Die Papias-Fragmente

Eusebius, der von Papias mehr gelesen hat als Körtner, sagt (laut Körtners Übersetzung): "Auch erklärt der soeben von uns vorgestellte Papias, die Lehren der Apostel zwar von denen empfangen zu haben, die ihnen gefolgt sind, er habe aber, so sagt er, Aristion und den Presbyter Johannes selbst gehört."

Sich darüber hinwegzusetzen und einfach zu behaupten, dass das "Papias keineswegs behauptet", ist schon sehr dreist.

(Körtner formuliert das nicht ganz so dreist wie Du, aber in seiner Argumentation läuft es de facto auf dasselbe hinaus.)

Eigentlich gebe ich Körtners Formulierung doch genau wieder.

Körtner:

S. 124:

Das 2. Argument Eusebs ist völlig
hinfällig; dies nicht nur wegen der ungerechtfertigten
Identifizierung der Presbyter mit den Aposteln, sondern
auch, weil Papias in HE III 39,3f eben nicht behauptet,
ein Hörer Aristions und des Presbyters Johannes zu sein.
Ich schrieb:

Argument 2 ist für Körtner "hinfällig", weil Papias keineswegs behauptet, ein Hörer/Schüler des Presbyter Johannes zu sein.
wobei sich diese Aussage auf HE 3.39.4 bezieht, was aus dem Kontext klar hervorgeht.

Ob diese Aussagen nun "dreist" sind oder nicht, hängt davon ab, ob Eusebius seine Aussagen in 3.39.7 ausschließlich auf die Papias-Stelle 3.39.3-4 stützt oder nicht. Der Satz 3.39.7 scheint eng auf 3.39.4 bezogen zu sein, d.h. er paraphrasiert unmittelbar die Aussagen von 3.39.4. Auf dieser Basis argumentiert Körtner.

Zu fragen wäre in Anbetracht deines Einwandes, warum Eusebius keine wirklich eindeutige Belegstelle für seine Behauptung, Papias sei ein Pres.Joh.-Hörer gewesen, zitiert. Da du die Möglichkeit der Existenz einer solchen Stelle gegen Körtner und meine Wenigkeit einwendest, läge es an dir zu begründen, wieso Eusebius auf ein eindeutig belegendes Zitat verzichtet haben sollte.

Ansonsten freue ich mich über deine Initiative, den Thread in der Evangelien-Frage fortzusetzen, und werde demnächst darauf eingehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Eigentlich gebe ich Körtners Formulierung doch genau wieder.
Inhaltlich läuft es, wie gesagt, auf dasselbe hinaus.

Es ist halt so, dass die Aussage, wonach "Papias in HE III 39,3f eben nicht behauptet, ein Hörer Aristions und des Presbyters Johannes zu sein" zunächst mal sachlich nicht zu beanstanden ist, die Aussage, wonach "Papias keineswegs behauptet, ein Hörer/Schüler des Presbyter Johannes zu sein" hingegen schon, denn das ist eine faktenfreie Behauptung, die im direkten Widerspruch zu Eusebius steht.

wobei sich diese Aussage auf HE 3.39.4 bezieht, was aus dem Kontext klar hervorgeht.
Hast eigentlich recht, beanstanden müssen hätte ich bereits die Aussage "Papias war ein Hörer/Schüler des Presbyter Johannes, was für Eusebius aus 3.39.4 hervorgeht", denn hier wird Eusebius etwas in die Schuhe geschoben, was er so gar nicht sagt.

Ob diese Aussagen nun "dreist" sind oder nicht, hängt davon ab, ob Eusebius seine Aussagen in 3.39.7 ausschließlich auf die Papias-Stelle 3.39.3-4 stützt oder nicht.
Und da wir nicht wissen, was Eusebius alles bei Papias gelesen hat, können wir darüber ganz einfach keine seriöse Aussage machen.

Zu fragen wäre auch, warum Eusebius keine wirklich eindeutige Belegstelle für seine Behauptung, Papias sei ein Pres.Joh.-Hörer gewesen, zitiert. Da du die Möglichkeit der Existenz einer solchen Stelle gegen Körtner und meine Wenigkeit einwendest, läge es an dir zu begründen, wieso Eusebius auf ein eindeutig belegendes Zitat verzichtet haben sollte.
Erst einmal müsstest Du begründen, wozu er hier ein wörtliches Zitat gebraucht hätte. Eusebius erzählt ja auch sonst einiges über Papias, ohne dass er in jedem Fall "eindeutig belegende Zitate" für nötig hält.
Im Fall der beiden Johannesse braucht er das direkte Papias-Zitat, um Irenäus zu widerlegen: Der Presbyter Johannes sei nicht identisch mit dem Apostel Johannes.
Dass Papias ein Hörer des Presbyters Johannes war, scheint ja wohl unstrittig gewesen sein.
 
