Das Reitergrab von Nordendorf - wie ist der Bestattete anzusprechen?

Ich habe noch etwas in der Wikipedia gefunden:

Um 488 befahl Odoaker den Rückzug der Römer aus Raetien, wobei unklar ist, inwieweit diesem Befehl in der Region Folge geleistet wurde. Vermutlich blieben zumindest einige Römer bzw. Romanen und Kelten zurück, da die nahe gelegenen Siedlungen Waldstetten und Waldkirch als Orte, an welchen Walchen bzw. Welsche gesiedelt haben, identifiziert wurden.

Günzburg – Wikipedia
Das Wald in diesen Ortsnamen hat nichts mit Wald im Sinne von Gehölz zu tun, sondern bezieht sich auf die germanische Bezeichnung für die Romanen.

Ich höre jetzt zum ersten Mal davon, dass odoaker den Rückzug der Romanen aus Rätien befohlen haben soll. Es gibt irgendeine Heiligengeschichte aus der
Spätantike, in der davon die Rede ist, dass die Romanen geflohen sind. Leider komme ich momentan nicht mehr auf den Titel dieser Geschichte. Vielleicht kann mir da jemand weiterhelfen?
 
Um 488 befahl Odoaker den Rückzug der Römer aus Raetien, wobei unklar ist, inwieweit diesem Befehl in der Region Folge geleistet wurde. Vermutlich blieben zumindest einige Römer bzw. Romanen und Kelten zurück, da die nahe gelegenen Siedlungen Waldstetten und Waldkirch als Orte, an welchen Walchen bzw. Welsche gesiedelt haben, identifiziert wurden.
Zumindest im südlichen Teil Rätiens, der Raetia I, blieb die romanische Sprache bekanntlich erhalten — in Resten bis in die heutige Zeit. Dabei geschah die Verdrängung des Rätoromanischen in den vergangenen Jahrhunderten keinesfalls gewaltsam, etwa durch erzwungene Abwanderung, sondern ganz einfach durch die schrittweise Übernahme des Deutschen aufgrund der friedlichen Einwanderung von Menschen germanischer Zunge aus Norden (Schwaben, Deutschschweizer) und Südwesten (Walser). (Der Stadtbrand von Chur im 16. Jh. spielte hier eine wichtige Rolle, da durch die nachfolgende Zuwanderung deutschsprachiger Handwerker das einstige Zentrum der rätoromanischen Sprache vorwiegend deutschsprachig wurde.)

Was spricht dagegen, dass dieser sprachlich-kulturelle Wandel sich nicht zuvor in der Raetia II ähnlich abgespielt haben könnte?

Hier noch ein zufälliger Wikipedia-Fund:

Das romanische Christentum hielt sich während dieser Zeit [im 7. Jh.] wohl nur mehr in den ehemaligen Römerkastellen. Als um 610 irische Missionare unter Columban die Gegend um Arbon erreichten, fanden sie im Castrum Arbonense eine prosperierende christlich-romanische Gemeinde mit einem Presbyter namens Willimar vor, deren geistliches Oberhaupt vermutlich der neue – seit etwa 585 in Konstanz residierende – Bischof war. Columban und seine Glaubensbrüder zogen zunächst weiter, aber schon zwei Jahre später kehrte einer von ihnen, Gallus, allein und krank wieder nach Arbon zurück und wurde von Willimars Mitbrüdern gesundgepflegt. Gallus ließ sich nach seiner Genesung als Einsiedler nieder und richtete sich in der Nähe, im Hochtal der Steinach eine Klause ein. An ihrer Stelle entstand später das Kloster St. Gallen. Er starb schliesslich hochbetagt in Arbon.
https://de.wikipedia.org/wiki/Kastell_Arbon
 
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Genau die!:)

Gegenfrage: Warum sind Augsburg, Günzburg, Kempten und Füssen nicht nach germanischen Häuptlingen benannt?

Die Übernahme der alten Namen der Städte bzw Kastelle macht es zumindest wahrscheinlich, dass in diesen Gebieten eine Siedlungskontinuität bestand. Dabei ist davon auszugehen, dass zumindest in einem gewissen Zeitraum eine Zweisprachigkeit bestand, bis dann das gesamte Gebiet einsprachig wurde. Mit Zweisprachigkeit meine ich nicht, dass jeder dort lebende zwei Sprachen sprach, sondern dass es zwei verschiedene Gruppen gab, die ihre eigene Sprache gesprochen haben. Im Laufe der Zeit verschmolzen diese beiden Gruppen, und es setzte sich letztendlich das Deutsche durch.

