Naturverehrung als Begriff

Haerangil

Aktives Mitglied
hallo! es ist ja schon mehrmals in diversen threats die problematik aufgetreten wie wir vorchristliche religionen einordnen.ich bin nun kein ethnologe oder religionswissenschaftler,obwohl ich an der uni dazu mal den eun oder anderen kurs belegt hatte.meine frage jetzt, welchen begriff von natur setzen wir eigentlich voraus wenn wir von naturverehrung sprechen? das ist für michsowohl vom begriff als auch philosophisch betrachtet in wesentlich schwierigeres problem als man zunächst annehmen könnte, doch natur setzt ja nicht nur die verehrung numinösrr kräfte oder bestimmte in der natur, im sinne von in der umwelt angesiedelter kultplätze vorraus.
 
hallo! es ist ja schon mehrmals in diversen threats die problematik aufgetreten wie wir vorchristliche religionen einordnen.ich bin nun kein ethnologe oder religionswissenschaftler,obwohl ich an der uni dazu mal den eun oder anderen kurs belegt hatte.meine frage jetzt, welchen begriff von natur setzen wir eigentlich voraus wenn wir von naturverehrung sprechen? das ist für michsowohl vom begriff als auch philosophisch betrachtet in wesentlich schwierigeres problem als man zunächst annehmen könnte, doch natur setzt ja nicht nur die verehrung numinösrr kräfte oder bestimmte in der natur, im sinne von in der umwelt angesiedelter kultplätze vorraus.

In der Ethnologie spricht man in diesem Zusammenhang von Animismus, allerdings ist der Begriff weder ausgesprochen trennscharf, noch gibt es einheitliche animistische Vorstellungen.

Eingebracht in die Forschung hat ihn der britische Anthropologe Eduard Burnett Tylor 1871 in seinem Werk Primitive Culture Researches into the Development of Mythology, Philosophy, Religion Art and Custom. Nach Tylors These handelte es sich beim Animismus um eine frühe gesellschaftliche Entwicklung.

So uneinheitlich der Animismusbegriff ist, gibt es doch gewisse Gemeinsamkeiten:

-Das Fehlen von allmächtigen, monotheistischen Göttern, auch wenn viele Jäger und Sammler-Kulturen so etwas wie ein "höchstes Wesen" anerkennen.
-Es gibt innerhalb von animistischen Religionen keine Metaphysik
-Diesseitsorientierung
-Tiere und Pflanzen, aber auch Quellen, Berge, Seen werden als beseelte Wesen wahrgenommen
-Die Realität ist nur ein Schatten der Wirklichkeit, und die spirituelle Welt ist Teil der Realität, bzw. die eigentliche Realität.

Tylers Publikationen erschienen bei ihrer Veröffentlichung als radikal, da sie nicht schriftlich fixierten Kulten prinzipiell die gleiche Anerkennung wie Buchreligionen zubilligte.
 
hmm... nein der animismusbegriff wird eigentlich schin lange als überholt angesehen und ksum nich verwendet.
 
hmm... nein der animismusbegriff wird eigentlich schin lange als überholt angesehen und ksum nich verwendet.

Wieso du die Animismustheorie für outdated hältst, ist unklar. Nach wie vor gilt der Animismus in der Anthropologie als das in prähistorischen Kulturen vorherrschende Weltbild. Man sollte es allerdings in seiner Komplexität erfassen, die über eine´Beseeltheit´ der Natur hinausgeht. In der Anthropologie gilt zumindest für den sibirischen, zentralasiatischen, keltischen, nordischen und US-indianischen Raum das dreistufige schamanische Weltmodell mit einem die drei Ebenen verbindenen ´Weltenbaum´, dessen bekannteste Variante der Yggdrasil aus der nordischen Mythologie ist, wo das schamanistische Modell in die Vorstellungsgewelt historischer Religiosität hinübergerettet wurde, wie überhaupt viele prähistorische animistische Vorstellungen in späterer Mythologie/Religiosität bewahrt wurden.