Es ist halt so, dass die Aussage, wonach "Papias in HE III 39,3f eben nicht behauptet, ein Hörer Aristions und des Presbyters Johannes zu sein" zunächst mal sachlich nicht zu beanstanden ist, die Aussage, wonach "Papias keineswegs behauptet, ein Hörer/Schüler des Presbyter Johannes zu sein" hingegen schon, denn das ist eine faktenfreie Behauptung, die im direkten Widerspruch zu Eusebius steht.

Der Unterschied zwischen "eben nicht behauptet" (Körtner) und "keineswegs behauptet" (ich) ist in Anbetracht des Sachverhalts, dass meine Formulierung ebenfalls auf HE 3.39.4 bezogen ist, so feinmikroskopisch, dass ich mir eine Erwiderung darauf erspare.

(...) beanstanden müssen hätte ich bereits die Aussage "Papias war ein Hörer/Schüler des Presbyter Johannes, was für Eusebius aus 3.39.4 hervorgeht", denn hier wird Eusebius etwas in die Schuhe geschoben, was er so gar nicht sagt.

Irgendwie hast du seit Beginn des Papias-Themas ein Problem damit, HE 3.39.7 zu verstehen. Dort behauptet Eusebius nicht nur die Identität von Presbytern und Aposteln (was du inzwischen wohl akzeptiert hast), sondern auch, dass Papias ein Hörer des Presbyter Johannes gewesen sei. Hier ist die Stelle nochmals zitiert:
7. Auch der jetzt von uns vorgestellte Papias sagt, er habe die Worte der Apostel von denen, die ihnen gefolgt waren, empfangen, Aristion aber und den Presbyter Johannes habe er, so sagt er, persönlich gehört. Häufig erwähnt er sie mit Namen, wenn er in seinen Büchern ihre Überlieferungen anführt. Auch das Folgende soll von uns nicht nutzlos erzählt werden.
Keiner schiebt also Eusebius etwas in die Schuhe, wenn er über ihn sagt, er hätte Papias für einen Hörer des Pres.Joh. gehalten und dies auch so geschrieben. Für Eusebius geht das - Körtner zufolge - aus "HE III 39,3f" hervor, wobei die eigentliche Stelle in HE 3.39,4 liegt, deren grammatische und damit hermeneutische Problematik ich in diesem Thread mehrmals ausführlich thematisiert habe.

Erst einmal müsstest Du begründen, wozu er hier ein wörtliches Zitat gebraucht hätte. Eusebius erzählt ja auch sonst einiges über Papias, ohne dass er in jedem Fall "eindeutig belegende Zitate" für nötig hält.

Ich schrieb:

Ob diese Aussagen nun "dreist" sind oder nicht, hängt davon ab, ob Eusebius seine Aussagen in 3.39.7 ausschließlich auf die Papias-Stelle 3.39.3-4 stützt oder nicht. Der Satz 3.39.7 scheint eng auf 3.39.4 bezogen zu sein, d.h. er paraphrasiert unmittelbar die Aussagen von 3.39.4. Auf dieser Basis argumentiert Körtner.
D.h. Eusebius stützt seine Behauptung, Papias sei ein Hörer des Pres.Joh. gewesen, in HE 3.39.7 ausschließlich auf sein Papias-Zitat 3.39.4, ohne die geringste Andeutung zu machen, dass Papias diese Hörerschaft auch an anderer Stelle in seinem Werk berichtet hätte. Wir stehen also vor folgendem Sachverhalt:

1)
Eusebius behauptet aufgrund (d.h. ausschließlich bezogen auf) HE 3.39.4, Papias sei ein Pres.Joh.-Hörer gewesen. Der altgriechische Text in 3.39.4 gibt diese Aussage aber nicht her, außer man projiziert sie hinein.

2)
Eusebius liefert keinen zusätzlichen Beleg für seine Hörerschaft-Behauptung, weder durch ein Papias-Zitat noch durch eine eigene ergänzende Aussage in 3.39.7, mit der er zumindest andeutet, dass Papias besagte Hörerschaft auch an anderer Stelle in seinem Buch berichtet.

