Bismarcks Friedenspolitik

Solwac schrieb:
Zwischen der Weltausstellung 1878 und dem Auftreten der nationalistischen Bewegung Boulangers wäre hier vielleicht eine Chance für eine bessere Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Franzosen gewesen. Aber Deutschland war noch nicht einmal auf der Weltausstellung vertreten...

Konkret als in Frankreich Präsident MacMahon, der immer wieder mit einen Staatsstreich liebäugelte, sich auf dem Rückzug befand, der von Bismarck abgelehnte französische Botschafter Gontaut de Biron abberufen und durch Graf de St.Vallier ersetzt wurde, begannen sich die Beziehungen in der Tat zu bessern.

Wurden auf der Pariser Weltaustellung 1878 nicht doch auf Initiative des franzöösischen Botschafters hin und mit ausdrücklicker Billigung Wilhelm I. deutsche Gemäde ausgestellt? Der deutsche Botschafter Hohenlohe berichtet in seinen Schreiben vom 07.März 1878 an Bismarck, "das die Nachricht, daß deutschland sich an der Weltausstellung nun ebenfalls beteiligen werde, hat hier in allen maßgebenden Kreisen den günstigsten Eindruck hervorgebracht."
 
Zuletzt bearbeitet:
Satteln wir das Pferd einmal anders herrum.
Bestand den überhaupt eine reale Chance für Bismarck und das Deutsche Reich eine dauerhafte Versöhnung mit Frankreich, ohne Rückgabe der Provinzen, zu erreichen? Und erinnere dich an die "Rache für Sadowa", die in Frankreich seit 1866 zu vernehmen war.


Dazu hätte ich jetzt auch mal ne Frage an die Bismarck-Experten:

Hätte Bismarck nicht vorhersehen können, dass Frankreich wieder auf die Beine kommen wird und irgendwann erneut Gegner sein würde?

Bestand keine Möglichkeit, Frankreich dauerhaft unten zu halten a la Versailler Vertrag und ihnen den Bau von Festungen etc. zu verbieten, Paris besetzt zu halten , die Armee zu beschränken... ?
 
Hätte Bismarck nicht vorhersehen können, dass Frankreich wieder auf die Beine kommen wird und irgendwann erneut Gegner sein würde?
Hat er doch auch! Deshalb gab es umfangreiche diplomatische Aktivitäten und erst nach Bismarck haben die Nachfolger es nicht in diesem Sinne fortgeführt. Einerseits weil sich die Situation nach fast 20 Jahren Reich geändert hat und weil Bismarck ein System auf sich zugeschnitten eingerichtet hat. Die Nachfolger dachten, sie hätten genug getan um Frankreich als Gegnereinzuschränken, die s hat sich 1914 als Täuschung heraus gestellt.

Wobei ich es auch als falsch sehe, den Fokus nur auf Frankreich zu legen. Die Vorteile gemeinsamen Handel(n)s wurden nicht als so groß gesehen, dass manch kleineren Dinge dafür in Kauf genommen hätten werden können.
 
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Hat er doch auch! Deshalb gab es umfangreiche diplomatische Aktivitäten und erst nach Bismarck haben die Nachfolger es nicht in diesem Sinne fortgeführt. Einerseits weil sich die Situation nach fast 20 Jahren Reich geändert hat und weil Bismarck ein System auf sich zugeschnitten eingerichtet hat. Die Nachfolger dachten, sie hätten genug getan um Frankreich als Gegnereinzuschränken, die s hat sich 1914 als Täuschung heraus gestellt.

Wobei ich es auch als falsch sehe, den Fokus nur auf Frankreich zu legen. Die Vorteile gemeinsamen Handel(n)s wurden nicht als so groß gesehen, dass manch kleineren Dinge dafür in Kauf genommen hätten werden können.

Ich denke, dass der Ansatz etwas zu eng gefasst ist, denn dazu müsste man sich erstmal die Frage stellen, ob Bismarcks Nachfolger überhaupt in der Lage waren Bismarcks Außenpolitik fortzusetzen, denn die geriet ja bereits Ende der 1880er Jahre, als Bismarck selbst noch am Ruder war, zunehmend in unruhiges Fahrwasser.
Kommt hinzu, dass Bismarck in seiner Politik nur deswegen aggieren konnte, wie er aggieren konnte, weil im europäischen Kontext über weite Strecken des 19. Jahrhunderts Großbritannien und Russland, als sich in Asien gegenseitig befehdende Kontrahenten mitunter etwas aus der eurozentrischen Gleichung fielen.
Wenn man also Bisarcks Nachfolgern vorwirft, sich nicht genug an dessen Konzept gehalten zu haben, müsste man sich unweigerlich die Frage stellen, wäre Bismarck selbst vor dem Hintergrund der Rückverlagerung des geschehens nach Europa in Folge des Russisch-Japanischen Krieges 1904-1905 noch dazu in der Lage gewesen bei seinem politischen Konzept zu bleiben?
Denn letztlich musste die Interessensverlagerung an den Balkan seitens Russland das auf Interessensausgleich zwischen Österreich-Ungarn und Russland beruhende System doch über den haufen werfen.
Damit musste sich jeder Außenpolitiker der Wilhelminischen Zeit früher oder später fragen, ob besser mit Österreich oder mit Russland zu kooperieren sei, also genau die Frage, die Bismarck immer zu vermeiden suchte, wenn er es konnte.
 
