Und ich bitte Dich: Parzellen zählen? Geht's noch?
Wenn man nachweisen will, dass die postulierten Linien der Parzellierung dienten, bleibt einem nichts übrig, als Beweismaterial in Form von Straßenverläufen und Parzellen zu sammeln. Mit Hirngespinsten, die lediglich auf Hirngespinsten aufbauen, ist nichts gewonnen.
Ich wärme noch mal einen
alten Beitrag von mir auf.
"alter Herzog veröffentlichte seine "Entdeckung des Decumanus maximus" Petinesca-Vindonissa 1944:
"Ich suchte die Grundlinie, den Decumanus maximus, indem ich die beiden Castra Olten und Solothurn miteinander verband. Das Erstaunliche dabei ist, dass diese Linie sich einesteils nach Petinesca bei Biel, andrerseits nach Vindonissa fortsetzen lässt."
Der Schlusssatz lautet dann allerdings:
"So hat auch dieser Versuch noch eine Menge von 'Schönheitsfehlern'. die wohl einmal ausgemerzt werden. Möge er zu dieser Arbeit anregen, bis die Lösung, so gut es irgend möglich ist, gefunden ist."
Der Mathematiker Hans Stohler ging dieser Idee 1945 nach, wies allerdings auf die Bedeutung des Zufalls hin:
"Zweifellos spielen bei der außerordentlichen Geradlinigkeit der Achse Petinesca-Solothurn-Olten das Gelände und der Zufall erheblich mit."
Um tatsächlich Spuren einer römischen Limitation nachzuweisen, fehlten laut Stohler die Belege. Wie Herzog hoffte er, dass diese noch irgendwann nachgeliefert würden:
"Für die Erforschung und die Aufzeichnung der römischen Vermessungen in der Schweiz fehlen uns vornehmlich die gesicherten Unterlagen im Gelände."
Die Versuche, diesem Mangel abzuhelfen, lieferten äußerst bescheidene Ergebnisse. 1960 bemühte sich Hans Kaufmann, Limitationslinien um Solothurn aufzuspüren:
"Im dargestellten Gebiet tritt der Decumanus maximus nicht hervor, was nicht weiter verwunderlich ist, quert er doch östlich von Solothurn viermal die Aare."
(Verwunderlich finde ich, dass Kaufmann die Frage nicht gestellt hat, was die Römer überhaupt geritten haben mag, den "Decumanus maximus" so bescheuert zu legen, dass er viermal die Aare überquert.)
Kaufmann zieht die Bilanz:
"Das Netz, das der römische Geist vor 2000 Jahren über unsere Heimat gelegt hat, ist mit diesem Versuch noch lange nicht hinreichend erfasst."
Der Mangel an "beweiskräftigen wissenschaftlichen Arbeiten" wird noch 1991 von Erich Schenker beklagt.
So viel zum angeblichen "Decumanus maximus Petinesca-Vindonissa", die m. W. überhaupt nicht ernsthaft diskutiert wird.
Andere Rekonstruktionsversuche, an denen seit Jahrzehnten mit widersprüchlichen und umstrittenen Ergebnissen gebastelt wird, werden immerhin in der Fachwissenschaft diskutiert. Im Historischen Lexikon der Schweiz ist darüber zu lesen:
"Versch. Autoren haben Limitationsnetze um die
Colonia Iulia Equestris sowie um
Aventicum und
Augusta Raurica rekonstruiert. Gemäss Georges Grosjean seien im Mittelland zwischen Lausanne und Solothurn z.B. zwei grossräumige Hauptnetze und mehrere Lokallimitationen zu unterscheiden, die sich z.T. überlagern. Nathalie Pichard und Marie Andres-Colombo haben ein Hauptnetz nördlich des Genfersees rekonstruiert, das sich von Genf bis nach Echallens ausdehne und sich mit fünf kleineren Netzen überschneide.
...
Dieses Verfahren zeitigt in vielen Gebieten des röm. Reichs (Poebene, Südfrankreich, Tunesien) annehmbare Resultate, weil sich dort die Limitationen noch zu grossen Teilen im modernen Landschaftsbild abzeichnen. Im Schweizer Mittelland beruhen dagegen die vorgeschlagenen Netze auf wenigen Linienzügen, die zudem kaum überprüfbar sind, weil sie in kleinmassstabigen Karten selektiv präsentiert werden.
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Problematisch erscheint überdies die Annahme, dass gewisse Gebiete mehrfach limitiert worden seien, weil die rekonstruierten Netze sich überschneiden.
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Überblickt man die Diskussion, so ist gegenüber den Rekonstruktionsversuchen, die wenige Linienzüge in grossräumige Katastersysteme einpassen, Skepsis angezeigt."
Historisches Lexikon der Schweiz (HLS) - Schweizer Geschichte