Die entzerrte Karte des Claudios Ptolemaios

Zumal: es gibt keine punischen Reiterstandbilder. Punische Denkmäler nur wenige, wenn dann als Grabmale und Kultbilder. Ein Reiterstandbild bei reinen Seefahrern und Fernhändlern wie den Puniern ergibt keinen Sinn.
Auf den Azoren gibt es keine archäologischen Belege für eine Besiedlung vor dem 15. Jahrhundert. Nota: bitte keine Steinpyramiden und Unterwasserfelsen mehr, auch keine esoterischen Berichte.
 
Das ist kein Gegensatz .
Denn es ist ja recht einfach durch Konstruktion etwa den Sinus eines Winkels zu bestimmen.
Ich selbst habe die Methode des Rechnens durch Konstruktion bis in das 21. Jahrhundert :) angewandt.
Die numerische Berechnung des Sinus, um beim Beispiel zu bleiben, glückte Taylor Anfang des 18. Jahrhunderts.
Es entstanden in der Folge numerische Tabellenbücher deren Zuverlässigkeit erst mit dem späteren Aufkommen von numerischer Rechenmaschinen gegeben war.
Es wird lange dauern bis eine fast beliebige Rechenkapazität entsteht, um die höchst mühsame Rechenarbeit soweit zu übernehmen, dass es nicht schlicht einfacher und auch weit schneller ist ein mathematisches Problem auf dem Zeichenbrett zu lösen.

Die von Dir angesprochenen "Sehnentafeln" hat Ptolemaios in seinem Almagest (Synt. 1,10f.) beschrieben. Detailliert erklärt hat diese Tafeln Stückelberger im Ergänzungsband zur Geographie. Die Tafeln dienten Ptolemaios und anderen beteiligten Geographen aber wohl hauptsächlich zur Ermittlung der geographischen Breite nach einer Himmelsbeobachtung. Für den überwiegenden Teil, des Ortskataloges wird aber angenommen, daß keine Himmelsbeobachtungen vorlagen. Dies beklagt Ptolemaios selbst. Die fehlenden Koordinaten dieser Orte wurden nach seinem Zeugnis, in Abhängigkeit von den astronomisch ermittelten Orten, geometrisch auf der Karte bestimmt. (Geogr.1,2,2) "...insofern sie durch blosse Vermessung der Distanzen die gegenseitige Lage der Orte aufzeigt...".
Durch das weitgehende Fehlen der Richtungskomponente in dieser Berechnung entstanden dann Differenzen. Diese sind aber nicht systematisch, sondern in jedem einzelnen Zeichnungsvorgang unique. Wenn man diese Fehler herausrechnen wollte, müsste man also zunächst einzelne Konstruktionsvorgänge isolieren.

Gruß
jchatt
 
Zurück zu Ptolemäus: Betrachtet man, welche Daten er genutzt haben kann, muss man sich mit der Geschichte dieser Völker befassen. Handel zwischen Nord und Süd gab es schon länger (Himmelsscheibe), intensiv wurde er aber um 900 v. Chr.. Aufgrund der Vergrößerung der Bevölkerung begann Griechenland Kolonien im westlichen Mittelmeer zu gründen. Die Phönizier hatten das gleiche Problem. Sie gründeten Karthago. Die Griechen breiteten sich im nördlichen Mittelmeer aus, die Karthager taten das Gleiche im Süden bis Südspanien. Kann man alles in Wikipedia nachlesen.
Es gab auch erste Expeditionen in den Atlantik entlang der portugiesischen Küste (Hanno). Die Griechen sollen damals u.a. schon die Rhone aufwärts, über Land zur Seine und dann bis zur Mündung gelangt sein.
Um aber gefundene (See)-Wege für spätere Reisen wiederholbar zu machen, mussten genaue Daten her, die es möglich machten, die Daten von einem beliebigen Ort reproduzierbar zu machen. Dabei nutzten die Griechen den Polarstern. Sie nahmen aber den Fehler in Kauf, dass man ohne optische Hilfsmittel diesen Punkt am Nachthimmel nicht sehen konnte. Das wusste aber Ptolemäus nicht, folglich wurde sein Koordinatensystem schief.
 

Anhänge

  • Kochab01.pdf
    21,4 KB · Aufrufe: 154
Zurück zu Ptolemäus: Betrachtet man, welche Daten er genutzt haben kann, muss man sich mit der Geschichte dieser Völker befassen.

Um herauszubekommen, welche Daten Ptolemaios genutzt haben kann, muss man sich erst einmal mit dem befassen, was Ptolemaios selber schreibt.