müsste man sich unweigerlich die Frage stellen, wäre Bismarck selbst vor dem Hintergrund der Rückverlagerung des geschehens nach Europa in Folge des Russisch-Japanischen Krieges 1904-1905 noch dazu in der Lage gewesen bei seinem politischen Konzept zu bleiben?
Bismarck politisch immer den Fokus darauf gelegt, dass das erreichte behauptet wird. Deshalb die vorsichtige Unterstützung bei den Kolonien, deshalb eine wenig aggressive Äußerung von neuen Wünschen. (Das hat ja auch die Politik auf dem Balkan ermöglicht, ihm wurde der ehrliche Makler abgenommen, obwohl er natürlich auch deutsche Politik betrieben hat).

Bismarcks Nachfolger haben den deutschen Großmachtsträumen eben nicht genug entgegen gesetzt, teilweise auch mitgeträumt.
 
1. Wenn Bismarcks Fokus immer nur auf Behauptung aus gewesen wäre, wäre die deutsche Einigung niemals auf diesem Wege zustande gekommen.

2. Liegt deiner Ausführung deutlich die Vorstellung zu Grunde, die Entente bzw. die Entwicklungen, die zu ihr führten, seien eine monokausale Reaktion auf die agressive Rethorik (viel mehr war es dann ja letztendlich nicht) der wilhelminischen Außenpolitik und damit gegen Deutschland gerichtet.

Das muss aber in dieser Deutlichkeit bezweifelt werden, da es dafür auch eine andere Erklärung gibt. Namentlich diejenige, dass die drei großen imperiamlächte irgendwann ebenfalls das Bedürfnis hatten das Erreichte zu sichern und deswegen (weitgehend ohne deutsches Zutun) weitreichende Vereinbarungen eingingen, was die Regelung ihrer Kolonialfragen betrifft.
Flogt man diesem Narativ ist die Konstellation des Weltkriegs von Seiten der Entente maßgeblich dadurch zustande gekommen, dass die Ententemächte (und das meint vor allem die Briten, mit ihren ewig langen Grenzen in Afrika und Asien) zu der Einsicht kamen sich eine vollständig egositische Politik nicht mehr leisten zu können und sich deswegen zwecks Sicherung des Status Quo an die vormaligen Rivalen binden zu müssen.
In diesem Fall sind die Bündnissregelungen in Europa als eher zufälliges Nebenprodukt der kolonialen Absprachen zu sehen.

Folgt man demrichtete sich die Entente auch gar nicht originär gegen die Zentralmächte, sondern wäre in ihrer Entstehung eher mit dem polnischen Teilungskonsens zwischen Russland, Österreich und Preußen zu sehen.

Sollte letzteres zutreffen (und im Übrigen liegt für mich der Wert der neueren Werke von Clark, Münkler, Rose und Konsorten im Besonderen darin sich mit dieser Möglichkeit näher auseinander zu setzen, nicht in der Aufwärmung irgendwelcher historisch vollkommen uninteressanter Kriegsschulddiskussionen), hätte auch eine besonnenere Außenpolitik des Deutschen Reiches die Entstehung der Entente möglicherweise nicht verhindern können.
Sollte dem in dieser Form der Fall sein, ist der geamte deutsche "Einkreisungskomplex" und ein großer Teil der darauf folgendes Eskalation möglicherweise nichts anderes als ein gewaltiges Missverständnis von zwei seiten her.
Einmal seitens der Deutschen, die sich selbst, sollte diese Lesasrt zutreffen viel zu wichtig nahmen und andererseits der Entente-Mächte selbst, die eine derart kriesenhafte Zuspitzung der politischen Meinung in Deutschland so möglicherweise nicht auf dem Schirm hatten oder weil sie ihnen schlicht egal war.



Sollte letzteres zutreffen, war Bismarcks zurückhaltende Kolonialpolitik in seiner Zeit sicherlich eine gute, friedenssichernde Maßnahme, langfristig aber verheerend, weil Deutschland eben außerhalb Europas kaum territoriale Fragen produzierte und Ergo auch keine Verhandlungsmasse besaß, womit es sich dem Zutritt zu diesem Kartell erkaufen konnte.

Die Deutung ob Bismarcks Außen- und Kolonialpolitik über seine Amtszeit hinaus eine gute Basis gelegt hat, hängt also völlig von der Frage ab, was denn nun der Hauptgrund für die Verständigung der drei großen Imperialmächte war.
War dieses Übereinkommen originär gegen Deutschland gerichtet, kann man Bismarcks Politik in Abgrenzung zur Wilhelminischen als rundweg gelungen bezeichnen.

War die Annäherung Großbritanniens, Frankreichs und Russlands aneinander aber hauptsächlich der Ausräumung kolonialer Differenzen geschuldet und der Ausschluss Deutschlands eher ein Nebenprodukt, müsste man behaupten, Bismarck hat seinerzeit viel für den Frieden getan, es aber durch fehlende überseeische Expansion auch versäumt Verhandlungsmasse zu beschaffen, die es seinen Nachfolgern erlaubt hätte auf Augenhöhe mit ihren Britischen, Russischen und Französischen Pendants zu verhandeln.
Dann wiederrum müsste man behaupten, dass Bismarcks Politik, über seine Amtszeit hinaus, selbst einen maßgeblichen Anteil an der diplomatischen Isolation Deutschlands hatte.


