Was geschah mit den ganzen Süchtigen?

Griffel

Mitglied
Ja da ist er wieder der "gute Griffel". Also, ich habe mir heute mal ein Thema ausgesucht, welches wie ich finde bis jetzt sträflich vernachlässigt wurde!:mad: Es hat seine Ursprünge zwar im Zweiten Weltkrieg, aber die Auswirkungen, machten sich ja erst danach bemerkbar. Also packe ich das mal unter Kalter Krieg.

Falls meine Überschrift es nicht schon verrät, gebe ich noch mal ein paar Stichworte:

Müdigkeit, Durchhaltewillen, Soldaten Panzerschokolade.

Ich denke mal es dürfte bekannt sein, dass Regierungen oder besser Armeen, schon immer versucht haben, alles aus ihren Männern herauszuholen! Das hat mal mehr mal weniger geklappt. Eine der Ideen war ja, die Männer mittels Aufputschmitteln, bei der Stange zu halten. Was natürlich nur eine zeitlang geht, ohne das sich unmittelbar Nebenwirkungen bemerkbar machen!

Das Deutsche Reich bzw. die Wehrmacht, war nicht alleine auf diesem Feld tätig. Daraus folgt doch die oben genannte Frage; in Folge dieser Praxis, muss es doch bei allen Kriegsparteien, nach dem Krieg, jede Menge Suchtkranke gegeben haben! Nur habe ich bis jetzt, noch nie etwas darüber gelesen, gehört oder gesehen?
Wenn, man Menschen aus welchem Grund auch immer, zwingt, so ein Zeug einzunehmen und das über eine längeren Zeitraum, dann bleibt eine Abhängigkeit, nicht aus.Wäre schön wenn, irgendjemand darüber ein paar Infos hätte.
 
Unter anderem! Aber wie geschrieben! Solches oder ähnliches Zeug, wurde ja von allen Parteien genutzt. o_O Und ich kann mir nicht vorstellen, dass der tausenfache MISSBRAUCH solcher Mittelchen bei den Leuten ohne Folgen geblieben ist. Bei den Engländern zum Beispiel, soll man vermehrt Benzadrin oder wie das Zeug heißt verwendet haben.

Mir kann keiner erzählen, dass das bei den Besatzungen der Flugzeuge, Uboote usw. ohne Folgen geblieben ist. Es muss etliche Fälle von Süchtigen gegeben haben.
 
Ja da ist er wieder der "gute Griffel". Also, ich habe mir heute mal ein Thema ausgesucht, welches wie ich finde bis jetzt sträflich vernachlässigt wurde!:mad: Es hat seine Ursprünge zwar im Zweiten Weltkrieg, aber die Auswirkungen, machten sich ja erst danach bemerkbar. Also packe ich das mal unter Kalter Krieg.

Falls meine Überschrift es nicht schon verrät, gebe ich noch mal ein paar Stichworte:

Müdigkeit, Durchhaltewillen, Soldaten Panzerschokolade.

Ich denke mal es dürfte bekannt sein, dass Regierungen oder besser Armeen, schon immer versucht haben, alles aus ihren Männern herauszuholen! Das hat mal mehr mal weniger geklappt. Eine der Ideen war ja, die Männer mittels Aufputschmitteln, bei der Stange zu halten. Was natürlich nur eine zeitlang geht, ohne das sich unmittelbar Nebenwirkungen bemerkbar machen!

Das Deutsche Reich bzw. die Wehrmacht, war nicht alleine auf diesem Feld tätig. Daraus folgt doch die oben genannte Frage; in Folge dieser Praxis, muss es doch bei allen Kriegsparteien, nach dem Krieg, jede Menge Suchtkranke gegeben haben! Nur habe ich bis jetzt, noch nie etwas darüber gelesen, gehört oder gesehen?
Wenn, man Menschen aus welchem Grund auch immer, zwingt, so ein Zeug einzunehmen und das über eine längeren Zeitraum, dann bleibt eine Abhängigkeit, nicht aus.Wäre schön wenn, irgendjemand darüber ein paar Infos hätte.

Fragen wir mal anders:

Meinst du Suchtkranke wären in der Nachkriegsgesellschaft groß aufgefallen? War ja bei weitem nicht das einzige Suchtmittel, dass sich im Umlauf befand, zumal wenn man bedenkt, welches Maß an Alkoholkonsum in der Zeit noch normal und gesellschaftlich akzeptiert war.

Klar, wenn das Suchtmittel nicht mehr verfügbar war, stellten sich Entzugserscheinungen ein, die sich in psychischen Auffälligkeiten manifesstieren konnten, nur wir reden von einer Kriegsgesellschaft, inklusive ziemlich unapetitlicher Massaker an der Front durch die Soldaten, von, sich in Teilen explizit gegen die Zivilbevölkerung richtenden Bombenkrieg, von einer Gesellschaft, in der Konzentrationslager und die dortige barbarische Behandlung normal war, in den zum Ende des Krieges in Deutschland dann mitunter auch gehäufte Vergewaltigungen durch die Besatzungssoldaten, und im ganzen Osten die Flucht, Vertreibungsproblematik.
Dazu kommen noch die Verluste an Verwandten, die so ziemlich jede Familie zu verkraften hatte.

Ich habe die Nachkriegszeit nicht erlebt, aber der Löwenanteil der Nachkriegsbevölkerung muss psychisch einen ganz massiven Knacks gehabt haben, geht gar nicht anders. Sei es wegen Entzugserscheinungen nach Perivitn-Konsum oder wegen posttraumatischer Belastungsstörung oder sonstwas.
Das dürfte nicht groß aufgefallen sein.
Auch nicht, der nach einer Zeit einsetzende körperliche Verfall. Wenn man an Konzentrationslager, die Kriegsversehrten, die Bombenopfer etc. auch die stellenweise Mangelernährung in den ersten Nachkriegswinter denkt, wird auch da nicht viel aufgefallen sein.
 
