Die Fotografie als historische Quelle

El Quijote

Moderator
Teammitglied
Aufgrund ihrer Suggestivkraft sind wir häufig leicht versucht, Fotos als historische Quellen beinahe vorbehaltlos als objektive und authentische Quelle zu akzeptieren. Aber Fotos sind keine objektive Quellen.

Heute kann jeder - sofern er sich die Software leisten mag, "photoshoppen". Aber Fotoretuschen gibt es im Prinzip seit der Frühzeit der Fotographie. Am bekanntesten ist der auf Stalins Befehl wegretuschierte Leo Trotzki:

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Weniger bekannt, aber noch früher, der Zusammenbruch des Campanile in Venedig (ja, der Campanile der heute steht ist nicht das Original).

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Diese Fälschung wurde bereits am Tag nach dem Zusammenbruch 1902 in Umlauf gebracht.

Die wenigsten Fotos werden allerdings wirklich gefälscht. Viel mehr werden sie inszeniert. Ich war z.B. mal bei den Wasserfällen von Iguazú, die bereits damals sehr gut touristisch erschlossen waren. Ich habe mich damals - ziemlich erfolgreich - bemüht, die eine Fotos so zu schießen als sei ich der erste Mensch, der diese Wasserfälle zu Gesicht bekäme. Auch eine Form der Inszenierung. Fast jedes Foto ist eine Inszenierung: Das beginnt bei der Wahl des Motivs, des Ausschnitts und endet noch nicht mit dem Zeitpunkt des Auslösens.

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Kinder nach einem Napalm-Angriff mit amerikanischen Soldaten...

...die sich im Original als embedded journalist herausstellen:
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Neben diesen relativ banalen Arten der Inszenierung eines Bildes gibt es auch noch tiefer gehende Arten der Inszenierung: Der Fotograf hat eine Idee von der Welt und will diese Idee - das muss gar nicht mal in verfälschender Absicht sein - darstellen. So werden etwa in der Kolonialfotografie Indianer gerne als 'edle Wilde' dargestellt - oder als Barbaren, schlimmstenfalls als Bestien.

Und mal ehrlich, diese Form der Kolonialfotographie existiert auf ihre Weise bis heute. Ein Tourist der nach Kanada ins Indianerreservat fährt, möchte das Pow Wow mit federgeschmückten Indianern in Fransenleder fotographieren, keine indianischen Bänker im Anzug oder Bettler in Lumpen.

Für den Film gilt das natürlich in ähnlicher Weise. Ein Film, der während des zweiten Weltkriegs im Warschauer Ghetto gedreht aber nie fertig gestellt wurde, dokumentiert das recht gut. Der Film nahm für sich in Anspruch, das Leben der Juden im Warschauer Ghetto zu dokumentieren. Erst dadurch, dass mehrere Szenen mehrfach abgedreht wurden, wird deutlich, dass die Szenen eben nicht das authentische Ghettoleben zeigen, sondern dass es sich um Inszenierungen handelt.
 
Zunächst muss speziell für Historiker, die allzu sehr an schriftlichen Quellen hängen, festgehalten werden, dass Photo- und Filmmaterialien die unvergleichlich zuverlässigere Quellen darstellen als die schriftliche Berichterstattung. Dabei muss aber ausdrücklich zwischen den Epochen der analogen und digitalen Bildverarbeitung unterschieden werden.

Klar ist aber, dass Bildaufnahmen jeglicher Art generell subjektiv sind, was per se zum Medium gehört (der große Unterschied zur noch subjektiveren schriftlichen Berichterstattung ist der Glaube an der Richtigkeit einer Bildaufnahme, was aber heute durch die verbreitete Kenntnis der Bildbearbeitung weniger ins Gewicht fällt). Zum Thema kann ich den alten Klassiker Die neue Foto Lehre von Andreas Feininger empfehlen, der lange Zeit für das LIFE-Mag arbeitete und in seinem Buch sehr ausführlich das Thema »Subjektivität« behandelt.

