Auch Dürren und Missernten lösen eine Hungersnot nur indirekt aus. Ursache von Hungersnöten ist, dass Menschen keine Zugang zu Nahrung haben. Missernten führen nicht zwangsläufig zu einer Hungersnot, vgl.
bpb Kuhlatz Zugang zu Nahrung.
(Das im verlinkten Text vor allem die Hungersnot in Bangladesh 1974 besprochen wird, ist mir bewusst. Sie ist nur ein Beispiel für den indirekten Zusammenhang zwischen Missernte und menschengemachter Hungersnot. Ursache für den Hungertod bestimmter Menschen innerhalb einer Gesellschaft ist deren Armut.)
Ursache für den Hungertod von Menschen innerhalb einer Gesellschaft, ist die Knappheit von Lebensmitteln und die mangelnde Fähigkeit der betroffenen Menschen sich zu organisieren und sich die benötigten Lebensmittel nötigenfalls auf kriminellem Wege anzueignen.
Armut ist, wenn sie sich organisiert zusammenballt und auf der anderen Seite die Speicher voll sind, nur sehr bedingt die kausale Vorbedingung für den Hungertod.
Die unsichtbare Hand des Marktes hat so tausenden Menschen somit den Zugang zur Nahrung verwehrt.
Es gibt aber keine unsichtbare Hand des Marktes. Es waren Menschen, die sich zum Hamstern entschieden haben.
Die Unsichtbare Hand des Marktes allein, verwehrt überhaupt nur dann etwas, wenn die Marktmechanismen greifen. Und dass sie greifen und nicht durch mit Gewaltmitteln erzwungene wilde Umverteilungen (Plünderungen) oder organisierte Umverteilungen (Preisfestsetzungen/Enteignungen), ist in einer Katastrophensituation alles andere als selbstverständlich.
Marktmechanisman allein, sind, sofern genügend Lebensmittel in der betroffenen Region verfügbar sind, nicht der Grund, der eine Hungerkatastrophe erklärt, weil sie auf verschiedenen Ebenen mit legalen oder nicht legalen Mitteln außer Kraft gesetzt werden können.
Richtig wäre es auch die japanische Kriegsführung für die Hungersnot in Bengalen verantwortlich zu machen.
Strategisches Kriegsziel Japans war es die Burma Road, d.h. die logistische Verbindung zwischen den National-Chinesen und Britisch-Indien zu unterbrechen. Den Flüchtlinge aus Birma wurde durch die Vertreibung der Zugang zur Nahrung verwehrt. Ebenso verwehrte Japan durch die Invasion den Zugang den Bengalen den Zugang zum Reis aus Birma.
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Damit wäre ich schon eher einverstanden.
Die Hungersnot in Bengalen ist vollständig menschengemacht.
Nein, war sie nicht und wird sich auch nicht dadurch, dass man es wiederholt.
Menschengemacht wäre sie gewesen, wären vorher mutwillig Ackerflächen unbrauchbar gemacht, Wasserreservoirs zerstört oder vergiftet, das Saatgetreide mit gewaltsamen Mitteln konfisziert oder die landwirtschaften Erzeugnisse selbst mutwillig und gewaltsam geraubt oder vernichtet worden.
Man kann der Regierung Churchill nun einiges an Missetaten vorwerfen, aber mutwillig eine Hungersnot in Indien verurscahft zu haben, geht dann doch ein bisschen weit.
Die Hungersnot in Bengalen kam dadurch zustande, dass, die vorangegnangene Dürre zu Ernteausfällen führte. Hätte es diese Ernteausfälle überhaupt nicht gegeben, wäre die Ernährungslage in Bengalen 1943 auf niedrigem Niveau stabil geblieben und nicht über das übliche Ausmaß an Problemen und Knappheit hinausgegangen.
Ob ein größerer Defizitausgleich durch einen intakten überregionalen Markt und ein verlässlich fungkionierendes Transportsystem möglich ist, ist im Hinblick auf die potentielle Entstehung einer Hungerkatastrophe gänzlich irellevant, so lange kein entsprechendes Defizit vorliegt, kann ergo nicht als Ursache betrachtet werden.