Vermutlich dürfte in dieser Situation des Sprachkontakts das ein oder andere romanische Wort in den Wortschatz des Allemannischen übergegangen sein. Vielleicht lässt sich heute noch das romanische Substrat in den dortigen Dialekten nachweisen. Ob es dazu Untersuchungen gibt, ist mir allerdings nicht bekannt. Wir hatten schon in einem anderen Thread darüber diskutiert, ob die hochdeutsche Lautverschiebung durch den Kontakt mit der lateinischen Sprache hervorgerufen worden ist.
 
Die Übernahme der alten Namen der Städte bzw Kastelle macht es zumindest wahrscheinlich, dass in diesen Gebieten eine Siedlungskontinuität bestand. Dabei ist davon auszugehen, dass zumindest in einem gewissen Zeitraum eine Zweisprachigkeit bestand, bis dann das gesamte Gebiet einsprachig wurde. Mit Zweisprachigkeit meine ich nicht, dass jeder dort lebende zwei Sprachen sprach, sondern dass es zwei verschiedene Gruppen gab, die ihre eigene Sprache gesprochen haben. Im Laufe der Zeit verschmolzen diese beiden Gruppen, und es setzte sich letztendlich das Deutsche durch.
Also etwa so, wie es später im Mittelalter und der Neuzeit bis heute in der Raetia I geschah und weiterhin geschieht. (Dabei ist es so eine schöne Sprache, die leider wohl irgendwann aussterben wird, trotz aller Bemühungen und eines eigenen Radio/TV-Senders.)
Vermutlich dürfte in dieser Situation des Sprachkontakts das ein oder andere romanische Wort in den Wortschatz des Allemannischen übergegangen sein. Vielleicht lässt sich heute noch das romanische Substrat in den dortigen Dialekten nachweisen. Ob es dazu Untersuchungen gibt, ist mir allerdings nicht bekannt. Wir hatten schon in einem anderen Thread darüber diskutiert, ob die hochdeutsche Lautverschiebung durch den Kontakt mit der lateinischen Sprache hervorgerufen worden ist.
Wenn auch nicht in Schwaben gelegen, hat immerhin Partenkirchen, das römische Partanum, die Lautverschiebung unbeschadet überstanden — im Gegensatz etwa zu Pforzheim.
 
Zuletzt bearbeitet:
Was spricht dagegen, dass dieser sprachlich-kulturelle Wandel sich nicht zuvor in der Raetia II ähnlich abgespielt haben könnte?
Dagegen spricht, dass in den südlichen Regionen sich die romanische Landbevölkerung erhalten hat, wir also eine völlig andere Situation als an der Donau haben. Vor Analogieschlüssen ist ohnehin zu warnen: Hartmut Wolff (Die Kontinuität städtischen Lebens in den nördlichen Grenzprovinzen, in: Die Stadt in Oberitalien und in den nordwestlichen Provinzen des römischen Reiches, hrsg. Werner Eck und Hartmut Galsterer, Mainz 1991) resümiert:
"Versucht man [...] eine allgemeine Charakteristik der Entwicklung der Städte in den Rhein- und Donaulanden zu geben, so fällt als erstes auf, daß die Verhältnisse regional recht verschieden waren [...]
Die Ursachen für die so verschiedenartigen Schicksale der Städte in den Rhein-Donau-Provinzen waren — abgesehen von einem allgemeinen, wenn auch schwerlich überall gleichen, wirtschaftlichen und demographischen Niedergang im Reich — wahrscheinlich ebenfalls recht vielfältig, individuell und gelegentlich komplex."

Hier noch ein zufälliger Wikipedia-Fund:

[...] fanden sie im Castrum Arbonense eine prosperierende christlich-romanische Gemeinde mit einem Presbyter namens Willimar vor [...]​

Willimar ist ja nun ein so typisch romanischer Name, dass sich jede Nachfrage erübrigt.

Die Übernahme der alten Namen der Städte bzw Kastelle macht es zumindest wahrscheinlich, dass in diesen Gebieten eine Siedlungskontinuität bestand.
Siedlungskontinuität ist nicht identisch mit Bevölkerungskontinuität. (Hartmut Wolff: "... es gibt hier keine automatische Parallelität, da Siedlungskontinuität offensichtlich auch bei partiellem oder sogar vollständigem Austausch der Bevölkerung vorkommt.").