Um aber gefundene (See)-Wege für spätere Reisen wiederholbar zu machen, mussten genaue Daten her, die es möglich machten, die Daten von einem beliebigen Ort reproduzierbar zu machen. Dabei nutzten die Griechen den Polarstern. Sie nahmen aber den Fehler in Kauf, dass man ohne optische Hilfsmittel diesen Punkt am Nachthimmel nicht sehen konnte. Das wusste aber Ptolemäus nicht, folglich wurde sein Koordinatensystem schief.

Da der Polarstern damals noch deutlich am Nachthimmel kreiste, eignete er sich nicht sehr gut zur Erhebung "genauer Daten". Und Ptolemaios hatte seine Koordinaten nicht von "den Griechen", die haben nämlich im allgemeinen überhaupt keine astronomische Daten erhoben, sondern von einem ganz bestimmten Griechen, nämlich von Hipparch. Und dieser war sich über die Entfernung des Polarsterns vom Himmelsnordpol ebenso im Klaren wie Ptolemaios.

Ptolemaios schreibt:
"... könnte man die Zeichnung der Karte der Oikumene auf vollkommen verlässlicher Grundlage herstellen, wenn nur die Leute, welche einzelne Länder bereisten, sich solcher astronomischer Beobachtungen bedient hätten".​

Ptolemaios beklagt also, dass die Reiseberichte eben keine astronomischen Beobachtungen enthalten.

Weiter schreibt Ptolemaios:
"Nun hat uns aber einzig Hipparch bei einigen Städten, und zwar im Vergleich zur riesigen Zahl von Orten, die auf einer Erdkarte eingetragen werden sollten, nur bei ganz wenigen, die Polhöhen überliefert und die auf den gleichen Breitenkreisen liegenden Siedlungen."​

Also war Hipparch der einzige Gewährsmann, der Ptolemaios Breitenangaben aufgrund der Polhöhen geliefert hat, und diese Angaben waren nicht auf den Polarstern bezogen, sondern auf den korrekten Pol. Ferner ergibt sich daraus, dass Ptolemaios nur zu sehr wenigen Orten überhaupt astronomisch ermittelte Angaben zur Verfügung standen.

Und einige Sätze später schreibt Ptolemaios:
"Die meisten Entfernungen aber, und ganz besonders diejenigen nach Osten oder Westen, sind nur recht ungenau überliefert, nicht aus Leichtfertigkeit derjenigen, die sich mit deren Erforschung befassten, sondern wohl deswegen, weil die auf astronomischer Beobachtung beruhende Berechnung noch nicht geläufig war..."​
 
Hipparch ( * um 190 v. Chr. in Nicäa; † um 120 v. Chr.) lebte vor ca. 2200 Jahren. Damals war der konkrete Pol noch einiges vom Polaris entfernt, der heute unser Polarstern ist und noch eine Weile bleibt. Wenn die Griechen solche Dilettanten waren, haben sie doch mit der Mechanik von Antikythera gearbeitet. Wozu sind sie mit dem Ding auf einem Schiff gereist?
 
Hipparch ( * um 190 v. Chr. in Nicäa; † um 120 v. Chr.) lebte vor ca. 2200 Jahren. Damals war der konkrete Pol noch einiges vom Polaris entfernt, der heute unser Polarstern ist und noch eine Weile bleibt.

Ja, das wusste Hipparch.
Und Ptolemaius wusste, dass Hipparch das wusste. Er schreibt:
"Es wird aber von Hipparch übermittelt, dass der südlichste Stern des Kleinen Bären, nämlich der letzte seines Schwanzes, vom Himmelsnordpol 12° 24' entfernt ist."​
 
Die von Dir angesprochenen "Sehnentafeln" hat Ptolemaios in seinem Almagest (Synt. 1,10f.) beschrieben .....
Danke für den Hinweis. Ich wusste gar nicht, dass es Sehnentafeln gab.
Interessant auch Dein Beitrag: Koordinatenermittlung bei Ptolemaios(2016)
Wenn man diese Fehler herausrechnen wollte, müsste man also zunächst einzelne Konstruktionsvorgänge isolieren.
So wie ich Dich verstehe ist selbst das nicht möglich.
 
Ich kopiere mal diesen Beitrag aus einer anderen Diskussion rein:

Wenn man träumen darf: Weiheinschriften, Bauinschriften, Ziegelstempel, Namensritzungen auf Besitzgegenständen, weil nur in römischen Funden Schrift vorliegt.