Insofern betrachte ich 1. die Grundsätzliche Kritik daran nicht alles so gemacht zu haben wie Bismarck auch zunächst mal als überdeterminiert, weil es eo ipso vorraussetzt, dass die Entente hauptsächlich ein Instrument zur Eindämmung deutscher Aggression gewesen sei.
Möglicherweise war sie aber vorrangig ein Instrument zur Beliegung ausufernder kolonialer Differenzen und das Geschrei des Hohenzollernkaisers zu Berlin spielt da gar nicht in dieser Form die Hauptrolle.

Ferner, wie gesagt. Bismarck konnte darauf bauen dass Russland und Großbritannien sich in Europa nicht übermäßig engagieren würden, weil sie sich gegenseiten in Asien befehdeten und ihr Engagement dort dafür hätten zurückstecken und dem anderen möglicherweise das Feld überlassen müssen.

So lange weder St. Petersburg noch London ihre vorwiegenden Interessen in Europa sahen , war der einzige potentielle Verbündete Frankreichs, der gegen Deutschland verwendbar gewesen wäre Österreich gewesen, also musste Bismarck im Wesentlichen nichts anderes tun, als Österreich zu binden und den Russen als Trostpflaster dafür erlauben in Ostasien zu tun, was immer ihnen beliebte.
Das war nicht besonders kompliziert, stieß aber zuweilen schon an die Grenzen des Möglichen.

Das änderte sich aber spätestens von 1902 bis 1905.

1902 Verbündete sich Großbritannien (im Übrigen das erste Bündnis Großbritanniens in Friedesnzeiten seit Menschengedenken, um die Bedeutung dieses Aktes einmal zu unterstreichen) mit Japan, womit die asiatischen Besitungen gegen über Russland schon einmal etwas sicherer waren.

1094/1905 Erleidet Russland im Krieg gegen Japan eine sehr empfindliche Niederlage.

Daraus resultierte für Petersburg im wesentlichen die Erkenntnis, dass es im Osten zunächst einmal nicht weiter gehen konnte, folglich lag der Fokus in Folge wider auf Europa und infolge dessen wurde es den Briten möglich ebenfalls ihre Aktivitäten in Zentral- und Fernost zurück zu fahren und sich den europäischen Verhältnissen zu widtmen.

Ein verstärktes Engagement in Osteuropa konnte nur auf Kosten der Interessen Österreichs gehen und da der Expansion nach Osten ohne weiteres nicht mehr funktionierte, konnte man eine Ablehnung solchen Ansinnens auch nicht mehr, wie zu Bismarcks Zeiten mit Konzessionen an anderer Stelle kompensieren

D.h. wollte Russland nun überhaupt noch expandieren, musste es entweder einen Krieg mit Österreich (und ggf. Deutschland) in Kauf nehmen oder einen Mit Japan und Großbritannien, allerdings unter der Prämisse, dass sich 1904/1905 gezeigt hatte, das auf Grund der langen Versorgungslinien ein erfolgreiches vorgehen im Osten kaum möglich war.

Ergo wäre ein Ausgleich zwischen Russland und Österreich, nach Bismarckscher Manier nur dann möglich gewesen, wenn man Österreich oder Russland zum Totalverzicht auf eine aktive Politik am Balkan oder im Osmanischen Reich hätte überreden können und das war nicht zu machen.

Ich will damit nicht behaupten, dass die wilhelmnische Außenpolitik besonders glücklich war oder dass man nicht einiges hätte anders machen können. Lediglich so wie Bismarck, konnte man das 1910 nicht mehr machen, dafür stimmten die Rahmenbedinungen der Weltpolitik nicht mehr.

Entschudige mich anbei für das of-topic.
 
1. Wenn Bismarcks Fokus immer nur auf Behauptung aus gewesen wäre, wäre die deutsche Einigung niemals auf diesem Wege zustande gekommen.
Die Zurückhaltung Bismarcks trat ja auch erst nach den Eroberungen 1866 bzw. 1870/71 auf. ;)

Sollte letzteres zutreffen, war Bismarcks zurückhaltende Kolonialpolitik in seiner Zeit sicherlich eine gute, friedenssichernde Maßnahme, langfristig aber verheerend, weil Deutschland eben außerhalb Europas kaum territoriale Fragen produzierte und Ergo auch keine Verhandlungsmasse besaß, womit es sich dem Zutritt zu diesem Kartell erkaufen konnte.

Die Deutung ob Bismarcks Außen- und Kolonialpolitik über seine Amtszeit hinaus eine gute Basis gelegt hat, hängt also völlig von der Frage ab, was denn nun der Hauptgrund für die Verständigung der drei großen Imperialmächte war.
War dieses Übereinkommen originär gegen Deutschland gerichtet, kann man Bismarcks Politik in Abgrenzung zur Wilhelminischen als rundweg gelungen bezeichnen.
Aha, Deutschland hätte aggressiver Kolonien erbeuten sollen um die dadurch auftretenden Konflikte mittels der Verhandlungsmasse zu lösen?