Wie oft muss man Crystal Meth konsumieren, um von dem Zeug abhängig zu werden? (Bitte nicht testen!) Ich möchte mal behaupten, dass es nicht allzuviele Abhängige gegeben haben sollte, da schon während des Krieges bekannt war, dass der Einsatz von Crystal Meth allenfalls in Ausnahmefällen freigegeben werden sollte, da das Zeug Schlaf eben nicht ersetzte und letztlich bei Himmelfahrtskommandos eine Rolle spielte. Ob die negativen Nebenwirkungen schon bekannt waren, weiß ich nicht. Heute kann ja jeder halbwegs talentierte Hobby-Chemiker das Zeug in seiner Gartenlaube zusammenrühren, aber es dürfte zu unterstellen sein, dass Süchtige - sollte es sie gegeben haben - nach dem Krieg ein Beschaffungsproblem hatten. Kalter Entzug, sofern denn überhaupt eine Sucht bestand.
 
da schon während des Krieges bekannt war, dass der Einsatz von Crystal Meth allenfalls in Ausnahmefällen freigegeben werden sollte, da das Zeug Schlaf eben nicht ersetzte und letztlich bei Himmelfahrtskommandos eine Rolle spielte.

"In der Zeit von April bis Juni 1940 bezog die Wehrmacht mehr als 35 Millionen Tabletten Pervitin." wiki

35 Millionen Pillen in 3 Monaten sind etwas anderes als eine Einsatzdroge, die lediglich ausnahmsweise für ein paar Himmelfahrtskommandos freigegeben wurde. Es gibt Theorien, die die enorme Geschwindigkeit des "Blitzkrieges" nicht zu letzt auch auf den massenhaften Einsatz von Pervitin zurückführen.
Ärztliche Bedenken über den Einsatz en masse wurden hinweggewischt. "Einige Ärzte betrachteten die Nebenwirkungen von Pervitin skeptisch, 'Reichsgesundheitsführer' Leonardo Conti wollte den Gebrauch einschränken, setzte sich aber nicht durch." Spiegel
 
Zuletzt bearbeitet:
Wie oft muss man Crystal Meth konsumieren, um von dem Zeug abhängig zu werden? (Bitte nicht testen!) Ich möchte mal behaupten, dass es nicht allzuviele Abhängige gegeben haben sollte, da schon während des Krieges bekannt war, dass der Einsatz von Crystal Meth allenfalls in Ausnahmefällen freigegeben werden sollte, da das Zeug Schlaf eben nicht ersetzte und letztlich bei Himmelfahrtskommandos eine Rolle spielte. Ob die negativen Nebenwirkungen schon bekannt waren, weiß ich nicht. Heute kann ja jeder halbwegs talentierte Hobby-Chemiker das Zeug in seiner Gartenlaube zusammenrühren, aber es dürfte zu unterstellen sein, dass Süchtige - sollte es sie gegeben haben - nach dem Krieg ein Beschaffungsproblem hatten. Kalter Entzug, sofern denn überhaupt eine Sucht bestand.

Pervitin wurde anfangs sehr aggressiv beworben und es gab bis 1940 in Deutschland nicht einmal eine Verschreibungspflicht. In Deutschland wurde das Medikament dann rezeptpflichtig, es konnte aber z. B. in Frankreich ohne Rezept gekauft werden. Der junge Heinrich Böll fragte seine Eltern, ob sie ihm Pervitin schicken können. Wer das Mittel wollte, der kam auch dran. Die Nazis hatten sich zwar den Kampf gegen den Alkoholismus und den Krieg gegen "Rauschgift" auf die Fahnen geschrieben, und sie schwadronierten von der "Volksgesundheit". Es waren aber Drogen immer noch relativ leicht zu bekommen, und wenn die Wirkung eine staatlich und gesellschaftlich erwünschte war, gab es wenig Bedenken, Drogen einzusetzen. Böse gesagt, die Sache wurde erst dann zum Problem, wenn Soldaten, Ärzte, Schwestern, Beamte nicht mehr funktionierten. Wenn Kollegen sich beschwerten oder wenn sie jemanden nicht mehr deckten.

35 Millionen Pillen ist ein Haufen Zeug, viele Soldaten haben damit experimentiert, und es gab Mittel und Wege es zu bekommen. Ich muss dabei an ein anderes Medikament denken, dass einen noch stärkeren Imagewechsel erfuhr. Heroin galt einmal als Wundermittel in fast allen populärwissenschaftlichen Artikel wird entsetzt darauf verwiesen, dass es als Hustensaft für Kinder eingesetzt wurde, zeitweise rezeptfrei zu kaufen war. Viele Publikationen vertraten die These, dass es explosionsartig die Zahl der Süchtigen noch oben schnellen ließ, dass die Ärzteschaft total verantwortungslos war.

Die sehr fundierte Arbeit von Michael de Ridder (Heroin- Vom Arzneimittel zur Droge) konnte nachweisen, dass das so nicht zutraf. Heroin wurde aggressiv beworben, Proben wurden an Ärzte versandt. Das Mittel war aber niedrig dosiert, und es wurde oral genommen. In Europa gab es damit bis zum Weltkrieg wenig bis keine Probleme, bei den meisten Abhängigen wurde mehr Morphium oder opiumhaltige Medikamente wie Laudanum konsumiert. Heroin wurde verordnet, als massenhaft konsumierte Droge spielte es aber bis in die 1970er Jahre in Deutschland kaum eine Rolle. Es wurde viel mehr Morphium verlangt, verordnet und illegal verschafft. Besonders beliebt wurde es in den USA um die Jahrhundertmitte. Es wurde berichtet von Süchtigen, die Heroinpillen zerrieben und schnupften oder spritzten, und man entdeckte, dass die Kombination Heroin/Kokain sehr, sehr euphorisierend ist. 1914 wurde die Harrison Act, das amerikanische BtMG verabschiedet, und es begann damit gleichzeitig ein Kampf gegen chinesischstämmige Amerikaner, Afroamerikaner und Latinos. Opium war böse, es war fremd, Kokain und Heroin waren böse und made in Germany. Damals wurde Heroin längst nicht mehr nur von Bayer produziert. Den großen Siegeszug trat Heroin erst dann an, als es praktisch unmöglich wurde, legal an Morphin heranzukommen, da war Heroin aber schon ein illegales Plagiat einer Pharmadroge, und es wurde dämonisiert wie keine andere Droge, und es wurde Heroinabhängige als der Abschaum der Menschheit, die "Sünder vom Bahnhofsklo" stigmatisiert.

