Dabei hat sich Ammianus zwei Jahre lang in Gallien aufgehalten. Hat er hier keine kompetenten Gewährsleute mehr gefunden, die ihm noch etwas über die Überlieferung der Druiden hätten erzählen können?
Stattdessen schreibt er bei einem Autor ab, der selber über keine Informationen aus erster Hand verfügt hat...
Es tut mir leid, dass ich erst jetzt antworte, ich setze mich zu sehr selbst unter den Druck möglichst ausführlich und mit Quellen belegt zu reagieren.
Kurz zu Sepiolas Anmerkung: ich finde es nicht erstaunlich, dass Ammianus Marcellinus keinen gallischen Gewährsmann erwähnt - zuerst, er lebte im 4.Jahrhundert AD, da gab es zwar noch Personen, die ihre Familiengenealogie als druidische Familie hochhielten, die Druiden selbst gab es in der Form politisch, rechtlich und religiös als Institution schon lange nicht mehr. Nach Einschätzung aller mir bekannten Autoren sind die spätkaiserzeitlichen in Quellen erwähnten Druiden nur Bezeichnungen für Wahrsager und Seher. Ich habe die Tacitusstelle in den Historien auch deswegen nicht als Beweis für eine Geschichtsschreibung herangezogen, als angeblich Druiden den Fall Roms prophezeiten, weil in Rom der Jupitertempel gebrannt hat, weil diese Druiden mit Sicherheit beständig mit dem dies ater der römischen Geschichte konfrontiert worden waren, wie schon die allobrogische Delegation ca. 70 v.Chr. vor einem römischen Gericht durch Tullius Cicero in seiner Verteidigungsrede pro fonteio:
" Dies sind die Völker, die einst so weit von ihren Wohnsitzen bis nach Delphi aufgebrochen sind, um den pythischen Apollo und die Orakelstätte des Erdkreises zu verheeren und auszuplündern. Von denselben frommen und in ihrem Zeugnis so gottesfürchtigen Völkern wurden das Kapitol und eben jener Iuppiter belagert, durch dessen Namen unsere Vorfahren die Zuverlässigkeit von Zeugenaussagen gebunden wissen wollten."
Daher kann dieser geschichtliche Rückblick auf das Jahr 390 BC nicht mehr überzeugend auf eine gallische/druidische Geschichtsschreibung zurückgeführt werden, weil 64 nach Chr. Gallien schon mehr als 100 Jahre römisch gewesen ist.
Zur Frage der Religionsbezeichung: ich wage mich nicht, dazu bin ich religionswissenschaftlich auch zu unbeleckt, eine Definition zu geben.
Ich kann heute nicht mehr alle Aussagen belegen, in einem meiner Bücher spricht der Autor an, ob es eine Ausbildung antromorpher Gottheiten vor der gallorömischen Phase gegeben hat, oder ob erst mit der Interpretatio Romana die Götter menschliche Gestalt angenommen haben. Ich neige genau wie der Autor, ich liefere die Stelle nach, dazu, dass diese Ausprägung vorher stattgefunden hat, da sie mit vierhundert Gottheiten schon sehr schnell voll und vielfältig ausgebildet zu sein scheint, der Gundestrupkessel mit seinen Gottheiten ist auch ein exemplarisches latenezeitliches Beispiel für frühe, vorrömische menschliche Göttergestalten. Für den Autor war diese Vermenschlichung Entwicklungsschritt innerhalb des relgiösen Systems weg von der Anbetung von Naturerscheinungen. Ich spare mir jetzt dies zu diskutieren.