Gegenfrage: Warum sind Augsburg, Günzburg, Kempten und Füssen nicht nach germanischen Häuptlingen benannt?
Als sich die germanischen Häuptlinge im 5. Jahrhundert breit machten, wird es wohl noch Einheimische gegeben haben, die die lateinischen Siedlungsnamen kannten. Daraus wird man kaum Rückschlüsse auf die sprachliche Situation im 7. Jahrhundert ziehen können.

Wenn auch nicht in Schwaben gelegen, hat immerhin Partenkirchen, das römische Partanum, die Lautverschiebung unbeschadet überstanden — im Gegensatz etwa zu Pforzheim.
Oder auch im Gegensatz zu Turicum/Zürich.
 
Ich habe davon keine Ahnung. Weshalb sollen die Goldblattkreuze auf eine arianische Glaubensrichtung verweisen/fandest du überzeugend belegt.

Edit: Andreas' Beitrag habe ich erst gelesen, nachdem ich diesen hier geschrieben habe, dennoch würde mich interessieren, was Flavius damals so überzeugend vorkam.
Der Archäologe hatte sich mit den Grabinventaren der Langobarden und Alamannen beschäftigt. In einer Phase vor der fränkischen Eroberung Alamannia fand er überraschend viele Frauengräber mit langobardischer Tracht in der Alamannia und umgekehrt Frauengräber mit alamannischer Tracht und Ausstattung im Langobardenland. Dies sah er als Beleg für eine starke Verbindung zwischen der Oberschicht dieser beiden Stämme. Als dann die Franken die Alamannia eroberten, sei die Oberschicht nach Süden zu den Langobarden abgewandert. Die normalen Alamannen dagegen blieben in ihrem Gebiet und unterwarfen sich den fränkischen Eroberern. Um diese These zu stützen, hat er dann auch eine zeitliche Einordnung der Goldblattkreuze vorgenommen. Mit der Austausch der Herrenschicht wäre die Anzahl der Goldblattkreuz-Beigaben in der Alamannia stark zurück gegangen. Zur gleichen Zeit wäre jedoch im Langobardenland die Anzahl der Goldblattkreuze zumindest gleichgeblieben. Dies wäre dann noch mit einem Anstieg alamannischer Gräber im Langobardengebiet in Verbindung zu setzen. Waren es in der Zeit vor der fränkischen Ausbreitung nach Süden meist Frauengräber mit alamannischer Ausstattung gewesen, hätte es sich in der späteren Phase zu einer beim Geschlecht eher ausgewogenen Anzahl an Bestattungen gewandelt.

Der Vortrag wird wohl jetzt 20 bis 25 Jahre her sein. Wie da genau die Relationen waren, weiß ich jetzt auch nicht merh. Damals war das ganze Publikum von dem Vortrag angetan. Da waren auch einige Archäologen aus Baden-Württemberg da. Von denen ist keiner aufgestanden und hat den Vortrag irgendwie kritisiert.
 
Wikipedia sagt im Artikel Goldblattkreuze:

Die frühere Forschung brachte die Goldblattkreuze nördlich der Alpen mit einer abgegrenzten Gruppe der Oberschicht in Verbindung, die von den arianischen Langobarden aus christianisiert worden sei, den „Goldblattkreuz-Christen“. Ihr wurde eine zweite Adelsschicht der gleichen Region gegenübergestellt, die kulturell und religiös vor allem durch die katholischen Franken und ihre iroschottischen Missionare beeinflusst gewesen sei und keine Goldblattkreuze verwendet, dafür ihre Toten in Kirchenräumen bestattet haben soll. Es habe sich also um zwei miteinander konkurrierende Missionsbewegungen gehandelt, die mit ihren verschiedenen Grabbräuchen im alamannisch-bajuwarischen Raum aufeinandergetroffen seien und von denen sich nach einer Phase der Koexistenz die fränkische durchgesetzt habe.[8] Aktuelle systematische Untersuchungen sind jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass die Kirchenbestattung und die Beigabe eines Goldblattkreuzes sich im frühmittelalterlichen Süddeutschland und der Nordschweiz keineswegs gegenseitig ausschlossen, dass es sich also um zwei parallel existierende Formen der Frömmigkeit handelte. Daher wurde die neue Forschungshypothese aufgestellt, dass Goldblattkreuze vor allem – aber eben nicht nur – dort zum Einsatz kamen, wo im frühen Mittelalter noch keine Kirche im näheren Umfeld existierte und damit die Möglichkeit fehlt, den eigenen christlichen Glauben durch eine Bestattung in oder bei einem sakralen Bauwerk zu unterstreichen.[9] Mit dem Entstehen einer flächendeckenden kirchlichen Organisation und der Errichtung zahlreicher Pfarrkirchen und Klöster seien im 8. Jahrhundert diese Unterschiede weggefallen, sodass auch die Nutzung von Goldblattkreuzen durch neue Formen des Totengedenkens wie regelmäßige Fürbitten und Klosterstiftungen ersetzt wurde.[10]
 
