Gar nicht akzeptabel ist nun, wenn jemand irgend ein Ereignis mit den Funden in Kalkriese kritisch vergleicht.
Das stimmt nicht. Aber ein Vergleich muss ja auch gezogen werden können.
Bespielsweise müssen nun mal die Parameter auch stimmen zw. den Dingen, die man miteinander vergleicht. Wenn Biturigos also kritisiert, dass Äpfel mit Birnen verglichen werden, dann hat das weniger etwas mit dem Zeitstellungen der einzelnen Schlachtfeldern zu tun, sondern dass vorausgesetzt wird, dass die Parameter immer dieselben wären.
Wenn du z.B. Erhaltungsbedingungen von Knochen, Holz, organischem Material, Metallen etc. aus Grabung 1 heranziehst und mit Grabung 2 vergleichst, dabei aber missachtest, ob der Boden sauer oder basisch ist, feucht oder trocken etc. dann bekommst du ein schiefes Ergebnis.
Wenn du ein Stück Fleisch in ein Glas Wasser und in ein Glas Cola wirfst, passieren ja auch unterschiedliche Dinge. So ist das auch in der Archäologie. Ein Lehmboden ist etwas anderes als ein Sandboden, ein trockenes Klima ein anderes, als ein feuchtes.
Der Vergleich von Kalkriese mit dem Little Big Horn beispielsweise ist häufig der der Form geführt worden, dass das, was wir als rationales Verhalten unterstellen und das, was tatsächlich für die Handelnden rational ist häufig nicht übereinstimmt.
So wissen wir z.B., dass die Sioux gerne die Soldatenstiefel zu Satteltaschen umarbeiteten. Dazu nahmen sie nur den Teil mit, den sie benötigten, den Rest ließen sie als wertlos liegen. Von einem indianischen Bericht über die Plünderungen bei Little Big Horn wissen wir, dass der Indianer, der einen Soldaten getötet hatte, das Vorrecht hatte, dessen Besitz an sich zu nehmen. Erst dann, wenn er sich seinen Teil ausgesucht hatte, war der Tote zur Plünderung "freigegeben".
Wir wissen z.B., dass einem Soldaten eine Taschenuhr abgenommen wurde. Sie tickte noch und wurde deshalb als wertvolles Totem angesehen. Als sie am nächsten Tag stehen geblieben war, weil sie hätte aufgezogen werden müssen, wurde sie weggeworfen. Offenbar hatte der Zauber denjenien, zu dem er gehörte, nicht lange überlebt.
Nun hatten die Römer keine Aufziehuhren. Aber die indianischen Augenzeugenberichte von Little Big Horn lehren uns, dass in einer fremden Kultur bei der Plünderung eines Schlachtfeldes Dinge vor sich gehen, die wir gar nicht auf dem Schirm haben, die aber letztendlich den späteren archäologischen Befund mitbestimmen.
Das ist in erster Linie der Grund, warum Little Big Horn zum Vergleich mit Kalkriese herangezogen wurde.
Ob nun Kalefeld (mit 225 Jahren Differenz), Geluba (mit rund 250 Jahren Zeitdifferenz) oder Schlachten aus dem 30-jährigen Krieg - solche Vergleiche bringen für die Diskussion nach Mehrheitsmeinung nichts und sind wohl zu verwerfen.
Das ist falsch und somit auch die daraus gezogene Schlussfolgerung:
Wenn man in diesem Stil weiter "diskutiert", dann kann man den Faden auch gleich schließen.
Wenn du aus einer Bestattung, wie in Gelduba,
wo aus der ersten, literarischen belegten Schlacht keine menschlichen Überreste überliefert sind,
aber aus der zweiten, literarisch nicht belegten Schlacht schon, wo du am Befund erkennen kannst, dass die Bestatten noch im anatomischen Verband waren, aber hastig bestattet wurden (flache Gruben, keine Ordnung ob Mensch oder Tier, Leichen verdreht, teilweise die Sandalen noch an den Füßen, Kalkschichten gegen den Verwesungsgeruch über den Bestatteten) dann musst du daraus natürlich andere Schlussfolgerungen ziehen, als wenn du einen Bericht hast, wonach Leichen erst sechs Jahre nach einem Ereignis bestattet wurden (und demnach kein Verwesungsgestank mehr anfallen konnte) und du auch entsprechend fragmentierte Knochen findest. Die eben wesentlich länger als nach wenigen Tagen bestattet wurden.
Wenn man Bestattungen aus den Kriegen der Neuzeit mit Kalkriese vergleicht, kann man z.B. folgendes feststellen: In Kalkriese hat man relativ wenig Rüstungsteile gefunden, aber überproportional viele Rüstungsschließen. Woher kommt das?
Bei neuzeitlichen Schlachtfeldern hat man hin und wieder neben (auch in, aber auffälligerweise häufig daneben) den Massengräbern Knöpfe gefunden. Von Darstellungen wissen wir, dass den Leichen oder auch Verwundeten recht rabiat ihre Uniformjacken ausgezogen wurden. Dabei gingen Knöpfe verloren. Sie wurden eben nicht aufgeknöpft sondern aufgerissen.
Hier kann man die Parallele zwischen römischen Rüstungsschließen und Uniformjackenknöpfen ziehen.
Wo wir die Uniformknöpfe in den Massengräbern finden, wissen wir dann meist, dass die Toten mit ihren Uniformen bestattet wurden. Bei einem Massengrab in den vergangenen Jahren, ich meine, es wäre eines aus den napoleonischen Kriegen, konnte man sogar feststellen, dass die Toten an einer Seuche zugrundgegangen waren. Diese hatte man kaum entkleidet. Bei Wittstock dagegen finden wir nur einzelne Uniformknöpfe im Massengrab.