Bedenkt man die - für Eusebius doch fraglos bestehende - kirchengeschichtliche und theologische Relevanz einer (hypothetischen) direkten Beziehung per Hörerschaft des Papias zum Pres.Joh., ist es sehr verwunderlich, dass Eusebius seine diesbezüglich positive Behauptung nicht besser abgesichert hat. Immerhin gibt er den Pres.Joh. als Autor der Johannesoffenbarung aus. Eusebius gründet seine Behauptung in HE 3.39.7 allein auf eine Stelle in HE 3.39.4, wo von einer Pres-Joh.-Hörerschaft oder Schülerschaft des Papias überhaupt keine Rede ist, außer man projiziert das in den uneindeutigen Text hinein.

Ich hake diesen Punkt hiermit ab, weil alles Notwendige gesagt ist, auch wenn du darauf sicher antworten wirst.

Auf die Mk- und Mt-Thematik gehe ich morgen ein.
 
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Zum Abhaken

Der Unterschied zwischen "eben nicht behauptet" (Körtner) und "keineswegs behauptet" (ich) ist so feinmikroskopisch, dass ich mir eine Erwiderung darauf erspare.

Um der Optik aufzuhelfen, hatte ich ja den entscheidenden Punkt fett markiert:
:lupe:

Sepiola schrieb:
Es ist halt so, dass die Aussage, wonach "Papias in HE III 39,3f eben nicht behauptet, ein Hörer Aristions und des Presbyters Johannes zu sein" zunächst mal sachlich nicht zu beanstanden ist, die Aussage, wonach "Papias keineswegs behauptet, ein Hörer/Schüler des Presbyter Johannes zu sein" hingegen schon, denn das ist eine faktenfreie Behauptung, die im direkten Widerspruch zu Eusebius steht.



Chan schrieb:
Keiner schiebt also Eusebius etwas in die Schuhe, wenn er über ihn sagt, er hätte Papias für einen Hörer des Pres.Joh. gehalten und dies auch so geschrieben.
Geschrieben habe ich:
Sepiola schrieb:
"Papias war ein Hörer/Schüler des Presbyter Johannes, was für Eusebius aus 3.39.4 hervorgeht", denn hier wird Eusebius etwas in die Schuhe geschoben, was er so gar nicht sagt.

Selbstverständlich hält Eusebius den Papias für einen Hörer/Schüler des Presbyters Johannes. Aber Papias sagt das nicht in 3.39.4, und Eusebius schreibt auch nicht, dass das aus 3.39.4 hervorgeht.

Chan schrieb:
Ich hake diesen Punkt hiermit ab, weil alles Notwendige gesagt ist, auch wenn du darauf sicher antworten wirst.
Ich meinerseits habe schon einen Beitrag zuvor alles Nötige gesagt:
Sepiola schrieb:
Erst einmal müsstest Du begründen, wozu er hier ein wörtliches Zitat gebraucht hätte. Eusebius erzählt ja auch sonst einiges über Papias, ohne dass er in jedem Fall "eindeutig belegende Zitate" für nötig hält.
Im Fall der beiden Johannesse braucht er das direkte Papias-Zitat, um Irenäus zu widerlegen: Der Presbyter Johannes sei nicht identisch mit dem Apostel Johannes.
Dass Papias ein Hörer des Presbyters Johannes war, scheint ja wohl unstrittig gewesen sein.
Dem ist nichts hinzuzufügen.
 
Irgendwie hast du seit Beginn des Papias-Themas ein Problem damit, HE 3.39.7 zu verstehen. Dort behauptet Eusebius nicht nur die Identität von Presbytern und Aposteln (was du inzwischen wohl akzeptiert hast),
Dass Eusebius die Identität von Presbytern und Aposteln behauptet haben soll, ist eine Behauptung, die ich weder akzeptiert habe noch zu akzeptieren brauche. Wie ich schon mal geschrieben habe, werden in HE 3.39.7 "die Presbyter" gar nicht erwähnt. Nur "der Presbyter Johannes", und der ist laut Eusebius eben kein Apostel.

Dass der Presbyter Johannes für Eusebius kein Apostel ist, müssen wir doch hoffentlich nicht diskutieren?

Heckel (1999, S. 236) schreibt zu HE 3.39.7 wohl (Unterstreichung von mir): "Diese Worte könnten so verstanden werden, als ob Eusebios die Presbyter des Papias mit Aposteln identifiziere"; er bezeichnet dies aber ausdrücklich und begründet als Missverständnis.