Wenn man diese Hungersnot als "menschengemacht" bezeichnet, begeht man mMn den Fehler die Abwesenheit von adäquaten Mitteln zu Krisenbekämpfung mit der Ursache der krise selbst zu verwechseln.
Die Krisenhafte Entwicklung der regionalen Versorgungslage ist aber getrennt von möglichen Maßnahmen der Gegensteuerung zu sehen.
Krisenhafte Entwicklung der Ernährungssituation einer Region, bei der extreme Wetterphänomene eine Rolle spielen, sind per Definition nicht "menschengemacht".
Menschengemacht ist allenfalls die Verschärfung der prekären Situation durch Verteilungsungleichheit, die aber auch durch Mechanismen außerhalb der Marktfunktionen abgebaut werden kann.
Ausbleibende effektive Abhilfe ist nicht die Ursache, und auch nichtmal ein Katalysator der regionalen Verhältnisse, da durch das Fehlen von regionalen Importen die Ernährungslage ja nicht verschlimmert wird, sondern sich lediglich gleichbleibend schlecht verhält.
Eine einzelne Kriegspartei, Gruppe oder gar nur Churchill kann man jedenfalls nicht allein für die Hungersnot verantwortlich machen.
Kann man nicht? Ich würde behaupten, man kann die Japaner sehr wohl dafür verantwortlich machen, wenn man darauf besteht, sie als "menschengemacht" zu deklarieren. Hat sie schließlich niemand gezwungen, nach den britischen Kolonien* zu greifen.
Ohne japanische Agression keine Abtrennung der Verbindung nach Birma, keine Behinderung der zivilen Schiffahrt im Golf von Bengalen, keine Notwendigkeit in Ostindien Truppen zusammen zu ziehen und damit Transportressourcen der Eisenbahn zu binden ebenfalls keine aus Birma nach Bengalen strömenden Flüchtlinge, die die Lage noch weiter anspannen.
Abhilfe wäre durch Aufstockung der maritimen Kräfte der Alliierten zur Sicherung der Seewege nach Bengalen vielleicht zu leisten gewesen, hätte, wie oben angesprochen aber zu Änderungen auf dem afrikanischen und dem europäischen Kriegsschauplatz geführt.
Mit der wahrscheinlichen Konsequenz gerningerer Opferzahlen in Indien bei größeren Opferzahlen in Osteuropa.
Insofern, wenn man hier unbedingt Verantwortlichkeiten suchen wollte, wäre die Kette da, so wie ich das sehe:
1. Natürliche Ursachen
2. Japan als erster Verantwortlicher
3. Britische Verantwortlichkeit
Begründung:
1. Ohne Dürre keine kritische Verknappung von Lebensmitteln in der Region, eine Hungersnot hätte dann durch Umverteilungsmaßnahmen innerhalb der Region mit legalen oder illegalen Mitteln abgewendet werden können.
2. Ohne japanische Agression kein Wegfall der Handelsmöglichkeiten nach Osten und keine Überbelegung der Eisenbahnkapazitäten nach Westen und Süden durch militärischen Bedarf, auch keine Einschränkung der Schiffahrt. Ohne japanische Agression hätte der Engpass ohne weiteres aus den Überschüssen umliegender Regionen oder aus anderen Teilen des Subkontinets überbrückt werden können.
3. Britische Verantwortlichkeit, weil sie nicht mehr Mittel aufwanden, um die Seeanbindung Bengalens so weit wiederherzustellen, dass Versorgung möglich gewesen wäre. Ist allerdings, wie angemerkt im Hinblick auf den Kriegsverlauf in Europa und Afrika und mögliche Konsequenzen ein verdammt undankbarer Vorwurf, da diese Maßnahmen das Sterben in Europa sehr wahrscheinlich verlängert hätte.
Insofern standen die Briten, wie ich das sehe, vor einer Wahl zwischen Pest und Cholera und haben sich dann eben zum Schaden der Bevölkerung Bengalens und zum Nutzen der bevölkerung weiter Teile Europas für Pest entschieden.