Für die Subjektivität verantwortlich sind folgende Punkte:

1. Allein schon die Wahl des Sujets durch den Photographen (analog zum Autor einer schriftlichen Dokumentation).

2. Die Wahl des Moments für das Auslösen der Kamera; ein wichtiger Entscheid für aufsehenerregende Bilder. Der Zufall hat hier zwar schon immer eine wichtige Rolle gespielt, doch können manche Techniken dafür erlernt werden (z.B. für das Vorausahnen von Situationen). Vielleicht der Berühmteste, der sich damit einen Namen gemacht hatte, war Henri Cartier-Bresson.

3. Die Wahl des Ausschnitts durch den Photographen; aufgenommen wurde das vermeintlich Interessante, resp. Typische. (auch hier: analog zum Autor einer schriftlichen Dokumentation)

War der Bildautor bei diesen ersten drei Punkten wesentlich verantwortlich für den Bildinhalt, so spielte die Wiederholung dieser Entscheidungen in der Redaktion nochmals eine wesentliche Rolle; welches Bild wird ausgewählt, und v.a. wie wird das Bild beschnitten? Der Auschnitt war und ist eins der wichtigsten Mittel für die beabsichtigte Aussage der Berichterstattung. Wieweit dies für die Verstärkung der Aussage getrieben wird, und ob dadurch Bildinhalte verfälscht werden, ist bei Dokumentaraufnahmen jedesmal eine verantwortungsvolle Aufgabe. (beim oben gezeigten berühmten Bild von Nick Út aus dem Vietnamkrieg halte ich z.B. das Abschneiden des Photojournalisten für keinen verantwortungslosen Eingriff, da die verzweifelten Kinder und vor allem das nackte Mädchen mit und ohne den Kriegsreporter absolut authentisch bleiben. Der Mann repräsentiert lediglich eine zusätzliche Aussage, nämlich die Kommerzialisierung des Krieges, was aber von der Darstellung des unsäglichen Leids ablenken kann und die Unterdrückung des Mitleids mit den Kindern ermöglicht(!); ein typischer Fall der Schwächung der Aussage durch zuviel Bildinhalt.

Außerdem wird auch die Wahl des entscheidenden Moments heute hauptsächlich redaktionell bestimmt, erleichtert durch die riesige Menge von Bildern (zur Verfügung gestellt von Agenturen). Für eine Aufnahme einer missmutigen Frau Merkel z.B. muss man sich nicht auf das Gespür eines einzelnen Photojournalisten verlassen.

4. Wahl der Aufnahmetechnik: z.B. selektive Schärfe, Betonung der Bewegung, resp. der Dynamik (eignet sich hervorragend, um Gefühle zu erzeugen), Einfrieren der Bewegung (z.B. durch Blitztechniken), Dramatisierung durch Filter (z.B. der Wolken), etc.

5. Wahl der Methoden bei der Positiv-Herstellung: Selektive Belichtungen (z.B. durch Abwedeln), Ausschnittsvergrößerung, Tricks für selektive Unschärfe, Entzerrungen, etc.

6. Entscheid über die Notwendigkeit einer Nachbearbeitung. Obwohl in der ersten Hälfte des 20. Jhs. (bis in die 1950-er) das Retouchieren von Photographien sehr in Mode war, war die nachträgliche Bildveränderung meist leicht zu erkennen. Politisch motivierte Änderungen des Bildinhalts gab es dennoch immer wieder, konnten aber das Publikum nur wegen dessen Unerfahrenheit mit Bildern täuschen; bei analog hergestellten Bildern sind Retouchen (sei dies durch Negativ- oder Positivretouche) sehr viel leichter auszumachen als heute mit den digitalen Möglichkeiten.


Die Möglichkeiten der Bildbeeinflussung wurden durch die elektronisch gespeicherte Bildtechnik erheblich erleichtert, was die Vertrauenswürdigkeit von Bildern drastisch reduziert hat. Hinzukommt die von EQ erwähnte Verfügbarkeit von Bildbearbeitungs-Software, zusammen mit der vereinfachten Veröffentlichung im Internet.

Bilder sind trotzdem auch heute die zuverlässigere Übermittler von Geschehnissen als Worte. Und auch wenn digitale Retouchen sehr viel schwieriger zu erkennen sind als früher, bleiben absolut glaubwürdige Bildveränderungen aufwendig und teuer, sodass sie in der Berichterstattung, wo alles sehr schnell (und immer billiger) geschehen muss, sehr selten sind (die Modebranche sei hier ausdrücklich ausgeklammert, da sie Illusionen zu vermitteln sucht). Zudem setzt man mit nachträglicher Bildveränderung die Glaubwürdigkeit und somit den seriösen Ruf aufs Spiel, was renommierten Verlagen Schaden zufügen kann.
 