Bis in die 1970er Jahre gab es mehrheitlich Morphinisten, die aus Heilberufen stammten, die Kriegsinvaliden waren, die sich ihre "Medizin" verschreiben lassen konnten. Es gab hin und wieder mal einen Einbruch bei Ärzten oder in Apotheken, hier und da mal eine Rezeptfälschung, aber bis 1972 das BtmG eingeführt wurde, gab es praktisch keine "Drogenkriminalität" in der Bundesrepublik. Morphinisten waren in der Regel älter und deutlich älter, als 21 Jahre, integriert und oft gut ausgebildet. Plötzlich aber war die Rede von Kindern, von 12-14 jährigen, und es änderte sich die Wahrnehmung. Der/die "typische Junkiene" der Moderne ist jung, stirbt jung, ist arm, nicht integriert und ungebildet. Um zwischen den 1970er und der Jahrtausendwende Morphium verschrieben zu bekommen, musste man praktisch todsterbenskrank sein, und selbst Tumorpatienten mussten um ihr Morphium kämpfen.

Ich denke, dass El Quijote gar nicht mal so falsch liegt, wenn er annimmt, dass die Zahl der wirklich Abhängigen, der pathologischen Fälle nicht gar so hoch war. Pervitin wurde, Angabe ohne Gewähr 1938 entwickelt. Nachdem die Nebenwirkungen bekannt geworden waren, versuchte man durch Rezeptpflicht den Gebrauch zu kontrollieren, und auch eine Abhängigkeit/Sucht braucht Zeit, um sich zu entwickeln und zu verfestigen, bis sich Schäden am zentralen Nervensystem bemerkbar machen. Viele Suchtkranke leben jahrelang unauffällig. Oft decken Kollegen und Familienangehörige den Konsum. Unter Soldaten, Fliegern, Schwestern und Ärzten war oft bekannt, wenn jemand Morphinist war oder Aufputschmittel nahm, und solange die funktionierten, ließen sich solche Abhängigen oder Gefährdeten integrieren, integrieren auch in die Nachkriegsgesellschaft. Wenn das nicht mehr funktionierte, konnte es schlimme Folgen haben, es drohte der Ausschluss aus der "Volksgemeinschaft". Da konnte wegen einer Ampulle Morphium auch schon mal eine Anklage wegen Sabotage drohen. Soldaten mit problematischem Konsum dürften aber auch eine größere Chance auf den "Heldentod" gehabt haben, wenn sie unter Pervitineinfluss größere Risiken eingingen.

Was sicher aber auch die Integration von Abhängigen in die Nachkriegsgesellschaft erleichterte, war ein verhältnismäßig liberales Betäubungsmittelrecht. Die Höchststrafe war im alten Reichsopiumgesetz 3 Jahre. Das wurde 1972 auf 10, dann auf 15 Jahre angehoben. Bis 1972 war die sogenannte "Drogenkriminalität" marginal. Es gab jährlich weit weniger als 1000 Fälle, in denen wegen Urkundenfälschung, Einbruch, Rezeptdiebstahl, Anklage erhoben wurde. Morphinisten wie Veronika Voss in Rainer Werner Fassbinders Film Die "Sehnsucht der Veronika Voss" oder der Schriftsteller Hans Fallada konnten sich ihre "Medizin" legal verschreiben lassen, und natürlich waren Präparate wie Pervitin und Captagon auch weiterhin verschreibungsfähig. Mein Vater arbeitete in den 1970er Jahren in einem Stuttgarter Krankenhaus. Er sagte mal, dass ihn Spieler des VFB Stuttgart auf Captagon angesprochen hätten. Tony Schumacher wurde als Torwart der Nationalmannschaft abgelöst, weil er sich bekannt hatte, dass er und Kollegen Ephedrin geschluckt hätten, was als Grundstoff für Chrystal Meth Verwendung findet.
 
Ja da ist er wieder der "gute Griffel". Also, ich habe mir heute mal ein Thema ausgesucht, welches wie ich finde bis jetzt sträflich vernachlässigt wurde!:mad: Es hat seine Ursprünge zwar im Zweiten Weltkrieg, aber die Auswirkungen, machten sich ja erst danach bemerkbar. Also packe ich das mal unter Kalter Krieg.

Falls meine Überschrift es nicht schon verrät, gebe ich noch mal ein paar Stichworte:

Müdigkeit, Durchhaltewillen, Soldaten Panzerschokolade.

Ich denke mal es dürfte bekannt sein, dass Regierungen oder besser Armeen, schon immer versucht haben, alles aus ihren Männern herauszuholen! Das hat mal mehr mal weniger geklappt. Eine der Ideen war ja, die Männer mittels Aufputschmitteln, bei der Stange zu halten. Was natürlich nur eine zeitlang geht, ohne das sich unmittelbar Nebenwirkungen bemerkbar machen!