Die mittlere Ebene war die Welt der Menschen, Tiere, Pflanzen und Geister, die dem Menschen gut oder auch böse gesonnen sein konnten. Manche belebten das Pflanzenreich, den Wind, das Wasser und sogar die Steine. Windgeister z.B. wurden für das Aufkommen eines Windes verantwortlich gemacht, die Wälder waren von Baumgeistern (Dryaden) bewohnt. Wassergeister wurden als verführerische Mädchen (Nymphen, besonders an Quellen) imaginiert, konnten an Flüssen aber auch bedrohlich werden, wenn sie die Seelen Ertrunkener waren. Dass dem Menschen im schamanistisch-animistischen Weltbild eine Seele zugesprochen wurde, war Teil des Naturanimismus und Ausgangspunkt aller späteren Seelenvorstellungen. Magische Praktiken dienten der Kommunikation mit Geistern, um ihre Haltung zu den Menschen zu beeinflussen.

Die untere Welt war von den Seelen der (meisten) Toten sowie von Dämonen und Ungeheuern bevölkert.

Die obere Welt war der Ort der Himmelskörper sowie der besonders mächtigen Geister. Um sich mit ihnen gut zu stellen, erfand man ein System aus Ritualen (was muss getan werden) und Tabus (was darf nicht getan werden). Manche Obergeister waren auf die Herrschaft über die Tierwelt spezialisiert, in prähistorischer Zeit scheinen sie männlich oder weiblich gewesen zu sein, in historischer Zeit dann exklusiv weiblich, was den Typ der Potnia Theron (ein auf Artemis bezogener Ausdruck von Homer, Ilias 21,470, siehe unten), der ´Herrin der Tiere´, hervorbrachte, deren bekannteste Beispiele die anatolische Kybele und die griechische Artemis sind. Möglicherweise hatten auch Hera und Athene zunächst dieses Charakteristikum. Als ältestes prähistorisches Beispiel einer Potnia Theron gilt die von Panthern flankierte ´Sitzende Gebärende´ von Catal Hüyük (7. Jt. BCE).

(Ilias, 21,470f.)

Doch ihn strafte die Schwester, die Herrscherin streifendes Wildes,
Artemis, fröhlich der Jagd, und rief die höhnenden Worte:
Fliehest du schon, Ferntreffer? und hast den Sieg dem Poseidon
Ganz nun eingeräumt, und umsonst den Ruhm ihm gegeben?
Tor, was trägst du den Bogen, den nichtigen Tand, an der Schulter?
 
Zuletzt bearbeitet:
wie kommst du darauf? das vertritt SO kein ethnologe/anthropologe...
ich sagte ich bin kein ethnologe, aber ich habe das in marburg mal 3 semester studiert... völlig unbedarft bin ich also auch nicht.
 
Das hat auch mit dem Forschungsstand wenig zu tun.

In aktuelle Fachenzyklopedien findet man diese Anschauungen nicht.
 
wie kommst du darauf? das vertritt SO kein ethnologe/anthropologe...

Ich habe das schamanistische Weltbild skizziert. Das geht prinzipiell auf Mircea Eliades Forschung zurück (1964) und wird heute z.B. von Prof. Peter Roe, University of Delaware, vertreten, sowohl in puncto Dreistufigkeit als auch in puncto animistische Beseeltheit der Natur, beides gestützt auf seine Forschungen im Amazonasgebiet.

Dass die Animismustheorie, basierend auf Tylor, seit den 1980ern an Boden verloren hat, hängt weniger mit der Beseeltheitsheits-Hypothese zusammen als mit Tylors evolutionärem Paradigma. Im Zuge des sog. postmodernen Paradigmenwandels in den 1970ern hat sich bei vielen Forschern eine Aversion gegen evolutionäre Theorien herausgebildet, denen man Eurozentrismus und eine damit verbundene Abwertung aller nicht-modernen sowie nicht-westlichen Kulturphänomene vorwirft. Tylor hat den Animismus als primitive Kulturstufe dargestellt, deren Mitgliedern es an einer ädaquaten Differenzierung von Subjekt-Objekt-Beziehungen zu ermangeln schien, ähnlich wie der bedeutende Entwicklungspsychologe Piaget in den 1930er Jahren einem Kleinkind die Charakteristika ´egozentrischen´, ´magischen´ und ´animistischen´ Denkens zusprach, den Animismusbegriff dabei bewusst von Tylor übernehmend.