Da die aber auch im römischen Germanien Glücksfälle sind, sehe ich kaum bzw. keine Möglichkeiten Handelsorte oder Siedlungen namentlich zuzuordnen. Es bleiben nur wenige markante Orte an denen Siedlungskontinuität plausibel ist.

Merseburg ist durch Lage, Topographie und Funde für die Definition eines Handelspunktes ein Glücksfall.

Abgesehen von Inschriften gibt es noch die Möglichkeit, Orte aufgrund der Methoden der Ortsnamenkunde zu identifizieren. Da gibt es für einen beträchtlichen Teil der Orte eine Namenskontinuität, z. B.:
Colonia Agrippinensis - Colne - Köln
Bonna - Bonn
Mogontiacum - Magancia - Mainz
Brocomagus - Bruochmagat - Brumath
Augusta Raurica - Augst

Es bleiben einige wenige "Phantomorte", z. B. "Traiana" zwischen Bonn und Mainz, hier hat Ptolemaios wahrscheinlich eine Notiz, wonach die Legio XXII abwechselnd in Mainz und Xanten (Ulpia Traiana) stationiert war, missverstanden.
Es bleibt dann nicht viel übrig, was sich einer eindeutigen Lokalisierung entzieht; Rufiniana ist m. W. nicht wirklich zu identifizieren.
 
Es geht um Orte westlich der Saale, wie das angeblich lokalisierte Luppia.
Wie gesagt: Ptolemaios kennt keine Saale, daher gibt es auch keine Handhabe, sie zur Lokalisierung der von Ptolemaios genannten Orte zu verwenden.

Ist Dir eigentlich die grundlegende Problematik bewusst?
Die verschiedenen Ptolemaios-Abschriften haben oft unterschiedliche Koordinaten und sind oft auch in sich nicht stimmig. Wenn ich mich an die bei Stückelberger/Graßhoff veröffentlichten Daten halte (und die in Klammern angegebenen Koordinaten einzelner abweichender Handschriften weglasse), lese ich beispielsweise im 8. Buch folgendes:

"Luppia hat einen längsten Tag von 16 5/6 h. Die Entfernung von Alexandria in Richtung Westen beträgt 1 2/3 h.
[...]
Iulium Carnicum/Zuglio hat einen längsten Tag von gut 15 1/2 h. Die Entfernung von Alexandria in Richtung Westen beträgt 1 2/3 h."
Wir können davon ausgehen, dass die Werte von Alexandria auf sorgfältigen Messungen beruhen. Die Lokalisierung von Alexandria und Iulicum Carnicum (Zuglio) ist gesichert. Blöderweise hat sich Ptolemaios regelmäßig bei den Ost-West-Entfernungen verschätzt und zu große Werte angegeben. Tatsächlich beträgt die Differenz zwischen Alexandria und Zuglio nur ca. 1 1/8 h.

Nehmen wir aber mal an, dass die Nord-Süd-Werte in sich stimmig sind, d. h. Zuglio und Luppia auf derselben Länge liegen, dann müssten wir Luppia in der Gegend von Potsdam verorten, auf jeden Fall östlich der Saale.
 
Ich habe mich nicht näher mit Ptolemaios beschäftigt.
Die Angabe:
Luppia hat einen längsten Tag von 16 5/6 h,
ist doch aber so konkret, dass sie nachvollziehbar sein müsste. Allerdings ist mir die damalige Methode der Zeitmessung unbekannt. Sanduhr?
 
Allerdings ist mir die damalige Methode der Zeitmessung unbekannt. Sanduhr?
Wahrscheinlich wurden in vielen Fällen gar keine Stunden gemessen, sondern die Breite der Orte zunächst mit anderen Mitteln bestimmt und dann in Stunden umgerechnet:

"Nun finden sich aber bei den Angaben der Tageslängen im 8. Buch ungewöhnliche 'ultrapräzise' Stundenangaben wie 1/9 h, 1/15 h, 1/20 h, 1/90 h, die kaum messbare Stundenbruchteile voraussetzen, sowie zahlreiche präzisierende - allerdings nummerischer nicht fassbare - Angaben wie έγγιστα (annähernd) und καί τι (gut). Man kann daraus keinen anderen Schluss ziehen, als dass die heute vorhandenen Stundenangaben nachträglich aus den Koordinaten des Ortskataloges errechnet wurden. Ptolemaios bestätigt dies ausdrücklich in Geogr. 8,2,1 "... die Polhöhen der 'bedeutenden Städte' der jeweiligen Länder, umgerechnet in die Dauer des längsten Tages"
(Stückelberger/Graßhoff, Ergänzungsband S. 140)
 