Das Deutsche Reich bzw. die Wehrmacht, war nicht alleine auf diesem Feld tätig. Daraus folgt doch die oben genannte Frage; in Folge dieser Praxis, muss es doch bei allen Kriegsparteien, nach dem Krieg, jede Menge Suchtkranke gegeben haben! Nur habe ich bis jetzt, noch nie etwas darüber gelesen, gehört oder gesehen?
Wenn, man Menschen aus welchem Grund auch immer, zwingt, so ein Zeug einzunehmen und das über eine längeren Zeitraum, dann bleibt eine Abhängigkeit, nicht aus.Wäre schön wenn, irgendjemand darüber ein paar Infos hätte.

Ein interessanter Thread! Drogen sind so alt wie die Menschheit, und seit es Armeen gibt, wurden Drogen als Schmerzmittel, Stimmungsaufheller, etc., etc. verwendet. in der Odyssee begibt sich Odysseus Sohn Telemachos auf Expedition, um das Schicksal seines Vaters aufzuklären, reist er nach Pylos zu Nestor und nach Sparta zu Menelaos und Helena. Als sie beim Bericht an die Toten das heulende Elend packt, serviert Helena das mittel Nepenthes "gegen Kummer und schmerz und aller Übel Gedächtnis- vermutlich ein Opiat. den Delis (die verrückten) der alten osmanischen Armeen sagte man nach, dass sie sich mit Opium berauschten. Kokain wurde in den 1880er Jahren in der bayrischen Armee gegen Ermüdung und Höhenkrankheit eingesetzt. Im 1. Weltkrieg war Kokain unter Jagdfliegern sehr beliebt, ähnlich wie im 2. Weltkrieg Pervitin (Chrystal Methamphetamin)
Pervitin wurde schon 1893 von einem japanischen Chemiker patentiert und in Deutschland 1938 (Angabe ohne Gewähr) von der Firma Temmler auf den Markt gebracht. Das Mittel war bis 1988 ein verschreibungsfähiges Medikament. Die Wehrmacht, aber später auch die Bundeswehr und die NVA lagerten Hunderttausende von Pillen ein, und kurzzeitig gab es sogar Pralinen mit Pervitin. Ähnlich wie der Kokaingehalt in Coca Cola war die Dosierung aber relativ gering. Man stellte fest, dass Soldaten tagelang ohne Schlaf auskamen, und anfangs wurde Pervitin auch Soldaten ohne ihr Wissen verabreicht, etwa vor gefährlichen Sturmangriffen. es zeigte sich aber, dass danach Erschöpfungszustände auftraten und Soldaten die Kontrolle verloren. In Deutschland wurde Pervitin daher rezeptpflichtig, war aber in den besetzten Gebieten weiterhin rezeptfrei zu haben. Heinrich Böll ging seine Eltern an, so sollten ihm Pervitin schicken. Viele deutsche Soldaten kamen in Kontakt mit dem Mittel, experimentierten damit. Auch an KZ-Insassen wurde Pervitin getestet. Chrystal Meth gilt als Droge mit hohem Abhängigkeitspotenzial, und Dauergebrauch bleibt nicht ohne Schädigung des Nervensystems.

Eine Sucht, eine Abhängigkeit braucht aber auch Zeit, um sich zu entwickeln und zu verfestigen. Man wird in der Regel nicht von gelegentlichem Konsum abhängig. es dürften sicher Tausende von Soldaten auf die eine oder andere Art mit diesem Mittel oder anderen Substanzen in Kontakt gekommen sein, und es dürfte sich auch bei einigen Soldaten Abhängigkeit gebildet haben. Es spricht aber einiges dafür, dass diese Zahl eher klein war. Ständig Zugang zu dem Medikament hatte nur eine Minderheit, und üblicherweise wurde das Zeug auch seit 1940 weniger Soldaten gegen ihren Willen und ohne ihr Wissen verabreicht. Ich hatte schon auf Heroin verwiesen. Auch dieses Medikament wurde anfangs sehr euphorisch aufgenommen, es wurde aggressiv beworben, niedergelassene Ärzte erhielten Gratisproben zugesandt, und Heroin wurde empfohlen u.a. als Hustenmittel für Kinder. Man hoffte, dass es nicht süchtig macht, und es wurde von manchen Ärzten als eine Art Substitutionsmittel für Morphinisten verschrieben. Trotzdem hat die Zahl der Heroinabhängigen sich, zumindest in Europa nicht explosionsartig vermehrt. Das Mittel war in niedriger Dosis enthalten und wurde oral verabreicht, es zeigte kein höheres Abhängigkeitspotenzial als Morphin oder Codein, das heute noch in Hustensäften, auch für Kinder, enthalten ist.

In der Kriegs- und Nachkriegsgesellschaft wurde, entgegen der offiziellen Null-Toleranz- dem Rauschgift-Politik viel geraucht, getrunken und alle möglichen Pillen geschluckt. Da gab es sicher auch Besorgnis erregenden Missbrauch, solange Soldaten, Ärzte, Schwestern und Beamte aber wie gewünscht "funktionierten", wurde dergleichen toleriert. Es gab ein hohes Maß an sozialer Kontrolle durch Kameraden und Kollegen, die dafür sorgte, dass die meisten funktionierten. Wenn einer/ eine plötzlich nicht mehr funktionierte, konnten die Folgen allerdings heftig werden.
 
