Besiedlung Amerikas: solutréische Hypothese, Beringia, oder Südpazifik?

Das verstehe ich nicht ganz. Welche südamerikanische Funde genau sollen mit dem Einwanderungsweg Behringsstrasse kollidieren, resp. mit welchem Expansionsmodell "Nord-Süd" in Amerika? Dafür sind doch diverse Hypothesen vorgeschlagen? Meinst Du die Diskussion weiter oben im thread?
Natürlich meine ich die Diskussion weiter oben im Thread. Was sonst?

Einige südamerikanischen Funde, die eine Besiedelung ausschließlich über die Berhingbrücke zweifelhaft erscheinen lassen hat Augusto ja genannt.

Wenn man von der Prämisse ausgeht daß Amerika erst ab etwa 15000 vor unserer Zeitrechnung von Norden aus besiedelt wurde dann ist jeder Fund in Südamerika der vor oder auch nur annähernd um diesen Zeitpunkt datiert werden kann oder muss ein Grund an der ausschließlichen Besiedelung Amerikas von Norden her zu zweifeln.

Hier ein Link dazu:

Krach um den ersten Amerikaner - bild der wissenschaft

Ist natürlich populärwissenschaftlich.
 
... und außerdem schon 15 Jahre alt...

...was angesichts der 15000 Jahr über die wir hier reden gerade mal ein Promille ausmacht. Gab es in den 15 Jahren seit Veröffentlichung des Textes irgendwelche neuen wissenschaftlichen Erhenntnisse, die den Schluß nahelegen daß all das da Geschriebene Unsinn ist?

Ich kann jetzt auf Anhieb keine Belege liefern, aber ich habe in der jüngeren Vergangenheit mehrmals Berichte über südamerikanische Funde gelesen die mutmaßlich älter sind als 15000 Jahre. Augusto hat zwei genannt.
 
Gab es in den 15 Jahren seit Veröffentlichung des Textes irgendwelche neuen wissenschaftlichen Erhenntnisse, die den Schluß nahelegen daß all das da Geschriebene Unsinn ist?

Von Unsinn habe ich nichts geschrieben, aber an zwei Dingen habe ich beim Überfliegen gemerkt, dass der Artikel überholt ist:
- Das "Clovis-first-Dogma", von dem da die Rede ist, existiert nicht mehr.
- Der Streit um den "Kennewick-Man" ist beigelegt.
 
Von Unsinn habe ich nichts geschrieben, aber an zwei Dingen habe ich beim Überfliegen gemerkt, dass der Artikel überholt ist:
- Das "Clovis-first-Dogma", von dem da die Rede ist, existiert nicht mehr.
- Der Streit um den "Kennewick-Man" ist beigelegt.
Wie schonmal gesagt hat die Abkehr vom Clovis-first-dogma nicht dazu geführt daß die Frage der Besiedelung Amerikas von Norden her neu durchdacht worden ist. Mir entgeht deshalb welche Aussagekraft es haben soll daß vom "Clovis-first-Dogma" heute nicht mehr die Rede sein soll.

Es geht in unserer Diskussion doch überhaupt nicht um die Frage ob die Besiedeler Amerikas Clovis-Leute waren. Es geht vielmehr um die Frage ob die Leute, die Amerika besiedelt haben, sämtlich über die Behringbrücke gekommen sind. Die Clovis-Frage rutscht da doch nur deshalb immer rein weil nach herrschender Meinung Clovis die erste Kultur war die flächendeckend in Nordamerika nachgewisen werden kann. Niemand behauptet daß Clovis keine uns noch unbekannte Vorgängerkultur hatte. Ist für unsere Diskussion aber egal, denn hier geht es ja darum wo die Leute hergekommen sind.

Hier nochmal zu Klarstellung: Wenn die Einwanderung über Behringia frühestens 15000 Jahre vor unsere Zeitrechnung erfolgt sein kann dann ist mit der Behringstraßentheorie unerklärbar warum in Südamerika Spuren menschlicher Besiedelung die viel älter sind/sein könnten. Zum Beispiel Pedra Furada. Da muss sich dann doch jemand geirrt haben.
 
Es geht vielmehr um die Frage ob die Leute, die Amerika besiedelt haben, sämtlich über die Behringbrücke
...
Wenn die Einwanderung über Behringia frühestens 15000 Jahre vor unsere Zeitrechnung erfolgt sein kann

Das sind schon zwei Möglichkeiten: Entweder übers Festland (Beringia) oder über die Aleuten (mit Meeresüberquerung).

Die zweite Möglichkeit war für paläolithische Verhältnisse schon eine große seefahrerische Leistung.
Aber immerhin im Bereich des Möglichen.

Wie gesagt, nirgends auf der Welt haben es die Paläolithiker mehrere 100 oder gar mehrere 1000 km übers Meer geschafft.

Die Australier und Melanesier haben es in all den Jahrzehntausenden nicht nach Neuseeland geschafft. Da brauchen wir doch nicht über quer durch den offenen Pazifik schippernde Australier zu diskutieren. Oder über sonstige (wie der Artikel richtig formuliert) "skurrile Hypothesen".

Noch nicht einmal die (reichlich steile) Solutréen-Hypothese, um die es hier eigentlich geht, behauptet eine Direktüberquerung, sondern postuliert eine Eisbrücke, an der entlang die Robbenjäger gezogen sein sollen.
 
