Römerforschung in der DDR

Wenn man träumen darf: Weiheinschriften, Bauinschriften, Ziegelstempel, Namensritzungen auf Besitzgegenständen, weil nur in römischen Funden Schrift vorliegt.

Da die aber auch im römischen Germanien Glücksfälle sind, sehe ich kaum bzw. keine Möglichkeiten Handelsorte oder Siedlungen namentlich zuzuordnen. Es bleiben nur wenige markante Orte an denen Siedlungskontinuität plausibel ist.

Merseburg ist durch Lage, Topographie und Funde für die Definition eines Handelspunktes ein Glücksfall.
 
Irgendwo müssen aber die Altäre, die beim Erreichen der Elbe/Saale errichtet wurden, verblieben sein. Sie wurden oft, wie Menhire, in Kirchenwände eingemauert. Die Teile eines hiesigen Denkmals wurden laut Überlieferung für einen Schleusenbau verwendet. Schleusenbauten sind da, alte Sandsteine auch, aber leider ohne ein einziges Schriftzeichen.
 
Es hat genau so wenig ein schriftliches Verbot gegeben, wie beim umstrittenen Schießbefehl.

Ach was?

In Erweiterung dieser Bestimmungen sind die Wachen, Posten und Streifen der Grenztrup-
pen der Nationalen Volksarmee an der Staatsgrenze West und Küste verpflichtet, die
Schußwaffe in folgenden Fällen anzuwenden:
[...]
zur Festnahme von Personen, die sich den Anordnungen der Grenzposten nicht fü-
gen, indem sie auf Anruf »Halt - stehenbleiben - Grenzposten« oder nach Abgabe
eines Warnschusses nicht stehenbleiben, sondern offensichtlich versuchen, die
Staatsgrenze der Deutschen Demokratischen Republik zu verletzen und keine an-
dere Möglichkeit zur Festnahme besteht;​
https://www.chronik-der-mauer.de/system/files/dokument_pdf/57115_cdm-611006-Schusswaffengebrauch.pdf

Wenn dem DDR-Regime daran gelegen hätte, Forschungen über die Römerzeit zu unterbinden (an sich schon eine völlig absurde Vorstellung, wer denkt sich denn sowas aus?), hätte es dazu irgendwann eine schriftliche Anweisung an die entsprechende Stellen gebeben.

Was die Orte betrifft, sind natürlich flussnahe Städte mit Übergängen, wie Magdeburg, Bernburg (Waladala) und Merseburg interessant.
Und was nutzt das nun für die Lokalisierung der von Ptolemaios aufgelisteten Örtlichkeiten? Der einzige Fluss im fraglichen Gebiet, den er erwähnt, ist die Elbe, und für die gibt er lediglich zwei Koordinaten an: Mündung (31° 56°15') und Quelle (39° 50°), beide bekanntlich nicht auf dem Gebiet der ehemaligen DDR.
Welche Orte an der Elbe lagen und welche nicht, verrät Ptolemaios leider nicht.
 
Ja, ein Geheimbefehl ist so geheim, dass man seine Existenz jahrzehntelang bestreiten konnte. Die Römerforschung war kein Politikum, und deshalb für die Machthaber uninteressant.
Nicht die Elbe, sondern vorzugsweise die Saale ist interessant. Bernburg, Calbe, Halle, Merseburg. Da ist noch viel zu deuteln. Auf jeden Fall wichtige Flussübergänge.
 
Ja, ein Geheimbefehl ist so geheim, dass man seine Existenz jahrzehntelang bestreiten konnte.
Warum sollte man in der DDR einen "Geheimbefehl" herausgeben, der Römerforschung unterbinden sollte - aber andererseits, den Schießbefehl für die Mauer, wodurch Menschen ums Leben kamen, als weniger geheim klassifizieren?
Da stimmen die Relationen nicht.
 
Vor den Slawen existierte kein Vakuum. Es gab hier das anerkannte Standardwerk "Die Germanen". Die Autoren berücksichtigten auch die Anwesenheit von Römern auf mitteldeutschem Gebiet, allerdings nur als Durchmarsch ohne bleibende Spuren. Römische Funde wurden als Beute oder Handelsgut deklariert.
Eine gezielte Römerforschung wäre etwa heute mit dem Schwimmen gegen den Mainstream zu vergleichen. Über die Folgen erübrigt sich jede Diskussion.
 
Römische Wurzeln passten nicht in das Konzept. Slawische Funde waren willkommen in einer kulturellen Abgrenzung gegenüber dem Westen.

Zu DDR-Zeiten gab es Publikationen über römische Funde, und es gab Publikationen über slawische Funde.

Und bis heute ist halt keine einzige römische Siedlung zum Vorschein gekommen, darum gibt es auch bis heute keine einzige Publikation über Römerstädte an Elbe und Saale.*
Während es slawische Siedlungen zuhauf gibt, über die man auch publizieren kann.

War man denn in der Tschechoslowakei westlich orientiert und hat sich kulturell gegen die Slawen abgegrenzt? Dort wurden die römischen Befunde in Mušov (da gibt es immerhin steinerne Gebäude) in den 1980er Jahren untersucht.

(*Märchenbücher ausgenommen...)
 
Es gab hier das anerkannte Standardwerk "Die Germanen".
In diesem Handbuch geht es aber auch um die Römer. Von besonderen Interesse war natürlich die römische Sozialgeschichte aus Sicht des Historischen Materialismus nach Marx und Engels. In der marxistische Theorie spielt die römische Geschichte eine wichtige Rolle, da am Beispiel des Imperiums der Übergang der antiken Sklavenhaltergesellschaft zum Feudalismus aufgezeigt werden konnte.
 