Mein Vater, der von 1942 bis Januar 1945 bei der Luftwaffe war, hat auch in der Nachkriegszeit etliches an Pervitin konsumiert. Er hat mir davon erzählt, als ich ihn zu den zuhause vorhandenen alten Scho-ka-kola Verpackungen und schön gestalteten Medikamentenschachteln für Pervitin befragte.
Begonnen hatte sein Konsum von Pervitin bei Langstreckenflügen und Kälte.
1946 war er, wegen einer Kriegsverletzung bevorzugt zugelassen, in der ersten Gruppe der Ingenieurstudenten in der TH Darmstadt, in einem selbstverwalteten Studentenheim, mit ihm zusammen einige Kommilitonen die bei der Nachtjagd gewesen waren. Lernen bei Hunger und Kälte: Pervitin war ausreichend verfügbar, bekannt, als Lernhilfe willkommen, vielleicht auch leichter erhältlich wegen der Pharmafirmen um Darmstadt.
Für die Studenten damals: Rauchen, Pervitin, und Frauen.
Später, in den 60er oder 70er Jahren, wechselte er auf Benzodiazepine, nachdem seine letzte Quelle für Pervitin nicht mehr liefern konnte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich danke wie immer für eure Anteilnahme bzw. Beteiligung. Da ich diesen Begriff schon öfter gehört habe, dachte ich mal. Ich hake mal nach.:rolleyes: Bei all dem Mist, den Kriege so mit sich bringen, waren die Abhängigen, sicherlich etwas das man nicht brauchte.

Da kann man mal wieder sehen, wohin eine sorglose Denkweise führt. In früherer Zeit, waren ja auch Kokain, Heroin und Konsorthen als Medizin beliebt. Gottlob, ist das heute anders.
 
Ich danke wie immer für eure Anteilnahme bzw. Beteiligung. Da ich diesen Begriff schon öfter gehört habe, dachte ich mal. Ich hake mal nach.:rolleyes: Bei all dem Mist, den Kriege so mit sich bringen, waren die Abhängigen, sicherlich etwas das man nicht brauchte.

Da kann man mal wieder sehen, wohin eine sorglose Denkweise führt. In früherer Zeit, waren ja auch Kokain, Heroin und Konsorthen als Medizin beliebt. Gottlob, ist das heute anders.

Kokain wird heute kaum noch in der Lokalanästhesie und Augenheilkunde verordnet, Heroin aber, ist als Diaphin, Dia-Morphin seit einigen Jahren wieder verkehrsfähiges Betäubungsmittel. Eingesetzt wird es heute fast ausschließlich als Substitutionsmittel. Es wäre in der Palliativmedizin ein Segen. Heroin macht schon sehr abhängig, es ist aber das potenteste existierende Schmerzmittel. Heroin verursacht keine Schädigungen der Organe und des zentralen Nervensystem und es hat weit weniger unerwünschte Nebenwirkungen als Methadon oder Buprenorphin.
GB ist einer der wenigen Staaten, der nie ein totales Verbot von Heroin erließ nach dem Vorbild der USA. Schon in den 1980er Jahren wurden u.a. Tumorpatienten mit Heroin behandelt. Diamorphin ist verträglicher als unretardiertes Morphin. Morphin wirkt auf das Brechzentrum im Gehirn, manchen Menschen, die daran nicht gewöhnt sind, wird anfangs schlecht, bis sie optimal eingestellt sind. Heroin ist besser verträglich und wenn der Wirkstoff oral aufgenommen wird, ist die Gefahr einer Abhängigkeit nicht größer, als die von Morphin.

Natürlich ist eine Verschreibungspflicht von starken Opiaten und Opioiden sinnvoll. Man kann der Medizin des ausgehenden 19. Jahrhunderts vorwerfen, dass sie im Umgang mit starken und stärksten Betäubungsmitteln zu sorglos war, dass man bei den meisten Indikationen, in denen um 1900 Morphin und Kokain verschrieben wurde, sofern es überhaupt verschreibungspflichtig war, heute andere Medikamente verwenden würde. Es waren aber Alkaloide wie Morphin und Kokain das modernste, was damals verfügbar war, und es haben diese Medikamente wirksam geholfen! Morphin hat zweifellos auf allen Schlachtfeldern Leiden bekämpft. Als es im Krimkrieg, im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 und im Amerikanischen Bürgerkrieg erstmals in großem Umfang eingesetzt wurde, gingen die Abgänge in den Lazaretten rapide zurück. Kokain nahm einer Zahnwurzelbehandlung den jahrhundertealten Schrecken. Man lese die Qualen, denen Senator Thomas Buddenbrook schließlich erliegt, in Thomas Manns gleichnamigen Roman. Kokain war das erste und jahrzehntelang das einzige Lokalanästhetikum. Als Alternative stand bestenfalls eine Vollnarkose mit Äther oder Chloroform, und das war riskant. Etwas sorglos war die Medizin dieser Zeit sicher, aber verantwortungslos war sie nicht. Medikamente wie Heroin wurden nicht nur im Tierversuch, sondern im Versuch an Menschen, in der Regel im Selbstversuch erprobt, bevor sie zugelassen wurden. Die Pillen, Tabletten, Tropfen waren relativ niedrig dosiert, üblicherweise wurden sie oral genommen. Es war vernünftig, Morphin, Kokain und Heroin einer Rezept- und Kennzeichnungspflicht zu unterziehen, und es war löblich, dass man ab 1910 versuchte, den Opiumhandel zu kontrollieren, die Sorglosigkeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts schlug aber nach dem 1. Weltkrieg in eine extreme Politik der Repression. Es hat die Prohibition seit 1914 aber nicht die Nachfrage nach Betäubungsmitteln unterbinden können, und in keinem einzigen Staat konnten Verfolgungsbehörden die illegale Einfuhr von Betäubungsmitteln verhindern. In der Bundesrepublik gab es bis in die 1970er Jahre praktisch kein "Drogenproblem", jedenfalls waren es verhältnismäßig wenige Fälle, in denen wegen Verstoßes gegen das Reichsopiumgesetz ermittelt und angeklagt wurde. Das änderte sich rasant durch das neue Betäubungsmittelgesetz von 1972. Die bürokratischen Hürden für die Verordnung von Morphin-Derivaten wurden derartig angehoben, dass man praktisch todkrank sein musste, ehe ein Arzt Morphin verordnete. Nach einer Schätzung erhalten nur 1/3 aller Patienten die ein Opioid benötigen, tatsächlich eines. Ärzte, die substituierten, riskierten bis in die 1990er heftige Repressalien bis zum Verlust der Approbation. Das führte dazu, dass Suchtpatienten aus der BRD und Frankreich in die Niederlande und die Schweiz reisten. Es kam dazu, dass Suchtpatienten sich selbst mit Aids infizierten, nur um legal an Methadon heranzukommen. Der Druck durch eine sich ändernde öffentliche Meinung und steigende Infektionsraten an Aids führten dazu, dass Methadon 1991 in der Bundesrepublik zugelassen wurde und bis 1993/94 flächendeckend zur Verfügung stand. Die Berichterstattung war anfangs eher positiv, Kritiker wandten schon damals ein, dass Methadon weitaus mehr Nebenwirkungen verursacht als Heroin. Ab Ende der 1990er Jahre und kurz nach der Jahrtausendwende wurde nach dem Vorbild anderer europäischer Staaten in Frankfurt/Main und anderen deutschen Städten ein Modelprojekt gestartet, das den kontrollierten medizinischen Einsatz von Heroin (Diacetylmorphin) erlaubte. Das Projekt wurde ausgeweitet, und insgesamt war der Einsatz positiv, es gab weniger Beigebrauch als auf Methadon, die Patienten waren gesünder und zufriedener, als auf Methadon. Mancherorts aber gab es gar nicht genug Interessenten. Diaphin, Diamorphin wird intravenös verabreicht, und die Patienten müssen dreimal täglich zur Vergabe erscheinen. Patienten, die Methadon, Buprenorphin (Subutex) oder seit 2015 auch retardiertes Morphin bekommen und im Take Home-Staus sind, haben viel mehr Freiheit, bekommen den Bedarf für 1 Woche und müssen nur einmal wöchentlich erscheinen. Inzwischen ist Heroin wieder verkehrsfähiges Betäubungsmittel.