Der Hinweis auf die Spätlatenezeitliche Oppidakultur finde ich ebenso richtig, sie nähern sich den grieichischen Polis an, der religiöse Bezirk innerhalb der Oppida an exponierter Stelle ist inzwischen archäologisch vielfach nachgewiesen (siehe meine Blogbeiträge). Der Mercurius kann auf eine ökonomisch auf Handel, Handwerk und Bergbau aufgebaute Ökonomie verweisen, in der die Oppida eine zentrale Rolle wahrnehmen. Allerdings, ich passe jetzt vorübergehend, welcher Autor dies geschrieben hat, wurde der Mercurius an der ersten Stelle bei Cäsar auch hinterfragt - die ganze Passage, zum Teil Poseidonios verkürzend, dann erweiternd, hebt sich stark vom gegenübergestellten "zurückgebliebenen, barabrischen Germanenbild" im Kapitel VI B.G. ab - daher wurde nach der politischen Absicht Julius Cäsars gefragt, und vermutet, dass auch Mercurius (und nicht etwa Mars) an der ersten Stelle darstellen sollte, dass er, Cäsar, ein ökonomisch reiches und entwickeltes Land erobert hat, dass die Voraussetzungen für eine florierende Ökonomie mitbringt.
Zu Mercurius: viele Autoren trauen sich an die Götterwelt nicht heran, so mein Eindruck, Birkhan gehört da zu den wenigen, der sich dem Thema ausführlich annimmt. Ich hatte ursprünglich vor, am Beispiel genau von diesem Gott Mercurius darzustellen, wie komplex und zum Teil undurchschaubar der Pantheon ist.
Der interessante Text von Raimund Carl, danke auch für eure Literaturtipps, haerangil, maglor, erwähnt eine Theorie, dass die Gottheiten dreifunktional und dreigestaltig gewesen sein könnten. Birkhan bringt Merkur mit drei Göttern in Verbindung - Lugus, Esus und Ogmos. Die Verbindung zu Cernunnos ist mir unbekannt gewesen, ich habe leider gerade keine Zeit, dem nachzugehen. Ich hatte einen ähnlichen Verdacht, dass die Gottheiten dreigestaltig sein können, die dreigestaltigen Matronae sind sicher einigen bekannt, und entdeckte jetzt, dass meine Idee doch nicht originell ist, schade. Um die Ebenen anzudeuten: im keltischen Sprachgebrauch gibt es drei Begriffe für Welt, die selbst drei verschiedenen vertikalen Ebenen der Weltvorstellung zugeordnet zu sein scheinen:
1. Albio - dem Himmel - der lichten? Oberwelt (Vermutung! Zusammenhang mit lateinisch albus / weiß) - Opferort Berge, Feuer - Verbrennung/Verwesung an der Luft/Vögel
2. Bitu - Gesamtheit allen Lebenden - der Erde, dem Trockenen, Opferort Bäume, Altäre-Opferform?
3. Dubno / Dumno - (Vermutung zu gotisch/diups tief!) der (tiefen?) Unterwelt, dem Nassen - Opferort Schächte, Quellen-Versenkung, Beerdigen, Verwesen in der Erde
(Die Relgion der Kelten, Maier, S.56)
Dementsprechend müssten die Gottheiten eine "Unterwelt - Welt- und Himmelsfunktion ausüben.
Richtig erwähnt Maglor, dass zusätzlich ein Gott Attribute wie segomo (siegreich) erhalten kann, dass heißt ein Mercurius segomo als Stammesgott übernimmt dann die Funktion eines Kriegsgottes.
Bei all dem muss man sich jedoch vergegenwärtigen, zum Beispiel zur Welt-Raumvorstellung, dass
"die Welt" als den Lebensraum des Menschen bezeichnen verschiedene Begriffe, deren Grundbedeutung und Zusammenhang untereinander bislang nicht befriedigend erklärt werden konnten.(Maier, S.55)
Ähnlich trifft es auch auf die Götterwelt zu.
Unten die Bärengöttin Artio mit Fruchtkorb und Bär, den sie füttert.
Bronzestatue, gefunden bei Bern, mit der Inschrift
DEAE ARTIONI LICINIA SABINELLA
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