Daher wurde die neue Forschungshypothese aufgestellt, dass Goldblattkreuze vor allem – aber eben nicht nur – dort zum Einsatz kamen, wo im frühen Mittelalter noch keine Kirche im näheren Umfeld existierte und damit die Möglichkeit fehlt, den eigenen christlichen Glauben durch eine Bestattung in oder bei einem sakralen Bauwerk zu unterstreichen.[9
Diese These meinte ich, welche mich nicht überzeugt. Wir kennen ja die Eigenkirchen. Warum hat die Oberschicht in der Alamannia nicht einfach Kirchen als Grablegen gebaut? In der fraglichen Zeit waren Kirchen bei weitem baulich noch nicht so aufwendig wie in der späteren Zeit. Ist diese These dann nicht so, als hätten geizige Schwaben ein Goldblattkreuz als preiswerter als ein Kirchenbau angesehen. In der damaligen Zeit reden wir von Kirchenbauten, welche wir heute als kleine Kapelle betrachten würden. Da ist vermutlich heute jedes Einfamilienhaus aufwändiger.
https://de.wikipedia.org/wiki/Eigenkirche
 
Die Goldblattkreuze sollen entlang Martina Terp-Schunter, Autorin der Dissertation In signo crucis – Eine vergleichende Studie zu den alamannischen und langobardischen Goldblattkreuzen (Tübingen 2018, Fundbestand bis 2015), und Mitautorin des Ausstellungskataloges Goldblattkreuze - Glaubenszeichen der Alamannen (2017), nur in einzelnen Familien im Brauch gewesen sein und auch nicht im Gegensatz zu gleichzeitig bestehenden Kirchen gestanden haben.
Die Autorin spricht von mehr als 420 nachweisbaren Goldblattkreuzen (Stand 2015).

Meine eigene Überlegung war, ob die Goldblattkreuze 'arianisch' sein können, sie stehen wohl in keinem nachweisbaren Zusammenhang mit speziellen arianisch-christlichen Glaubensinhalten.
 
Schwierig bis unmöglich wird die Antwort durch die mögliche Assimilation der Einwohner an Zuwanderer.

Da die Lautverschiebung im Süden begonnen haben soll, hatte ich schon immer den Verdacht, dass da ein Zusammenhang mit dem Kontakt von romanischen und germanischen Sprachen in dieser Zeit zu suchen ist. Vielleicht können ja regionale Mundartliche Varianten des Deutschen (ganz abgesehen von den schon erwähnten romanischen Sprachinseln) einen Hinweis auf die Situation in diesen Regionen geben. Auch in Griechenland haben ja Dialektuntersuchungen zur Änderung des Bildes von der 'Dorischen Invasion' beigetragen.
 
Die Ursachen für die so verschiedenartigen Schicksale der Städte in den Rhein-Donau-Provinzen waren — abgesehen von einem allgemeinen, wenn auch schwerlich überall gleichen, wirtschaftlichen und demographischen Niedergang im Reich — wahrscheinlich ebenfalls recht vielfältig, individuell und gelegentlich komplex."

Willimar
ist ja nun ein so typisch romanischer Name, dass sich jede Nachfrage erübrigt.
Dabei hattest Du oben die Komplexität der Verhältnisse angedeutet. Gleichwohl herrscht in der Literatur weitgehend die Ansicht, Arbon und Bregenz hätten im 7. Jh. die Nordgrenze des geschlossenen romanischen Siedlungsgebiets in Rätien gebildet — von allfälligen städtischen Sprachinseln nördlich davon ganz abgesehen.
Als sich die germanischen Häuptlinge im 5. Jahrhundert breit machten, wird es wohl noch Einheimische gegeben haben, die die lateinischen Siedlungsnamen kannten. Daraus wird man kaum Rückschlüsse auf die sprachliche Situation im 7. Jahrhundert ziehen können.
Wann fand gleich noch die Lautverschiebung statt, die aus Partanum ein Pfarzenkirchen gemacht hätte?
Oder auch im Gegensatz zu Turicum/Zürich.
Zürich zählt leider nicht, da es nicht in Rätien liegt und ganz offensichtlich nicht von dort aus germanisiert wurde (östlich des Zürichsees gen Rätien liegt der Walensee, also der 'See der Welschen').