Literatur zum Thema: Michael de Ridder, Heroin vom Arzneimittel zur Droge, Werner Pieper (Hrsg.) Nazis on Speed Drogen im Dritten Reich.
 
Ich habe mal vor einiger Zeit gelesen, dass die Zahl der heroinsüchtigen zurückgekehrten Soldaten aus Vietnam in den USA deutlich geringer gewesen sein soll als in den Einheiten, da sich ihr Setting geändert hat. Im Rahmen des Einsatzes war es akzeptiert/toleriert, nach der Rückkehr haben sich viele dem geänderten Rahmen angepasst. Leider kann ich den Artikel nicht mehr finden, vielleicht hat jemand belastbare Zahlen oder entsprechende Quellen.
 
Ich habe mal vor einiger Zeit gelesen, dass die Zahl der heroinsüchtigen zurückgekehrten Soldaten aus Vietnam in den USA deutlich geringer gewesen sein soll als in den Einheiten, da sich ihr Setting geändert hat.
Liegt vielleicht auch daran, dass das Heroin von den GIs selten injiziert, sondern geraucht oder geschnupft wurde.
Eine Studie unter den 13760 US Army Soldaten, die im September 1971 in die USA zurückkehrten, ergab folgende Zahlen:
43% benutzten Drogen in Vietnam, 34% Heroin
10% benutzten Drogen nach Rückkehr, 7% Heroin (11% benutzten Drogen schon vor dem Einsatz - 2% Heroin) aus How Permanent Was Vietnam Drug Addiction? Lee N. Robins, Darlene H.Davis, David N.Nurco
 
Wie oft muss man Crystal Meth konsumieren, um von dem Zeug abhängig zu werden?

Zunächst ist die Dosis in Pervitin entscheidend.

heutige Methabhängige sind nicht zu sinnvollen Arbeiten fähig da sie fast immer überdosieren.
Ein bekanntes Phänomen von Süchtigen ist das sie z.b. im Rausch alles auseinandernbauen und es danach einfach kaputt ist. z.b. ihren einzigen Fernseher oder ähnliches.
In dem Zustand führt man keine erfolgreichen Operationen oder fliegt kontrolliert Flugzeug.

Daher ist denke ich auch der Abhängigkeitsgrad und die Schäden bei funktional eingenommenem Pervitin anders als beim Meth von der Straße zu rauschzwecken.
 
Zunächst ist die Dosis in Pervitin entscheidend.

heutige Methabhängige sind nicht zu sinnvollen Arbeiten fähig da sie fast immer überdosieren.
Ein bekanntes Phänomen von Süchtigen ist das sie z.b. im Rausch alles auseinandernbauen und es danach einfach kaputt ist. z.b. ihren einzigen Fernseher oder ähnliches.
In dem Zustand führt man keine erfolgreichen Operationen oder fliegt kontrolliert Flugzeug.

Daher ist denke ich auch der Abhängigkeitsgrad und die Schäden bei funktional eingenommenem Pervitin anders als beim Meth von der Straße zu rauschzwecken.

Das sind aber schon pathologische Symptome charakteristisch für jahrelangen Missbrauch und tagelangen Schlafentzug. Viele Konsumenten , auch solche mit durchaus besorgniserregendem Konsum, sind durchaus in der Lage, jahrelang unauffällig zu leben.

Sicher war das Pervitin zu Kriegszeiten weitaus sauberer und leichter zu dosieren. Außerdem ist der Einfluss gegenseitiger sozialer Kontrolle nicht zu unterschätzen, die dafür sorgte, dass man sich nicht total gehenlassen konnte. Pervitin wurde gezielt eingenommen, nicht um anschließend um die Häuser zu ziehen, sondern um Tiger zu fahren, auf die Nachtjagd zu gehen oder um einen sowjetischen Graben "auszuputzen".

Dennoch hatte auch der funktionale Konsum durchaus die Neigung zum Exzess. Viele Soldaten haben durchaus ordentlich zugelangt. Man riskierte das Leben, war zum ersten Mal als junger Mensch im Ausland, war mit anderen jungen, experimentierfreudigen Männern zusammen und hatte unter Umständen relativ leichten Zugriff auf Pervitin, Morphin und Spirituosen, und es wurden diese Substanzen auch gerne kombiniert.
 