Wer auf dem Gebiet der Wissenschaft tätig ist, kann sich genau damit die ersehnten Lorbeeren verdienen. Etwas Neues herauszufinden, zu neuen Ufern vorzustoßen, ist das Bestreben jedes Wissenschaftlers!
Ich glaube, dies hatte Dr.Pflug auch vor. Nachdem er das Schloss seines Heimatortes vor dem Abriss bewahrt hatte, schrieb er als Schlossdirektor kleinere Abhandlungen über seine Heimat. Der alte Elbübergang hatte zu dieser Zeit noch keine römischen Wurzeln. Aber vermutlich brachte ihn das alte Fundament in der Elbe auf "römische Ideen" Und die ersehnten Lorbeeren wollte er mit dem Paukenschlag "Varusschlacht" verdienen. Er ging schief. Und sein "Drusus" wurde nicht mehr gedruckt. Kein ernsthafter (!) Wissenschaftler hat seitdem versucht, nach der Varusschlacht in Ostdeutschland zu suchen. Ein bekannter Pseudowissenschaftler musste zwangsläufig scheitern.
 
Das glaube ich auch. Er hat nur etwas sehr Wichtiges übersehen: Wenn man wissenschaftliche Ergebnisse erzielen will, muss man wissenschaftlich arbeiten.
Er hat als Architekt offenbar vorgefundene Baukörper mit römischen Standarmaßen verglichen und Übereinstimmung gefunden. Ein Baukörper von ca. 80m Länge und ca 25m Breite war nicht ortstypisch und ist bis heute ein Rätsel Und er hat sehr breitgefächert recherchiert. Dann verlief sich die Recherche im Dunkeln. Archive ausgebrannt, Zeitzeugen längst verstorben. Ende Legende.
 
Es geht um Orte westlich der Saale, wie das angeblich lokalisierte Luppia.
Ich mache mal hier weiter: Die entzerrte Karte des Claudios Ptolemaios

Er hat als Architekt offenbar vorgefundene Baukörper mit römischen Standarmaßen verglichen
Da fängt das Problem schon an: Mit welchen Methoden hat er die angeblichen römischen "Standardmaße" erhoben? Wenn hier keine wissenschaftliche Methodik angewendet wird, kann man bekanntlich jeden beliebigen Schabernack treiben. Du erinnerst Dich sicher an die erheiternden 9-10-Leugen-Diskussionen.
 
Er schreibt z.B.:
"Eine der immer wiederkehrenden Normen ist das Maß der Kastellänge von 80m" und nennt dafür Beispiele, u.a. das Uferkastell von Mainz. "Die klar abgezirkelte Geometrie des Grundrisses, die Gradlinigkeit der Mauern und die Anwendung des Typenmaßes sprechen eindeutig für die Zuweisung des Baues in die Römerzeit. Auch der steinharte Mörtel, der dem Angriff des Wassers so viele Jahrhunderte trotzte, ist ein Zeichen dafür, denn nur hydraulische Bindemittel vermögen diese Eigenschaft hervor zu rufen."
So weit kann man der Argumentation eines promovierten Architekten durchaus folgen. Die von dem ehemaligen Kreispfleger L. im Verband entdeckten großformatigen gestempelten Ziegel konnten leider nicht überprüft werden, was aber einer nachgesagten unordentlichen Dokumentation desselben zu danken ist.
In der festen Überzeugung, am wichtigsten Übergang der Mittelelbe ein römisches Wasserkastell entdeckt zu haben, baute Pflug wahrscheinlich seine Hypothese von der Anwesenheit römischer Truppen auch nach der Varusschlacht auf. Aber außer dieser nun wahrscheinlich bestätigten Anwesenheit lag er in seinem "media in germania" mit sämtlichen weiteren Schlussfolgerungen voll daneben. Sein "Drusus" ist etwas realistischer.
Es muss zukünftigen Forschungen vorbehalten bleiben, zu klären, ob es sich bei dem Bau in der Elbe um eine riesige Burganlage oder um etwas älteres handelt. Die Chancen stehen schlecht, da ständig große Mengen Schotter um die Buhnenköpfe geschüttet werden.
 
Er schreibt z.B.:
"Eine der immer wiederkehrenden Normen ist das Maß der Kastellänge von 80m" und nennt dafür Beispiele, u.a. das Uferkastell von Mainz.
Ja, das ist doch wohl derselbe Firlefanz wie bei der vorgeblichen "9-10-Leugen-Regel". Die Römer haben bekanntlich Tausende von Kastellen in jeder erdenklichen Größenordung gebaut. Welche Relevanz hat da die Feststellung, dass da das eine oder andere mit einer Seitenlänge von 80 m dabei ist?
 
Pflug meinte, dass viele Limeskastelle diese 80 m zeigten, u.a. Saalburg 1.Periode. Dem gegenüber sind aus der in Frage kommenden Zeit (ca.11. bis 12. Jahrhundert) hier rechteckige langgestreckte Bauwerke von ca. 80x25 m nicht bekannt. Alle umliegenden Burganlagen zeigen runden Querschnitt. Natürlich ist der exakte Grundriss unbekannt. Es soll aber Trümmer eines runden Turms gegeben haben. Als Architekt dürfte er mit solchen Bauwerken intensiv konfrontiert worden sein. Ich selbst tendiere eher zu der Hypothese, dass hier Burg und Kirche vereint hintereinander errichtet wurden. Dies zog Pflug aber nicht in Betracht.
 
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