Fotografien sind sehr spannende Quellen und sind aus der Forschungslandschaft nicht mehr wegzudenken. In der Kolonialgeschichte oder Drittes Reich sind Fotos wichtige Quellen, die man mit einbeziehen muss.

In der älteren Forschung wurden Fotos sehr wenig Beachtung geschenkt, heute ist das aber anders. Die Bedeutung ist den Historikern sehr wohl bewusst und es werden vielfältige Fragen an die Fotos gestellt. So müssen die Fotografien, wie jedes andere historische Material (Texte, mündliche Quellen etc.) kritisch analysiert werden. Inhalt einer solchen Analyse sind Entstehungskontext, Bildinhalt und Verwendungszusammenhang. Es hat sich, nicht so wie bei den schriftlichen Quellen, noch kein fester Methodenkanon etabliert. Vielmehr kommen verschiedene Theorien aus anderen Wissenschaften zum Tragen. Vor allem aus der Politologie, Kunstgeschichte oder Medienwissenschaft, diese Theorien werden übernommen und die Fragestellungen werden demensprechend angepasst.
Häufige wird die ikonologisch/ikonographische, semiotische und rezeptionsgeschichtliche Methode verwendet.
Eine Analyse beginnt damit, dass der Fundort und die Präsentationsform gesichert wird. Dazu stellt man folgende Fragen:

  • Wo wurde die Fotografie gefunden?
  • Wie ist sie in dieses Archiv, diese Sammlung oder in dieses Album gelangt?
  • Wie wurde die Fotografie aufbewahrt? In einem Etui, Rahmen oder lose?
  • Wurde sie öffentlich in einer Ausstellung oder in einer Publikation gezeigt? Zu welchem Zweck?
  • Gehört die Fotografie zu einer Reihe oder zu einer Sammlung?

Je nachdem wir die Fragen beantwortet wurden, stellen sich die nächsten. Ganz wichtig sind das Material und das Format des Bildes. Damit kann man die ungefähre Entstehungszeit ableiten. Hier hilft es wen man sich in der Geschichte der Fotografie auskennt. Denn gerade im 19. Jahrhundert gab es unterschiedliche Verfahren, die zu einer gewissen Zeitspanne verwendet wurden. Deshalb sollte man sich dann mit folgenden Fragen beschäftigen:

  • Handelt es sich um ein Negativ oder ein Positiv?
  • Format: in welcher Grösse liegt die Fotografie vor? Ist sie auf einen Untersatzkarton aufgezogen?
  • Bildträger: ist die Fotografie aus Glas, Papier, Blech oder liegt das Negativ auf Film vor?
  • ist die Fotografie schwarz/weiss, sepia oder farbig? Ist sie ausgebleicht? Wurde sie nachträglich koloriert?
  • Wie ist die Oberfläche, matt oder glänzend? Gibt es einen Metall- oder Spiegeleffekt? Ist die Struktur faserig?

Nächster Schritt ist es den schriftlichen Kontext des Bildes zu analysieren. Gibt es eine Bildunterschrift, Titel, Untertitel, Stempel eines Fotostudios oder eine Unterschrift.
Der schriftliche Kontext zum Bild ist ein wichtiger Bestandteil ohne diesen kann wo möglich ein Foto historisch nicht erschlossen werden.

Fotografien sind nur dann als historische Quellen und Forschungsgegenstände brauchbar, wenn etwas über die Entstehungszeit bekannt ist. Hier kann man im Foto selber schon Hinweise finden, wie zum Beispiel Bildinhalt, Material, Präsentation etc.

Die materielle Beschaffenheit eins Bildes sagt uns was über die fotografischen Verfahren einer Zeit. Hier muss man folgendes beachten. Die materielle Beschaffenheit und die Präsentationsform geben Aufschluss über die Entstehungszeit des Abzuges und nicht über das Aufnahmedatum.
Personen die abgebildet wurden können uns ebenso einen Hinweis geben, Kleidung, Gebäude, Verkehrsmittel, Accessoires etc.