Wenn ich mich mit so einem Thema befasse, mache ich etwas anders als allgemein üblich. Hier habe ich die Daten übernommen und dann die Frage gestellt: "Wie haben die Griechen und Römer das gemacht?" Das dauert meist etwas länger, ehe ich zu einer Lösung komme. Dafür schreibe ich nichts ab, was vielleicht der Autor selbst falsch gemacht hat.
Die Römer nutzten den Gnomon, der mit dem indischen Kreis verbessert wurde. Hier benötige ich keine Uhr und keinen Kompass, dafür aber einen genauen Kalender.
Die Griechen nutzten den Stern Polaris als Polarstern. Dafür hatten sie mit der Verlängerung der Linie zwischen den Kastensternen des Gr. Bären und dem Stern Polaris eine supergenaue 24 Stunden-Einzeiger-Uhr ein Messgerät, das heute noch funktioniert.
Die Perser oder noch weiter östlich Inder und Chinesen habe ich nicht betrachtet.
Komisch ist, dass allen betrachteten Orten der griechische Breiten-Fehler unterliegt. Das ganze Koordinatensystem ist schief.
Die Werte für Gallien und der Nordküste Afrikas dürften aus dem 1. Jh. v. Chr. stammen, als Cäsar das ehemalige Karthago wieder aufbauen ließ, während er selbst Gallien eroberte.
Wenn ich dann lese, dass die Elbmündung damals schon bei Cuxhaven lag, von mir ein Tipp. Mal bei Wikipedia unter "Doggerbank" nachlesen.
 

Anhänge

  • Kapverden_1.jpg
    Kapverden_1.jpg
    180,8 KB · Aufrufe: 149
Wenn ich mich mit so einem Thema befasse, mache ich etwas anders als allgemein üblich. Hier habe ich die Daten übernommen und dann die Frage gestellt: "Wie haben die Griechen und Römer das gemacht?" Das dauert meist etwas länger, ehe ich zu einer Lösung komme. Dafür schreibe ich nichts ab, was vielleicht der Autor selbst falsch gemacht hat.
Die Römer nutzten den Gnomon, der mit dem indischen Kreis verbessert wurde. Hier benötige ich keine Uhr und keinen Kompass, dafür aber einen genauen Kalender.
Die Griechen nutzten den Stern Polaris als Polarstern. Dafür hatten sie mit der Verlängerung der Linie zwischen den Kastensternen des Gr. Bären und dem Stern Polaris eine supergenaue 24 Stunden-Einzeiger-Uhr ein Messgerät, das heute noch funktioniert.
Die Perser oder noch weiter östlich Inder und Chinesen habe ich nicht betrachtet.
Komisch ist, dass allen betrachteten Orten der griechische Breiten-Fehler unterliegt. Das ganze Koordinatensystem ist schief.
Die Werte für Gallien und der Nordküste Afrikas dürften aus dem 1. Jh. v. Chr. stammen, als Cäsar das ehemalige Karthago wieder aufbauen ließ, während er selbst Gallien eroberte.
Wenn ich dann lese, dass die Elbmündung damals schon bei Cuxhaven lag, von mir ein Tipp. Mal bei Wikipedia unter "Doggerbank" nachlesen.

Könntest Du bitte mal erläutern, was Du eigentlich mitteilen willst?
Dass die Elbmündung bei Cuxhaven liegt, ist bekannt. Die Doggerbank ist bei Ptolemaios wohl kaum verzeichnet, und die Inseln, die auf der beigefügten Zeichnung zu sehen sind, liegen ganz sicher weder auf der Doggerbank noch bei Cuxhaven.
Der Gnomon wurde nicht nur von den Römern benutzt, sondern auch von den Griechen, Chinesen und allen möglichen anderen Völkern, wahrscheinlich schon seit der Steinzeit. Und mit dem "indischen Kreis" kann man die Himmelsrichtungen bestimmen, aber nicht die geographische Länge.
Und Caesar hat den Weg nach Alesia sicherlich gefunden, ohne Längen- und Breitenkoordinaten vermessen zu lassen.
 
Laut wiki lokalisierte Andreas Kleinemann mit Lelgemann et al Amisia in Geismar bei Fritzlar, wie es auch der welt-Artikel erwähnt und etwa ein Jahr später bei Obervorschütz ebenfalls nicht weit von Fritzlar. Ich bin generell skeptisch bei Lokalisierungen nach der Ptomälischen Karte. Gründe für diese Skepsis wurden von Sepiola schon öfter benannt. Auch El Quijotes letzter Link bestätigt ja eine gewisse Skepsis.