[Liebe Moderation, eine Auslagerung dieses Themenstranges (frühmittelalterliche Romanen in der Raetia II) wäre vielleicht angebracht — hier passt es wohl nicht mehr recht hinein.]
 
Zuletzt bearbeitet:
@ Pfarzenkirchen:
Anlautendes P wurde zu Pf / F im 6./7. Jahrhundert.
T zu TS soll zur selben, der zweiten Phase dieser Verschiebung gehören.

Das würde zum von Sepiola gedachten zeitlichen Rahmen passen.
 
Gleichwohl herrscht in der Literatur weitgehend die Ansicht, Arbon und Bregenz hätten im 7. Jh. die Nordgrenze des geschlossenen romanischen Siedlungsgebiets in Rätien gebildet
Sicher ist, dass es um Augsburg und Günzburg schon lange kein geschlossen romanisches Siedlungsgebiet mehr gab.

Wann fand gleich noch die Lautverschiebung statt, die aus Partanum ein Pfarzenkirchen gemacht hätte?
Das wird Du leicht nachschlagen können. Zum Nachweis einer romanischen Bevölkerung im Augsburg des 7. Jahrhunderts trägt die Beantwortung dieser Frage kaum etwas bei.

Zürich zählt leider nicht, da es nicht in Rätien liegt
Was die alten Provinzgrenzen mit den Sprachgrenzen in nachrömischer Zeit zu tun haben sollen, erschließt sich mir nicht.

[Liebe Moderation, eine Auslagerung dieses Themenstranges (frühmittelalterliche Romanen in der Raetia II) wäre vielleicht angebracht — hier passt es wohl nicht mehr recht hinein.]
Ich diskutiere gerne über alles, möchte aber klarstellen, dass sich meine bisherigen Beiträge hier auf die Frage einer romanischen Bevölkerung in und um Augsburg fokussieren.
 
@ Pfarzenkirchen:
Anlautendes P wurde zu Pf / F im 6./7. Jahrhundert.
T zu TS soll zur selben, der zweiten Phase dieser Verschiebung gehören.

Das würde zum von Sepiola gedachten zeitlichen Rahmen passen.
Sicher? Weist es nicht eher darauf hin, dass mindestens im 7. Jh. hier noch Romanen dominierten?

Sicher ist, dass es um Augsburg und Günzburg schon lange kein geschlossen romanisches Siedlungsgebiet mehr gab.
Das hatte auch niemand bestritten. Wenn überhaupt, hat es dort romanische Inseln gegeben.
Was die alten Provinzgrenzen mit den Sprachgrenzen in nachrömischer Zeit zu tun haben sollen, erschließt sich mir nicht.
Die germanische Einwanderung nach Zürich kann kaum von (Süd-)Rätien her erfolgt sein, da dort im Frühmittelalter nachweislich noch Romanen lebten (Walensee, Arbon, Bregenz, Frastanz, Vaduz, Chur etc.)

Zurück in die Raetia II — hier hatte ich zuvor das Historische Lexikon Bayerns zitiert:

Charakteristisch für das frühe bairische Herzogtum war die Mehrsprachigkeit der Bevölkerung. Das Herzogtum war im 6. Jahrhundert auf dem Boden der römischen Provinzen Rätien und Noricum unter der Dynastie der Agilolfinger entstanden. Die Bevölkerung setzte sich aus romanischsprachigen ehemaligen Provinzialen und germanischsprachigen Bewohnern zusammen, so dass neben Althochdeutsch bzw. Altbairisch vor allem eine romanische Sprache gesprochen wurde. Hinzu kamen Hebräisch (etwa der Juden in Regensburg) und wohl die slawische Sprache der Karantanen.
Ich diskutiere gerne über alles, möchte aber klarstellen, dass sich meine bisherigen Beiträge hier auf die Frage einer romanischen Bevölkerung in und um Augsburg fokussieren.
Würdest Du mir immerhin beipflichten, dass es sogar noch heute in den römisch-katholischen Kirchen in Augsburg Leute gibt, die traditionell des Lateinischen mehr oder minder mächtig sind?
 