War die Annäherung Großbritanniens, Frankreichs und Russlands aneinander aber hauptsächlich der Ausräumung kolonialer Differenzen geschuldet und der Ausschluss Deutschlands eher ein Nebenprodukt, müsste man behaupten, Bismarck hat seinerzeit viel für den Frieden getan, es aber durch fehlende überseeische Expansion auch versäumt Verhandlungsmasse zu beschaffen, die es seinen Nachfolgern erlaubt hätte auf Augenhöhe mit ihren Britischen, Russischen und Französischen Pendants zu verhandeln.
Dann wiederrum müsste man behaupten, dass Bismarcks Politik, über seine Amtszeit hinaus, selbst einen maßgeblichen Anteil an der diplomatischen Isolation Deutschlands hatte.
Deutschland war doch nicht diplomatisch isoliert, es hatte nur zu wenige militärische Verbündete, trieb die Briten in Belgien in ein militärisches Eingreifen und hat bei den verschiedenen Konflikten zu selten mit Kompromissen eine Entschärfung angestrebt. Frankreich hat das geschafft: Faschoda -> Entente.

D.h. wollte Russland nun überhaupt noch expandieren, musste es entweder einen Krieg mit Österreich (und ggf. Deutschland) in Kauf nehmen oder einen Mit Japan und Großbritannien, allerdings unter der Prämisse, dass sich 1904/1905 gezeigt hatte, das auf Grund der langen Versorgungslinien ein erfolgreiches vorgehen im Osten kaum möglich war.

Ergo wäre ein Ausgleich zwischen Russland und Österreich, nach Bismarckscher Manier nur dann möglich gewesen, wenn man Österreich oder Russland zum Totalverzicht auf eine aktive Politik am Balkan oder im Osmanischen Reich hätte überreden können und das war nicht zu machen.
Österreich und Russland haben sich noch 1908 zulasten der Hohen Pforte einigen können.
 
Die Zurückhaltung Bismarcks trat ja auch erst nach den Eroberungen 1866 bzw. 1870/71 auf. ;)
Ich halte die großzügige Verteilung Afrikas, bzw. die Mitwirkung daran nach Varzin'scher Gutsherrenart jetzt nicht unbedingt für besonders zurrückhaltend. Wenn mir heute jemand ne Einladung zu einer Konferenz bezüglich der Aufteilung eines Kontintes und der Ausbeutungsrechte an den dort befindlichen Ländereien und Völkern zustellen würde, würde ich ihn mit Verdacht auf Größenwahn und völligen Realitätsverlust an einen Nervenarzt weiterempfehlen.
Das war nicht zurückhaltend, nichtmal besonders uneigennützig. Es war ledigich kooperativere Aggression, als dass dann später unter Wilhelm dem Letzten der Fall war.

Aha, Deutschland hätte aggressiver Kolonien erbeuten sollen um die dadurch auftretenden Konflikte mittels der Verhandlungsmasse zu lösen?
Wenn wir mal die moralische von der funktionalen Ebene trennen, wäre das für die Verhandlungsposition seiner Nachfolger möglicherweise von Vorteil gewesen. Natürlich hätten sich diese Nachfolger auch einfach damit zufrieden geben können, dass sie nicht die erste Geige in der Welt spielen können.
Das wäre ex post anständiger und wünschenswert gewesen, hätte aber wohl kaum den zeitgenössischen Auffassungen entsprochen.
Auch Bismarcks tendenzielle Zurückhaltung bezüglich krassen Egoismusses, entsprach ja nicht einer heheren Vorstellung von Moralität, sondern war dann wohl eher taktischer Natur, denn sonst hätten sich die dennoch unter Reichsschutz gestellten "Schutzgebiete" oder ein Zusammenarbeiten mit Gestalten wie Herrn Peters wohl auch verbeten.

Deutschland war doch nicht diplomatisch isoliert, es hatte nur zu wenige militärische Verbündete, trieb die Briten in Belgien in ein militärisches Eingreifen und hat bei den verschiedenen Konflikten zu selten mit Kompromissen eine Entschärfung angestrebt. Frankreich hat das geschafft: Faschoda -> Entente.

Ich zähle militärische Bündnisse durchaus zur dpilomatischen Sphäre mit dazu und da sah es einmal recht mau aus. Mit Österreich konnte man noch rechnen, Italien und Rumänien mussten bereits als unsichere Kantonisten angesehen werden und das wars. Rein auf Österreich gestützt war eine Bündnispolitik à la Bismarck definitiv nicht mehr möglich.
Inwiefern der Eintritt Großbritanniens tatsächlich durch den Einmarsch in Belgient intendiert wurde ist meines Wissens nicht vollends geklärt. Sicherlich war es politisch alles andere als klug, wie ex post auch der ganze Fokus auf den Westen nicht klug war, aber das ist dann wieder ein anderes Thema.
Im Fall Belgiens ist das Problem aber weniger der generelle Politikstil des Wilhelminischen Deutschland, sondern der übermäßige Einfluss der militärischen Planer auf die Außenpolitik. Selbiges kann man sicher auch im Fall Tirpitz konstatieren, nur taugt es nicht als Paradebeispiel an und für sich der wilhelminischen Politik. Ist ja nicht so, als wäre man alle 2 jahre in irgendeinem Nachbarland einmarschiert.