Ich habe also ein Problem, HE 3.39.7 misszuverstehen. Mit diesem "Problem" kann ich gut leben.
 
Was Markus betrifft, kann man die Frage sogleich beantworten: Eine schriftliche Darstellung der Reden und Taten des Herrn, verfasst von einem Markus, wird man wohl als "Markus-Evangelium" bezeichnen müssen. Ein solches muss also nicht nur Papias, sondern auch sein Gewährsmann, der Presbyter (eventuell Johannes) gekannt haben.

Ein ´Muss´ erscheint mir hier etwas zu forsch. Eine Identität des von Papias bzw. dem Presbyter angesprochenen Werks mit dem uns bekannten Mk kann auch im optimistischsten Fall nur als ´wahrscheinlich, aber nicht sicher´ gelten. Körtner, der pro Mk-Identität argumentiert, nimmt dafür Eusebius´ Erwähnung des Mk-Evangeliums in HE 3.39.14 zu Hilfe (Körtner S. 155), das er - wegen dieser unmittelbar vorausgehenden Erwähnung - mit den ´logia´ in ´τῶν κυριακῶν ποιούμενος λογίων´ (3.39.15) identifiziert. Diese Argumentation ist mir bei anderen Autoren aber nirgendwo begegnet, weshalb diese Verknüpfung wohl nicht so selbstverständlich ist, wie Körtner es suggeriert. Dass Eusebius in 3.39.14 von dem´Evangelium´ des Markus spricht, belegt nämlich noch nicht, dass auch der zitierte Papias bzw. Presbyter in 3.39.15 ein solches im Sinn hat. Es könnte sich, wie schon im Fall des Pres.Joh., um eine Interpretation von Eusebius handeln.

Nun zum Knackpunkt der Fragestellung, nämlich der im Fragment bemängelten ´(Un-)Ordnung´ der Markus-Niederschrift.

HE 3.39.15:

Auch dies sagte der Presbyter: Markus, der Dolmetscher des Petrus, hat alles, dessen er sich erinnerte, genau aufgeschrieben, freilich nicht der (richtigen) Reihe nach - das, was vom Herrn sei es gesagt, sei es getan worden war; er hatte nämlich weder den Herrn gehört noch war er ihm nachgefolgt. Später aber, wie gesagt, (folgte er) dem Petrus, der seine Lehrvorträge den Bedürfnissen entsprechend gestaltete, jedoch nicht, um eine zusammenhängende Darstellung der Herrenworte zu geben, so dass Markus nicht falsch handelte, als er einiges so aufschrieb, wie er sich erinnerte. Denn für eines trug er Sorge, nichts von dem, was er gehört hatte, auszulassen oder darunter etwas Unwahres zu berichten.
Zu bedenken ist zunächst einmal die - in der Forschung aber weitgehend ignorierte - Möglichkeit, dass in 3.39.15 ab "Später aber, wie gesagt, (folgte er) dem Petrus" der Text kein wörtliches Presbyter-Zitat des Papias mehr ist, sondern eine von Papias dem Zitat nachgestellte Erläuterung. Ein Indiz dafür ist das "wie gesagt" (ὡς ἔφην), das jene Möglichkeit nahelegt, wenn auch keinesfalls zwingend.

Thematisch ist vor allem ist die bemängelte Unordnung im Text des Markus. Papias oder der Presbyter - je nach Zuschreibung - entschuldigt diese damit, dass Markus, "wie er sich erinnerte", der Vortragsweise des Petrus gefolgt sei, der sich wiederum nach den Rezeptionsbedürfnissen der Hörer gerichtet habe. Die gängigen Übersetzungen, wie z.B. obenzitierte, geben die Bedeutung von

πρὸς τὰς χρείας ἐποιεῖτο τὰς διδασκαλίας

(worauf sich "der seine Lehrvorträge den Bedürfnissen entsprechend gestaltete" bezieht)

möglicherweise verfälschend wieder. Das erwähnte χρείας kann in zwei Weisen übersetzt werden: (1) „den Bedürfnissen entsprechend“, so wie es gängigerweise geschieht, oder (2) „in Form von Anekdoten“, d.h. antiken rhetorischen Formen (´Anekdoten´) mit dem Zweck, Worte und Taten einer Person möglichst effektiv in das Gedächtnis der Hörer oder Leser einzuprägen.

