Hätte, würde, könnte. (Ist nicht bös gemeint, ich muss mich nur kurz fassen, da ich immer wieder aus dem Netz geworfen werde.)
Marc Aurel hat de facto neue Truppen aufgestellt. Daraus, dass man sie nicht wieder auflöste, können wir sehen, dass man sie bezahlen konnte. Ich bezweifele, dass man die zusätzlichen Germanen weiterhin gebraucht hätte. Und die Anwerbung ganzer Aufgebote nach Ethnie gab es auch schon in der Republik. Ebenso die Forderung nach Lebensraum. (z.B. Kimbern, Helvetier und Usipeter) Und die Gegener Marc Aurels haben es auch gefordert; man kann es sogar mit unter die Kriegsgründe zählen. Neue Föderaten auf Reichsgebiet sind in der Zeit noch ein Anachronismus. Falls Du auf die Auxilien anspielst, sind das ja gerade keine Föderaten. Marc Aurels Legionäre mögen Hosen getragen haben, aber in der Spätantike sind wir hier noch nicht.
Was das letzte Aufgebot angeht, so müssen wir doch feststellen, dass es zum Sieg ausreichte. Gewöhnlich hält man aber ein Gebiet mit weniger Truppen als man zur Eroberung braucht. (Die angeblich potentiellen Föderaten wurden nach dem Krieg nach Hause geschickt. Ihre Anwerbung und Entlassung war aber ein gewöhnlicher Vorgang, keine Notmaßnahme.)
Dann sind Sicherheit und der Schutz von Handelswegen durchaus ein Wert für sich. Es behauptet ja niemand, das Marc Aurel mit den Kolonien einen Goldesel erschaffen wollte. Denn eine neue Provinz kostete eben kaum etwas, wie schon gepostet. Die Soldaten hatte man schon und schickte sie auch so, bis auf die paar auswärtigen verbündeten Ethnien, nicht mehr nach Hause. Zwei Handvoll Höherer Beamter findet man immer. Auf dem Rest bleiben die Besiegten sitzen: Vae victis!
Bei der Sicherheit lag doch auch gerade der große Gewinn. An March und Theiß stand man so günstig, dass man alles, was aus dem Vorfeld kam, leicht hätte angreifen können. Nicht nur mit mäßigen Kräften, die man aus einem kurzen Grenzabschnitt zusammenrief, sondern mit richtigen Heeren, die zwar auf mehrere Lager verteilt lagen, doch so stationiert waren, dass sie schnell zusammengezogen werden konnten. Ganz offensichtlich spielte diese Strategie beim Sieg über die Markomannen/Quaden/etc. eine Rolle. Sie war also erprobt, während die alte Aufstellung versagt hatte.
Dann darf ich daran erinnern, wie stark sich Europa in der frühen Neuzeit ausbreitete. Trotz regelmäßiger Seuchen und großer Hungersnöte.
Der Sieg ist das Imperium, aber sehr teuer gekommen, und wenn auch eine germanische Infiltration von den römischen Behörden noch immer aufgefangen werden konnte, ist doch unverkennbar, dass die römische Armee in ihrer Schlagkraft nachließ. Die Armee war nicht nur ein militärischer, sondern auch ein wichtiger sozialer Faktor. Bis zur Zeit Vespasians bestanden die Legionen nicht nur aus römischen Bürgern, sondern mehrheitlich aus Italikern. Da die Legionäre zum größeren Teil aus den urbanen Zentren des Imperiums rekrutiert wurden, bildete die römische Armee ein wichtiges Element der Romanisierung. Im Verlauf des 2. Jhds war jedoch dieser städtische Bestandteil immer mehr zurückgegangen, da die Städte, nicht zuletzt wegen der antoninischen Pest das Menschenmaterial für das Militär nicht mehr hergaben. Die Zwangsaushebung war ein Notbehelf, von dem man aber selten Gebrauch machte. Man griff auf die Landbevölkerung zurück, die aber in den westlichen Provinzen bei weitem nicht so gut romanisiert war. Damit setzte sich das Heer aus einer neuen sozialen Schicht zusammen, die weit weniger in der römisch-hellenistischen Kultur zuhause war, als die Legionen des 1. Jhds. Die Soldaten waren sicher kräftig und verfügten über physischen Mut, waren aber mit dem sehr differenzierten römischen Exerzierreglement vielfach überfordert. Dazu kam, dass die Germanen, die zuvor recht zersplittert waren, sich zu größeren, wenn auch losen Völkerverbänden zusammenschlossen und, wie schon erwähnt, sich Wanderungsbewegungen bemerkbar machten wie die der Goten, die von der Weichselmündung nach Süden zogen. Germanische Stämme gingen Allianzen mit Jazygen, Roxolanen, Vandalen u. a. Stämmen ein, was deren Kräftepotential erhöhte.