Was die Franzosen angeht: Eben. Faschoda.
Faschoda war aber eben auch nur deswegen möglich, weil die Franzosen ein adäquartes Kolonialreich besaßen von dem aus sie den Briten auch tatsächlichen Ärger machen konnten.
Davon einmal abgesehen bestand zu diesem Zeitpunkt bereits die Französisch-Russische Allianz. bei einer Eskalation hätten die Briten sich also nicht nur mit den Franzosen in Afrika auseinandersetzen müssen, sondern gleichzeitig möglicherweise noch mit den Russen in Asien.
Diese Ausgangslage zwang Britannien, wie ich das sehe zu gewissen Kompromissen und derlei war das Wilhelminische Deutschland nicht in der Lage aufzubieten.
Deswegen ist der Vergleich mit Frankreich eigentlich eine Bestätigung dessen, was ich schreibe und kein ernsthaftes Gegenargument.

Ich sage ja nicht, dass ich mir ein imperialistisches Deutschland gewünscht hätte. Nur bin ich der Meinung, Deutschland auf eine zu imperialistische Rolle zu reduzieren alleine, wird der Sache nicht gerecht.
Deutschland hätte sich eine derart imperialistische Rolle diplomatisch möglicherweise leisten können, wenn es im 19. Jahrhundert die territoriale Basis dazu gelegt hätte.
Insofern war das Wilheminische Deutschland zu imperialistisch, als dass es nicht dauernd durch feindseliges Gehabe aufgefallen wäre und zu wenig imperialistisch, als dass es damit irgendwem ernsthaft Angst hätte einjagen können und das ist eine gefährliche Mischung.
Ich sehe, auch wenn das hypothetisch ist, auch für ein imperialistischeres deutschland bessere Chancen Arrangements herbei zu führen, als für das tatsächliche.
Das vollkommen unabhängig davon, dass ein saturiertes Deutschland ohne derartige außenpolitische Ambitionen natürlich wünschenswerter und ebenfalls fridensfähiger gewesen wäre.

Bismarck hat sich mit seiner Zurückhaltung im Bereich egomanischer Alleingänge seinerzeit viel diplomatischen Einfluss "erkauft", dadurch, dass es aber keine territoriale Ausweitung Deutschlands in dem Maßstab gab, wie dass bei den drei Großen der Fall war, beraubte er seine Nachfolger damit auch nachhaltig der Möglichkeit über die koloniale Peripherie als Verhandlungsmasse diplomatische Probleme zu lösen oder einzufrieren.
Sicherlich wäre das wie gesagt kein Problem gewesen, wenn KWII und Konsorten mäßiger aggiert hätten. Aber wenn wir ehrlich sind, aggierte auch Bismarck zu aktiver Zeit nicht "mäßig", sondern lediglich weniger offensichtlich eigennützig.
Bismarck konnte kompromisse vermitteln, weil er auf Aktionsmöglichkeiten machtpolitischer verzichtete, seine Nachfolger konnten es nicht, weil sich derartige Optionen für sie nicht mehr boten. Die Welt war so weit verteilt, dass man nicht mehr einfach expandieren konnte und für die anderen wirklich interessante Verhandlungsobjekte hatte man kaum inne.
Nun war aber Bismarck zu seiner Hochzeit nicht irgendein Hinterbänkler der europäischen Politik, sondern in Teilen ihr Moderator. Ihn einfach nur in die Rolle eines saturierten Kompromisslers zu schreiben erscheint mir da zu kurz gegriffen.
Und eben diese Möglichkeit, die europäische Politik an sich zu ziehen und zu dominiren um auch wirklich Kompromisse zu schaffen, sehe ich bei seinen Nachfolgern nicht mehr und das hat nur bedingt etwas mit der Persönlichkeit zu tun, sondern vor allem damit, das das Deutsche Reich außer im subsaharischen Afrika und in Shandong im Grunde nirgendwo wirklich präsent war und ergo von den präsenten Mächten auch nicht in die Abmachungen einbezogen werden musste und wurde.
An je weniger Regelungen man aber teil hatte, desto weniger konnte man auch um des friedens Willen abschenken.

Und aus eben diesem Grund war ein Politikstil à la Bismarck, in der Form, dass man zur Konferenz trommelt und den europäischen Friden dadurch sichert, dass man den anderen Mächten großzügig die Annexion, errichtung von Protektoraten und diverse Einflussphären außerhalb Europas bewilligt nicht mehr machbar, denn die waren eben unter Mitwirkung Bismarcks schon verteilt worden.

Österreich und Russland haben sich noch 1908 zulasten der Hohen Pforte einigen können.

Das war allerdings eine sehr zähneknirschende Einigung mit sehr viel Säbelgerassel und darüber hinaus der Situation zwischen beiden Mächten sehr abträglich.
Einerseits, weil Österreich bekam, was es wollte und in der Folge nicht mehr auf das russische Wohlwollen im Bezug auf Bosnien und die Herzegowina angewisen war, zum anderen weil in Russland infolge dessen alle Slawophilen und Panslavisten erst recht gegen Österreich auf die Barrikaden gingen.
 
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Für Bismarck war nach der erfolgreichen Gründung des Reiches die Zeit gekommen, um auf revolutionäre Außenpolitik zu verzichten und stattdessen Friedenspolitik zu betreiben, denn Deutschland konnte durch einen weiteren Krieg nichts gewinnen, aber alles wieder verlieren. Bismarcks Ziel war es, das Gewonnene zu sichern und zu erhalten.