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so, jetzt zur dritten aktuellen Studie, von Skoglund/ Reich e.a.
http://www.nature.com/nature/journal/vnfv/ncurrent/full/nature14895.html#figures
Genetic evidence for two founding populations of the Americas
Genetic studies have consistently indicated a single common origin of Native American groups from Central and South America1, 2, 3, 4. However, some morphological studies have suggested a more complex picture, whereby the northeast Asian affinities of present-day Native Americans contrast with a distinctive morphology seen in some of the earliest American skeletons, which share traits with present-day Australasians (indigenous groups in Australia, Melanesia, and island Southeast Asia)5, 6, 7, 8. Here we analyse genome-wide data to show that some Amazonian Native Americans descend partly from a Native American founding population that carried ancestry more closely related to indigenous Australians, New Guineans and Andaman Islanders than to any present-day Eurasians or Native Americans. This signature is not present to the same extent, or at all, in present-day Northern and Central Americans or in a ~12,600-year-old Clovis-associated genome, suggesting a more diverse set of founding populations of the Americas than previously accepted.
Wichtig hier: Laut den Supplementary Materials (volle Studie ist pay-per-view) meinen sie, zwei unabhängige Ur-Besiedlungen (und nicht etwa eine spätere "ozeanische Welle") nachweisen zu können:
http://www.nature.com/nature/journal/vnfv/ncurrent/extref/nature14895-s1.pdf
To investigate whether all Native American groups from Central and Southern America1,4 are consistent with being derived from a single stream of ancestry, we applied qpWave2 to ask the question whether the set of f4-statistics of the form f4(American1, American2; Outgroup1, Outgroup2) forms a matrix that is consistent with being of rank 0. Intuitively, if all these Native American populations descend from the same stream of migration into the Americas, then all these statistics should be consistent with 0. We test for deviations from this null hypothesis on all the f4-statistics jointly.(..)
We find that 1 ancestral population was rejected (​
P = 2 × 10-7), but 2 or more were consistent with the data (P 0.09) (Extended Data Table 1). The rejection of a single ancestral population is robust to dropping each of the 6 large geographic regions from which the Outgroups were derived (P < 10-3), as well as dropping each of the 7 Native American populations (P < 0.01) (Extended Data Table 1).
The evidence for two ancestral populations is driven by Amazonian and Australasian populations
(..)​
We find that the greatest coefficient among the outgroups is assigned to the Onge from the Andaman Islands. The next strongest coefficients are assigned to South Asians and Oceanians. The greatest coefficients among Native Americans are assigned to the Amazonian Suruí and Karitiana, whereas the lowest are assigned to the Central American Mixe and Pima (Extended Data Figure 2).
[Keine Angst, ich verstehe das Fachchinesisch auch nicht, aber die scheinen zu wissen, was sie tun.]​
Das Ganze ist natürlich spannend. Zwei Studien von zwei Teams (deren Lead-Autoren dazu noch bei der Mal'ta-Studie zusammengearbeitet habe) - findet auch Science Magazin:​
Researchers still argue about how and when the first Americans settled in North and South America, and particularly about whether they came in one or multiple waves. Two new papers, one in Science and the other in Nature, attempt to shed light on this question, but they come to different conclusions: The Science team finds one wave, and the Nature team finds two. The two research groups do agree on one thing, however—some of today's Native Americans have the genes of ancient people from Australia and Melanesia in the southwest Pacific Ocean. Knowing whether that mysterious genetic contribution came early, as the Nature team thinks, or much later, as the Science team concludes, may hold the key to remaining riddles about the peopling of the Americas.​
Ich buddel immer noch in den Supplementary Materials, und werde weitere Ergebnisse berichten. Hier der Zwischenstand:​

  1. Drei (mit der ursprünglichen Denisova-Analyse 4) Studien haben Signale für Gentransfer zwischen Südostasien und Südamerika aufgefangen.​
  2. Über die Zielregion/ -populationen besteht weitgehend Einigkeit: Surui und Karitiana (Amazonien), daneben (Raghawan) auch noch Patagonien.​
  3. Die Ausgangsregion ist diffuser: Beide Studien fangen starke Signale von indigenen Andamanern auf, darüber hinaus rückt aber auch Melanesien (Papua bei Skoglund, Solomonen bei Raghawan) in den Blickpunkt. Ich habe die "heatmap" (Fig. 1d) aus der Skoglund-Stude angehängt.​
  4. Für die Migration ergibt sich aus der Raghawan-Studie ein terminus ante quem von 5.800 calBC (andamanisches Signal in Chinchorro aDNA). Diese Studie ermittelt eine Abtrennung der Karitiana-DNA vor etwa 13.000 Jahren, was heißt, das Monte Verde (14.800 calBP) noch von der ungetrennten Urbevölkerung besiedelt worden sein müßte, von denen dann aber nur der patagonisch-amazonische (Karitiana) Zweig in Südamerika verblieb, während der Rest sich wieder nach Mittel- und Nordamerika verzog, ohne Karitiana-Leute mitzunehmen. Skoglund/ Reich halten sich bei Datierungen zurück (zumindest habe ich in den Supp.Materials bislang nichts dazu gefunden).​
 

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Gab es in den 15 Jahren seit Veröffentlichung des Textes irgendwelche neuen wissenschaftlichen Erhenntnisse, die den Schluß nahelegen daß all das da Geschriebene Unsinn ist?
Zwar auch nicht mehr ganz frisch (2011), aber sehr schön ist folgende Präsentation eines US-Archäologen, der jahrzehtelang in Alaska rumgebuddelt hat:
From Mesa to Monte Verde
Kernaussagen:

  1. Vor Clovis gab es eine durch "unfluted" und größere/ schwerere Projektile gekennzeichnete Caribou- und Mammutjägerkultur, in den USA bezeichnet als "Western Stemmed Tradition" (WST). Ihr wesentlicher Fundraum ist die nordamerikanische Westküste einschließlich (Teilen?) Alaskas. Der Kernbereich reicht bis ins "Great Basin" zwischen Sierra Nevada und Rockies.
    [Hier muß ich eine weiter oben von mir gemachte Fehlaussage korrigieren. Das Great Basin war in der Späteiszeit nicht aride. Im Gegenteil - Föhneffekte führten zu starker Verdunstung am Rand des Eisschilds. Die feuchte Luft wurde an den Rockies nach Süden gelenkt und regnete dort ab, wodurch sich im Great Basin große Seen bildeten.]
  2. Die Technologie ist auch in Monte Verde/ Chile vertreten. Eine Zwischenstation (und Anzeiger eines Übergangs in die Karibik) stellt Taima-Taima an der Küste im Westen Venezuelas dar.
  3. "It is interesting that at this time, the oldest sites associated with these points are in South America with antiquity of sites incrementally decreasing northward to the Arctic. (..) This suggests several possibilities; evidence that would clarify the situation remains undiscovered and/or lies beneath the coastal waters of Alaska and the Northwest Coast where it currently is inaccessible; and/or the associations between the radiocarbon dates and the cultural manifestations at the South American sites are in error or, God forbid, people actually were in South America first."
  4. Es gibt im Westen der USA geographische Überlappungen zwischen WST und Clovis. Die auf Clovis folgende Folsom-Kultur (ab 12.800-12,200 calBP) beschränkt sich jedoch weitgehend auf den Raum zwischen Rockies und Mississippi. An einigen Orten wechseln sich Fundschichten von Folsom und der aus WST hervorgegangenen Agate Basin Culture (12.500-12.000) ab.
  5. "The lanceolate fluted point sequence ends with Folsom and the subsequent Paleoindian tradition cultures are represented in the archaeological record primarily by unfluted lanceolate projectile points. (..) Folsom technology may have been replaced by Agate Basin technology, rather than Agate Basin evolving, in place, out of Folsom. Although there are not a lot of radiocarbon dates for Agate Basin, western Agate Basin sites appear to be older than those to the east suggesting a west to east movement."
Das sieht nicht nach einer, homogenen Besiedlungswelle aus. Die WST-Leute waren offensichtlich zunächst See-basiert. Mehrere Fundorte liegen küstennah bzw. an ehemaligen Binnenseen (Paisley Caves, OR), aus Monte Verde und Paisley Caves gibt es Belege für Fischfang. Nach derzeitigen Datierungen brauchte die WST von Chile nach Alaska etwa 1.000 Jahre. Parallel zur Expansion entlang der Küste drang die WST offenbar an größeren Flüssen ins Binnenland vor, wo sie auf die Clovis-/ Folsom-Leute traf, die zunehmend nach Osten verdrängt wurden.
Da stellen sich doch zwei Fragen:

  1. Wenn Clovis nicht von der Westküste kam, auch nicht aus Alaska (dort fehlen Funde, auch gab es keinen "eisfreien Korridor"), woher stammt es dann?
  2. War das "Anzick Child" wirklich Clovis zugehörig - die DNA weist nämlich eindeutig an den Pazifik (siehe meinen Post weiter oben)? Es handelt sich hier um das einzig bekannte "Clovis"-Begräbnis, in einer präsumptiven WST-Expansionszone (Yellowstone), aus der Zeit, in der das Rückweichen von Clovis/ Folsom archäologisch belegt ist, mit eigenartigem Fundkontext:
    https://en.wikipedia.org/wiki/Anzick-1
    The site contained hundreds of stone projectile points, blades, and bifaces as well as two juveniles[5] Some of the artifacts were covered in red ochre.[5] The stone points were identified as part of the Clovis Complex because of their distinct shape and size.[4] (..)
    Anzick-1's skeletal remains included 28 cranial fragments, the left clavicle, and several ribs.[4] These bones were discovered in highly fragmented states. (..) The small size and lack of suture closure of Anzick-1's crania revealed that the individual was 1–2 years old.[4].
    Für ein Prinzengrab müßte die paläolithische Gesellschaft schon hoch sozial differenziert gewesen sein, was unwahrscheinlich scheint. Sieht eher nach einem Opfer an die Götter aus. Ein Gefangenenopfer?
Um auf Deine Frage zurückzukommen, Bottroper - in dem vor 15 Jahren geschriebenen Artikel steht einiges Relevantes, aber die Forschung hat sich in vielerlei Hinsicht auch weiter entwickelt. Im Link unten finder sich noch etwas mehr zu WST:
http://csfa.tamu.edu/odsy_posters/88.pdf
 
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Transpazifische Kontakte

Vielleicht finde ich noch Zeit und Ruhe, auf die Widersprüche zwischen den Ergebnissen der aktuellen Studien von Raghavan e.a. und Skoglund/Reich e.a. detaillierter einzugehen. Eines ist mir jedoch in den letzten Wochen klar geworden: Es gab viel längere und intensivere transpazifische Kontakte als gemeinhin angenommen. So einiges, was Suche nach der Herkunft der "Ur-Amerikaner" zu Tage fördert, dürfte mit diesen Kontakten zusammen hängen.
Hier eine Übersicht zu den transpazifischen Indizien, über die ich in den letzten Wochen gestolpert bin:

  1. Hunde: Habe ich detailiierter anderswo dargestellt. Als Zusammenfassung
    http://www.geschichtsforum.de/750239-post7.html
    Intensiver transpazifischer Gentransfer, u.a. zwischen Chihuahua und tibet. Shih Tzu, Peruanischem Nackthund und Chin. Schopfhund, Korean Jindo Dog und Mittel-/ Südamerika, sowie aus Südchina/Indo-/Melanesien nach Nordamerika (A184). Zeitpunkte unklar, sicher präkolumbisch und meist prä-polynesisch, aufgrund der relativ jungen beteiligten Haplotypen aber wohl nicht vor Spätneolithikum/ Bronzezeit.
  2. Lack (jap. Makie, mexik. Maque): Entsprechender Kulturtransfer wird ausführlich in nachfolgender Studie diskutiert und auf etwa 800 n.Chr datiert. Etwa zeitgleich entsteht die mexikanische Metallurgie. Die Studie reißt auch mögliche frühere chinesisch-mexikanische Kontakte an:
    THE PRE-COLUMBIAN LACQUER OF WEST MEXICO
    Hui Sheng, who in 458 A.D. led a group of monks from the kingdom of Jibin, today called Cachemira, on a voyage to the land of Fusang or Fusangguo (..) Fusang is the Japanese word for a tree and describes the saguaro cactus plant native to Mexico, and guo means "country" or "land." Hui Shen returned to China 41 years later, in 499, and reported his findings to the Xiao kingdom of the Qi state. It was recorded as his personal testimony during the Liang dynasty between 520 and 528 (Vargas, 1990:13-14). (..)
    There is a story in Nayarit of a pre-Columbian Asian ship that arrived on their coast and was cordially received by the chief of the Coras. Archaeology in Nayarit has produced artistic tripod ceramic funerary urns in tombs known as tumbas de Tiro y c�mara (shaft and chamber tombs); dated ca. 1000 to 200 BC.
  3. Kokosnüsse:
    Coconut (Cocos nucifera L.) DNA studies support the hypothesis of an ancient Austronesian migration from Southeast Asia to America - Springer
    Our molecular marker study relates the pre-Columbian coconuts to coconuts from the Philippines rather than to those of any other Pacific region, especially Polynesia. Such an origin rules out the possibility of natural dissemination by the sea currents. Our findings corroborate the interpretation of a complex of artefacts found in the Bahía de Caraquez (Ecuador) as related to South-East Asian cultures. Coconut thus appears to have been brought by Austronesian seafarers from the Philippines to Ecuador about 2,250 years BP.
    Eine weitere, umfassendere genanalytische Studie stützt diesen Befund. Danach gab es zwei Zentren der Kokosnussdomestizierung (a) Südostasien (mit speziellen Zeigern nach Java), und (b) Südindien. Indische Kokosnüsse kame u.a. mit Arabern nach Afrika, und wurden dann von Spaniern/ Portugiesen nach Brasilien und in die Karibik verbracht. Die panamesische Kokosnuss ist genetisch relativ stark differenziert, was auf längere eigenständige Entwicklung hinweist, und ist nicht indisch/afrikanischer, sondern eindeutig südostasiatischer Herkunft, mit Verbindung speziell zu den südlichen Phillipinen (Mindanao, Leite, vgl. Tab. S1). Interessanterweise sind auch mexikanisch-pazifische Kokosnüsse südostasiatischen Ursprungs. Hier besteht enge genetische Beziehung ins festländische Südostasien und nach Hainan.
    PLOS ONE: Independent Origins of Cultivated Coconut (Cocos nucifera L.) in the Old World Tropics
  4. Keramik: Beziehung zwischen Südostasien und der ecuadorianischen Bahia-Kultur (ab ca. 250 v.Chr.) wird u.a. in der obigen ersten Kokosnuss-Studie thematisiert. Schon für die früheste keramische Kultur des amerikanischen Kontinents, die ebenfalls an der ecuadorianischen Küste um ca. 3.500 v. Chr, entstandene neolithische Valdivia-Kultur, wird aufgrund des plötzlichen Auftauchens hochentwickelter Keramik vielfach von Technologietransfer aus der japanischen Jomon-Kultur ausgegangen (vgl. auch angehängte Genüberstellung von Jomon- [oben] und Valdivia-Keramik [unten], jeweils ca. 3.000 v. Chr.].
    Die folgende detaillierte Studie früher ecuadorianischer Keramik refereriert diese Meinung, ohne sie weiter zu bewerten. Die Studie stellt klar heraus, daß die (süd-)amerikanische keramische Tradition an der ecuadorianischen Pazifikküste entstand und sich von dort, eingebettet in Handelsnetze (u.a. Salz, Coca) entlang der Pazifikküste sowie in den Andenraum verbreitete. Weniger komplexe technologische Vorläufer sind auf dem amerikanischen Kontinent bislang unbekannt.
    Reassessing the Developmental and Chronological Relationships of the Formative of Coastal Ecuador | John E Staller - Academia.edu
  5. Humangenetik: Neuere genetische Studien stützen die These frühen japanisch-ecuadorianischen Kontakts (meine Hervorhebung):
    PLOS Genetics: Continent-Wide Decoupling of Y-Chromosomal Genetic Variation from Language and Geography in Native South Americans
    We observed a considerable number of C3* haplogroup carriers in our study (n = 14). These were confined to the northwest where C3* was found at substantial frequency in two culturally very distinct native groups from Ecuador, namely the Kichwa (26%) and the Waorani (7.5%). The C3* haplogroup was absent from all other samples. Previously published data [20], [25], [66], [67], [70], [75][77] indicate that C3* occurs at a high frequency throughout continental East Asia (Figure 4) and is most prevalent in Kamchatka (38% in Koryaks) and in Outer and Inner Mongolia (36% and 38%, respectively). At the Pacific coast, the average C3* frequency is higher in Korea (10%) than in Japan (3%), with the notable exception of 15% for the Ainu from Hokkaido, representing the aboriginal people of Japan. In striking contrast, this haplogroup is apparently absent from the whole of North and Central America, with the exception of a single C3* carrier of self-reported indigenous ancestry from Southeast Alaska [67], as well as from Melanesia east of Borneo and Polynesia.(..)
    Assuming a generation time of 30 years, this would imply an MRCA for the 14 C3* chromosomes at 5040 to 6180 YBP.
    In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, daß das Ende der japanischen Jōmon-Zeit ca. 300 v. Chr. durch eine massive Invasion aus Korea/ Nordchina hervorgerufen wurde, so daß heutige japanische DNA kaum noch mit der Struktur zur Jomon-Zeit vergleichbar ist.
Die in Südamerika aufgefangenen Denisova- und südostasiatisch-melanesischen Signale könnten somit plausibel auf einige der vorgenannten transpazifischen Kontakte zurückgehen. Zum einen dürften japanische "aborigines", d.h. die Träger der Jomon-Kultur, stark südostasiatisch/ melanesisch geprägt gewesen sein, und mögen auch Denisova-Gene inkorporiert haben (entsprechende Untersuchung steht scheinbar noch aus). Zum zweiten liefert die Kokosnuss eine direkte Verbindung von den Phillipinen an die amerikanische Pazifikküste zwischen Panama und Nordperu - auf die Rolle der phillipinischen Aeta als potentiellem Lieferant melanesischer / Denisova DNA, und das südostasiatische Phänomen der "Seenomaden" hatte ich weiter oben schon hingewiesen.
Dies bedeutet auch, daß melanesisch-südamerikanischer Genfluß nicht zwingend auf amerikanische Erstbesiedlung via polynesisches "island-hopping" zurückgehen muß. Allerdings rücken durch die transpazifischen Kontakte mit Ecuador vor ca. 6-2.000 Jahren die Galapagos-Inseln als putativer Zwischenhalt in den Blickpunkt. Wenn für diese bislang vorkolumbische Anlandung bzw. Besiedlung verneint wird, wirft dies kein allzugutes Licht auf die Aussagekraft entsprechender archäologischer Befunde im übrigen Teil der Südsee.
Vgl. dazu (und als Nachgang zur Azoren-Diskussion) auch folgende kommentierte Bibliographie zu pazifischen "Mystery Islands", d.h. von Europäern siedlungsleer vorgefundenen Südseeinseln mit gesicherten Nachweisen früherer (v.a. polynesischer) Besiedlung.
https://waikowhai2.wordpress.com/mystery-islands-of-remote-east-polynesia/
 

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Mehr als einige Beiträge diagonal zu überfliegen war / ist mir derzeit nicht möglich.
Zu der strittigen Besiedlung des amerikanischen Doppel-Kontinents nur dies:
Sowohl Helmut Uhlig in seinem Klassiker "Die Sumerer" als auch Peter Tompkins in seinem nicht minder legendären Opus ""Die Wiege der Sonne - Mittelamerikas Großreiche der Vor-Maya-Zeit" scheinen mir (eindeutig) zu belegen, dass Amerika sowohl von - sic ! - den Phöneziern als auch vom ostasiatischen Raum aus (bes. China / Japan) besiedelt wurde - von Thor Heyerdahls Expeditionen gar nicht zu reden.