Wie bei jeder anderen Quelle muss man nun die W-Fragen an das Bild stellen. Denn es gibt unterschiedliche Absichten für Bildaufnahmen. Private Erinnerungen, Dokumentationen, Propaganda, kommerzielle Interessen etc. Deshalb muss bei der Bildinterpretation folgende Fragen gestellt werden:


  • Zu welchem Zweck wurde die Fotografie aufgenommen?
  • Welche Botschaft wollen die Bildproduzenten vermitteln?
  • Wurde die Fotografie zu privaten Zwecken aufgenommen oder war sie von Anfang an zur Veröffentlichung vorgesehen?
  • Sind die Abgebildeten die Auftraggeber?
  • Wer hat die Fotografie gemacht?
  • Wurde das Foto inszeniert? Schnappschuss oder Pose?
  • Für wen wurde die Fotografie gemacht?
  • Wer sind die Adressaten?


Danach kann man das Bild beschreiben, dazu hilft es, wenn man einfach mal das beschreibt was man sieht, ohne zu interpretieren. Dies ist dann der nächste Schritt. Dazu stellt man dann folgende Fragen:

  • Was ist das Thema der Fotografie?
  • Welches Motiv steht im Zentrum des Interesses?
  • Wie ist das Motiv dargestellt?
  • Wird mit Symbolen gearbeitet?
  • In welcher Weise ist die Fotografie inszeniert?
  • Welche gestalterischen Massnahmen wurden vorgenommen?

El Quijote schrieb:
Aufgrund ihrer Suggestivkraft sind wir häufig leicht versucht, Fotos als historische Quellen beinahe vorbehaltlos als objektive und authentische Quelle zu akzeptieren. Aber Fotos sind keine objektive Quellen.

Heute kann jeder - sofern er sich die Software leisten mag, "photoshoppen". Aber Fotoretuschen gibt es im Prinzip seit der Frühzeit der Fotographie

Genau darum ist es notwendig auch die Fotos historisch-kritisch zu analysieren. Dies gilt ebenso für den Film. In der heutigen Forschung sind visuelle Quellen eine wichtige Ergänzung zu den schriftquellen und helfen ebenso den historischen Kontext zu erschliessen.

In meiner Tätigkeit habe ich viel mit visuellen Quellen zu tun und es ist wirklich ein sehr spannendes Forschungsfeld, nicht immer ganz einfach - aber das ist auch bei den schriftlichen Quellen so.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zunächst muss speziell für Historiker, die allzu sehr an schriftlichen Quellen hängen, festgehalten werden, dass Photo- und Filmmaterialien die unvergleichlich zuverlässigere Quellen darstellen als die schriftliche Berichterstattung.
Genau das ist ihre Gefahr, die ich im ersten Beitrag anspreche; auch ohne Fälschungen durch Montagen. Sie suggerieren eine erhöhte Authentizität, die sie häufig nicht haben. Bereits die Auswahl des Motivs ist der Beginn einer Vorwegnahme der Interpretation der Realität - insofern unterscheidet sich ein Foto kaum von von einem historiographischen Text. Im Übrigen muss man schriftliche Quellen in Traditions- und Überrestquellen trennen. Historiographie ist Tradition, die interessanteren Quellen sind aber die Überreste, die sich v.a. in dern Archiven befinden.
 
Genau das ist ihre Gefahr, die ich im ersten Beitrag anspreche; auch ohne Fälschungen durch Montagen. Sie suggerieren eine erhöhte Authentizität, die sie häufig nicht haben.
So hab ich es auch gemeint und deshalb auf die eigentliche Gefahr, auf den »Glauben an der Richtigkeit einer Bildaufnahme« hingewiesen.(inkl. dem Schwinden dieses Glaubens seit der elektronischen Bildspeicherung.)