Die neue Friedenspolitik Bismarcks musste erst einmal den eigenen Diplomaten aber vor allen den durchaus misstrauischen europäischen Nachbarn vermittelt werden, was kein leichte Aufgabe war. Und nach der "Krieg in Sicht Krise" 1875 ist dies, siehe Berliner Kongress oder in den 80zigern die Verhinderung eines Orientkrieges schließlich auch gelungen.

Eine aktive Kolonialpolitik verbot sich im Sinne der von Bismarck gewollten Friedenspolitik von selbst. Denn es konnte hier allzu schnell zu Reibereien kommen und die wollte Bismarck eben vermeiden, da für ihm das Deutsche Reich saturiert war. Bismarck wollte Europa, Frankreich außen vor, mit der Existenz der Großmacht Deutschland versöhnen und wollte Vertrauen gewinnen.

Es gab für Bismarck keine Alternative als eine möglichst baldige Annäherung an Österreich-Ungarn zu suchen. Es galt zu verhindern, das dieses aus Berliner Sicht sich mit Frankreich in einer Entente begab, was ja eine durchaus reale Möglichkeit war. Es wurde ja schon von 1867 bis 1870 an dieser Möglichkeit gearbeitet, ist aber letzten Endes gescheitert. Aber auch Wien benötigte Unterstützung, nämlich auf dem Balkan, der letzte verbliebene Spielplatz der Habsburger Monarchie.
England kam nicht in Betracht, obwohl es durchaus gegenüber Österreich-Ungarn wohlgesinnt war, aber man pflegte dort noch die Splendid Isolation und wollte keine enge Bindung. Das besiegt Frankreich kam aus Sicht des Ballhausplatzes nicht mehr in Betracht. Blieb eben nur noch das Deutsche Reich.

Bismarck tat auch so einiges um Frankreich bündnisunfähig zu halten, in dem er Einfluss, beispielsweise über die Presse oder den deutschen Botschafter, auf die Staatsform Frankreichs nahm. Frankreich wurde Republik und das war in den damals überwiegend monarischen Europa nur Ängste und Befürchtungen hervorrufen. Das nutzte Bismarck.
 
Ich denke, dass der Ansatz etwas zu eng gefasst ist, denn dazu müsste man sich erstmal die Frage stellen, ob Bismarcks Nachfolger überhaupt in der Lage waren Bismarcks Außenpolitik fortzusetzen, denn die geriet ja bereits Ende der 1880er Jahre, als Bismarck selbst noch am Ruder war, zunehmend in unruhiges Fahrwasser.
Kommt hinzu, dass Bismarck in seiner Politik nur deswegen aggieren konnte, wie er aggieren konnte, weil im europäischen Kontext über weite Strecken des 19. Jahrhunderts Großbritannien und Russland, als sich in Asien gegenseitig befehdende Kontrahenten mitunter etwas aus der eurozentrischen Gleichung fielen.
Wenn man also Bisarcks Nachfolgern vorwirft, sich nicht genug an dessen Konzept gehalten zu haben, müsste man sich unweigerlich die Frage stellen, wäre Bismarck selbst vor dem Hintergrund der Rückverlagerung des geschehens nach Europa in Folge des Russisch-Japanischen Krieges 1904-1905 noch dazu in der Lage gewesen bei seinem politischen Konzept zu bleiben?
Denn letztlich musste die Interessensverlagerung an den Balkan seitens Russland das auf Interessensausgleich zwischen Österreich-Ungarn und Russland beruhende System doch über den haufen werfen.
Damit musste sich jeder Außenpolitiker der Wilhelminischen Zeit früher oder später fragen, ob besser mit Österreich oder mit Russland zu kooperieren sei, also genau die Frage, die Bismarck immer zu vermeiden suchte, wenn er es konnte.

Bismarck hätte sich ganz sicher nicht so wenig kompetent angestellt wie es seine Nachfolger taten. Allerdings hatte er auch den allergrößten Teil seiner Amtszeit keinen Kaiser Wilhelm II. als Monarchen.

In der Wilhelmstraße hatte man die ganze Zeit nicht begriffen, das London die geostrategische flexible Weltmacht war, während man selbst eingeklemmt zwischen Frankreich und Russland war. Und im Jahre 1903 hatte beispielsweise der deutsche Botschafter in London nochmals darauf hingewiesen, das die Gefahr bestünde, das sich England mit Frankreich und Russland verbünden könnte. Schon 1898 hatten die Engländer den Russen einen entsprechenden Vorschlag gemacht gehabt.

Auch die Zeichen in Ostasien wurden wohl nicht richtig eingeordnet. Russland hatte sich Port Arthur festgesetzt. Das gefiel weder den Engländern noch Japanern. Dann kam der Burenkrieg. Die Engländer benötigten Entlastung und sie verschafften sich diese. Man hatte auch in Berlin angeklopft, allerdings war der Umgang mit den Angebot Chamberlains peinlich.

Auch hatte man Faschoda und dessen Konsequenz falsch eingeschätzt. Frankreich musste nachgeben, denn vor Ort war man zu schwach, konnte keinen Nachschub ranschaffen und außerdem die Furcht, Deutschland könnte die Situation für sich nutzen. Also hatte Delcasse nachgegeben und letzten Endes über einen Weg der kleinen Schritte die Entente Cordiale erreicht. Dabei war das Bemühen von Delcasse ja nun kein großes Staatsgeheimnis.
 