In der Bücherei von Hünfeld habe ich einen alten Schmöker gelesen: Hans Kilian, Im Schatten der Siege". Kilian war ein renommierter Chirurg und Hochschullehrer, der über seine Erfahrungen als Chirurg im Sektor der Heeresgruppe Nord berichtete.
Darin ist auch eine Geschichte über eine Einheit die eingekesselt wurde. Man entschloss sich zum Ausbruch auf eigene Faust. Motor des Widerstands war ein junger Stabsarzt, der sich die Taschen vollstopfte mit Pervitin-Tabletten. Leichtverwundete, die man nicht zurücklassen wollte, Halberfrorene am Ende ihrer Kräfte konnten mit Hilfe des Aufputschmittels letzte Reserven mobilisieren, und der Ausbruch war schließlich erfolgreich.
 
Wie oft muss man Crystal Meth konsumieren, um von dem Zeug abhängig zu werden? (Bitte nicht testen!) Ich möchte mal behaupten, dass es nicht allzuviele Abhängige gegeben haben sollte, da schon während des Krieges bekannt war, dass der Einsatz von Crystal Meth allenfalls in Ausnahmefällen freigegeben werden sollte, da das Zeug Schlaf eben nicht ersetzte und letztlich bei Himmelfahrtskommandos eine Rolle spielte. Ob die negativen Nebenwirkungen schon bekannt waren, weiß ich nicht. Heute kann ja jeder halbwegs talentierte Hobby-Chemiker das Zeug in seiner Gartenlaube zusammenrühren, aber es dürfte zu unterstellen sein, dass Süchtige - sollte es sie gegeben haben - nach dem Krieg ein Beschaffungsproblem hatten. Kalter Entzug, sofern denn überhaupt eine Sucht bestand.

Meth-Amphetamin gehört nach heutiger Einschätzung zu den Drogen mit dem höchsten Abhängigkeits-Potenzial Chrystal Meth spielt durchaus in einer Liga mit Heroin und Kokain/Crack. Es kann durchaus relativ schnell zu einer psychischen Abhängigkeit führen. Im Gegensatz zu Alkohol, Opiaten und Morphinderivaten und Barbituraten verursachen Amphetamine keine massiven, körperlichen Entzugserscheinungen, dafür aber sehr starke psychische Symptome, die bis zu Psychosen gehen können.

Es wurde Pervitin von einer relativ kleinen "Pillenschmiede", bei den Temmler-Werken hergestellt. Das Präparat wurde sehr aggressiv beworben, und was Wehrmacht und Luftwaffe gehortet und geordert haben, war eine Menge Zeug.

Bei den Konsumenten handelte es sich mehrheitlich um junge Männer. Das Mittel war leicht, in gewissen Kreisen, der Panzertruppe und Luftwaffe sehr leicht verfügbar.

Solange die Wirkungen erwünschte waren, solange Soldaten, Piloten oder Beamte funktionierten, wurde dergleichen toleriert. Ich denke schon, dass man bei einer durchaus nicht unerheblichen Zahl von Soldaten mindestens von problematischem Konsum und psychischer Abhängigkeit ausgehen kann. Die Extremsituation des Krieges begünstigte das, begünstigte auch, dass dergleichen verdrängt wurde. Solange Ärzte, Soldaten und Piloten funktionierten, interessierte es keinen, was sie sich einfuhren.

Die (unerwünschten) Nebenwirkungen und Risiken von Präparaten wie Pervitin wurde durchaus erkannt, und durch Rezeptpflicht und soziale Kontrolle versuchte man, vorzubeugen und den Gebrauch des Präparats einzuschränken. Wer aber wollte, der kam relativ leicht auch dran. Suchterkrankungen waren im NS-Staat sehr stark tabuisiert, und offiziell gab es so etwas gar nicht.

In Fällen, wo es zu problematischem Konsum kam, wenn Kollegen sich beschwerten, kam es vor, dass Offizieren oder Ärzten ein (Alkohol oder Morphin-)Entzug nahegelegt wurde, ohne dass das als Diagnose offen angegeben wurde.

Es gab aber ein recht hohes Maß an sozialer Kontrolle, und es braucht eine Sucht eben auch Zeit, um sich zu verfestigen. Pathologische Fälle dürften sehr selten gewesen sein, und allzu große Waghalsigkeit und "Heldentum", beflügelt von Chrytal-Meth oder Kokain, endete nicht selten auch im "Heldengrab".

In der Nachkriegsgesellschaft dürfte es eine Reihe von schwer traumatisierten Personen gegeben haben, die Alkohol in problematischen Mengen konsumierten, wegen Kriegsverletzungen Morphin-Derivate einnahmen oder Medikamente wie Pervitin. Es fielen diese Leute aber in der Regel wenig auf.
 
Fragen wir mal anders:

Meinst du Suchtkranke wären in der Nachkriegsgesellschaft groß aufgefallen? War ja bei weitem nicht das einzige Suchtmittel, dass sich im Umlauf befand, zumal wenn man bedenkt, welches Maß an Alkoholkonsum in der Zeit noch normal und gesellschaftlich akzeptiert war.

Klar, wenn das Suchtmittel nicht mehr verfügbar war, stellten sich Entzugserscheinungen ein, die sich in psychischen Auffälligkeiten manifesstieren konnten, nur wir reden von einer Kriegsgesellschaft, inklusive ziemlich unapetitlicher Massaker an der Front durch die Soldaten, von, sich in Teilen explizit gegen die Zivilbevölkerung richtenden Bombenkrieg, von einer Gesellschaft, in der Konzentrationslager und die dortige barbarische Behandlung normal war, in den zum Ende des Krieges in Deutschland dann mitunter auch gehäufte Vergewaltigungen durch die Besatzungssoldaten, und im ganzen Osten die Flucht, Vertreibungsproblematik.
Dazu kommen noch die Verluste an Verwandten, die so ziemlich jede Familie zu verkraften hatte.