Die entsprechenden Darlegungen von Uhlig zum einen, Tompkins zum anderen hier auszubreiten, würde den Rahmen dieses thread sprengen...
FD
 
Die entsprechenden Darlegungen von Uhlig zum einen, Tompkins zum anderen hier auszubreiten, würde den Rahmen dieses thread sprengen... FD

Wäre hier auch smalltalk.

Tompkins okkult-schillernde "Publikationen" gehören eher in die Däniken-Ecke. interessant ist seine Spion-Karriere, aber die darin vorkommenden Märchen von Ultra und Anzio, etc., auf die sogar die CIA reingefallen ist, stehen auf einem anderen Blatt.
 
Kurze Anmerkung zur Verbreitung der Kokosnusspalme: sie verbreitet sich schwimmend, die komplette Frucht bleibt mehr als 100 Tage keimfähig, und wurzelt nach dem Anspülen an Stränden dort, daher wäre meine Frage, wie die Forscher eine natürliche transpazifische Verbreitung an die mittel - und südamerikanische Küste ausgeschlossen haben.
(Darauf kam ich auch erst, als ich einmal in Uruguay joggte, und nicht nur Geier von einem toten Schwertfisch aufflogen, sondern auch eine Kokosfrucht im Sand festsaß).
 
Kurze Anmerkung zur Verbreitung der Kokosnusspalme: sie verbreitet sich schwimmend, die komplette Frucht bleibt mehr als 100 Tage keimfähig, und wurzelt nach dem Anspülen an Stränden dort, daher wäre meine Frage, wie die Forscher eine natürliche transpazifische Verbreitung an die mittel - und südamerikanische Küste ausgeschlossen haben.
Ich kenne zwar auch nur den Abstract, nicht die ganze Studie, aber mein Verständnis bzw. Verdacht ist, daß

  1. Die Strömung normalerweise von Südamerika nach Asien läuft. Grundprinzip der polynesischen Kolonisation war, immer gegen den Strom zu erforschen, so daß man notfalls mit der Strömung wieder zurück kam. Deshalb wurde Hawaii über 1.000 Jahre vor Neuseeland polynesisch besiedelt.
  2. Bei natürlicher transpazifischer Verbreitung sich irgendwo östlich von Neuguinea auch genetisch entsprechende Kokosnüsse finden lassen müßten - die fand man jedoch nicht.
  3. Die meissten Südseeinseln von Riffen umgeben sind. Coco Normalkokosnuss schafft es also in die Lagune, dümpelt dort ziemlich lange rum, kratzt sich mit Pech die Schale am Riff auf, und wenn dann mal Wind und Wellen stark genug sind, um es über das Riff zu schaffen, ist die Hälfte der keimfähigen Zeit schon rum.
 
Die Australier und Melanesier haben es in all den Jahrzehntausenden nicht nach Neuseeland geschafft. Da brauchen wir doch nicht über quer durch den offenen Pazifik schippernde Australier zu diskutieren. Oder über sonstige (wie der Artikel richtig formuliert) "skurrile Hypothesen".

Über seefahrende Australier vielleicht nicht, aber über Aborigines und Melanesier an und für sich schon. Man hat jedenfalls bei drei kleinen Stämmen im Amazonas bei DNA-Vergleichen eine grössere Verwandtschaft zu Aborigines und Melanesiern festgestellt als zu den anderen Indios - obwohl ja diese angeblich vom gleichen Urvolk abstammen sollen.

scinexx | Rätsel um Vorfahren der Amazonasvölker: Drei Amazonasstämme sind überraschend eng mit Aborigines und Melanesiern verwandt - Ureinwohner, Indianer, Amazonas - Ureinwohner, Indianer, Amazonas, DNA, Genanalyse, Abstammung, Einwanderung, Bering
 
...daher wäre meine Frage, wie die Forscher eine natürliche transpazifische Verbreitung an die mittel - und südamerikanische Küste ausgeschlossen haben.

Eine natürliche Verbreitung hätte vermutlich schon früher stattgefunden, der transpazifische "Aufschlag" an der südamerikanischen Küste (philippinischer Herkunft) wird aber um 2200 BP datiert. Dazu kommt das übrige "Verbreitungsbild"

Zu den Ursprüngen:
Gunn/Baudouin/Olsen: Independent Origins of Cultivated Coconut (Cocos nucifera L.) in the Old World Tropics
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3120816/pdf/pone.0021143.pdf

"Within the Pacific basin, human influence on coconut population structure is most readily detectable in the pre-historic introduction of Southeast Asian coconuts to the New World coast. This introduction is estimated to have occurred ,2,250 years ago, and our analyses are consistent with previous findings suggesting a Philippine origin (Fig. 2; ref [7]*); the low genetic diversity in Panama Talls provides further evidence of establishment through a founder event (Table 1). Later European influences are apparent in the Spanish establishment of Mexican populations (see ref [2]); the clear Pacific composition of these coconuts stands in marked contrast to European introductions into the Caribbean and Atlantic basins, which appear to be of Indian origin"

Aufgrund der Datierung haben diese Kontakte auch nichts mit den hier um Thema diskutierten Zeiträumen zu tun.

*[7] im Zitat ist die oben angeführte Studie von Baudouin.
 