Den Link hatte Sepiola bereits früher gesetzt.
Ich bin allerdings auch bei Reichenberger/Schlosser skeptisch.

Etwa, wenn sie Xanten mit Asciburgium identifizieren und da eine Abweichung von 5 km postulieren.
Südlich von Xanten lagen Vetera I und II, nördlich von Xanten die CUT. Asciburgium lag bei Moers Asberg, das sind 30 km von Xanten entfernt.
Oder Nabalia/Navalia. Das sind wortwörtlich Werften, die sind auf der Karte zu Recht am Rhein eingezeichnet. Wie kommen die Verfasser auf Enschede? Das ist nun wirklich kein Ort, wo man Werften erwarten würde. Das sind 75 km bis zum Rhein, Reichenberger/Schlosser vermuten hier einen Rechenfehler von 20 km.
Oder Novaesium - Neuss. Reichenberger/Schlosser setzen hierfür Bad Hersfeld und einen Rechenfehler von 15 km an. Zwischen Neuss und Bad Hersfeld liegen aber fast 300 km.
Flevum identifizieren sie mit Emden, dabei ist auch Flevum mit Velsen (gegenüber IJmuiden) archäologisch gut belegt. Auch hier behaupten sie einen Rechenfehler von 20 km, dabei sind es auch hier so ca. 250 km, die zwischen Velsen und Emden liegen.

Freilich gibt es auch Gründe Novaesium oder Asciburgium nicht für am Rhein gelegene Orte zu halten. Denn die Rheinschiene wird bereits in der Beschreibung der Gallia Belgica abgearbeitet. Dort liegen sie alle etwa auf dem 29. ptolemaiischen Längengrad. Wenn man die Orte, in der Beschreibung der Germania betrachtet, die eigentlich der Rheinschiene zuzuordnen wären, dann liegen die zwischen dem 29. und 31. ptolemaiischen Längengrad. Orte die östlich des Rheins liegen müssten, liegen z.T. westlich dieser Orte an der Rheinschiene. Sowohl Kleinemann/Marx/Lelgemann als auch Reichenberger/Schlosser gehen gewissermaßen davon aus, dass die Orte alle einigermaßen korrekt in ihrer Lage wiedergegeben sind. Sie nähern sich nur über verschiedene Rechenmethoden der Lokalisierung. Ich halte es schlicht für einen Fehler, zu glauben, man könnte die Lage der Orte errechnen. Ich halte Doppelnennungen nicht grundsätzlich, aber doch potentiell, für Doubletten, wie wir sie ja z.B. auch in der Tabula Peutingeriana nachgewiesen haben. Sepiola hat letzthin gezeigt, dass auch bei Ptolemaios die CUT falsch eingezeichnet ist, nämlich nicht bei Vetera, sondern zwischen Bonn und Mainz. Und somit sollten wir uns über weitere Fehler bei Ptolemaios nicht wundern. Dass die Rheinschiene in der Darstellung der Gallia Belgica stur auf dem 29. ptolemaiischen Längengrad liegt und auf der Karte der Germania zwischen dem 29. und 31. ptolemaiischen Längengrad, ist dabei nicht so gravierend, Ptolemaios hat in Alexandria mit unzureichenden Daten gearbeitet, er hat den Rhein nie gesehen.

Ähnliche Fehler findet man auch in der Karte von der Baetica (Andalusien), da findet man etwa Onoba (Huelva) doppelt, einmal einigermaßen korrekt, an der Mündung des Anas flumen/Guadiana, aber auch einmal in der Provinz Cádiz. Cádiz und der Tempel der Iuno liegen auf zwei verschieden Längengraden, Medina Sidonia (Asidonia), das in der Realität östlich von Cádiz,leicht südlich davon liegt, liegt bei Ptolemaios deutlich nördlich. Granada (Iliberris) das in der Realität ziemlich direkt nördlich von Almuñécar (Sexi) liegt, liegt bei Ptolemaios deutlich östlich davon.
Die Kette Córdoba-Écija-Carmona-Sevilla, die von Nordosten leicht südwestlich führt, ist bei Ptolemaios eine Zickzacklinie: Bei ihm muss man von Corduba erstmal leicht nordwestlich nach Astigi und von dort scharf südlich nach Carmonia, das mit Corduba fast wieder auf einem Breitengrad liegt. Nur das Verhältnis von Carmona und Sevilla ist bei Ptolemaios von diesen vier Städten einigermaßen korrekt dargestellt.