Die Analogisierung der (Piaget´schen) kleinkindlichen Bewusstseinsstufe mit der Bewusstseinsstufe prähistorischer Kulturen, die in der Folge von manchen Wissenschaftlern vorgenommen wurde, ist ein zusätzliches rotes Tuch für postmoderne Theoretiker. Warum? Weil postmodernes Denken keine Wertehierarchien anerkennt (was charakteristisch für ´modernes´ Denken ist), sondern, dem Prinzip des Kultur-Relativismus folgend, jedem Weltbild eine Bedeutung zuspricht, die durch andere Weltbilder nicht entwertet werden kann. Entsprechend wird keine Theorie anerkannt, die einem Weltbild das Charakteristikum des Irrationalen und Infantilen zuspricht, wie das bei Tylors Theorie mehr oder weniger der Fall ist.

Um diese Theorie zu entkräften, muss der Animimusbegriff Tylors in Frage gestellt werden. Das postmoderne Denken stellt ihm im Rahmen des sog. "Neuen Animismus" das Konzept der "relationalen Epistemologie" entgegen, die in ihrer anthropologischen Variante in den 1990ern vor allem von Frau Prof. Nurit Bird-David, University of Haifa, ausgearbeitet wurde. Im Prinzip läuft die Unterschied dieses Konzepts zum Animismus Tylor´scher Prägung darauf hinaus, dass Animismus (ein beibehaltener Begriff) nicht wie bei Tylor ein irrtümlicher kognitiver Akt ist, der unter der Bedingung mangelhafter Subjekt-Objekt-Differenzierung Naturobjekte mit personhaften Züge projektiv ausstattet und sie auf diese Weise ´beseelt´ (animiert), vielmehr sind animistische Beziehungen zu Naturobjekten dadurch gekennzeichnet, dass zunächst eine soziale Beziehung zu ihnen hergestellt wird und dann erst, auf dieser Basis, ihnen personale Züge zugesprochen werden, die allerdings keine Projektion eigener Personalität darstellen, da die Personalität bzw. Subjektivität des Menschen durch die Objektbeziehung erst entsteht. Subjektivität ist in dieser Sicht also das Resultat der animistischen Objektbeziehung und nicht - wie bei Tylor, der einen modernistischen Subjektbegriff à la Descartes vertritt - der Ausgangspunkt. Auf eine einfache Formel gebracht:

Tylor:

Der Mensch animiert Naturobjekte, indem er die eigene Subjektivität auf sie projiziert. Auf dieser Basis stellt er soziale Beziehungen zu ihnen her.

Bird-David:

Der Mensch stellt soziale Beziehungen zu Naturobjekten her. Auf dieser Basis bildet er seine Subjektivität heraus und animiert die Objekte zu Personen.

Theoretiker wie Bird-David distanzieren sich also vom Descartes´schen Subjekt-Objekt-Dualismus und folgen der Hegel´schen Dialektik (auf die sich Bird-David explizit bezieht), der zufolge Subjektivität Objektbeziehungen nicht vorausgeht, sondern aus ihnen resultiert, was auch der Standpunkt Piagets (in diesem Punkt un-Tylorisch), der psychoanalytischen Objektbeziehungstheorie und diverser postmoderner Theoretiker wie Lacan, Derrida und Foucault ist. Aus Bird-Davids Ansatz folgt ihr absoluter Kulturrelativismus, d.h., wie oben schon angedeutet, eine prinzipielle Gleichbewertung der Weltbilder und Wertordnung von Kulturen.

Ich habe dagegen zwei Einwände. Erstens: Der postmoderne Kulturrelativismus ist abzulehnen, weil er nihilistisch und darüber hinaus unlogisch ist. Zweitens: Die archaische Religiosität wird durch das Konzept der "relationalen Epistomologie" in einer Weise rationalisiert, die ihren eigentlichen Natur - über die man freilich nur theoretisieren kann - nicht gerecht wird. Archaische SchamanInnen dürften während ihrer ekstatischen Zustände direkte Erfahrungen mit einer die Natur durchdringenden ´Geistigkeit´ gemacht haben (wie dies bei historischen SchamanInnen der Fall ist). Das schamanische Weltbild beruht ja auf solchen ´übersinnlichen´ Erfahrungen, wobei es hier irrelevant ist, ob oder in welchem Maße diese Erfahrungen als realistisch bzw. illusionär einzuschätzen sind (ich schlage ein Sowohl-als-auch vor).