"Within the Pacific basin, human influence on coconut population structure is most readily detectable in the pre-historic introduction of Southeast Asian coconuts to the New World coast. This introduction is estimated to have occurred ,2,250 years ago, and our analyses are consistent with previous findings suggesting a Philippine origin (Fig. 2; ref [7]*); the low genetic diversity in Panama Talls provides further evidence of establishment through a founder event (Table 1). Later European influences are apparent in the Spanish establishment of Mexican populations (see ref [2]); the clear Pacific composition of these coconuts stands in marked contrast to European introductions into the Caribbean and Atlantic basins, which appear to be of Indian origin"
Für meinen Rotbewerter führe ich gern eine Übersetzung des Textes an, wobei die zentralen Aussagen zur Datierung allerdings bereits oben in dem kritisierten Erstbeitrag lesbar sind.
Ich zitiere nochmal (da es offenbar in der Erregung über den englischen Text überlesen wurde: )
Eine natürliche Verbreitung hätte vermutlich schon früher stattgefunden, der transpazifische "Aufschlag" an der südamerikanischen Küste (philippinischer Herkunft) wird aber um 2200 BP datiert. Dazu kommt das übrige "Verbreitungsbild"
Und die Übersetzung des Ganzen bzw. des Restes:

"Im Pazifikbecken ist der menschliche Einfluss auf den Kokosnuss-Bestand sehr leicht durch die prähistorische Einführung der südostasiatischen KN an die Küsten der Neuen Welt nachweisbar. Die Einführung wird auf einen Zeitpunkt vor etwa 2250 Jahren geschätzt, und unsere Analysen sind konsistent mit früheren Studienergebnissen, die auf eine philippinische Herkunft hingewiesen haben [Quelle: 7]. Spätere europäische Einflüsse sind in der spanischen Einführung des mexikanischen (KN-)Bestandes wahrnehmbar [Referenz: 2]; die einwandfrei pazifischen Elemente/die klar pazifische (Gen-)Struktur dieser (mexikanischen) KN stehen in deutlichem Kontrast zu der europäisch indizierten Einführung (von KN-Beständen) in das Karibische und Atlantische Becken, die auf indische Herkunft (der KN) zurückgehen."
 
Für meinen Rotbewerter führe ich gern eine Übersetzung des Textes an, wobei die zentralen Aussagen zur Datierung allerdings bereits oben in dem kritisierten Erstbeitrag lesbar sind.
Daß Du einen "Roten" bekommen hast, ist mir unverständlich. Ich wollte Dir eigentlich mit einem "Grünen" dafür danken, daß Du meine etwas schwache Antwort auf Biturigos Frage besser fundiert hast, aber muß erst noch ein paar andere bewerten, bevor Du wieder an die Reihe kommen darfst.
Eine Anmerkung: Wenn man die "Supplemental data" der Studie von Gunn/Baudouin/Olsen durchsieht, wird deutlich, daß sich die "phillipinische Herkunft" noch präziser, nämlich auf die Südphillipinen (Mindanao, Leyte etc. ) eingrenzen läßt. Die geographische Nähe zur Urregion der malayischen Besiedlung Madagaskars, für die linguistische Zeiger nach Ost-Borneo (East Barito languages), und genetisch nach Sulawesi deuten, scheint mir nicht zufällig. Ich verweise auf meinen vorherigen Beitrag zu den Seenomaden, insbesondere die angehängte Verbreitungskarte (für den übrigens ich einen "Roten" kassierte, falls das tröstet).
http://www.geschichtsforum.de/749644-post340.html
Ich denke, hier zeichnet sich ein vor gut 2.300 Jahren* entstander Handels- / Kontaktraum von der südostafrikanischen Küste bis ins nordöstliche Südamerika, mit Zentrum in Borneo/ Sulawesi/ Südphillipinen, ab**.
Die transpazifische Beziehung brach scheinbar irgendwann (wann?) wieder ab. Das Netz im indischen Ozean gelangte schrittweise unter indische, dann arabische, schließlich portugiesisch - spanisch - niederländische Kontrolle. Die Islamisierung Mindanaos zeugt von der Reichweite des mittelalterlichen arabischen Einflusses.

* BP bezieht sich auf das Basisjahr 1950.
**Unter diesem Aspekt verdienen weitere Phänomene wie der Siegeszug der vermeintlich erst von den Spaniern verbreiteten Chili-Schote durch die malayische, indische, äthiopische und ostafrikanische Küche, oder die Darstellung von Maiskolben (Kukuruz, granturco) in vorkolumbischen indischen Tempelreliefs, vertiefende Betrachtung. Wenn man vom verschwörungstheoretischen Rahmen abstrahiert, und sich auf die Substanz (Bilder) konzentriert, ist auch Folgendes bemerkenswert
http://www.richardcassaro.com/suppressed-by-scholars-twin-ancient-cultures-on-opposite-sides-of-the-pacific
Elephant heads are prominent in art and sculpture throughout the ancient Americas. This is a bit of a mystery, since elephants were supposed to have disappeared from America about 10,000 years ago as the Ice Ages waned.
Separater Thread?
 