Etymologisch leitet sich ´chreia´ von χρή (= Notwendigkeit, Bedürfnis) ab, hat in der Antike aber auch die Sonderbedeutung einer bestimmten rhetorischen Figur angenommen, die zu den sog. Progymnasmata gehört.

Was die ´Unordnung´ betrifft, stellt sich eine Frage, die jeder zu beantworten hat, der das Mk mit dem in 3.39.15 angesprochenen Text des Markus identifiziert, nämlich: Woran bemisst Papias bzw. der Presbyter die Unordnung? Sekundäre Frage: Was ist damit überhaupt gemeint? Chronologische oder thematische Unordnung, oder gibt es Lücken? Wir wissen es nicht.

Es muss für diese Einschätzung jedenfalls entweder ein Vergleichstext vorliegen (z.B. Mt, Joh oder Lk), oder sie ist rein subjektiv ohne Verwendung externer Kriterien.

Letztere Möglichkeit wird in der Fachwelt kaum ernsthaft diskutiert, umso mehr aber die Möglichkeit, dass Papias bzw. der Presbyter Zugriff auf (mindestens) eines der kanonischen Evangelien hatten. Lk ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuscheiden, da es von Eusebius im Papias-Kontext nicht genannt wird und auch in anderen Papias-Fragmenten Papias-bezogen nicht erscheint. Manche Exegeten plädieren zwar für Lk, was aber eine schwache Hypothese ist. In Sachen Joh ist die Lage kaum besser. Die angeblich auf eine Joh-Kenntnis des Papias hinweisenden Fragmente, in diesem Thread schon partiell thematisiert, sind keine Indizien, die rundum überzeugen können. Was das Mt betrifft, ist ebenfalls unsicher, ob Papias es kannte - worauf ich nachher noch eingehe.

Nun hängt die Identität des Mk mit dem in 3.39.15 thematisierten Text stark von der Antwort auf obengestellte Frage ab, woran dessen Unordnung von Papias/Presbyter bemessen wird. Ohne Benennung eines Vergleichstextes sinkt die Wahrscheinlichkeit der Identität nämlich in den Keller. Warum? Weil das uns bekannte Mk unter keiner evidenten Unordnung seines Materials leidet. Aber selbst wenn Papias/Presb. ein anderes Evangelium gekannt haben sollten, kann es kaum als Vergleichstext herhalten, der den Unordnungsvorwurf stützt, da Mt und Lk im Prinzip die gleiche Struktur wie Mk aufweisen und das Joh vom Mk strukturell so stark abweicht, dass man hier Äpfel mit Birnen vergleichen würde.

Fazit: Nichts Genaues weiß man nicht. Davon, dass man - laut Sepiola - die angesprochene Niederschrift des Markus als Markus-Evangelium "wird bezeichnen müssen", kann keine Rede sein, zumal er vorsichtigerweise ein "wohl" hinzufügt, welches das "müssen" aufweicht.

++++

Nun zur Frage, ob Papias das Mt kannte.

Hier ist zunächst zu klären, was unter den ´logia´ in HE 3.39.16 zu verstehen ist oder höchstwahrscheinlich verstanden werden sollte.

Ist mit "Logien" nur eine Spruchsammlung gemeint? Da Papias' eigenes Werk den Titel "Darlegung der Logien des Herrn" trägt, es dort aber keineswegs nur um die Sprüche des Herrn geht, wird eine allzuenge Auslegung des Begriffs "Logien" nicht angebracht sein.

In HE 3.39.16 heißt es:

(…) Ματθαῖος μὲν οὖν Ἑβραΐδι διαλέκτῳ τὰ λόγια συνετάξατο (…)
(= Matthäus hat die Logien also in hebräischer Sprache zusammengestellt)

Zu unterscheiden ist zwischen Worten/Reden (griech. Plural ´logoi´, Sing. ´logos´) und Orakeln (griech. Plural ´logia´, Sing. ´logion´). Sowohl im Buchtitel des Papias als auch in 3.39.16 geht es um Orakel, und das heißt im antiken Kontext: um Sprüche einer divinen Person. Ein ´logion´ ist also ein Götterspruch, wovon im biblischen Kontext z.B. bei den von Moses empfangenen Geboten und in Römer 2 sowie im Hebräerbrief 5,12 die Rede ist. ´Logia´ können von daher keine narrativen Elemente beinhalten. Diesen Begriff also so zu deuten, dass er mehr als eine Spruchsammlung umfasst, ist rein spekulativ und philologisch nur umständlich zu rechtfertigen.