Theoretiker wie Bird-David scheinen diesem Sachverhalt nicht gerecht zu werden. Nehmen wir als Beispiel eine schamanistische ´Seelenreise´, welche die Existenz von ´Geistern´ und einer transzendenten Oberwelt und der ´Beseeltheit´ der Natur im ganzen impliziert. Wie soll ein solches Szenario auf der Basis der Bird-David´schen relationalen Epistemologie funktionieren? Haben SchamanInnen zunächst soziale Beziehungen zur Geisterwelt hergestellt und dann in einem zweiten Schritt personale Charakteristika auf Geistwesen (z.B. Seelen von Tieren) projiziert? Das wäre unlogisch, weil die Wahrnehmung einer Geisterwelt nicht das Resultat sozialer Beziehungen zu Geistern sein kann, sondern es ist genau umgekehrt: Zunächst erfolgt eine Wahrnehmung von Geistern, dann erst die Herstellung einer Beziehung zu ihnen. (Es geht hier nur um die Logik, nicht um die Realitätsfrage, wohlgemerkt.)
 
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Tylor:

Der Mensch animiert Naturobjekte, indem er die eigene Subjektivität auf sie projiziert. Auf dieser Basis stellt er soziale Beziehungen zu ihnen her.

Bird-David:

Der Mensch stellt soziale Beziehungen zu Naturobjekten her. Auf dieser Basis bildet er seine Subjektivität heraus und animiert die Objekte zu Personen.

Manchen Lesern wird der Unterschied zwischen beiden Konzepten dadurch vielleicht nicht klar. Ich versuche ihn zu präzisieren:

Für Tylor denkt der archaische Mensch, weil er zwischen Körper und ´Seele´ unterscheidet, das Naturobjekt sei ´beseelt´ in dem Sinne, dass es neben seiner natürlichen Stofflichkeit auch Träger einer ´Seele´ bzw. geistigen Substanz sei, die ihm Persönlichkeit verleiht.

Für Bird-David macht der archaische Mensch keinen Unterschied zwischen Körper und ´Seele´ bzw. geistiger Substanz, sondern er interpretiert die Naturobjekte als Personen, weil sie sich im Rahmen einer sozialen Beziehung wie solche (vermeintlich) verhalten - und nicht, weil sie ´beseelt´ sind.

Wie am Ende meines vorherigen Beitrags gezeigt, erweist Bird-Davids Modell angesichts schamanistischer Erfahrungen, die vermutlich auch für das Weltbild der Normalpopulation von normativer Bedeutung waren, allerdings als unangemessen.
 
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eliade ist nun gerade einer der umstrittensten autoren auf dem gebiet, nicht nur aus politischen gründen sondern weil er übergeneralisiert und ein schlechter empiriker ist.in der ethnologie/anthropologie benutzt man den schamanismusbegriff auch mittlerwrile nicht mehr für ausserssiatische religionen.von peter roe habe ich noch nie gehört...
 
eliade ist nun gerade einer der umstrittensten autoren auf dem gebiet, nicht nur aus politischen gründen sondern weil er übergeneralisiert und ein schlechter empiriker ist.in der ethnologie/anthropologie benutzt man den schamanismusbegriff auch mittlerwrile nicht mehr für ausserssiatische religionen.von peter roe habe ich noch nie gehört...

(1)
Fakt ist, dass die moderne Schamanismusforschung auf Eliade basiert. Sein Buch "Schamanismus und archaische Ekstasetechnik" ist und bleibt ein Klassiker. In Details abweichende Auffassungen gibt es seitdem natürlich, das ist aber auch hinsichtlich Freuds Theorie der Fall, ohne dass jemand deren klassischen Stellenwert für die Psychoanalyse anzweifeln würde. Eliades politisches Engagement ist bedauerlich, ändert aber nichts an der wissenschaftlichen Bedeutung seines Werks. Auch C.G. Jung und Martin Heidegger hatten Sympathien für den (deutschen) Faschismus, ohne dass das die Bedeutung ihrer Theorien beeinträchtigen würde. Man kann über den Wert dieser Theorien unterschiedlicher Meinung sein, aber nicht wegen der politischen Haltung ihrer Urheber, sondern wegen ihren wissenschaftlichen Aussagen.

2)
´Schamanismus´ ist zum einen, in eng gefasster Definition, ein sibirisch-zentralasiatisches Phänomen, da hast du recht. In der Anthropologie hat sich aber eine weiter gefasste Definition von ´Schamanismus´ durchgesetzt, die ihn auf global auftretende Phänomene bezieht, die der weit gefassten Definition entsprechen. So gibt es z.B. das Phänomen des ´südamerikanischen Schamanismus´, Beispiel:

Native Central and South American shamanism | Glenn Shepard - Academia.edu

Auch David Lewis-Willians, Michael Winkelman, David S. Whitley, Adam J. Rock, S. C. Krippner und viele mehr verwenden den Schamanismusbegriff weit gefasst, z.B. in Bezug auf afrikanischen Schamanimus.