Soulutreen-Hypothese und Richard Fester

Die Diskussion ist seit 5 Tagen zum Erliegen gekommen. Anscheinend müssen die vielfältigen Aspekte, die Augusto dankenswerterweise in dieselbe eingebracht hat, erst 'verdaut' werden. Deshalb erlaube ich mir hier, zwischendurch auf einen alten Fehler aus #16 hinzuweisen.
Dieter bringt dort den 1982 verstorbenen Paläolinguisten Richard Fester in Zusammenhang mit der Solutreen-(Besiedler-)Hypothese, quasi als Ideengeber. Ich glaube nicht, dass deren Entwickler etwas von Festers Arbeit kannten. Schon gar nicht kann vermutet werden, dass Fester an Westeuropa bei seinen Überlegungen zur Herkunft der (nordamerikanischen) indigenen Bevölkerung gedacht hatte. Diese Falschdarstellung scheint mir eher aus dem Deutsch-Wikipedia-Artikel zu stammen, in dem die o.g. Hypothese erwähnt wird. Auf der dazu gehörigen Diskussionsseite hatte ich bereits vor mehr als einem Jahr auf diesen Fehler hingewiesen, ohne dass diese Behauptung bis heute korrigiert wurde!
Augusto hatte in einem früheren Beitrag hier u.a. eine Karte gezeigt, die einen möglichen Wanderweg von Mal'ta nach Norden und dann nach Osten, entlang des sibirischen Ufers des Nordpolarmeeres zeigt. Damit nähern sich diejenigen Wissenschaftler, die diesen für möglich halten, anscheinend den Positionen Festers an. Allerdings hatte er den Weg nach Osten nicht präferiert und von Mal'ta und den nordeurasischen Steppenreitern, ihrer Kultur und deren Einflussnahme auf (nomadische) Nachbarvölker inkl Gentransfer nichts gewusst. Er ging von der Ähnlichkeit nordamerikanischer Amerinder mit nordwestsibirischen Völkern aus, die er Sibirjaken und hier vor allem die heutigen Nenzen und Samen als Beispiele nannte. Populäranschaulich hatte er sich nach meiner Erinnerung ungefähr so ausgedrückt: Würde man einen Chinesen in die Kleidung eines Prärieindianers stecken, nähme im keiner sein Indianertum ab; täte man das dagegen mit einem Samen, wäre die Ähnlichkeit frappierend. In diesem Zusammenhang beruft er sich auch auf eine Gesichtsrekonstruktion eines einst im Ural ausgegrabenen Skeletts durch deren Erfinder, Prof Gerassimov.
Also nichts von Westeuropäern zu finden! Stattdessen ging Fester durchaus von den seinerzeit gängigen Besiedlungshypothesen aus, stellte aber die Frage, woher und wie die Vorfahren der Amerinder nach Beringia gekommen seien. Deren seinerzeitige Verortung als indigene NO-asiatische Bevölkerung scheint ja mittlerweile auch nicht bestätigt werden zu können! Allerdings stellte er sich ebenfalls eine Wanderung dieser Menschen als Robbenjäger am Eisrand vor, aber am gegenüberliegenden, nämlich immer weiter nordwestwärts über Nordgrönland, das damals ebenso wie der Nordpol zeitweise eisfrei gewesen sein soll, nach N-Alaska und auf die gegenüberliegende NO-sibirischeTschuktschen-HI (durch Fundstellen belegt); beide, nebst heute überschwemmter Küstenstreifen, einst zu Beringia gehörig. Das alles übrigens im damals gängigen Zeitrahmen vermutet. Demgegenüber hätte die Route nach Osten durch eine versumpfte Tundra-Landschaft geführt, im Sommer voll von Gnitzen und Kriebelmücken, denen bekanntermaßen auch die Rentiere im Sommer durch Zug nach Norden ausweichen.
Ein zu der von Fester angenommenen alternative Route nach Beringia hätte von Mal'ta aus also eher durch S-Sibirien und die Mongolei führen müssen, wie ja heute vornehmlich angenommen wird. Nur scheint mir die Beweislage ebenfalls recht dürftig zu sein, obwohl das für Teile der amerindischen Besiedler ja nicht ausgeschlossen werden kann.
Ansonsten ging es Fester natürlich um sprachliche Entsprechungen resp Ähnlichkeiten der Lexik, allerdings eher auf seinen ursprachlichen Deutungsversuch bezogen. Inzwischen hat die Linguistik dafür ansatzweise analoge Erklärungen in Form von Sprachüberfamilien geschaffen, u.a. die nostratische, die Völker unterschiedlicher Ethnien und evtl sogar Teile der amerindischen umfasst bzw beeinflusst haben könnte, was alledings sehr umstritten ist. Demgegenüber werden die Na-Dené-Sprachen (Athapasken) inzwischen relativ sicher in einer Überfamilie mit den sino-tibetischen Sprachen eingeordnet.
Natürlich können Sprachen ein 'Eigenleben' führen und sich damit auch unter anderen Ethnien ausbreiten, wie wir es auch gegenwärtig erleben. Das erklärt dann auch signifikante Abweichungen von der 'Muttersprache'. Allerdings sollten daran doch auch immer wenigstens einige 'Muttersprachler' beteiligt sein!
Falls eine Herkunftsroute tatsächlich am nördlichen Eisrand entlangführte - dass so etwas prinzipiell möglich ist, haben ja die Inuit gezeigt -, kann genausogut auch eine am südlichen entlanggeführt haben. Während die 'Nordroutler' (und andere Beringianer) nach gängiger Meinung lange Zeit in Beringia festgesessen hätten, wären die 'Südroutler' in offenes Land gelangt, in dem sie sich von Ost nach West und Nord nach Süd ausbreiten konnten. Letztlich wären sie aber mehrheitlich durch den von einigen Wissenschaftlern angenommenen laurentidischen Impakt und die nachfolgenden Überschwemmungen und die 'kurzzeitige' Rückkehr der Eiszeit mitsamt ihrer Jagdbeute umgekommen.
An dieser Hypothese stört weniger der fehlende Einschlagkrater - Simulationen haben gezeigt, dass ein Einschlag in eine Eisdecke in den darunterliegenden Erdschichten nur minimale Spuren hinterlässt (man hat eher das Gegenteil gefunden) -, sondern, dass inzwischen eine Prä-Clovis-Vorgänger- in Gestalt der Sandia-Kultur gefunden wurde. Aus deren Steinspitzen ließen sich die Clovis-Spitzen ebenfalls herleiten. Andererseits kann man der Literatur im Zusammenhang mit der Solutreen-Hyp auch entnehmen, dass die zeitiche Lücke zwischen dieser und der Clovis-Kultur gar nicht unbedingt 5Tsd Jahre betragen muss. Zudem hatte ich gelesen, dass die Solutreen-Kultur quasi 'rückstandslos' in Europa verschwunden ist. Und die der Clovis- nachfolgende Folsom-Kultur war anscheinend kein direkter Kulturnachfolger, was mit Aussterbe- bzw Abwanderungsszenarien harmonieren würde.