Bereits die Auswahl des Motivs ist der Beginn einer Vorwegnahme der Interpretation der Realität - insofern unterscheidet sich ein Foto kaum von von einem historiographischen Text.
Der Unterschied ist aber dennoch die zuverläßigere Abbildung der Realität, auch wenn das Hauptsujet ebenso gewählt ist, wie bei Texten. Oft sind es aber – wie auch von Ursi erwähnt – gerade die ›unbeabsichtigten‹ (vom Autor eher unbeachteten) Details, die z.B. bei der Datierung, oder sogar bei Recherchen, die mit dem Hauptsujet nichts zu tun haben, weiterhelfen können. Besonders die letztere Möglichkeit ist bei Texten, die per se fokussierter sind, wesentlich mehr eingeschränkt.
 
Moin

Auch ohne Photoshop (oder anderen Programmen) kann ein Bild allein schon vom gewählten Bildausschnitt in die Irre führen!
Hier ein bekanntes Beispiel von einem Foto aus dem Irakkrieg. Je nach Wahl des Ausschnittes wird der irakische Soldat bedroht oder ihm wird geholfen.

[https://jackbraumann.wordpress.com/]
 

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Moin

Auch ohne Photoshop (oder anderen Programmen) kann ein Bild allein schon vom gewählten Bildausschnitt in die Irre führen!
Hier ein bekanntes Beispiel von einem Foto aus dem Irakkrieg. Je nach Wahl des Ausschnittes wird der irakische Soldat bedroht oder ihm wird geholfen.

[https://jackbraumann.wordpress.com/]
Moimoin

Gewiss ein Beispiel, das durch das gesamte Internet geschleift wird. Aber wo wurde überhaupt versucht, mit einem derart offensichtlich beschnittenen Format Propaganda zu betreiben? Das Gewehr übrigens ist nicht unmittelbar auf den Kopf des irakischen Kriegsgefangenen gesetzt, der mit Wasser versorgt wird, sondern befindet sich im Vordergrund, etwa auf den Becken des Mannes gerichtet.(ersichtlich aus dem fehlenden Kontaktschatten unter dem Gewehrlauf)

Die Aufnahme wurde von der US-Bildagentur Associated Press angeboten. Wäre es nicht etwas allzu einfältig, ein Agenturbild zu manipulieren? Die leichte Kopierbarkeit der elektronisch gespeicherten Bilder begünstigt zwar einerseits die Bildmanipulation, zugleich aber stellt sie auch ein Hindernis dar, da man nie weiß, ob noch weitere Bilddateien existieren, während früher das Negativ einfach mitgekauft und vernichtet werden konnte.


Zusammengefasst: das ›Triptychon‹ scheint momentan eher dem Pseudo-Aufdeckjournalismus zu dienen, während die Aufnahme eigentlich etwas Humanes zeigt: Hilfeleistung durch US Marines an einem gefangenen feindlichen Soldaten.

So viel diesbezüglich zu »Propaganda«… :devil:
 
Man muss ein Bild nicht einmal beschneiden oder retuschieren, um es zu manipulieren. Manchmal reicht es einfach, ein Bild mit einem entsprechenden Abbildungstext zu versehen, um den Betrachter zu manipulieren.
 
...
Gewiss ein Beispiel, das durch das gesamte Internet geschleift wird. Aber wo wurde überhaupt versucht, mit einem derart offensichtlich beschnittenen Format Propaganda zu betreiben? ...

Es ist doch vollkommen irrelevant, ob das Bild zu manipulativen Zwecken eingesetzt wurde oder nicht! Es soll lediglich aussagen, daß je nach Wahl des Ausschnittes eine komplett andere Wirkung erzeugt werden kann! Und man sieht nun mal für gewöhnlich nicht, welche Bildinhalte fehlen!

... Das Gewehr übrigens ist nicht unmittelbar auf den Kopf des irakischen Kriegsgefangenen gesetzt, der mit Wasser versorgt wird, sondern befindet sich im Vordergrund, etwa auf den Becken des Mannes gerichtet.(ersichtlich aus dem fehlenden Kontaktschatten unter dem Gewehrlauf) ...

Und du glaubst, dass die Masse der Leser von Zeitungen bei jedem Bild detaillierte Bildanalysen durchführen??? Jetzt sag nicht, BILD-Leser wären dafür bekannt! :pfeif:

... Die Aufnahme wurde von der US-Bildagentur Associated Press angeboten. Wäre es nicht etwas allzu einfältig, ein Agenturbild zu manipulieren? Die leichte Kopierbarkeit der elektronisch gespeicherten Bilder begünstigt zwar einerseits die Bildmanipulation, zugleich aber stellt sie auch ein Hindernis dar, da man nie weiß, ob noch weitere Bilddateien existieren, während früher das Negativ einfach mitgekauft und vernichtet werden konnte. ...