Was dein Argument betrifft, es gehe im Buch des Papias nicht nur um "Sprüche des Herrn" (womit du belegen möchtest, dass ´logia´ bei Papias nicht ausschließlich Sprüche bedeuten), so ist dazu zu sagen, dass die narrativen Elemente bei Papias den Zweck haben könnten, das Verständnis der Herrensprüche zu fördern. Zur ´Auslegung/Darlegung/Erklärung´ der Herrensprüche können nämlich auch die Taten und Erlebnisse des ´Herrn´ dienen, deren Schilderung durch Papias also keineswegs zwingend bedeuten, dass er mit ´logia´ mehr meint als nur (divine) Sprüche.

So viel für heute. Den Mt-Teil werde ich natürlich noch ergänzen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein ´Muss´ erscheint mir hier etwas zu forsch. Eine Identität des von Papias bzw. dem Presbyter angesprochenen Werks mit dem uns bekannten Mk kann auch im optimistischsten Fall nur als ´wahrscheinlich, aber nicht sicher´ gelten.

Da bleibe ich mal ganz entspannt optimistisch.
In der Beweispflicht steht, wer eine "uns unbekannte" Markus-Schrift über die "Reden und Taten des Herrn" postulieren möchte.


Zu bedenken ist zunächst einmal die - in der Forschung aber weitgehend ignorierte - Möglichkeit, dass in 3.39.15 ab "Später aber, wie gesagt, (folgte er) dem Petrus" der Text kein wörtliches Presbyter-Zitat des Papias mehr ist, sondern eine von Papias dem Zitat nachgestellte Erläuterung.
In der Forschung weitgehend ignoriert?

Die Papias-Literatur ist unübersehbar - die Bibliographie bei Kürzinger listet 679 Titel allein aus den 21 Jahren von 1960-1981 auf.

Kürzinger schreibt (Unterstreichung von mir): "Ferner dürfte es für die Interpretation des ganzen Textes von Bedeutung sein, daß er von Anfang an die Spuren der Sprache des Papias zeigt und es daher kaum - wie vielfach versucht wird - möglich ist, zwischen dem Wort des eingangs genannten Presbyters und der seine Aussage aufnehmenden Stellungnahme des Papias eine sichere Trennungslinie zu ziehen."


Siehe auch William R. Schoedel ("Papias", in: Aufstieg und Niedergang der römischen Welt, Band 27) 1993.

Oder Heckel (1999, S. 267), der gleichwohl versucht, einen Trennstrich zu ziehen - bei aller Vorsicht ("... nicht sicher zu sagen").




Chan schrieb:
Manche Exegeten plädieren zwar für Lk, was aber eine schwache Hypothese ist. In Sachen Joh ist die Lage kaum besser.

Doch, da ist sie erheblich besser.

Man braucht nur die ersten Kapitel der beiden Evangelien nach Markus und Johannes mal nebeneinanderzuhalten. Die Handlung beginnt nämlich mit derselben Szene (von wegen "Äpfel und Birnen"...): mit Johannes dem Täufer. Und kurz nachdem es heißt, der Geist sei "wie eine Taube" auf Jesus herabgekommen, steht bei Markus: "Danach trieb der Geist Jesus in die Wüste. Dort blieb Jesus vierzig Tage lang..." Danach geht es weiter mit der Gefangennahme des Johannes und der Berufung der Jünger.

Bei Johannes geht es anders weiter: Schon "am Tag darauf" beruft Jesus seine ersten Jünger, da passen die vierzig Tage beim besten Willen nicht dazwischen.

Die Chronologie beider Evangelien geht also schon im ersten Kapitel auseinander. Dass Papias (bzw. sein Gewährsmann) die mangelnde (chronologische) Ordnung bei Markus von Johannes-Evangelium aus kritisiert, finde ich absolut plausibel und nachvollziehbar. Wenn man sich von vornherein darauf festlegt, dass Papias das Johannesevangelium nicht gekannt haben darf, hat man natürlich ein Problem - siehe Körtner.

... so ist dazu zu sagen, dass die narrativen Elemente bei Papias den Zweck haben könnten, das Verständnis der Herrensprüche zu fördern.
Dann erklär doch bitte, welcher Herrenspruch durch die bizarre Judas-Story verständlich gemacht werden sollte.
 
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