Ich verstehe überhaupt nicht, weshalb die Figur Jesu für den Historiker (zugegeben ich bin keiner) uninteressant sein soll. .
Die Figur und die Ereignisgeschichte sind nicht uninteressant, siehe:
Was nun den Historiker an der Tempelgeschichte interessiert, um darauf zurück zu kommen, ist weder das Detail noch die Historizität an sich. Interessant ist der (vollständige) Kontext der Geschichte (ob zutreffend beschrieben oder nicht), die mit den Schriften transportierte Aussage, die Quellengeschichte und die von Rovere betonte Wirkmacht dieser Botschaft.
Und selbstverständlich gibt es dazu Forschungspublikationen. Sehr zu empfehlen - wenn man mit der Tür ins Haus fallen möchte und einen Eindruck von der Gesamtbreite des Themas auf 3600+ Seiten mit Dutzenden Autoren haben möchte - ist diese:
Holmen/Porter: Handbook for the Study of the Historical Jesus, 2011.
Wie schon aus dem Umfang ersichtlich, sind die Ereignisgeschichte und Historizität nicht uninteressant.
Um das am Beispiel der unter vielen Aspekten kontrovers diskutierten Geschichte der Tempelreinigung (und weil sie oben angesprochen wurde) zu erläutern:
Oben ist beispielhaft auf die Diskussion des Kontextes hingewiesen worden. Bzgl. des Verständnisses vom "Tempel" kann man dazu zB auf die Qumran-Rollen zurückgehen (Verweis siehe oben). In dem zitierten Buch von Holmen/Porter ist allein dieser Historizitätsfrage, dem Kontext, der Zielsetzung, dem Abgleich der Quellen etc. ein Aufsatz gewidmet (Adna, Jesus and the Temple, S. 2635-2677).
In dem Aufsatz ist der Stand der Diskussion und der Dispute zusammen gefasst. Darin findet man selbstverständlich auch Chans Hinweis (#116) wieder, den man kurz mit "geht nicht, gabs nicht" zusammen fassen kann.
Diese Meinung wird unter anderem vertreten, aber eben nicht nur, worauf wieder andere User hingewiesen haben. Verdichtet ist dieses bereits bei Ernst Lohmeyer, um zu zitieren:
"Geschichtlich läßt sich der Vorfall kaum noch ganz erkennen, denn es ist schwer vorstellbar, wie Jesus allein den weiten Tempelplatz sollte gesäubert haben, weshalb die Tempelpolizei nicht eingegriffen hat ... , oder die römische Wache auf der Burg Antonia, weshalb diese Tat in dem Prozeß Jesu keine Rolle spielt."
Kontra-Argumente dieser Art werden auch in weiteren Beiträgen diskutiert, so bei Metzdorf. Man kann das weiter fortsetzen, aber dazu ist die Gesamtdarstellung der Forschungsdiskussion bei Adna empfehlenswert.
Dies alles sind Splitter der historischen Diskussion, die noch um archäologische Aspekte inzwischen angereichert worden ist. Was nun gar nicht geht ist, diese komplexe Diskussion weltanschaulich motiviert einseitig zusammenzufassen, auf einen vertretenen Standpunkt zu reduzieren, divergierende Argumentationen auszublenden.
Dem einen oder einem konträren Standpunkt gläubig zu folgen, ist nicht Gegenstand des Geschichtsforums, sondern ist private Angelegenheit. Was wir hier diskutieren können und dazu darstellen sollten, sind unterschiedliche Historiker-Auffassungen, Interpretationsschulen und Forschungsgeschichte hierzu.
Das habe ich auch oben mit der kritisierten "Vermischung der Ebenen" angesprochen.