Aber nicht jedes Foto in den Medien und sozialen Netzwerken stammt von der Associated Press! Oder ?

... Zusammengefasst: das ›Triptychon‹ scheint momentan eher dem Pseudo-Aufdeckjournalismus zu dienen, während die Aufnahme eigentlich etwas Humanes zeigt: Hilfeleistung durch US Marines an einem gefangenen feindlichen Soldaten.

So viel diesbezüglich zu »Propaganda«… :devil:

Damit bestätigst du doch, daß Fotos vorzüglich dazu taugen manipulativ eingesetzt zu werden! ;)
 
Und du glaubst, dass die Masse der Leser von Zeitungen bei jedem Bild detaillierte Bildanalysen durchführen??? Jetzt sag nicht, BILD-Leser wären dafür bekannt! :pfeif:
Sind sie nicht? :grübel: Wie dem auch sei, ich habe nicht behauptet, dass der Aufnahme eine klare Bildsprache eigen ist.

Damit bestätigst du doch, daß Fotos vorzüglich dazu taugen manipulativ eingesetzt zu werden! ;)
Du tust als würde ich hier für die Glaubwürdikeit von Photographien eine Lanze brechen wollen. :fechtduell:


Man muss ein Bild nicht einmal beschneiden oder retuschieren, um es zu manipulieren. Manchmal reicht es einfach, ein Bild mit einem entsprechenden Abbildungstext zu versehen, um den Betrachter zu manipulieren.
Absolut! Aber nicht nur die Bildlegende, sondern bereits die individuelle Situation des Betrachters kann ein Bild stark verändern:

Dies haben mir mal auch Computeranimationen von virtuellen Menschen bestätigt, deren Agieren (trotz der absolut gleichen Animation) plötzlich als aggressiv oder als bemitleidenswert erscheinen, je nachdem wie man sich zuvor im Game verhalten hat. Dies ist insofern bemerkenswert, da man an durch Bilder ausgelösten Empfindungen sehr viel mehr glaubt als an denen durch Texte. Die visuelle Information hat vor abstrakten Darstellungen (d.h. durch Andere bereits aufgearbeitete Informationen) Priorität, egal ob es sich um reale, virtuelle, oder bearbeitete Bilder handelt.

So muss man bzgl. Wahrheitsgehalt von Photographien fairerweise hinzufügen, dass bereits das menschliche Auge (samt der Bildverarbeitung im Gehirn) die Realität sehr stark individualisiert.
 
Man muss unterscheiden zwischen der "normalen" Betrachtung und einer Quellenkritischen. Natürlich kann man Bilder manipulieren, sei es durch den gewählten Bildausschnitt oder durch Veränderungen mittels Filter etc.

Mal was aus der journalistischen Praxis der Bildredaktion, wenn auch vereinfacht dargestellt. Die schreibende Zunft "bestellt" die Fotos bei der Bildredaktion. Diese müssen nun entweder im Archiv oder mit Auftrag an einen Fotografen die Fotos für den Text heraussuchen. Schon hier beginnt die Manipulation. Denn das Foto muss zum Text passen, also wird es so hergestellt das es passt. Inklusive Bildunterschrift, was im übrigen der wichtigste Bestandteil ist beim Foto. Mit der Bildunterschrift wird der Betrachter so eingestellt, dass er genau das im Bild erkennt, was er erkennen soll.

Der Historiker muss das Bild anders betrachten und es anhand von andern Quellen einordnen. Wenn es sich um ein Archivbild handelt, wo in der Redaktion verändert worden ist, dann gibt es auch ein Original. Der Zeitungsleser kann dies nicht und ja wird durch Bild und Text wo möglich manipuliert. Solche Bilder wie Xander reingestellt hat gibt es genügend und durch das Internet werden diese auch schneller verbreitet und weiter geschnitten oder anderweitig verarbeitet (auch wenn es das Urheberrecht verletzt).