Ich bin etwas erstaunt, dass dir das nicht bewusst ist.

3)
Dass du noch nie von Peter Roe gehört hast, hat sich ja nun geändert. Weitere Wissenschaftler, die das von dir als akademisch irrelevant angezweifelte schamanistische Dreistufenmodell berücksichtigen, sind z.B. Ake Hultkrantz, V.V. Kulemzin und Neil Price.
 
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eliade ist nun gerade einer der umstrittensten autoren auf dem gebiet, nicht nur aus politischen gründen sondern weil er übergeneralisiert und ein schlechter empiriker ist.in der ethnologie/anthropologie benutzt man den schamanismusbegriff auch mittlerwrile nicht mehr für ausserasiatische religionen.von peter roe habe ich noch nie gehört...

Ich bin nur sporadischer Mitleser. Dennoch ist für mich diese Kritik wenig hilfreich, da sie komplett auf irgendeinen Beleg für die formulierten Behauptungen verzichtet. Und die Kritik auf Wiki an Eliade - vorsichtig formuliert - schwach erscheint. Wenn Kritik an Eliade auf Wiki, dann auch dort bitte fundiert und mit entsprechenden Literaturverweisen.

Ansonsten, wenn man Peter G. Roe nicht kennt, kann man ihn googeln. Ob man ihn dann kennt, ist ein anderes Thema.

Ob Chan mit seinen Thesen Recht hat, kann ich nicht beurteilen, weil das Thema für mich zu komplex zum einarbeiten ist. Aber ich anerkenne, dass er zumindest nach Belegen sucht und für mich die Autoren - sofern man ihre Webseite ansieht - nicht ohne weiteres ad acta zu legen sind.Und in #8 breitet er für mich zumindest ein Thema kompetent aus.
 
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Man kann über den Wert dieser Theorien unterschiedlicher Meinung sein [...] wegen ihren wissenschaftlichen Aussagen.
Ohne das im Einzelnen bewerten zu wollen, aber genau das hat Haerangil gemacht: Er warf Eliade
- Übergeneralisierung und
- Mängel bei der Anwendung der empirischen Methode vor.
Die Frage wäre nun, ob und warum diese Vorwürfe greifen oder auch nicht.
 
Er warf Eliade
- Übergeneralisierung und
- Mängel bei der Anwendung der empirischen Methode vor.

Ohne genauere Begründung ist das aber recht vage, worauf Thanepower wohl hinauswollte.

Die Frage wäre nun, ob und warum diese Vorwürfe greifen oder auch nicht.

´Übergeneralisierung´ ist ein Vorwurf, der auch James Frazer und Joseph Campbell gemacht wurde, und das wie bei Eliade mit relativer Berechtigung, was den grundsätzlichen Wert dieser Theorien, die ihren Untersuchungsgegenstand innovativ und wissenschaftlich fruchtbar ausleuchten, aber keineswegs mindert. Z.B. hat Eliade das Motiv der Ewigen Wiederkehr generalisierend als globales mythologisches Thema bezeichnet, was statistisch nicht zutrifft, weil es Ausnahmen gibt. Allerdings laufen manche Ausnahmen parallel zu der von Eliade behaupteten Regel.

(das folgende im Kleindruck, weil es das Threadthema nicht direkt betrifft)