Dazu kam eine wirtschaftliche Rezession. Hadrian hatte noch einmal eine letzte Phase der Urbanisierung durchgeführt und das Städtewesen bis an die Grenzen des Imperiums getragen. Damit entfiel aber der wirtschaftliche Vorteil der Gewinnung eines Hinterlandes als Absatzmarkt, und wirtschaftliche Impulse konnten daher von seiner Kolonisation nicht ausgehen. Schon unter Trajan machte sich bemerkbar, dass sich lokale Honorationen um munizipale Ämter nicht mehr drängten und sie nur widerwillig übernahmen. Die Gemeinden waren Träger der finaziellen Lasten, bevor die Steuern in die Hände der Statthalter gelangten, mussten sie innerhalb der Städte aufgebracht werden. Gerieten die städtischen Verwaltungen in Unordnung, war auch der Eingang der Abgaben gefährdet. Die Kaiser widmeten dieser Entwicklung ihre Aufmerksamkeit, und Städte, die mit ihrer Finanzgebarung nicht fertig wurden wurden unter Kuratel gestellt. Trajan hatte in Dakien noch einmal reiche Kriegsbeute gemacht, unter Marc Aurel wuchsen aber die Ausgaben so sehr, dass er mit gutem Beispiel voranging und demonstrativ, als symbolischen Akt, sein Tafelsilber verkaufte. Die erhöhte Bürokratisierung verursachte steigende Kosten. Als das Imperium noch blühte, galt es als Ehre, mit dem eigenen Vermögen den Heimatgemeinden zu helfen. Als die Wirtschaft stagnierte, gleichzeitig aber die Staatsausgaben für das Militär immer größer wurden, ging das Engagement für städtische Ehrenämter zurück.
Die Stationierung an March und Theiß wäre zwar für das Imperium günstiger gewesen, hätte aber auch größeren Aufwand und Kosten für Administration gefordert, und wichtiger noch die Verbindungslinien waren wesentlich länger, als sie am Antoninuswall waren. Wie schon gesagt, ließ sich die Verlegung der Reichsgrenze bis zum Firth of Forth nur unter günstigen Bedingungen halten, obwohl der Antoninuswall viel kürzer war, als der des Hadrian. Die Römer haben sich schließlich auf den Hadrianswall zurückgezogen, obwohl noch Septimius Severus erfolgreich in Britannien kämpfte
Die Annexion des reichen Mesopotamiens und die Einverleibung Armeniens hätte das Partherreich zu einem Vasallenstaat von Roms Gnaden gemacht und die Bedrohung aus dem Osten liquidiert. Schon Caesar hatte Pläne gehabt, auf Alexanders Spuren zu wandeln. Trajan, zweifellos einer der militärisch fähigsten Kaiser ist letztendlich trotz glänzender Erfolge wie der Einnahme Seleucia/Ktesiphons und der Erbeutung des Thrones der Arsakiden mit der Ausdehnung des Imperiums bis zum Schat el Arab gescheitert, und vermutlich hätte das auch ohne einen gefährlichen Judenaufstand in Ägypten und der Cyrenaika nicht geklappt.
Augustus Plan der Eroberung Germaniens bis zur Elbe- Sudeten- Donaulinie schien 12 v. Chr abgeschlossen. Tiberius ritt mit nur einem Reitknecht und kleinem Gefolge bis zur Elbe, wo sein Bruder Drusus verunglückt war. Cassius Dio schreibt Germanien glich einer romanisierten Provinz, wäre nicht....Varus im klassischen Morast steckengeblieben wie Heine spottete.
Tiberius hat unter wesentlich günstigeren Voraussetzungen wie sie zur Zeit Marc Aurels herrschten, das Projekt des Augustus, die Grenze des Imperiums bis zur Elbe auszudehnen nicht wiederholt. Außer der Eroberung Britanniens, Dakiens und der Einverleibung einiger Klientelstaaten als römische Provinzen erwiesen sich die Pläne von Marc Aurels Vorgängern, die Reichsgrenzen auszudehnen und zu arrondieren in den meisten Fällen als auf Dauer nicht haltbar. Es fällt daher sehr schwer, anzunehmen, dass ausgerechnet Marc Aurels Pläne unter politisch, militärisch und wirtschaftlich wesentlich ungünstigeren Voraussetzungen mit der Ausdehnung des Imperiums und der Errichtung zweier neuer Provinzen ohne nennenswerte Infrastruktur mehr Erfolg gehabt hätten, als seine Vorgänger, wobei nicht einmal sicher ist, ob er diese Pläne hatte und wie ernst es ihm mit der Verwirklichung dieser Projekte war. Die Voraussetzungen, unter denen es einigen Räuberhauptmännern/ Conquistadoren gelang, zwei Hochkulturen zu vernichten waren doch recht verschieden, von denen im 2. Jhd, jedenfalls kamen diesen Epidemien eher zu Hilfe, während die antoninische Pest von den heimkehrenden Truppen Lucius Verus von Parthien über das ganze Imperium verbreitet wurde, und überhaupt... die Kängeruhs mögen springen können, mit leeren Beuteln hüpft man aber erfahrungsgemäß nicht weit.