Das Gebiet typisch balto-slawischer Gewässernamen liegt in etwa zwischen dem nördlichen Bug und dem Don. Hier existieren die Ober-Oka-, die Juhnov-, die Strichkeramik- und die Dnjepr-Dwina-Kultur. Nach Norden und Süden begrenzen der Übergang zur Taiga bzw. zur Steppe diesen Bereich. Im 3./2. Jhd. v. Chr.erfahren diese Gebiete eine Zuzug aus der Glockenbecher-Kultur. Dieser Zustrom erfolgt hauptsächlich ins Pripjet-Gebiet, an den Mittel-Dnjepr und reicht bis zum Donez. Die Glockenbecher wurde meist mit den Bastarnen in Verbindung gebracht. Doch sind letztere wohl nur ein Teil dieser Kultur. Die ethnische Zuordnung der Bewohner der Glockenbecher-Kultur ist auch schwierig. Zwar zählt man die Bastarnen mehr oder weniger zu den Germanen, doch bleibt diese Zuordnung problematisch. Ich denke, daß die Reste der Lausitzer Kultur hier nicht vergessen werden dürfen, so daß ich dazu tendiere, diese kurz als Veneter zu betrachten. Der Anstoß der Glockenbecher-K scheint erheblich zur Entstehung der Zarubinsky-Kultur zwischen Pripjet und Dnjepr um 200 v. beigetragen zu haben, wobei gerade die Polesien- und die Mittel-Dnjepr-Gruppe unter besonders unter diesem zu stehen scheinen. Etwa zur gleichen Zeit entsteht weiter südlich die Poienesti-Lukasevka-Kultur, die i.A. den Bastarnen zugeordnet wird. Sie bildet dann die Speerspitze der Südost-Bewegung der Glockenbecher. In der Zeit zwischen dem 1. Jhd. vor und nach Chr. gerät die Zarubinsky-K. unter gehörigen Druck aus dem Norden, durch die Strichband-Kultur, aus dem Süden durch die seit dem 3./2. Jhd. nach Westen gegen die Skythen vordringenden Sarmaten und aus dem Westen und Südwesten durch die Przeworsk-Kultur und Daker. Dabei scheint der westliche Einfluß besonders stark auf die Ober-Dnjepr und die Polesien-Gruppe zu wirken, wobei die Mittel-Dnjepr-Gruppe unter sarmatischen Einfluß gerät. In diese Zeit fällt aber auch die erste Ausweitung der Zarubinsky-Kultur hin zum südlichen Bug und zum Dnjestr. Möglicherweise wurden diese Gruppen mit den Skythen fortgerissen oder sind zumindest durch diese Abwanderungen angestachelt.
In der 2. Hälfte des 1. Jhds kommt es zu einem Zusammenbruch der Zarubinsky-K. im Pripjet-Gebiet. Im Osten hingegen kommt es zu einer Ausweitung bis über den Donez hinaus, wobei die Polesien-Gruppe hieran Anteil hat. Erstmals gibt es auch eine Ausbreitung ins Desna-Tal.Am oberen Dnjestr entsteht die Zubra-Kultur. Ihre ethnische Zuordnung ist unklar. Doch ist hier ein gehöriger Anteil der Polesien-Kultur zu finden. Man müßte sie im Ursprung wohl als germanisch-dakisch-venetische?-Mischkultur betrachten. Der Grund für den Zusammenbruch der Zarubinsky-Kultur im Westen ist unklar. Zum Teil werden höher gelegene Gebiete aufgesucht. Dies könnte somit klimatische Gründe haben, ist aber nicht ganz klar.
Ab 180 kommt es erst zum Vordringen der Wielbark-Kultur in diese westlichen Gebiete, Das Eintreffen der Wielbark-Leute hat vielleicht auch die Auswanderung der südlichen Bug-Gruppe der Zarubinsky-Kultur in die Budschak-Steppe ausgelöst. Dies ist aber unklar. In diese Zeit fällt auch die Nennung der Stauanoi. Ich stand diesem Namen erst skeptisch gegenüber. Es scheint aber durchaus möglich, daß es sich hierbei um Slavanoi handeln kann, also um die erste Nennung der Slawen. Genau verorten kann man die Slavanoi aber nicht. Ich würde sie nicht zur Wolga setzen, sondern eher in die oder zumindest einen Teil der Zarubinsky-Kultur. Im Süden, in der Zubra-Kultur, ging der dakische Einfluß mit der Zeit immer weiter zurück. Bezeichnender Weise scheint es gerade in der jüngsten Zubra-K, auch die ältesten Cernjachov-Funde zu geben, so daß man annehmen muß, daß sich die Cernjachov in diesem Bereich gebildet hat.
Ab dem 3. Jhd geht die Zarubinsky-Kultur in die Kiewer-Kultur über. Dabei wird diese gerade aus dem Süden und Südwesten von der Cernjachov-Kultur bedrängt und zum Teil verdrängt. Die Kiewer-K scheint unter diesem Druck nach Norden zuweichen und besiedelt erstmals mit der Desna-Gruppe die Gebiete Berezina und Donez/Seim.
Mit dem Hunneneinfall um 375 beginnt der rasche Zerfall der Cernjachov-Kultur. Dies nutzen die Menschen der Kiewer-Kultur zu einem Vorstoß ins Dnjestr-Pruth-Sereth-Gebiet.
Spätestens mit dem Niedergang der Hunnen Mitte des 5. Jahrhunderts beginnt der Aufstieg der Kiewer-Kultur. Zwischen Sereth und Mittel-Dnjepr entsteht aus der späten Kiewer-Kultur die Prager Kultur zwischen Dnjestr und Pruth im frühen 6. Jhd. Im Seim-Desna-Berezina-Gebiet entsteht zeitnah die Kolocin-Kultur und schon ab dem späten 5. Jhd breitet sich die Penkovka-Kultur vom mittleren Dnjepr zum Sereth aus.
Penkovka und besonders die Prager-Kultur sind die ersten beiden Kulturen, die man mit den Slawen verbindert, wobei die Kolocin-Kultur wohl den späteren Ostslawen zuzuweisen ist.
Die balto-slawische Kontinuitat im Dnjepr-Raum deutet daraufhin, daß die Slawen hier entstanden und nur hier. Mit großer Sicherheit kann man die Kiewer-Kultur schon slawisch nennen, bei der Zarubinsky-Kultur müßte man schon vorsichtiger sein, wobei die späte Zarubinsky-Kultur durchaus schon den Slawen zuzuordnen ist. Somit scheint es zwecklos, die Slawen mit den Venetern der Lausitzer Kultur gleichzusetzen. Teile der Veneter trugen lediglich zur Genese der Slawen bei, genauso wie Sarmaten, Balten und Germanen.