html
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Ich wusste schon, warum ich mich zwischenzeitlich zwei Jahre aus diesem Forum zurückgezogen hatte. Einige neue Mitstreiter gaben mir Hoffnung, es hätte sich etwas geändert, aber im Augenblick bin ich mir da alles andere als sicher.]
Die Frage, die sich aber nun anschließt, ist folgende: Wenn wir nun bewiesen hätten, dass die baltische Teichrose (Luk) mit dem lateinischen Wort für fließen (liquere) oder dem englisch-lateinischen lake/lacus oder dem neokeltischen lough/loch etymologisch verwandt ist - was bringt uns das für die Frage nach der Verwandtschaft der verschiendenen als Veneti oder Venedi bezeichneten Völker untereinander?
Als Positivbeweis - nichts. Aber ein systematischer Sprachvergleich könnte Deinen berechtigten und prüfenswerten Einwand zum Fehlen keltischer (bzw. italischer/venetischer) Sprachwurzeln im Siedlungebereich der Aestionen bzw. baltischen Veneter entkräften (oder auch stützen).
Der La Tène-Einfluss ist genau einer dieser Punkte, mit dem du offene Türen einrennst, der uns aber in der Veneter-Frage kein Stück weiter bringt.
Jein. Wenn keltischer Einfluß oder sogar keltische Migration bis östlich der Weichsel belegbar ist,
kann dies auch adriatische Veneter dorthin gebracht haben. Ich verweise hier insbesondere auf die belegte venetische Präsenz und spätere Assimilation im Noricum.
http://www.uni-salzburg.at/fileadmin/oracle_file_imports/2013182.PDF
Nimmt man weiterhin (hypothetisch) an, das Wirtschaftsmodell der adriatischen Venezier hätte Parallelen zu dem des fühmittelalterlichen Venedigs, d.h. es basierte auf Gründung von Handelskolonien entlang wesentlicher Handelsachsen ohne Absicht der demographischen Expansion, wäre ein keltischer Siedlungsverbund entlang der Bernsteinstraße hierfür sicherlich keine schlechte Basis. Indikatoren für solch ein Wirtschaftsmodell gibt es einige: Vielsprachigkeit der venetischen Inschriften, "Export" der venetischen Schrift (mit lokalen Abwandlungen) nach Manching, Noricum, Pannonien etc., kulturelle Diffusion (.z.B. Situlen), v.a. aber auch durch Funde (Fibeln etc.) belegte Warenexporte aus dem adriatischen Raum.
Ich vertiefe das Thema in einem gesonderten Beitrag. Vorher noch ein kurzer Blick nach Westen, in der Hoffnung, damit das Thema Veneter<> Vindeliker zum Abschluß zu bringen:
Dort [Synopse der Uni Wien] steht lediglich, dass die Veneter den Namen "Wenden" hinterlassen hätten, nicht jedoch, wo und in welcher Dichte Veneter dort überhaupt siedelten.
Das hatte ich als Ostholsteiner, genau wie wohl Du als Ostniedersachse, zunächst auf die ostdeutschen "Wenden"-Namen bezogen. Neben den slawischen "Wenden" kommt auch eine germanische Ableitung von "win-ithi" in Frage. Eine Ableitung von "(sich) windender (Bach)" scheint Udolph zu verneinen (hier fehlen allerdings einige Seiten in der Leseprobe).
Namenkundliche Studien zum Germanenproblem - Jürgen Udolph - Google Books
Offenbar gibt es nun im südwestdeutschen Sprachraum eine Häufung, die weder über slawische Migration, noch über germanische "win-ithi"-Bikldung erklärbar ist, und von der Uni Wien auf Vindeliker/ Veneter zurückgeführt wird. Beispielsweise gibt es in Tirol eine Reihe entsprechender Bergnamen (Wendenkogel etc.), auch das Karwendel-Gebirge mag hierhin gehören. An Ortsnamen konnte ich u.a. das Venttal (oberes Seitental des Ötztals), Windach bei Landsberg/Lech, Windenberg/ Allgäu, und Werdenberg SG (im MA Wendenberg) finden. Wichtigster Beleg jedoch ist Windisch/ Aargau, das römische
Vindonissa, bei dem Namensableitung von den slawischen Wenden, und eine germanische Wurzel ausscheiden. Weiterhin werden die Schweizer Flußnamen Aare, Thur und Plessur als venetisch-illyrisch gedeutet.
Historische Schichten in schweizerischen Lokalnamen ? GISpunkt HSR
Ob Bairisch-Schwaben, das Bodenseegebiet, Graubünden, Aar- und Thurgau nun vor ihrer Keltisierung komplett (alt-)venetisch besiedelt waren, oder dort nur einzelne Siedlungskammern existierten, kann offenbleiben. In jedem Fall sind die linguistischen Spuren dicht genug, um eine Ableitung des Namens Vindeliker von den adriatischen Venetern
plausibel zu machen. Den Lacus Venetus würde ich dann auch eher für einen venetischen See denn das blau-weiße Meer halten wollen (
auf Schweizer, österreichische und schwäbische Zustimmung wird hier gehofft:winke
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Kurz noch zu den Rätiern; Das rätische Alphabet ist mit dem venetischen fast identisch. Einzige Ausnahme ist das Fehlen des im venetischen Alphaber neu hinzugefügten "O". "Rätische", wie auch "venetische" Inschriften bestehen meist nur aus Personennamen, die linguistisch schwer einzuordnen sind. Von einigen Südtiroler Teillandschaften wissen wir durch das Tropaeum Alpium von ihren Bewohnern: Vennosten (im Vinschgau/ Val Venosta) und die bislang nicht sicher lokalisierten Vennoneten, lt. Plinius wichtigster Stamm der Rätier, kommen vom Namen her eher "venetisch" denn "etrurisch" daher. Der Name der Isarken im Eisachtal leitet sich von einem indo-europäischen Flußnamen her, was natürlich nicht-indoeuropäische Bevölkerung nicht ausschliesst, aber zumindest ihre Dominanz in Frage stellt.
Tropaeum Alpium ? Wikipedia
Was die rätische Sprache betrifft, so wird sie von der Sprachwissenschaft mehrheitlich als dem Etruskischen verwandt klassifiziert.
Oh, wann war die Abstimmung? Wie groß war die Mehrheit? Wer war stimmberechtigt?
Im Ernst - die "rätische Sprache" ist zehnmal mehr eine Trümmersprache als die venetische, und Venetisch kann schon nicht sauber klassifiziert werden (und enthält auch etruskische Elemente wie z.B. "aisu"="Gott"). Wir reden hier über eine Region mit intensiven venetisch-etruskischen Kontakten, keltischer Überformung, und wahrscheinlich diversen Sonderentwicklungen in einzelnen Seitentälern. Die Rätier sind eine ethnographische, später auch politische Schöpfung der Römer, im Versuch, diesem Gemenge irgendwie einen Namen zu geben. Meines Wissens gibt es keinen einzigen Beleg dafür, dass irgendein Bewohner der Region sich in vorrömischer Zeit als Rätier bezeichnet hätte. Der Name selbst ist offensichtlich abgeleitet von dem der
venetischen Göttin Raetia.