Bei der ganzen Diskussion sollten wir doch zwischen Besiedlungswellen und zumeist späteren Einwanderungen unterscheiden. Erstere definieren großflächige Migrationen, ob jeweils einmalig oder kontinuierlich aus gleicher Quelle über längere Zeiträume sei mal dahingestellt. Letztere definieren idR Einzelereignisse, die nicht ganz folgenlos für Bevölkerungsteile (und deren Genpool u/o Sprache) blieben. Legt man diesen Maßstab an, wären Einwanderungen über Aleuten/Beringia Besiedlungswellen, wobei auch unter Maßgabe einiger Eingeborenenlegenden, die von schmalen Stränden vor hohen weißen Wänden auf dem Weg ihrer Vorfahren sprechen, wohl die W-Küstenroute zu präferieren wäre. Schneller als eine Wanderung/Ausbreitung per Boot wird wohl nur die der Steppenvölker Eurasiens per Pferd gewesen sein. Darauf fehlen in Amerika aber Hinweise. Außerdem geht die Wissenschaft ohnehin davon aus, dass ein Teil unserer Vorfahren, angefangen mit dem Sammeln von Strandgut, vom Meer gelebt hat. Rückten Andere nach, sind die Ersten wohl einfach weitergezogen. Warum soll das in Amerika anders gewesen sein?!
Aus Sammlern wurden irgendwann aktive Fischer, wie das der britische Säugetierforscher Jonathan St.Kingdon in seinem Buch Self-Made Man: Human Evolution From Eden to Extinction postuliert (er liefert hier auch einen Ansatz zur Erklärung der Entstehung der schwarzen Hautfarbe und der Migration der SO-asiatischen Gartenbau- und Fischer-(Sapiens-)Urbevölkerung unter dem Druck der einwandernden austronesischen Völkerschaften, was inzwischen auch den dortigen Rückzug der Denisov-Gene (überwiegend) hinter die Wallace-Linie erklären würde.
Diese ursprünglich maritim lebenden Wanderer haben wohl auch die NO-chinesische Küste (geringe Funde) und Japan (Jomon/Ainu?) erreicht und sind dann anscheinend als Erste über die Aleuten(?) nach Amerika gezogen, worauf südamerikanische Funde hinzudeuten scheinen, was hier aber schon ausgiebig diskutiert wurde.
Falls die Clovis-Kultur N-Amerikas tatsächlich auf die solutreeischen Jäger W-Europas zurückgeführt werden könnte, was ja sehr umstritten ist, wäre das ebenfalls eine (frühe) Besiedlungswelle, die aber, möglicherweise auf Grund erwähnter Endeiszeitereignisse, weitgehend folgenlos blieb. So etwas ist ja auch (mal?) für die 1. nachgewiesen H-Sapiens-Auswanderungswelle Out of Africa via Sahara/Ägypten in den Nahen Osten postuliert worden. Allerdings könnte es aber evtl auch eine Möglichkeit gegeben haben, direkt von der Festerschen Nordroute vor Erreichen Beringias nach Süden abzubiegen. Das würde allerdings die bisherige Solutreen-Hyp nicht unterstützen, sondern eine andere Erklärung für die frühzeitige Besiedlung N-Amerikas liefern (der eisfreie Korridor ist ohnehin stets rein spekulativ gewesen und wäre, wie bereits in der Diskussion dargestellt, wenig verlockend für Beringia-Bewohner gewesen (Kleintierjäger werden wohl kaum Hunderte km zurückgelegt haben!).
Die Einwanderungen aus Beringia wären natürlich, egal woher diese Bevölkerungen ursprünglich kamen, Besiedlungswellen. Eine Herkunft aus NO-Asien kann dabei ohnehin nur für die Inuit sicher vorausgesetzt werden.
Alle anderen Kontakte dürften sich, falls von Dauer, im Rahmen von Einzelereignissen/-einwanderungen bewegt haben. Das gilt sicher sowohl für pazifische als auch atlantische Kontakte, egal ob Chinesen u/o spätere Japaner im Norden oder Polynesier im Süden des Pazifiks oder auch irische Mönche, Wikinger und sonstwer im N-Atlantik, die Flotte des Königs von Mali kurz vor Columbus (falls denn wenigstens eins ihrer Schiffe dort angekommen wäre, was auch nicht zu den Olmeken, aber evtl zu den Black Carif passen würde) oder vor mehr als 2Tsd Jahren Karthager/Keltiberer.
Auch die Aktionen der Europäer im sog Zeitalter der großen Entdeckungen waren ursprünglich Einzelereignisse, die im Laufe von Jahrzehnten bzw -hunderten aber zu den bisher letzten Besiedlungswellen Amerikas 'mutierten'. Ein ähnlicher, wenn auch nicht vergleichbarer Effekt mag auch bei den Erstbesiedlungen eine gewisse Rolle gespielt haben. Ich meine damit rückwärtige Kontakte (zu Daheimgebliebenen). Aus der Diskussion meine ich aber herausgelesen zu haben, dass so etwas Neolithikern abgesprochen wird. In diesem Zusammenhang darf ich an die (eisenzeitlichen) Wikingerfahrten nach Amerika erinnern, die laut Vinland-Saga auf Grund des Berichts eines auf der Strecke Island-Grönland bzw Norwegen-Grönland verirrten Bootes, das ganz entgegen Wikinger-Art nicht am in der Ferne gesichteten Strand angelandet war, zuerst durch Leifr Eiriksson durchgeführt wurden.
Ein anderes interessantes Kapitel der Entdeckungs- bzw Besiedlungsgeschichte der Amerikas könnten Robbenjäger geschrieben haben, die sich am Eisrand der Antarktis bewegt haben. Diese Möglichkeit schien mir in der Diskussion auch gestreift worden zu sein. Allerdings wüsste ich nicht, wo die ursprünglich (und ggf nachweislich) hergekommen sein sollen (die Entfernungen sind dort ja noch größer). Außerdem scheinen Lebensweise (zT Boat People) und erhaltene Legenden eher mit einer sehr langen Küstenwanderung, auch auf Grund von bzw vornehmlich wegen Verdrängung, zu harmonieren. Aber das ist natürlich kein Gegenbeweis sehr früher, sondern höchstens ein Indiz für späte Erstbesiedlung.
Wer kein Lotto spielt, kann auch nicht auf einen Lotto-Gewinn hoffen! Wer auf Feuerland und dem gegenüberliegenden Teil von Antarktika (getrennt durch die Drake-Straße mit dem gefährlich-intensiven Kap-Hoorn-Strom) nichts dergleichen sucht, wird auch nichts finden. Aber persönlich mag ich an so etwas nicht so recht glauben, auch wenn ich es für evtl möglich halte. Aber das würde wohl eher eine zeitweilig geschlossene Eisdecke zwischen Feuerland und Antarktis, worauf ich aber keinen Hinweis finde, als besondere seemännische Fähigkeiten voraussetzen. Allerdings waren die Strömungsverhältnisse damals wohl etwas günstiger als heute. Mir kommt das jedenfalls trotzdem als die unwahrscheinlichste Überlegung von allen halbwegs seriösen zur Besiedlung vor.
Gruß, Lucius :-?
 
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