Wenn man dieses Kuddelmuddel der gut tradierten baetisch-andalusischen Städte dann wiederum auf Mitteleuropa überträgt, wo bei vielen Orten jenseits des Rheins eigentlich nur Rätselraten möglich ist, ist jeder Versuch, einem ptolemaiischen Ort einen existierenden modernen Ort zuzuordnen reine Phantasterei. Denn würde man ohne Ortskenntnisse Ptolemaios als Wanderkarte für Andalusien verwenden, würde man sich hoffnungslos verlaufen. Die Karte ist gewissermaßen in sich verdreht. Mal mit Abweichungen nach Norden, mal nach Süden, mal nach Osten und mal nach Westen, völlig unsystematisch. Und somit muss man sich auch nicht wundern, wenn Orte, die am Rhein liegen östlich von Orten verortet sind, die eigentlich östlich des Rheins liegen.
 
Als Anlage sende ich eine Karte, die die Lage am Rhein zeigt. Grafisch erhalte ich für Asciburgium den Ort Bocholt. Da ich aber zu Herrn K.-H. Schulze tendiere, der meint, dass die germanischen Orte nördlich der Kelten Flussübergänge zeigen sollen, habe ich mich aber für Wesel entschieden.
Die Karte zeigt die Längen- und Breitendifferenzen auf beiden Seiten des Rheins und am rechten Bildrand den Breitenfehler für Germanien.
Wende ich den Breitenfehler für die Küstenorte an Nord- und Ostsee an, bekomme ich klare Ergebnisse. Bei Aregelia komme ich auf einen Ort 3 km westlich von Radegast. Hier würde ich aber Zörbig wählen, das an hohen Ufer unweit der Fuhne liegt. Dort gab es seit grauen Vorzeiten einen Knüppeldamm um die Fuhne zu überwinden. Dies entspricht wiederum der These von Herrn Schulze.
 

Anhänge

  • Fehler_Mainz1.jpg
    Fehler_Mainz1.jpg
    121,9 KB · Aufrufe: 157
Die Fuhne war kein eigentlicher Fluss, sondern ein ca. 12 km breiter Sumpf. Der wichtigste Übergang war bei Radegast. Zörbig zeigt zwar eine Umwallung, die römisch aussieht, aber es gibt keine eindeutigen Funde. Je nach Bewegungsrichtung könnte der Saaleübergang bei Könnern oder Halle gelegen haben.
 
Als Anlage sende ich eine Karte, die die Lage am Rhein zeigt. Grafisch erhalte ich für Asciburgium den Ort Bocholt. Da ich aber zu Herrn K.-H. Schulze tendiere, der meint, dass die germanischen Orte nördlich der Kelten Flussübergänge zeigen sollen, habe ich mich aber für Wesel entschieden.
Asciburgium dürfte der '(befestigte) Ort bei den Eschen' sein. Es besteht also theoretisch durchaus die Möglichkeit, dass der Ortsname mehr als einmal vorkommt. Und so nennt Ptolemaios einen Ἀσκιβουργίου ὂρους (Asciburgium-Berg), der irgendwo "bei" der Elbe liegen muss (wobei dieses bei in einer unbekannten Relation zur Elbe zu verstehen ist). Und in einem Verhältnis außerdem zu den Weichsel-Quellen steht (im Prinzip lokalisiert Ptolemaios Stammesgebiete verschiedener germanischer Stämme rund um die Berge Melibocus (der gerne mal mit dem Brocken identifiziert wird) und den Asciburgium-Berg, sowie anhand der Elbe und der Weichsel und des Opkynionischen Waldes (Ὀπκύνιον Δρυμόν; nach der lateinischen Fassung des orkynischen Waldes, wer darin eine Verballhornung des bekannten herkynischen/hercynischen Waldes lesen will, mag das tun).

Allerdings haben wir ein recht bekanntes Asciburgium (Moers-Asperg) mit Römerlager, einer historisch belegten Schlacht während des batavischen Aufstandes und einer nicht historischen aber archäologischen belegten Schlacht im 3. Jhdt, sowie einem über 600 Jahre genutzten Gräberfeld.

Der Ort Asciburgium liegt bei Ptolemaios auf der Länge 27°30 und der Breite 52°30
Vergleichen wir das mit Ναυάλια, den Werften, die liegen unwesentlich westlich davon bei 27°20 und 54°00

D.h. Asciburgium liegt auf einem Längengrad mit
- Vetera 27°30 (51°50)
und der CUT
Legio I Minervia Trajana Legio XXII 27°30 50°35

Es soll aber dann nördlich von Vetera liegen (je höher die Zahlen der Breitengrade, desto nördlicher, das gilt sowohl bei Ptolemaios als auch bei unseren modernen Breitengraden (die allerdings vom Äquator aus zählen, also der Äquator ist 0°, von dort aus steigen die Breitengrade jeweils nach Süd und Nord).