Bismarck hatte ja wohl irgendwann auch die Befürchtung geäußert, wenn Deutschland in der Klemme stecken würde, wäre die Preisgabe Österreich-Ungarns an Russland seine letzte Möglichkeit.
 
Auch hatte man Faschoda und dessen Konsequenz falsch eingeschätzt. Frankreich musste nachgeben, denn vor Ort war man zu schwach, konnte keinen Nachschub ranschaffen und außerdem die Furcht, Deutschland könnte die Situation für sich nutzen. Also hatte Delcasse nachgegeben und letzten Endes über einen Weg der kleinen Schritte die Entente Cordiale erreicht. Dabei war das Bemühen von Delcasse ja nun kein großes Staatsgeheimnis.

Hier hätte sich Deutschland an die Seite Frankreichs stellen können, dies hätte auch den Bündniswert von Deutschland gegenüber Großbritannien deutlich erhöht. Denn dann wäre der Automatismus, mit dem Briten gearbeitet hat, dass Deutschland sowieso gegen Frankreich feindlich eingestellt sei, aufgehoben. Frankreich hätte gegen Großbritannien sich ganz anders positionieren können.
 
Ein Jules Ferry wurde in der Kolonialpolitik durchaus unterstützt; aber letzten Endes war die Französische Republik nicht willens die eigene Niederlage und deren Folgen dem Nachbarn und einstigen Kriegsgegner zu vergeben. Übersehen hat man in Frankreich einfach, das man selbst die Provinzen sich selbst von Deutschland einverleibt hatte und 1870 den Krieg an Preußen erklärt hatte.
 
Zumal in der Debatte ja auch immer gern übersehen wird, dass Elsass-Lothringen damals zu 87,2% aus deutschen Muttersprachlern bestand. Ein Faktum, dass auch in der angelsächsischen Literatur gerne übersehen wird.
 
Übersehen hat man in Frankreich einfach, das man selbst die Provinzen sich selbst von Deutschland einverleibt hatte und 1870 den Krieg an Preußen erklärt hatte.

Ich denke man muss den Franzosen hier auch eine gewisse Angst wegen der industriellen und demographischen Entwicklung der beiden Staaten zugestehen.

Wahrscheinlich hätte man sich in Paris irgendwann mit den Dingen abgefunden, wenn Deutschland eine vergleichbare Entwicklung wie Frankreich genommen und als auch in Zukunft beherrschbarer Faktor wahrgenommen worden wäre.

Nur Wuchs Deutschlands Bevölkerung eben weiter deutlich an, während die französische stagnierte und die deutsche Industrie entwickelte sich wesentlich dynamischer, als die Französische.

Ich denke, wenn man, was die Stimmung in Deutschland vor dem 1. Weltkrieg angeht eine wachsende Panik vor der Entwicklung und den Ressourcen Russlands zu gute hält, wird man hier was Frankreich betrifft, ganz ähnlich verfahren müssen.

Deutschland zog unmittelbar vor Beginn des 1. Weltkriegs an die 50% seiner theoretisch wehrpflichtigen männlichen Bevölkerung zur Ausbildung an der Waffe heran, Frankreich musst um die 80% seiner männlichen Bevölkerung heranziehen um da nummerisch einigermaßen gegenhalten zu können.

Was dachte man sich da sicherheitspolitisch wohl in Paris, was die Zukunft angeht?
Deutschland konnte auf Basis der vorhandenen Bevölkerung und der vorhandenen Industrieleistung noch deutliche Heeresvermehrungen in Erwägung ziehen und es wuchs weiter, während Frankreich weitgehend stagnierte, in Sachen Manpower ziemlich am Ende der Fahnenstange angekommen war, dass deutlich schwächere Eisenbahnnetz hatte und die kriegswichtigen Ressourcen weitgehend in den Grenzgebieten.

Der daraus logische Schluss musste eigentlich sein, dass man, wenn möglich seine territorialen Positionen verbessern musste, wenn man da in Sachen Wachstum schon nicht mehr mithalten konnte.

Die deutsche Politik war Frankreich gegenüber sicherlich nicht besonders aggressiv, aber wer garantierte dafür, dass sich das nicht änderte?
Und dann kommt in Frankreich ja noch die viel größere Abhängigkeit der Politiker und Regierungen von der öffentlichen Meinung hinzu, als im konstitutionell-monarchischen Deutschland, wo die Regierungen nicht von Wahlen und nur bedingt von Parlamentsmehrheiten abhängig waren.
Das gab der französischen Presse, bzw. deren populistischen Teilen natürlich auch ganz andere Möglichkeiten auf eine nicht besonders gebildete Bevölkerung zu wirken und mittels derer die Regierung in bestimmte Positionen zu treiben.
Ich denke, das wird man dabei berücksichtigen müssen.
 
Bismarck hatte ja wohl irgendwann auch die Befürchtung geäußert, wenn Deutschland in der Klemme stecken würde, wäre die Preisgabe Österreich-Ungarns an Russland seine letzte Möglichkeit.

Die Frage ist aber auch, ob er dazu in der entsprechenden Situation in der Lage gewesen wäre.