Es ist schon so, ob Bild oder Text - eine kritische Haltung ist immer gut und dazu muss man nicht Historiker sein.
 
Sie haben einen wichtigen Punkt angesprochen, der die Frage nach der Objektivität und Authentizität von Fotos in der Geschichte unterstreicht. Tatsächlich sind Fotos keine objektiven Quellen, sondern sie werden oft bewusst oder unbewusst inszeniert, bearbeitet oder ausgewählt, um eine bestimmte Botschaft oder Perspektive zu vermitteln.

Die Geschichte der Fotoretusche und -manipulation reicht weit zurück, wie Ihr Beispiel mit Leo Trotzki zeigt. Dies verdeutlicht, wie politische Interessen und Manipulationen die Darstellung von historischen Ereignissen in Fotos beeinflussen können.

Die Verwendung von Fotoboxen oder Fotostudios, wie in Ihrem vorherigen Beitrag diskutiert, ist ebenfalls ein Beispiel für die Inszenierung von Fotos. Diese Werkzeuge wurden oft verwendet, um Produkte oder Objekte professionell zu präsentieren und zu fotografieren. Die Auswahl des Motivs, des Ausschnitts, der Beleuchtung und anderer Faktoren beeinflusst die Art und Weise, wie ein Foto interpretiert wird.

Die Inszenierung von Fotos kann auch in der Dokumentarfotografie und im Fotojournalismus eine Rolle spielen. Fotografen wählen oft bewusst den Zeitpunkt, den Blickwinkel und den Rahmen, um eine Geschichte oder eine Botschaft zu vermitteln. Die Wahl, welche Elemente in den Fokus gerückt werden und welche ausgeblendet werden, kann die Wahrnehmung eines Ereignisses erheblich beeinflussen.

Es ist daher wichtig, kritisch zu sein und Fotos in ihrem historischen Kontext zu betrachten. Die Fotoboxen und Inszenierungen in der Fotografiegeschichte sind nur einige Beispiele dafür, wie Fotos als historische Quellen interpretiert werden können. Forscherinnen und Forscher müssen oft sorgfältig analysieren, welche Absichten und Perspektiven hinter den Fotos stehen, um eine umfassende und genaue Geschichte zu rekonstruieren.
 
In der älteren Forschung wurden Fotos sehr wenig Beachtung geschenkt, heute ist das aber anders.
Ab welchen Zeitpunkt ungefähr hat die historische Forschung Fotos als Zeitdokumente wahrgenommen bzw. sich damit ernsthaft zu beschäftigen begonnen?

Meine Frage hat natürlich einen Hintergrund: Ich vermute, dass Historiker ziemlich konservativ eingestellt sind, d.h. den jeweils neuen Medien eher ablehnend gegenüberstehen.
 
Das hat wohl weniger etwas mit der Einstellung der Historiker zu tun, als vielmehr damit, wie habhaft man Fotoquellen wurde. Zeitungsarchive sind manchmal ein bisschen eigen und ansonsten sind Fotos ja eher privat. Und gerade diese privaten Fotos, die noch am ehesten uninszeniert sind, findet man in der Regel nicht in Archiven. Erst in den 1990er Jahren hat da eine breitere Sammlungsbewegung eingesetzt.
 
Willst du damit sagen, weil man der Fotoquellen bis in die 1980-er Jahre nicht in erforderlichen Umfang habhaft werden konnte, hat man, wie Uris meinte, den Fotos wenig Beachtung geschenkt?
 