So basieren ab Mitte des 3. Jt. BCE die mesopotamischen Schöpfungsmythen auf der Einmaligkeit der Weltschöpfung; allerdings wird die Zyklizität der Welt ab Ende des 2. Jt. in der babylonischen Marduk-Mythologie wieder eingeführt: Die im Enuma Elish geschilderte Weltschöpfung durch Herrschergott Marduk hat zwar einen Anfang, ist aber jährlich neu zu leisten, indem Marduk das Schlangenmonster Tiamat (die zum Feindbild degradierte Muttergottheit, aus deren zerrissenen Leib Marduk Himmel und Erde erschafft) aufs Neue besiegt, da sonst die Natur aus den Fugen geriete. Das geschah durch öffentlich-priesterliche Rezitation aus dem Enuma Elish in der Zeit des Neujahrsfestes und, noch wichtiger, durch rituelles Enactment des Geschehens in einem Tempel. In früheren, sumerischen Zeiten wurde das zyklische Motiv in Form der Heiligen Hochzeit praktiziert, bei dem der König sich mit der Göttin=Hohepriesterin vereint, um dem neuen Naturzyklus Starthilfe zu geben sowie um seine Herrschaft politisch zu legitimieren. Natürlich kennen auch die ägyptische Mythologie, die griechische Mythologie (Hesiod) und die nordische Mythologie (Edda) das Motiv der zyklischen Zeit, ebenso die indische Mythologie, die südamerikanisch-indianische Mythologie sowie der Konfuzianismus und der Taoismus, um ein paar Beispiele zu nennen.


Und die Kritik auf Wiki an Eliade - vorsichtig formuliert - schwach erscheint. Wenn Kritik an Eliade auf Wiki, dann auch dort bitte fundiert und mit entsprechenden Literaturverweisen.

Die Passage bei Wiki ist in der Tat zu vage.

Und in #8 breitet er für mich zumindest ein Thema kompetent aus.

Ich werde Tylors und Bird-Davids Positionen in Bälde noch viel detaillierter ausführen und zur Diskussion stellen. #8 ist nur ein Präludium.
 
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Ob Chan mit seinen Thesen Recht hat, kann ich nicht beurteilen, weil das Thema für mich zu komplex zum einarbeiten ist. Aber ich anerkenne, dass er zumindest nach Belegen sucht und für mich die Autoren - sofern man ihre Webseite ansieht - nicht ohne weiteres ad acta zu legen sind.Und in #8 breitet er für mich zumindest ein Thema kompetent aus.

Kompetente Beurteilungen und fachliche Diskurse dazu findet man in:

Wedemeyer/Doniger:
Hermeneutics, Politics, and the History of Religions - The Contested Legacies of Joachim Wach and Mircea Eliade

Darin
...insbesondere von Fisher:
Fascist Scholars, Fascist Scholarship: The Quest for Ur-Fascism and the Study of Religion
...von Faivre:
Modern Western Esoteric Currents in the Work of Mircea Eliade: The Extent and Limits of Their Presence
...und von Smith:
The Eternal Deferral, eine Auseinandersetzung mit Eliades überholten Baal/YHWH-Ugarit-Darstellungen.
 
ich sehe nicht inwiefern diese exkurse bei der beurteilung des begriffs naturverehrung weiterhelfen...

Dann rekonstruieren wir kurz die Situation:

1. Von Dir wurde der Bezug auf Eliade durch Chan kritisiert. Das kann durchaus korrekt sein, aber sollte fundiert werden, deswegen:

2. Es gab eine inhaltliche Nachfrage, auf welche Autoren sich die Kritik stützen würde.

3. Es kam von Dir nichts, was weiterführend gewesen wäre.

4. Die entsprechende Literatur wurde von Silesia vorgelegt und somit ein ganz normaler "wissenschaftlicher Vorgang", die Offenlegung der Literatur, abgeschlossen.

Das man nicht verstehen kann, dass die Klärung der Literaturlage zur Diskussion gehört, kann ich wiederum nicht verstehen.
 
ich sehe nicht inwiefern diese exkurse bei der beurteilung des begriffs naturverehrung weiterhelfen...

Thanepower hat dargelegt, wie der Nebenstrang der Diskussion entstanden ist.

Kannst Du konkretisieren, wozu die Begriffsbeurteilung dient (dienen soll), auf welche historische Fragestellung sich das bezieht? Rezeptionsgeschichtlich hat das eine enorme Spannweite.
 
Ich weiss schlichtweg nichtmehr wo ich überhaupt anfangen soll...

Ich fing ja damit an die Frage nach dem Naturbegriff im Kontext des Begriffes der Naturverehrung zu stellen, d.h. was in dem Kontext überhaupt als Natur verstanden wird.

Als Antwort erhielt ich den Begriff des Animismus, also kein wirkliches Eingehen auf meine Frage sondern ein bestimmtes, nicht mehr ganz aktuelles, Konzept

Chan warf den Schamanismusbegriff ein, welcher ebenfalls eigenrlich zur Fragestellung nicht weiterhilft.

Chan hat dann kurz Bird-David und Tylor skizziert... ok.