Ich habe die Nachkriegszeit nicht erlebt, aber der Löwenanteil der Nachkriegsbevölkerung muss psychisch einen ganz massiven Knacks gehabt haben, geht gar nicht anders. Sei es wegen Entzugserscheinungen nach Perivitn-Konsum oder wegen posttraumatischer Belastungsstörung oder sonstwas.
Das dürfte nicht groß aufgefallen sein.
Auch nicht, der nach einer Zeit einsetzende körperliche Verfall. Wenn man an Konzentrationslager, die Kriegsversehrten, die Bombenopfer etc. auch die stellenweise Mangelernährung in den ersten Nachkriegswinter denkt, wird auch da nicht viel aufgefallen sein.

Ich bin 1967 geboren wurde, da war der 2. Weltkrieg schon über 20 Jahre vorbei, Deutschlands Städte waren wieder aufgebaut, und als ich heranwuchs ging es auch mit dem Vietnamkrieg zu Ende, aber es war ständig vom Krieg die Rede, der 2. Weltkrieg war der Krieg schlechthin-so wie es der Dreißigjährige Krieg oder der Siebenjährige Krieg für die Vorfahren gewesen war. Ständig traf man auf Männer, denen ein Arm, ein Bein, ein paar Finger oder ein Auge fehlten. Mein Opa hatte im Hals eine Kanüle, die er zuhalten musste, wenn er sprechen wollte.

Immer wieder mal wurden manche Leute ganz ernst, wenn wir die Abenteuer von den Cartwrights aus Bonanza, Rauchende Colts oder Shiloh Ranch nachspielten und aus allen Rohren schossen:

"Auf Menschen schießt man nicht."

Vom Krieg traumatisiert waren sie eigentlich alle, Männer Frauen und Kinder(soldaten). So richtig ist mir das erst Jahre später bewusst geworden. Über den Krieg und was das Trauma bewirkt hat wurde auch kaum gesprochen. Wenn darüber gesprochen wurde, dann als Anekdote "damals 1940 in Frankreich....Als wir vor Moskau lagen", und unvermittelt trat dann oft Totenstille ein-, als gäbe es eine Verabredung ein bestimmtes Thema wie eine gefährliche Klippe zu meiden.

Mein Großvater hat relativ offen von Kriegserlebnissen gesprochen, aber nicht davon, wie er posttraumatische Störungen verarbeitet hat. Ich weiß von meiner Oma, dass er jahrelang unter Alpträumen litt, anfangs nicht in einem Bett schlafen konnte.

Mein anderer Opa, der Kriegsinvalide, war eigentlich bei einem Verkehrsunfall verletzt worden, und die Sache passierte, bevor der 2. Weltkrieg ausbrach bei der Zerschlagung der "Rest-Tschechei" März 1939. Er war als Kradmelder von einem entgegenkommenden LKW abgedrängt worden. Er wurde in Salzburg und erneut in Marburg operiert. Er erhielt als Kriegsinvalide von seinem Hausarzt Morphin.

Ein Großteil der Kriegsinvaliden war auf Medikamente wie Morphin angewiesen, und bei den Leuten war in der Regel eine geregelte legale Versorgung auch möglich, als 1972 das Reichsopiumgesetz von 1929 durch das BtmG ersetzt wurde.

Bisher noch gar nicht erwähnt wurden neben Morphin, Kokain, Meth-Amphetamin (Pervitin) Barbiturate wie Pheno-Barbital. Schlafmittel wie Veronal wurden relativ häufig konsumiert. Sie spielten bis in die frühen 1980er auch eine große Rolle in der Drogenszene. Bis etwa 1984 oder 1985 gab es ein Präparat namens Medinox, bis es vom Markt genommen wurde.

Burroughs erwähnt in Junkie, das in der Zeit zwischen 1944 und 1954 spielt, erwähnt neben Benzedrin, einem Amphetamin mehrmals Nembutal. In etwas höherer Dosierung ist es ein zuverlässiger Betäubungshammer für Elefanten, Grizzlies und Homo sapiens und wurde sehr gerne als K. O. Tropfen angewendet.

In hoher Dosis war Pheno-Barbital aber auch ein sehr wirksames und zuverlässiges Mittel für Suizid. Eva Braun versuchte ein oder zweimal sich mit Veronal zu vergiften, in einer Tagebuchaufzeichnung schrieb sie, dass sie sich für 25 Veronal entschieden hätte. Pheno-Barbital wurde und wird in einigen US-Bundesstaaten für tödliche Injektionen verwendet. Auch NS-Ärzte experimentierten mit Pheno-Barbital, verwendeten es in Kombination mit Morphin auch zur Tötung von Gefangenen.

Barbiturate werden heute nur noch sehr selten verschrieben. Hunde bekommen es bei Epilepsie. Als Mittel für Sterbehilfe ist Pheno-Barbital inzwischen sehr begehrt. Mit einer starken Dosis (unretardiertes) Morphin kombiniert, dürfte Pheno-Barbital ein ziemlich todsicheres Mittel sein. Es verstärkt die atemlähmende Wirkung von Morphin.

Veronal und das Präparat Eukodal verwendete die Schauspielerin Sybille Schmitz auch bei ihrem das Vorbild für die "Sehnsucht der Veronika Voss". Veronal aus dem Nachtisch seiner Mutter benutzt auch einer der Schüler aus der Roman-Vorlage für den Film "Die Brücke" für einen Suizid-Versuch.

Während und nach dem Krieg wurden Barbiturate aber auch im übertragenen Sinne verwendet, um sich völlig aus dem Leben zu schießen.
 
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