Er|z|ämter und Er|b|ämter im HRR

muck

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Hallo zusammen!

Mich beschäftigt derzeit Folgendes: Wie man weiß, schwand die Bedeutung der Erzämter im HRR im Lauf der Jahre so weit dahin, bis sie im Spätmittelalter nur noch symbolische bzw. zeremonielle Natur hatten, etwa bei den Krönungsfeierlichkeiten.

Dennoch sehe ich Belege dafür, dass die Erzämter weiterhin unter den Fürsten begehrt waren; bspw. erhielten die Pfalzgrafen 1648 mit der für sie neu geschaffenen Kurwürde das eigens für sie erdachte Amt des Erzschatzmeisters.

Doch begleitete jedes Erzamt ein Erbamt. Alle Quellen, die ich auftun konnte, sprechen davon, dass die Inhaber der Erbämter die kurfürstlichen Erzämter so regelmäßig vertraten, dass von einem Dauerzustand zu sprechen ist; der Brockhaus beschreibt sogar, die Erbämter-Inhaber hätten die Erzämter-Inhaber grundsätzlich selbst bei den Kaiserkrönungen vertreten. Nun habe ich nicht Berichte zu jeder Krönung bis zu der letzten 1792 durchforstet, aber darauf kommt es mir auch nicht an, sondern auf die generelle Frage:

Wozu überhaupt die Vertretung?

Wenn die Erzämter (bis zuletzt) so begehrt waren, dass Fehde und Streit wegen ihnen entbrannten, warum wollten, konnten, mussten Erzkämmerer, Erztruchsess etc.pp. sich selbst bei der Krönungszeremonie von rangniederen Adeligen (eben den Erbämtern) vertreten lassen? Zu alltäglicheren Anlässen mag eine Vertretung ja noch angehen und sogar sinnvoll sein; immerhin hatten die Kurfürsten Pflichten in ihren eigenen Gebieten. Aber es kommt mir seltsam vor, dass sie auf die Ausübung von Ämtern, die ich als prestigeträchtig interpretiere, aus eigenem Willen oder aufgrund des Protokolls einfach so verzichtet haben. Wieso also?

Ich bin gespannt auf Eure Antworten! :winke:
 
Falls es — was ich bei 144 Aufrufen doch annehme — interessiert: Mittlerweile bin ich selbst auf die Lösung gekommen, und sie ist denkbar einfach: Diejenigen Erzämter, die dauerhaft durch Erbämter vertreten wurden, hielten protestantische Fürsten inne. Doch waren diese von der (geistlich-katholisch geleiteten) Zeremonie der Kaiserkrönung schlicht und ergreifend ausgeschlossen.
 
Nun ja, nur werden die Erbämter und die Familien die diese innehaben bereits in der Goldenen Bulle namentlich genannt, lange vor der Reformation.
 
Falls es — was ich bei 144 Aufrufen doch annehme — interessiert: Mittlerweile bin ich selbst auf die Lösung gekommen, und sie ist denkbar einfach: Diejenigen Erzämter, die dauerhaft durch Erbämter vertreten wurden, hielten protestantische Fürsten inne. Doch waren diese von der (geistlich-katholisch geleiteten) Zeremonie der Kaiserkrönung schlicht und ergreifend ausgeschlossen.
Die protestantischen Fürsten waren dann bei den großen Sausen nach der Krönung auch nicht dabei, sieht man z.B. bei den Gemälden der Meytens-Schule von der Krönung Joseph II. zum Römischen König.

Ich denke, dass da ganz stark v.a. im 18.Jh. eine Rolle spielte, dass die Bedeutung des HRR für die Reichsfürsten rückläufig war, bzw. man sich eigentlich persönlich im Zeremoniell nicht so sehr als Untergebener eines (österr.) Throninhabers zur Schau stellen wollte. Das betrifft natürlich insbesondere die Kurfürsten, die ja oftmals entweder eine Königskrone persönlich anstrebten oder eine wie bei Braunschweig-Lüneburg und Brandenburg(-Preußen) inne hatten. Davon abgesehen war die Reise zur Kaiserwahl insbesondere wenn man nicht inkognito reiste enorm teuer und aufwendig.
 
Nun ja, nur werden die Erbämter und die Familien die diese innehaben bereits in der Goldenen Bulle namentlich genannt, lange vor der Reformation.
Vor der Reformation scheinen die Inhaber der Erbämter aber auch nur Stellvertreter der Erzämter im eigentlichen Sinne gewesen zu sein, d.h. bei Krankheit, Feldzug oder sonstiger Verhinderung "ihres" Erzamtes zum Zuge gekommen zu sein. Jedenfalls habe ich keine Hinweise darauf gefunden, dass sie vor dem 16. Jahrhundert regelmäßig oder gar alleinig die Funktionen der Erzämter ausübten.
Ich denke, dass da ganz stark v.a. im 18.Jh. eine Rolle spielte, dass die Bedeutung des HRR für die Reichsfürsten rückläufig war, bzw. man sich eigentlich persönlich im Zeremoniell nicht so sehr als Untergebener eines (österr.) Throninhabers zur Schau stellen wollte.
Das spielt bestimmt eine große Rolle.

Allerdings scheint die faktische Bedeutung der Erbämter bereits früh rasant gewachsen zu sein, etwa ab dem ausgehenden 13. Jahrhundert, bis sie im 16. Jahrhundert fast ausschließlich die öffentlich sichtbare "Variante" "ihres" Amtes waren.

Wie gesagt, es schien mir ein großer Widerspruch dahingehend zu bestehen, dass die Kurfürsten die Erzämter lange Zeit offenbar für wichtig genug hielten, um sogar Kleinkriege darum zu führen, sie dann aber nicht ausübten oder, wie Du schreibst, aus politischen Gründen nach außen geringschätzten. Beispiel: 1340 schrie (Reichsmarschall) Rudolf I. von Sachsen Zeter und Mordio, als der Kaiser Johan III. von Brabant das Recht verlieh, sich Reichsschwertträger zu nennen. Obwohl beide Ämter (im theoretischen Zeremoniell) verschiedene Aufgaben hatten, unterschiedliches Ansehen besaßen, sich ihre Bezeichnungen sowohl in der Umgangssprache als auch im Lateinischen überhaupt nicht ähnelten und der Brabanter nicht das Recht erhielt, seinem Wappen seinerseits ein Schwert hinzuzufügen, waren die gekreuzten Schwerter im Wappen des Reichsmarschalls Rudolf Grund genug, zu behaupten, dass an der Würde seines Amtes gekratzt werde, dürfte ein anderer einen offiziellen Titel mit dem Wort Schwert darin beanspruchen.
Davon abgesehen war die Reise zur Kaiserwahl insbesondere wenn man nicht inkognito reiste enorm teuer und aufwendig.
Daran hatte ich gar nicht gedacht. Hätte ich angesichts der Prunksucht vieler Fürsten aber auch nicht vermutet. Und da die Kurfürsten ihre Erzämter jedenfalls im Mittelalter anscheinend stark überhöhten, hätte ich aufgrund des eben Geschriebenen eher erwartet, dass ihnen daran gelegen gewesen wäre, durch ihre Mitwirkung an der Krönungszeremonie für das Reich sichtbar zu unterstreichen, dass sie den König gewählt hatten und sie ihn krönten, nicht er sich selbst. Immerhin behielten die Zeremonialämter in anderen Königreichen lange Zeit selbst dann außerordentlich große Bedeutung, wenn die politische Macht ihrer Inhaber gering war und sie keinen anerkannten Einfluss darauf nehmen konnten, wer König wurde.
 
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