Allerdings haben wir hier ja auch den deutlichen Fehler bei der CUT, die tatsächlich wenige Kilometer nördlich von Vetera lag, bei Ptolemaios aber deutlich südlich liegt, sogar südlicher als Köln und Bonn:

Legio XXX Ulpia Agrippinensis 27°40 51°10
Bonna 27°40 50°50
Legio I Minervia Trajana Legio XXII 27°30 50°35
Mocontiacum 27°20 50°15

Wir sehen also, dass hier deutliche Fehler vorliegen. Allerdings nicht nur in der Breiten-, sondern auch in der Längenbestimmung.
Main etwa liegt bei Ptolemaios so weit westlich wie Köln und westlicher als Bonn, tätsächlich liegt es östlicher.

Ptolemaios' Null-Meridian verläuft irgendwo im Atlantik und die iberische und afrikanische Westküste (Mauretania Tingitana) wird erst vom 4. Längengrad berührt. Je höher also der Längengrad, desto weiter östlich befindet man sich.

Bei der Vielzahl an Fehlern selbst nahe beieinander gelegener Städte ist es schlicht unseriös, einen Ort lokalisieren zu wollen, sofern man nicht die Fehlerquelle bzw. -ursache ganz genau benennen kann. Da aber die Fehler absolut unsystematisch sind, lässt sich auch die Fehlerursache naturgemäß nicht benennen. Wahrscheinlich beruht sie schon auf Ptolemaios uneinheitlich übermittelten Daten. Und da bleiben uns nur die inschriftlichen Belege und die Ortsnamenkontinuität, um einen Ort zu identifizieren. Ergo ist jede mathematische Lokalisierung a priori Unsinn. Zufallstreffer bestätigten die Regel, dass Ausnahmen die Regel bestätigen. Aber... tja...: wie will man die Zufallstreffer als korrekt beweisen?

Wenn man mit Ptolemaios von Vetera zur CUT wandern würde, würde man anstatt eine Stunde Fußmarsch Richtung Norden (korrekt) mehrere Stunden Fußmarsch nach Süden antreten und am Ende irgendwo ankommen, aber nicht in der CUT.

Und so wie das Verhältnis von Vetera und der CUT, von Köln und Bonn zur CUT und zu Mainz etc. nicht stimmt, dürfen wir nach Gebrauch von Occams Rasiermesser positiv annehmen, dass das offenbar am Rhein gelegene (selber Breitengrad) Asciburgium das uns bekannte Asciburgium, also Moers-Asperg ist, auch wenn Ptolemaios es im Verhältnis zu den anderen Städten zu weit nördlich ansiedelt - so eben wie er die CUT zu weit südlich oder Mainz zu weit westlich verortet.
 
Ergo ist jede mathematische Lokalisierung a priori Unsinn..
Das sticht auch bei den norischen Orten deutlich ins Auge.
Ich habe ja schon mal die (aufgrund von Inschriften, Meilensteinen etc.) sicher lokalisierbaren Orte dargestellt: Die entzerrte Karte des Claudios Ptolemaios

Mit Sicherheit lokalisierbar sind Aguntum, Teurnia, Virunum, Celeia und Iulium Carnicum.

Bei Kleineberg/Marx/Knobloch/Lelgemann finden wir zu drei dieser fünf Orte dann folgende Kommentare:

Aguntum: "Nach den überlieferten Koordinaten liegt Aguntum/Dölsach bei Lienz [...] zu weit westlich [...] Daher lässt sich hier ein Schreibfehler annehmen [...]"
Teurnia: "Nach den überlieferten Koordinaten ist Teurnia/St. Peter in Holz [...] falsch positioniert. Daher lässt sich hier ein Schreibfehler annehmen [...]"
Celeia: "Nach den überlieferten Koordinaten ist Celeia/Celje in Slowenien [...] falsch positioniert [...] Daher lässt sich hier ein Schreibfehler annehmen [...]"

Weitere Orte können mit hoher Wahrscheinlichkeit lokalisiert werden. Dazu gehören Bedacum (= Bedaium/Seebruck am Chiemsee) und Arelate (= Arelape/Pöchlarn).