Man wird Bismarck im Vergleich mit seinen Nachfolgern außenpolitisch vor allem zu Gute halten müssen, dass er sehr viel besser als diese verstand, wie St.Petersburg so tickte.
Ein Bismarck hätte sich wahrscheinlich nicht in dieser Form von Wien mit in die bosnischen Angelegenheiten hineinziehen lassen und ein Bismarck hätte wahrscheinlich, wäre er mit der Tripple-Entente konfrontiert gewesen, gesehen, dass sich diese für Deutschland am einfachsten über eine Verständigung mit Russlands auf Kosten Österreichs hätte sprengen lassen.

Allerdings Bismarck war seiner Zeit auch noch nicht in dieser Form mit einer national-chauvinistischen Presse, die sich rechtlich kaum noch einschränken ließ und einer entsprechend bearbeiteten Bevölkerung konfrontiert, wie das 25 Jahre später der Fall war.

Bismarck hätte aus seinem Wesen und seiner Handlungslogik heraus eine Verständigung mit Russland sicherlich nahe gelegen, die Frage ist, hätte er das gegen eine nationalistische Bevölkerung und Presse, die es in ihrer Gesamtheit eher mit Österreich hielt, in Teilen Angst vor dem Panslawismus hatte oder im Falle der Sozialdemokraten ein Zusammengehen mit der russischen Autokratie strikt ablehnte auch durchsetzen können?

Im Besonderen auch mit einem KW II im Hintergrund, der von seiner Persönlichkeit her stets zu vermeiden suchte unpopuläre Dinge zu tun und allgemein als sprunghaft galt?
 
Wahrscheinlich hätte man sich in Paris irgendwann mit den Dingen abgefunden, wenn Deutschland eine vergleichbare Entwicklung wie Frankreich genommen und als auch in Zukunft beherrschbarer Faktor wahrgenommen worden wäre.

Auf welcher Grundlage bist du zu dieser Einschätzung gelangt? Immerhin haben über 40 Jahre hierzu nicht ausgereicht. Erinnere dich beispielsweise nur an die Vorgänge im Jahre 1890, als die Kaiserin Friedrich Paris besuchte. Der Gedanke der Revanche war schon präsent. Zuerst hieß Revanche pour Sadowa, später dann Revanche pour Sedan.

Frankreich hätte im Bewusstsein seiner demographischen und industriellen Unterlegenheit ja auch einen ganz anderen Weg wählen können; den der Kooperation, den der Partnerschaft. Dies wollte man aber nicht. Man wollte die Provinzen zurück.

Stattdessen wählte man die militärische Komponente. Militärische Aufrüstung und ganz wichtig den Ausweg aus der Isolation heraus zu finden. In der Praxis, Allianzpartner gegen Deutschland zu finden. Und man wurde fündig.

Frankreich stellte Russland gewaltige finanzielle Mittel für die Aufrüstung und den Eisenbahnbau, Zweck war die Beschleunigung der Mobilisierung, zur Verfügung. Auch Serbien wurde beispielsweise in den Jahren vor dem Krieg finanziell unterstützt, um sein Militär "in Form zu bringen".

Frankreich betrieb eine aktive Kriegsvorbereitungspolitik, statt die einer Kooperation mit Deutschland. Beide Marokkokrisen haben ihren Ursprung in Paris. Gerade bei der 1.Krise, weil man es bevorzugte den Nachbarn schlicht zu ignorieren. Das konnte nach den Gepflogenheiten des Zeitalter des Imperialismus nicht gut gehen.

Poincarés nationalistische und gewisse nicht deutschfreundliche Politik wurde von der radikalen Linken, der nationalistischen Mitte und der nationalistischen Rechten unterstützt. In seiner Regierungserklärung sprach Poincaré von militärische Stärke, außenpolitischer Festigkeit und innenpolitische Einigkeit. Das waren die Leitmotive Poincarés aller öffentlichen Erklärungen.
Poincaré war der Auffassung, das Deutschland nur die Sprache des Rechts verstünde; es versteht nur die Haltung der Stärke. Und Poincaré hatte alles getan , um die bilateralen Verpflichtungen zwischen Paris, London und Petersburg zu einer echten Triple Allianz gegen Deutschland auszubauen.
 
^^
Guter Punkt, Turgot.
Deutschland war ja selber im Hinblick auf Rußland in einer ähnlichen Lage.
Im Gegensatz zu Frankreich, gab es aber in Deutschland durchaus immer mal wieder Ansätze eine Verständigung mit Rußland zu suchen.
 
Man muss sich ja nur mal die Landkarte angucken, bei dieser Sachlage hätte Frankreich bei einem Konflikt mit einer fremden Macht (Großbritannien oder Italien) immer auch Deutschland als Gegner, Deutschland hätte bei einem Konflikt mit einer fremden Macht immer auch Frankreich als Gegner.
Daher war diese ganze Idee der Politik der freien Hand in sich nicht schlüssig. Deutschland konnte sie aufgrund seiner Lage nie umsetzen.

Johannes Lepsius, Albrecht Mendelssohn Bartholdy (Hrsg.): Die Politik der freien Hand 1899–1904. In: dies.: Die große Politik der europäischen Kabinette 1871–1914. Sammlung der diplomatischen Akten des Auswärtigen Amtes. Bd. 13–18. Deutsche Verlagsgesellschaft für Politik und Geschichte, Berlin 1924.
 
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