Mensch animiert Naturobjekte, indem er die eigene Subjektivität auf sie projiziert. Auf dieser Basis stellt er soziale Beziehungen zu ihnen her.

Der Mensch stellt soziale Beziehungen zu Naturobjekten her. Auf dieser Basis bildet er seine Subjektivität heraus und animiert die Objekte zu Personen.

o.k. also eine Aufgreifen des älteren Animismusbegriffes und eine Neudefinition von diesem.

Soweit hab ichs verstanden.

Die archaische Religiosität wird durch das Konzept der "relationalen Epistomologie" in einer Weise rationalisiert, die ihren eigentlichen Natur - über die man freilich nur theoretisieren kann - nicht gerecht wird.

Ok, hier streifen wir dann meine Fragestellung. Nämlich die Frage nach dem Naturbegriff... wenn auch auf die Natur archaischer Religiosität bezogen.

Archaische SchamanInnen dürften während ihrer ekstatischen Zustände direkte Erfahrungen mit einer die Natur durchdringenden ´Geistigkeit´ gemacht haben (wie dies bei historischen SchamanInnen der Fall ist). Das schamanische Weltbild beruht ja auf solchen ´übersinnlichen´ Erfahrungen, wobei es hier irrelevant ist, ob oder in welchem Maße diese Erfahrungen als realistisch bzw. illusionär einzuschätzen sind (ich schlage ein Sowohl-als-auch vor).

Und wieder sind wir beim Schamanismus gelandet. Ich bin ja nach wie vor der Meinung dass dieser Begriff für die Frage überhaupt nicht weiterhilft, denn von wievielen vorchristlichen Religionen wissen wir dass sie schamanoid waren? Über den Animismusbegriff könnte man ja, falls man die Definition von Txler oder Redifinitionen von Frau Bird-David z.B. zur Grundlage nimmt ja noch Diskutieren, doch hier wird der Schamanismusbegriff zur Diskussionsgrundlage gemacht, was ich so schlichtweg nicht nachvollziehen kann. Ich bekomme immerhin Autoren genannt die scheinbar den "erweiterten Schamanismusbegriff" nach Eliade, Seelenflug in die Geisterwelt und Ekstase = Schamanismus, benutzen... David Lewis-Willians nutzt den Begriff ganz gezielt um Parallelen zwischen Parallelen zwischen dem magischen Weltbild der San und tungusischem Schamanismus zu ziehen, er meint Schamanismus im engeren Sinne als nordasiatisches Phänomen, Michael Winkelman ist so wie ich das sehe Mediziner, er verwendet den erweiterten Schamanismusbegriff ,hat sich praktisch aber hauptsächlich mit Indianerstämmen Südamerikas befasst.David S. Whitley ist Archäologe und verwendet den erweiterten Schamanismusbegriff, sein Forschungsgebiet sind anordamerikanische Höhlenmalereien.Adam J. Rock ist Mediziner, ihn interessiert Schamanismus vor allem als "Technik" und er versucht die schamanischen Erfahrungen medizinisch zu deuten (deswegen "Demystifying Shamans and Their World"), Stanley Krippner ist Psychologe... ihm ist es auch egal wenn er mit überführten Scharlatanen zusammenarbeitet, ihn interessieren Hirnfunktionen. Peter Roe hat zu südamerikanischen Stämmen und Rauschzuständen geforscht, er benutzt den erweiterten Schamanismusbegriff. Ake Hultkrantz kam ursprünglich aus der Forschung des Sami-Schamanismus, hat den Schamanismusbegriff aber später auch auf religiöse Vorstellungen der nordamerikanischen Indianer ausgeweitet, zum Namen Kumlemzin konnte ich nur einige russische Autoren finden die sich mit innerasiatischem Schamanismus befasst haben, Neil Price ist Archäologe und befasst sich mit nordeuropäischem und Nordasiatischem Schamanismus , insbesondere der Frage wie man ihn archäologisch deuten und feststellen kann und weitet diese Frage auf vorgeschichtliche Funde aus... wie ich ihn verstehe betrachtet er die moderne Schamanismusdefinition eher kritisch.

Jedenfalls finde ich es unlautere Rhetorik anstatt zu versuchen ernsthaft die Diskussion zu führen, das Thema zu kapern und mich mit Autorennamen zu bombardieren um eigenen Thesen Glaubwürdigkeit zu verleihen und mich beschäftigt und ruhig zu halten.
 
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