Da der Ort die Lautverschiebung mitgemacht hat, muss sein Name schon zu jener Zeit als germanisch gegolten haben. Daher ist das frühe 7. Jahrhundert der terminus ante quem für eine überwiegend germanische Besiedlung. (Der Übergang von t zu ts soll etwas früher als der von P zu Pf einzuordnen sein.)

Und das liegt durchaus in dem Zeitrahmen für die Annahmen. Auf keinen Fall beweist es, dass damals die Romanen noch dominierten. Es zeigt nur, dass der Name bis zu der fraglichen Zeit den Sprechern des germanischen geläufig geworden sein muss. Es ist kein terminus ad quem für Romanen.
 
Da der Ort die Lautverschiebung mitgemacht hat, muss sein Name schon zu jener Zeit als germanisch gegolten haben. Daher ist das frühe 7. Jahrhundert der terminus ante quem für eine überwiegend germanische Besiedlung. (Der Übergang von t zu ts soll etwas früher als der von P zu Pf einzuordnen sein.)
Moment einmal: der Ort Partenkirchen hat die Lautverschiebung eben nicht mitgemacht— was wiederum dafür spricht, dass hier im 7. Jh. noch Romanen gelebt haben.

Zur Betrachtung der Situation weiter nördlich der Alpen dürften die karolingerzeitlichen Kasseler Gespräche relevant sein:

https://de.wikipedia.org/wiki/Kasseler_Gespräche
 
Moment einmal: der Ort Partenkirchen hat die Lautverschiebung eben nicht mitgemacht— was wiederum dafür spricht, dass hier im 7. Jh. noch Romanen gelebt haben.

Zur Betrachtung der Situation weiter nördlich der Alpen dürften die karolingerzeitlichen Kasseler Gespräche relevant sein:

https://de.wikipedia.org/wiki/Kasseler_Gespräche
Da würde ich den Wikipedia-Artikel ("Diese Verständigungshilfe könnte für romanisch sprechende Menschen gedacht gewesen sein.") mal nicht als allzu starke Stütze nehmen. Erst mal ist der Konjunktiv zu beachten. Zum anderen ist mittelalterliches Latein tendenziell eher schlecht. Aber es handelt sich eben doch eindeutig um Latein und nicht um Romanisch. Vgl. das mal mit den Straßburger Eiden.
 
Nun, hier bei uns in Ostwestfalen gibt es neben den niederdeutschen auch hochdeutsche Ortsnamen. Und die hochdeutschen sind teils schon im 8. oder 9. Jahrhundert erwähnt. Da ist dann auch immer die Frage, wie die Geschichte des Ortsnamen weiterging. Mein Heimatort trägt offiziell einen mittelhochdeutschen Namen, während er sich in der bis vor ca. 50 Jahren hier gesprochenen niederdeutschen Ortsmundart aus dem mittelniederdeutschen regelgerecht weiterentwickelte. Ein Nachbarort hat eine sehr alte Endung. Nur stand da ursprünglich ein "-heim", bzw. "-hem", das verlorenging. Im 17. Jahrhundert wurde dann das als sehr alt geltende Ortssuffix angehängt. Bei vielen Orten lag es an Zufällen, wie sie sich heute nennen und nicht an den Regeln der Sprachentwicklung.

Teils werden im benachbarten Kreis Soest heute ganz selbstverständlich Ortsnamen benutzt, die durch Abschreibefehler in Listen des westfälischen Marschallsamtes entstanden. Sogar einer der wichtigeren Beweise dafür, dass Freigrafschaften nicht flächig zu denken sind, geht darauf zurück: Gelesen wird für einen Ort des Freigerichts Stalpe (wüst östlich von Geseke an der B1) im Herzogtum Westfalen Keddinghausen (östlich von Büren im Fürstbistum Paderborn). Gemeint war die Wüstung Herdingchusen unmittelbar nordwestlich von Geseke. Und da gab es, wie gesagt, weitere schlimme Entstellungen.

Und so wie hier je nach Schreiber bunt zwischen lateinischen, deutschen und niederdeutschen Namen sowie auch Rechtschreibfehlern gewechselt wurde, wird es einem entsprechend gebildeten Schreiber im süddeutschen Raum mit lateinischen, romanischen und oberdeutschen Namen möglich gewesen sein.

In dem Zusammenhang wäre es schon mal interessant, die Erwähnungen der fraglichen Orte aufzulisten, wie es in namenskundlichen Werken heute eigentlich üblich ist. Erst dann kann untersucht werden, wieviel romanische Namen wo bis wann erhalten waren.
 
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