Willst du damit sagen, weil man der Fotoquellen bis in die 1980-er Jahre nicht in erforderlichen Umfang habhaft werden konnte, hat man, wie Uris meinte, den Fotos wenig Beachtung geschenkt?
Man kam an veröffentlichte Fotos, aber nicht so leicht an unveröffentlichte Fotos. Privatsammlungen aus familiären Kontexten, die auch eher der Nachbarwissenschaft (europäische) Ethnologie zu Gute kamen mit Schnappschüssen (also nicht inszenierter Fotographie*) waren schwierig zu bekommen, zumal bis zur Marktreife der Digitalfotographie man an 24- und 36-Bilder- oder Diafilme gebunden war. Fotoentwicklung war auch nicht immer ganz billig.
Wir haben in meiner letzten archäologischen Grabungen Mitte der 90er zwar schon mit Digitalfotografie gearbeitet, aber das war mehr fürs schnelle Bild, die eigentliche Fotodokumentation wurde noch mit zwei analogen Kameras (bunt und schwarz-weiß) vollzogen.
I.d.R. gehen Uropas Bilder, auf denen man niemanden mehr kennt, ins Altpapier und werden selten einem örtlichen Museum angeboten.
Solche privaten Quellen sind schwer zu erschließen. Man denke ans deutsche Tagebucharchiv: das ist erst 1998 gegründet worden. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe hat um das Jahr 2000 herum mal ein Studentenzimmer aufgekauft. Der Student musste alles zurücklassen, wie gekauft. Das war für die ethnologische Sammlung.

Ich sag ja immer, dass Historiker auf ihre Art Philologen sind. Wir sind in erster Linie dazu ausgebildet, Textquellen auszuwerten. Und so wird - wenn man das mal auf die Schulbuchproduktion herunterbricht- den Geschichtsbüchern oft vorgeworfen, dass Bildmaterial dort selten als zusätzliches Arbeitsmaterial benutzt wird, denn als bloße Illustration. (Das hat sich in den letzten Jahren etwas gebessert.)


*Aber auch Privatfotografie ist oft inszeniert. Eine Trennung zwischen Privat- und inszenierter Fotografie wäre nicht sinnvoll. Die Inszenierung ist graduell.
 
I.d.R. gehen Uropas Bilder, auf denen man niemanden mehr kennt, ins Altpapier und werden selten einem örtlichen Museum angeboten.
Solche privaten Quellen sind schwer zu erschließen.
Natürlich sind sie das – wenn man passiv ist und wartet, dass Privatpersonen von sich aus ihre Familienalben, die unter Umständen 100 Jahre zurückreichen, einem Museum anbieten.

Man denke ans deutsche Tagebucharchiv: das ist erst 1998 gegründet worden. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe hat um das Jahr 2000 herum mal ein Studentenzimmer aufgekauft. Der Student musste alles zurücklassen, wie gekauft. Das war für die ethnologische Sammlung.
Das war ein richtiges Vorgehen. Ethnologen gehen aktiv an die Sachen ran, nicht aber Historiker. Sie sichern offenbar den Alltag nicht, sondern vertrauen darauf, dass jemand das für sie macht – damit sie nach 20 Jahren oder noch später das ev. gesammeltes Material untersuchen können.

Dabei kann man auch den Alltag sichern: Im Haus der Geschichte in Bonn habe ich vor Jahren eine Ausstellung gesehen, die sich mit Sexualmoral im Wandel der Zeiten beschäftigte. Und die zeigte nicht nur Sachen bis zu 20 Jahren vor dem Jahr der Ausstellung, sondern war up to date inkl. Internet, das damals, Mitte der 2010er Jahre schon sehr weit verbreitet war: Google war da z.B. schon beinahe 20 Jahre alt, Wikipedia 15, Facebook und Twitter 10.
 
Natürlich sind sie das – wenn man passiv ist und wartet, dass Privatpersonen von sich aus ihre Familienalben, die unter Umständen 100 Jahre zurückreichen, einem Museum anbieten.

Das war ein richtiges Vorgehen. Ethnologen gehen aktiv an die Sachen ran, nicht aber Historiker. Sie sichern offenbar den Alltag nicht, sondern vertrauen darauf, dass jemand das für sie macht – damit sie nach 20 Jahren oder noch später das ev. gesammeltes Material untersuchen können.

Dabei kann man auch den Alltag sichern: Im Haus der Geschichte in Bonn habe ich vor Jahren eine Ausstellung gesehen, die sich mit Sexualmoral im Wandel der Zeiten beschäftigte. Und die zeigte nicht nur Sachen bis zu 20 Jahren vor dem Jahr der Ausstellung, sondern war up to date inkl. Internet, das damals, Mitte der 2010er Jahre schon sehr weit verbreitet war: Google war da z.B. schon beinahe 20 Jahre alt, Wikipedia 15, Facebook und Twitter 10.
Ist ja gut, dass du das alles so genau weißt.
 
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