Dazu lese ich dann:

Arelate: "Dieser südlich in Donaunähe gelegene Ort ist aufgrund seines Namens mit dem im Itin. Ant. (234, 3; 248,5) erwähnten Arlape/Pöchlarrn an der Mündung der Erlaf in die Donau gleichgesetzt worden [...] Der von Ptolemaios erwähnte Ort Arelate befindet sich 2°45' westlich von Wien (II, 14, 3); dieser Abstand ist jedoch zu groß, als dass er der Entfernung Wien-Pöchlarn entsprechen könnte [...] könnte Arelate also in unmittelbarer Nähe von Usbium an südlichen Donauufer bei Linz gelegen haben [...]".

Bedacum: "Der Ortsname Bedacum wird häufig als eine verschriebene Form von Bedaium angesehen [...], das in der Tab. Peut. erwähnt wird und im Itin. Ant. als Bidaio (235, 1; 257, 1; 258,7) erscheint. ... Eine Gleichsetzung von Bedacum und Bedaium ist jedoch nicht zwingend erforderlich ... Nach den transformierten antiken Koordinaten lässt es sich bei Strass im Zillertal lokalisieren."

Zu Arelate wird die Information unterschlagen, dass auch in der Tab. Peut. ein Arelate eingezeichnet ist, das sich (den Meilenangaben zufolge, die freilich auch nicht ganz fehlerfrei sind können) mittig zwischen Ovilia (Wels) und Vindobona (Wien) befindet

upload_2021-9-1_17-15-36.png



Es werden also gut begründbare Identifikationen verworfen, um möglichst viele ptolemäische Koordinaten "retten" zu können. Schreibfehler werden nur da zugestanden, wo sich die Identifikationen beim besten Willen nicht wegdiskutieren lassen. Bei Orten, die sich nicht identifizieren lassen (das ist in der Magna Germania "zum Glück" fast immer der Fall), hat man dann freie Bahn.
 
Die sechs wichtigsten norischen Städte werden auch bei Plinius aufgelistet:
Raetis iunguntur Norici. oppida eorum Virunum, Celeia, Teurnia, Aguntum, Iuva<u>m, omnia Claudia, Flavium Solvense.
http://www.fh-augsburg.de/~harsch/Chronologia/Lspost01/PliniusMaior/plm_hi03.html

Iulium Carnicum rechnet Plinius zu Italien. (Bei Ptolemaios heißt es: "Zwischen Italien und Noricum liegt Iulium Carnicum".)

Bei Ptolemaios fehlen also Iuvavum und Solva. Iuvavum ist zweifelsfrei mit Salzburg zu identifizieren, Solva ebenso zweifelsfrei bei Leibnitz (Steiermark) zu lokalisieren.
In Inschriften finden wir sowohl den einfachen Namen "Solva" wie auch den Namen "Flavia Solva".
UBI ERAT LUPA - Römische Steindenkmäler
UBI ERAT LUPA - Römische Steindenkmäler

Wie ist das Fehlen von Iuvavum und Solva bei Ptolemaios zu erklären?

Eine gängige Hypothese besagt, das (sonst nirgends bekannte) "Claudivium" sei eine Verschreibung für "Claudium Iuvavum". In der Tat ist "Claudivium" eine sehr merkwürdige und (wenn man keine Verschreibung annimmt) schwer erklärbare Namenform.
Die Identifikation Claudivium=Iuvavum wird bei Kleineberg et al. hauptsächlich mit folgendem zirkelschlüssigen Argument abgelehnt:

"Gegen eine Gleichsetzung von Claudivium mit Iuvavum/Salzburg spricht jedoch vor allem die von Ptolemaios angegebene Lage dieses Ortes in unmittelbarer Donaunähe."

Ein Solva gibt es bei Ptolemaios, allerdings positionier er dieses in Pannonien. Dazu schreiben Reichenberger/Schlosser:

"Wie problematisch die Identifizierung ptolemaiischer Orte lediglich anhand der Koordinaten sein kann, zeigt drastisch das Beispiel von Flavia Solva, das lange Zeit in Pannonien gesucht wurde und erst nach entsprechenden Inschriftenfunden mit Leibnitz (bei Graz in der Steiermark) identifiziert werden konnte (Hudeczek 1977, bes. 462 f.), »also eine ›kleinräumige‹ Fehlbestimmung um 250 km, falls es nicht, was durchaus möglich wäre, zwei Orte namens Solva gab«, wie Hermann Reichert (2005, 265) süffisant bemerkt. Unter den Orten in Noricum ist Flavia Solva bei Kleineberg u. a. (2010, 95 ff.) übrigens nicht aufgeführt, was nochmals zeigt, dass sie lediglich geodätische Aspekte berücksichtigen."






 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben