Julikrise/Kriegsausbruch

Hätte, hätte, Fahrradkette.

Bis zum Ultimatum ÖUs und selbst in dessen Verlauf ist in Großbritannien die krisenhafte Eskalation und Kriegsgefahr nicht erkannt und daher unterschätzt worden.

Die Eskalationsrunden Blankoscheck, etc. liefen (in erster Linie in den Staaten der drei Cousins) verdeckt ab. Die offen getragenen Eskalationen folgten mehr oder weniger den diversen Kriegskrisen zuvor.

Mglw. wäre - hätte, hätte... - Großbritannien tatsächlich der einzige Player gewesen, der mit einem kraftvollen Auftritt und einem bündnispolitische Allesodernichts die Kriegstreiber zur Zurückhaltung und Räson gebracht hätte.

Mit viel Phantasie ist da einiges denkbar, an weiß es nicht. Diese massive Strategie haben Grey&Co. nicht verfolgt, zunächst aufgrund von Fehleinschätzungen und fehlenden Informationen, sowie verdeckten Karten der kriegslüsternen Fraktionen.
 
Einwirken Londons auf Paris und Petersburg: Alles offenkundige Tun oder Unterlassen von Seiten des britischen Kabinetts

Hast Du Dich mit der sehr kurzen Phase beschäftigt, in der eine Mehrheit des Kabinettes von einer "contra" Position zu einer "pro" Position gewechselt ist. Die Vermutungen von "Franz-Ferdinand" zur Entscheidungsfindung bzw. den Machtverhältnisse im Kabinett waren nicht so simpel, wie es seine Annahmen vermuten lassen.

Gerade die britische Sicht ist kürzlich ausführlich dargestellt worden, vgl. die letzten Beiträge aus 19

https://geschichtsforum.de/thema/ha...angriff-auf-belgien-beigestanden.28474/page-3

Die Phase in den letzten Juli/August-Tagen gehört zu dem Aspekt der ultra-kurzen Wege in den Krieg und beleuchtet vor allem das Versagen der Kommunikation zwischen den wenigen beteiligten Akteuren. Und die extreme Beschleunigung in der Entscheidungsfindung und die "schlechte Qualität" der getroffenen Entscheidungen. Auf allen Seiten ging man von absolut falschen Blaupausen zum Krieg aus, die sich schnell verflüchteten. Wie GB - lediglich - Anfang August 1914 von einem Handelskrieg mit Beteiligung der RN, ergänzt durch 2 Divisionen im Rahmen der BEF ausging.

Und wenn man schon bei "Wenn" und "Hätte" ist, es gab sehr viele Optionen, noch viel entschiedener die "langen Wege" in diesen Krieg in eine noch kooperativere Richtung zu intensivieren, wie bei Silesia angeklungen.

Und es ist ja gerade die Absurdität des Jahres 1914, dass die grundsätzlichen Signale aus Frankreich oder Deutschland eher in Richtung auf Kooperation deuteten und das Wahlergebnis in Frankreich hätte eigentlich eine Verstärkung der Annäherung erwarten lassen können.
 
Zuletzt bearbeitet:
Einwirken Londons auf Paris und Petersburg: Alles offenkundige Tun oder Unterlassen von Seiten des britischen Kabinetts hatte direkte Auswirkung auf die Intensivierung der Krise (falls die Annahme korrekt ist dass sowohl die Mittelmächte als auch der Zweibund den Konflikt zu mindest nicht scheuten).
Die britische Diplomatie hätte, um erfolgreich zu sein, den Franzosen klarmachen müssen, dass Großbritannien in KEINEM Fall in einen Krieg zu deren Gunsten beitreten wird (wenn Deutschland Frankreich nicht angreift), und den Deutschen entsprechend das Gegenteil, das Großbritannien in JEDEM Fall auf Seite des Zweibunds in einen potentiellen Krieg eintritt (wenn Deutschland Frankreich angreift)



In letzter Instanz könnte man hier bemerken, dass die Zentralmächte letztendlich den Konflikt ja selbst in dem Moment nicht scheuten, als sich die britische Intervention abzeichnete.
Mit dem "Halt-in-Belgrad-Szenario" gab es ja immerhin noch eine Denkfigur, wie die Angelegenheit in letzter Instanz noch zu stoppen gewesen wäre. Ob sie tatsächlich die Lage noch hätte entschärfen können, ist eine andere Frage, aber wenn man den Konflikt mit Großbritannien um jeden Preis hätte verhindern wollen, würde ich meinen, hätte sich in diese Richtung wohl etwas mehr Engagemrnt angeboten, mindestens sollte man ds erwarten.

Im Hinblick auf etwaige Ankündigungen der britischen Seite, musste man auch so zu jedem Zeitpunkt davon ausgehen, das bei einem Verletzen der belgischen und luxemburgischen Neutralität reale Interventionsgefahr besteht und bei einem Krieg gegen Frankreich und Russland hatte man sich von deutscher Seite her einmal auf den West-Plan festgelegt und damit war die Verletzung dieser Territorien beschlossene Sache. Verglichen mit dem ursprünglichen Schlieffenplan, war das in dieser Hinsicht ja noch die Lightversion

Dann kommt in der Auslegung deiner Ausführungen noch ein anderes Problem zum tragen, nämlich das den Franzosen Serbien zwar herzlich egal sein konnte, aber Russland nicht.
Selbst wenn Paris die serbische Angelegenheit links liegen gelassen hätte, wäre für Frankreich eine deutsche Kriegserklärung an Russland der casus foederis gewesen , weil bei den europäischen Bündniskonstellationen, nach denen für Frankreich an Österreich-Ungarn als Bündnispartner nicht heranzukommen war und man sich im offenen Gegensatz nicht nur zu Deutschland sondern auch zu Italien (Nizza, Korsika, Tunis) befand. man von französischer Seite her Russland als einzigen starken kontinentalen Verbündeten nicht untergehen lassen konnte, daran hing die eigene Position als Großmacht ersten Ranges für die Franzosen.

Ob die Briten das verletzen der belgischen Neutralität als solches hätten hinnehmen können, sei dahingestellt, aber eine deutliche Kräfteverschiebung auf dem Kontinent in Richtung einer längerfristigen deutschen Hegemonie, war definitiv nicht im britischen Interesse und soviel musste auch Berlin und Wien klar sein.
Die einzige theoretische Option Krieg gegen Frankreich zu führen und Großbritannien da vollständig heraus zu halten, wäre gewesen den Briten glaubhaft zu machen, dass man keine Veränderung des kräftemäßigen Status Quo in Europa anstrebte. Das versuchte man ja auch, in dem man Erklärungen über die Wiederherstellung Belgiens und Luxemburgs nach dem Krieg abgab, aber wer sollte diese Erklärungen allein glauben?
Zumal bedenkt man die antideutsche Stimmung im Empire und Teilen des Kabinetts.

Insofern hätte ein Ausschließen von Hilfe für Frankreich im Falle einer französischen Agression den britischen Interessen auf die Füße fallen können, wenn Frankreich diesen Krieg verloren hätte.


Die Bündnissituation zwischen Großbritannien und Russland einerseits, bzw. Frankreich andererseits hätte das wohl zugelassen.
Die Bündnissituation sicherlich, aber die Interessenlage nicht und an der Stelle sollte man sich einfach bewusst machen, das sich in Ersterer letztere manifestiert und dass das Bündnissystem keine grammatische Konstruktion der Vertragswerke oder informellen Absprachen (im Sinne der Entente) zum Selbstzweck ist, sondern die Angelegenheit durchaus teleologisch einem bestimmten Zweck zuläuft.

Bedenken wir hierbei auch, dass britische Bündnissystem (wenn man so will) war durch die zeitgleiche vertragliche bzw. faktische Verbindung auf verschiedenen Ebenen zu einerseits Russland und anerereseits Japan in sich wiedersprüchlich.
Russland hatte drei theoretische Stoßrichtungen in die es seine expansiven Energien lenken konnte.

1. Richtung West, Balkan, Osmanisches Reich und Österreich-Ungarn.
2. Richtung Süd, Persien, Indien, Afghanistan, Tibet.
3. Richtung Ost, Mandschurei, Korea, Mongolei.

Das Funktionieren der Trippelentente, setzte dabei strukturell vorraus, dass sich die Russen auf den westlichen Schwerpunkt festlegten, weil nur dieser Schwerpunkt die Blockbildung innerhalb Europas in dieser Weise aufrecht erhielt.
Bei einem anderen Schwerpunkt würde sich der russische Konflikt mit Österreich-Ungarn entschärfen, womit der Wert Frankreichs als Bündnisparnter für Russland gering gewesen wäre, was das Bündnis in Frage gestellt hätte.
Ein Fokus in die anderen Richtungen hätte sämtliche Einigungen Russlands mit Großbritannien in Frage gestellt oder aber die Briten vor die Entscheidung gestellt sich zwischen Russland und Japan als Partner zu entscheiden und den jeweils anderen künftig gegen sich zu haben oder beides.

Der West-Fokus der Russen konnte aber nur dann aufrecht erhalten werden, wenn Frankreich als Gegengewicht zum Dreibund als Großmacht unversehrt erhalten blieb. Ansonsten hätte sich Russland in Richtung Westen alein gegen den Block der Zenralmächte behaupten müssen und den Versuch hätte es gar nicht unternehmen brauchen um zu wissen, dass das nicht funktionieren würde.

Insofern war die Erhaltung Frankreichs nicht nur conditio sine qua no für die kontinentale Machtverteilung und die Verhinderung einer Hegemonie innerhalb Europas, sondern für die gesamte britische Außenpolitik überhaupt.


Das wäre Diplomatie im Geiste Metternichs gewesen und deeskalierend in Bezug auf die Krise. Allerdings hätte es sich Großbritannien damit vor allem mit Frankreich verdorben und ein Krieg Deutschlands allein gegen Russland war bekanntlich keine Option.

Es hätte aus den angeführten Gründen sich eine Schwächung Frankreichs in dieser Konstellation nicht leisten können, gleich wer sie lostrat, wollte es seine globale Politik nicht vollkommen neu ausrichten und vor den Trümmern seines alten Systems stehen.
Gedenkt man der Tatsache, dass man ja nicht mit einem Jahrelangen Abnutzugskrieg rechnetet, der das europäische Mächtesystem vollkommen umstürzen würde, sind diese Bdenken auch verständlich, denn wäre man im bestehenden System auf Grund mangelnder Tragbarkeit/mangelndem Nutzen der Abkommen Frankreich und Russland gezwungen gewesen sich mit den Zentralmächten zu arrangieren, hätten diese die Bedingungen diktiert.

Insofern hätten die Briten so eine Haltung Frankreich gegenüber verbal einnehmen, aber kaum durchhalten können.

Was widerrum die deutsche Seite angeht, hier musste man nicht unbedingt darauf setzen die Briten vollständig aus dem Konflikt heraushalten zu können.
Man hätte sie nur so lange heraushalten müssen, bis man in der Lage gewesen wäre Frankreich einen entscheidenden Schlag zu versetzen, was die Briten dazu hätte bringen müssen ihre Intervention zu überdenken oder diese hätte stattgefunden, möglicherweise aber keine ausschaggebende Wirkung mehr im Westen gehabt.

Auch vor dem Hintergrund fraglich ob ein schärferes Warnen Deutschland tatsächlich zum Einlenken gebracht hätte oder man hier darauf gesetzt hätte die britische Intervention so lange hinauszögern zu können, bis sie ihre Wirkung einbüßen würde.

Ich sehe einen einzigen Schritt, den die Briten (allerdings nur im Zusammenspiel mit der belgischen Regierung) theoretisch hätten gehen können um Deutschland präventiv in die Parade gefahren und dass wäre die vorzeitige Sicherung der belgischen Neutralität durch Truppenpräsenz gewesen.
Man hätte versuchen können die belgische Regierung dazu zu bringen wegen des sich anbahnenden Konflikt zwischen Deutschland und Frankreich Großbritannien als dritte vertraglich Garantiemacht anzuhalten die gegebene Garantie durch Entsendung von Expeditionstruppen einzulösen.
Die britische Expeditionsstritmacht im Raum östlich Brüssel, noch vor Abschluss des Aufmarsches, hätte die Deutsche Seite durch völliges durchkreuzen des Zeitplans viellicht zu einem Rückzieher gebracht, aber das sind theoretische Gedenkenspiele.

Wie ich das sehe, hätte die Demonstration Frankreich im Zweifel beizustehen, allein die deutsche Seite nicht unbedingt entscheidend geschreckt. Dazu hätte es wahrscheinlich eher der Demonstration bedurf Frankreich augenblicklich, wenn es zum Krieg kommt beistehen zu wollen und zu können.
Das widerrum hätte bei aller Antipathie gegen Deutschland aber mitunter in der öffentlichen Meinung in Großbritannien zu Problemen führen können, weil das wiederrum beinahe den Charakter eines Blancosheks für Frankreich gehabt hätte und man daraus hätte schließen können, dass das Feld der diplomatischen Aktionen Großbritanniens ins Schlepp der französischen Politik geraten sei, was wiederrum die Entente sicherlich nicht besonders populär gemacht hätte.
 
In letzter Instanz könnte man hier bemerken, dass die Zentralmächte letztendlich den Konflikt ja selbst in dem Moment nicht scheuten, als sich die britische Intervention abzeichnete.

Das ist gerade das Problem: Entscheidung unter Unsicherheit, und lediglich ein skaliertes "Abzeichnen".

Dieser Risikokurs basierte auf der deutschen Annahme, Großbritannien "irgendwie" aus dem Krieg heraushalten zu können, bis der eine Teil des Zweiverbands F-RUS in der "plangemäßen" Kurzkampagne die Waffen streckt.

Die Annahme war andererseits selbst Teil der Strategie, mit einer vorsätzlichen Eskalation den "Ring" aufbrechen zu können, ergo: die sich abzeichnend verfestigenden Bündnisse gegen den deutschen Machtblock mit dieser Politik in Stücke zu brechen. Dass man GB raushält (raushalten kann), würde - bei Kriegsvermeidung in letzter Minute - anschließend dafür sorgen, die Interessenten auseinander zu treiben.

Dieses (deutsche) Vabanque-Spiel hatte keinerlei politische oder militärische Antwort auf die Frage, was im Fall eines Kippens der britischen Linie im Hinblick auf Beistand und Kriegseintritt erfolgen sollte. Wie Lambert gezeigt hat, war für die ökonomiefixierten Briten - mit dem Megatrumpf Blockade in der Hand - kaum vorstellbar, dass das Deutsche Reich es zum Äußersten treiben würde und den Verbündeten ÖU an der langen Leine den Krieg mit Russland losbrechen läßt.
 
Die nächste Runde der "Neudeutung" von "Quellen" wird eingeläutet, nachdem bereits Clark ausreichend seine mangelnde Kompetenz, durch Auslassen wichtiger Publikationen (z.B. Menning: Bayonets before Bullets), bei der Beurteilung der russischen Armee unter Beweis gestellt hatte.

Korrektur: Er zitiert ihn 1 x in der FN 135, S. 219 im Kontext der Dislozierung im Rahmen der Planungen aus dem Jahr 1910. Für ein Standardwerk zur russischen Armee eher "spartanisch". In Hamilton`s Origin of the WWI oder Herwig`s First World War wird Menning deutlich häufiger zitiert.

Die Absprachen zur Aufmarschplanung und zum Ausbau des russischen Schienennetzes werden sicherlich als Argument für die Einkreisung Wiederauferstehen. Die Originalität der These von der "Einkreisung", die Schmidt -scheinbar - erneut aufwärmt, haut einen förmlich vom Hocker.

Man kann gespannt sein auf die politische Instrumentalisierung auf der Rechten. Und es ist ja auch gut, nochmal deutlich zu sagen, dass das Deutsche Reich nicht die Alleinschuld hatte, was ja mittlerweile eigentlich niemand mehr bestreitet. Aber Ö-U und das DR waren sehr maßgeblich an entscheidenden Punkten an der Eskalation beteiligt. Und das werden auch die nächsten zwei Dutzend Publikation nicht relativieren können.

https://www.welt.de/geschichte/article158782749/Trieb-Frankreich-Deutschland-in-den-Krieg.html

Wie sagte Clark so vielsagend in einer TV-Sendung zu dem Thema, dass man erst einmal die Fakten, die Fischer und andere vorgelegt haben, entkräftigen müsse. Von Fischer`s gesamter Argumentation - die deutlich umfangreicher war wie die Frage nach der "Kriegsschuld - ist nicht mehr viel übriggeblieben, aber seine Argumente zur zentralen Rolle des DR und von Ö-U sind bisher nicht entkräftigt worden.

Vielmehr wissen wir mittlerweile deutlich mehr über die Komplexität der Dynamik, an der auch die anderen europäischen Mächte beteiligt waren. Und über das Scheitern von wenigen politischen Verantwortlichen im Juli 1914.

Mal sehen wie substantiell die Diskussion um Schmidt`s Thesen wird.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein paar Worte zu Österreichs Anteil an der Kriegsschuld:

Bereits am 30.Juni fühlte sich der ungarische Ministerpräsident Tisza genötigt, dem Kaiser Franz Joseph telegrafisch folgende Mitteilung zukommen zu lassen. „So sehr ich es vermeiden möchte, Eure Majestät in diesen Tagen zu belästigen, so ist es doch meine Pflicht, Vorstehendes mit möglichster Kürze untertänigst vorzutragen: ich hatte erst nach meiner Audienz Gelegenheit Grafen Berchtold zu sprechen und von seiner Absicht, die Greueltat von Sarajewo zum Anlasse der Abrechnung mit Serbien zu machen, Kenntnis erhalten.“ (1)

Der gemeinsame Finanzminister der Monarchie Bilinski erklärte im März 1917: „Wir haben den Krieg schon früher beschlossen, das war schon ganz am Anfang“ und neigt dazu dem 03.Juli als Datum zu nennen. (2)

Der ehemalige Botschafter in Rom Lützow hält im Juli 1916 fest, das Hoyos ganz entscheidend für den Krieg gewirkt hätte. Berchtold sei nicht der Mann gewesen, den Widerstand von Tisza niederzukämpfen. (3)

Unter dem Datum des 13.Juni 1915 hält Josef Redlich in seinem Tagebuch fest, das. Hoyos ihm gegenüber ausgeführt hatte, das er sehr niedergedrückt sei, da eben kein Frieden in der Nähe sei und er der eigentlich Urheber des Krieges gewesen zu sein, da er den entscheidenden Einfluss auf Berchtold besaß und ausübte...(4)

Hoyos führt in diesen kritischen Tagen ein Gespräch mit den Journalisten Victor Naumann. Naumann hielt später über das Gespräch das Folgende fest: Er hätte “keinen Zweifel daran, dass Deutschland Österreich-Ungarn nicht im Stich lassen werde. Aber, fügte ich hinzu, ihr müsst in Berlin mit voller Kraft den Ernst der Lage schildern und ganz klar sagen, welche Konsequenzen ihr daraus zieht, denn mit Leisetreten ist es in Berlin nicht getan…. (5)

Am 04.Juli klagte Berchtold noch, gegen den Willen des Kaisers und des ungarischen Ministerpräsidenten könne er keinen Krieg führen. Hoyos bot an, die Widerstände zu überwinden. Eigentlich hätte ein ganz gewöhnlicher Kabinettskurier mit der Denkschrift des Ballhausplatzes und dem Handschreiben Franz Josephs an Wilhelm II. nach Berlin fahren sollen. Hoyos schlug Berchtold nun vor, das er selbst den österreichisch-ungarischen Botschafter Szögyèny die beiden Schriftstücke überbringen und wenn er schon mal vor Ort sei ,können entsprechende Gespräche mit den Kollegen im deutschen AA führt werden.

Hoyos hatte von Berchtold noch mündliche Instruktionen bekommen, die er bei der Übernahme der Dokumente erhielt. Hoyos sollte Szögyèny mitteilen, das man in Wien zu dem Schluss gekommen ist, „dass wir den Moment für gekommen erachten, eventuell mit Serbien abzurechnen. (6) In Berlin war von eventuell keine Rede, womit Hoyos seine Kompetenz deutlich überschritten hatte.(7)

Hoyos hatte gegenüber Zimmermann (05.Juli) und Wilhelm II. (06.Juli) ausgeführt, das Österreich-Ungarn den Wunsch habe, Serbien umgehend anzugreifen und ohne jegliche diplomatischen Vorbereitungen so einen überraschenden Vergeltungsschlag zu führen. (8) Er verschwieg aber dabei, das der ungarische Ministerpräsident Tisza gegen den Krieg war und von einem „eventuell“ sprach er eben auch nicht. In Wien war noch nichts entschieden.


Im Gespräch mit Albertini enthüllte Hoyos sogar, dass der Bericht von Szögyèny für den Ballhausplatz von ihm selbst verfasst worden ist. (9)

Am 27.Juli holt sich Berchtold die Unterzeichnung der Kriegserklärung an Serbien vom Kaiser mit der Begründung, die Triple Entente könnte im letzten Moment ja noch eine Aktion zur friedlichen Beilegung des Konfliktes starten. (10)


(1) Österreich Ungarns Außenpolitik Bd.8, Dokument 9978

(2) Kann, Kaiser Franz Joseph und der Ausbruch des Weltkrieges, S.16

(3) Redlich, Schicksalsjahre Österreichs, Band 2, S.43

(4) Politisches Tagebuch Redlichs, Bd.2, S.153

(5) Naumann, Dokumente und Argumente, S.7

(6) Hantsch, Berchtold, Bd.2 S.575

(7) Hantsch, Berchtold, Bd.2 S.570

(8) Diplomarbeit Die Mission Hoyos von Heuer, S.100

(9) Albertini, Origins oft he War, Bd.3, S.147

(10)Österreich Ungarns Außenpolitik Bd.8, Dokument 10570
 
Die Diplomaten und allen voraus vor allem die Botschafter haben in der Juli-Krise nicht verantwortungvoll gehandelt.

Ein Gravitationszentrum zur Beschleunigung des Konflikts , wie Herwig es beschreibt, liegt im Umfeld von Conrad. "Senior Habsburg military commanders seconded Conrad`s aggressive stance."

Zu diesem Umfeld zählt Herwig Kriegsminister Alexander von Krobatin, Otto Gelinek, Österreichs Militärattachè in Belgrad und ebenfalls Oskar Potiorek, der Militärkommandeur in Bosnien-Herzegovina.

Dabei ist bereits auf die Problematik der "Kesselschlacht"-Aufmarschplanung durch Conrad hingewiesen worden, die eine Polizeiaktion gegen Belgrad nicht zuließ, wie von KW II. eigentlich gewünscht.

Dabei ist auch anzumerken, dass gerade Ö-U der Staat war unter den Großmächten, der objektiv am wenigstens auf einen "großen Krieg" vorbereitet war.

Herwig, Holger H. (1998, c1997): The First World War. Germany and Austria-Hungary, 1914-1918. London: Arnold
 
und es ist ja auch gut, nochmal deutlich zu sagen, dass das Deutsche Reich nicht die Alleinschuld hatte, was ja mittlerweile eigentlich niemand mehr bestreitet. Aber Ö-U und das DR waren sehr maßgeblich an entscheidenden Punkten an der Eskalation beteiligt. Und das werden auch die nächsten zwei Dutzend Publikation nicht relativieren können.

Ohne jetzt eine neue große Diskussion lostreten zu wollen, fehlt in deiner Auflistung der maßgeblichen Schuldigen das Zarenreich.
 
Ohne jetzt eine neue große Diskussion lostreten zu wollen, fehlt in deiner Auflistung der maßgeblichen Schuldigen das Zarenreich.

Das tut es nicht. Denn die Aufzählung umfasst erkennbar Ö-U, und nicht alle anderen auch noch.

Ich würde auch nicht von Schuldigen sprechen sondern von Verantwortlichen, weil das m.E. einen klareren Blick auf die Geschehnisse erlaubt. Unabhängig davon, dass die Verantwortlichen Schuld auf sich luden. Doch ist diese schwieriger abzuwägen.

Nun aber etwas anders worüber ich nicht wenig grüble.
So wie ich das verstehe, hatte sich die Vorstellung ein Krieg sei unvermeidlich bereits vor der Julikrise bei den Entscheidungsträgern verbreitet.
Z. B. bei Paleologue, der am 5. Juni 1914 zu Briand sagt, er sei der Überzeugung, dass unwiderruflich der Krieg bevorstehe, während man noch nicht sagen könne, wann er eintritt. (Albertini Bd.1 S.555)
Sazonov sieht das wohl spätestens nach der Liman-von-Sanders-Krise ebenso.
Die Vorstellung von der Unvermeidlichkeit des großen Krieges gewann mehr und mehr die Köpfe.
Auch bei Bethmann-Hollweg, und bei dem Willi sowieso, der sogar den Endkampf der „germanischen Rasse“ herbei spintisierte. (irgendwie kommt mir das bekannt vor.)

War der große Krieg allgemeine Erwartung? Und wenn dem so war, ab wann?

Kann man das an der rasanten Entwicklung der Rüstungsanstrengungen aller großen Mächte ab ca. 1911 ablesen?
(Was für eine dumme Falle: Misstrauen befördert Rüstung, und Rüstung befördert Misstrauen ,.. und alsbald ist genug Pulver gesammelt um kleine Funken groß zu machen.)

Und wenn schon Krieg, dann hoffentlich zum geeigneten Zeitpunkt.
Insbesondere auch aus Sicht der Militärs.
Was wir wissen ist, dass sowohl Conrad und Moltke wiederholt auf einen Präventivkrieg drängten, um eben den günstigsten Zeitpunkt (der bei Conrad fast stets gegeben war) nicht zu verpassen.

Es ist mir nicht bekannt, dass z.B Joffre einen solchen planen durfte (Bourachot – Marshal Joffre).
Selbst Planungen im Konfliktfalle präventiv auf Belgien vorzurücken wurden ihm untersagt. Ja, er hatte sogar überhaupt keinen echten Kriegsplan, sondern lediglich einen flexiblen Aufmarschplan je nach eintretender Situation.
Und Russland? Drängte Danilov auf einen Präventivkrieg? Mir nicht bekannt, kann aber sein, ich weiß es nicht.
Hatte das Militär in GB solche Wunschvorstellungen?

Die Kopplung des Militärs zur Politik war im DR zudem jedenfalls enger als in Frankreich oder in England, und ich vermute auch in Russland.
 
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Das tut es nicht. Denn die Aufzählung umfasst erkennbar Ö-U, und nicht alle anderen auch noch.

Die Aufzählung umfasst nicht nur Österreich-Ungarn, sondern auch das Deutsche Reich. Und dann kann m.E. nach auch Russland nicht fehlen.

Ich würde auch nicht von Schuldigen sprechen sondern von Verantwortlichen, weil das m.E. einen klareren Blick auf die Geschehnisse erlaubt. Unabhängig davon, dass die Verantwortlichen Schuld auf sich luden. Doch ist diese schwieriger abzuwägen.

Man kann auch treffender vom, zum Teil vorsätzlichen, Versagen der verantwortlichen Diplomaten der Großmächte sprechen. Russland war nicht mit Serbien verbündet; es gab auch keine entsprechenden Absprachen. Belgrad konnte sich den "Luxus" der Ablehnung des Ultimatums einer Großmacht nur deshalb leisten, weil man ganz genau darum wusste, das eine andere Großmacht, eben Russland, und hinter Russland stand ohne wenn und aber Frankreich, Rückendeckung geben würde.
 
Man kann auch treffender vom, zum Teil vorsätzlichen, Versagen der verantwortlichen Diplomaten der Großmächte sprechen
Das kann man wohl sagen, doch kann man auch begründet annehmen, dass sich der Handlungsspielraum der Diplomaten durch eine wachsende Feindseligkeit in allgemeiner Erwartung des Kriegs verengte.

Und es gab gewiss auch Diplomaten, die diese Erwartung teilten und deren Einfluss eben dadurch wuchs.
Beim französischen Botschafter in St. Petersburg Paleologue war das wohl so. Dessen Rolle erhielt ein besonderes Gewicht dadurch, dass O-Ü den Konflikt mit Absicht erst dann auf scharf schaltete, als sich Poincare und Viviani nach ihrem, seit längerem vereinbarten, Besuch des Zaren auf See befanden und dergestalt in der kritischsten Zeitphase der Krise von verlässlicher Kommunikation abgeschnitten waren.
Auch wissen wir, dass Diplomaten des DR die Weitergabe friedensfördernder Vorgaben des KWII mit der Absicht verzögerten um sie durch den raschen Fortgang der Eskalation unwirksam zu machen.
Und der Sazonov hämmert auf den Zaren ein: Der Krieg ist unausweichlich!

Aber wie Du zutreffend sagst, und ebenso @thanepower, es war auch ein Versagen der Diplomatie.
Die Diplomaten und allen voraus vor allem die Botschafter haben in der Juli-Krise nicht verantwortungsvoll gehandelt
 
Zuletzt bearbeitet:
Kann man das an der rasanten Entwicklung der Rüstungsanstrengungen aller großen Mächte ab ca. 1911 ablesen?
(Was für eine dumme Falle: Misstrauen befördert Rüstung, und Rüstung befördert Misstrauen ,.. und alsbald ist genug Pulver gesammelt um kleine Funken groß zu machen.)

Und wenn schon Krieg, dann hoffentlich zum geeigneten Zeitpunkt.
Insbesondere auch aus Sicht der Militärs.
Was wir wissen ist, dass sowohl Conrad und Moltke wiederholt auf einen Präventivkrieg drängten, um eben den günstigsten Zeitpunkt (der bei Conrad fast stets gegeben war) nicht zu verpassen.

Es ist mir nicht bekannt, dass z.B Joffre einen solchen planen durfte (Bourachot – Marshal Joffre).
Selbst Planungen im Konfliktfalle präventiv auf Belgien vorzurücken wurden ihm untersagt. Ja, er hatte sogar überhaupt keinen echten Kriegsplan, sondern lediglich einen flexiblen Aufmarschplan je nach eintretender Situation.
Und Russland? Drängte Danilov auf einen Präventivkrieg? Mir nicht bekannt, kann aber sein, ich weiß es nicht.
Hatte das Militär in GB solche Wunschvorstellungen?

Die Kopplung des Militärs zur Politik war im DR zudem jedenfalls enger als in Frankreich oder in England, und ich vermute auch in Russland.

1912/13 war man gerade noch einmal davon gekommen und das war in erster Linien durch ein konstruktives Zusammengehen von England und dem Deutschen Reich möglich geworden. Aber die Erwartungshaltung, das es zum Kriege kommen würde, war spätestens ab diesem Zeitpunkt doch verbreitet.

Erschwerend für die internationale Konstellation war der Umstand, das in Frankreich ab 1912 Poincarè Präsiden der Republik war.

Moltke wollte lieber früher als später ein Krieg führen, nicht weil er den Krieg per se so toll fand, sondern weil er angesichts der gewaltigen Rüstungsanstrengungen und der Ausbau des Schienennetztes, was einen erheblich beschleunigten Aufmarsch möglich machen würde, des Zarenreiches, mit enormer finanzieller Unterstützung der französischen Republik, der Ansicht war, dass ein halbwegs positiver Ausgang des Krieges zu einen späteren Zeitpunkt nicht mehr möglich sein würde; das vor dem Hintergrund der allgemeinen Überzeugung, das der Krieg eh kommen würde.

Und Conrad wollte einen Präventivkrieg entweder gegen Serbien oder Italien. Er hatte keinen Weltkrieg im Sinne. Und durch die tatsächlichen Ereignisse 1914/15 fühlte sich Conrad bestätigt.

Die französischen Militärs waren bedingt durch das politische System an den Weisungen der zivilen Regierung gebunden. Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, das sollte man auch erwähnen, wäre Belgien auch von den Franzosen als Durchmarschgebiet in Anspruch genommen. Die Regierung untersagte dies. Ob dies nun aus tiefer Überzeugung geschah, lassen wir einmal dahingestellt. Ein erheblicher Faktor jedenfalls bei den Entscheidungsfindungsprozess der französischen Regierung dürfte der Faktor England gewesen sein.

Und es gab gewiss auch Diplomaten, die diese Erwartung teilten und deren Einfluss eben dadurch wuchs.

Oder der Botschafter Petersburgs in Paris Iswolski.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nun aber etwas anders worüber ich nicht wenig grüble.
So wie ich das verstehe, hatte sich die Vorstellung ein Krieg sei unvermeidlich bereits vor der Julikrise bei den Entscheidungsträgern verbreitet.
Z. B. bei Paleologue, der am 5. Juni 1914 zu Briand sagt, er sei der Überzeugung, dass unwiderruflich der Krieg bevorstehe, während man noch nicht sagen könne, wann er eintritt. (Albertini Bd.1 S.555)
Sazonov sieht das wohl spätestens nach der Liman-von-Sanders-Krise ebenso.
Die Vorstellung von der Unvermeidlichkeit des großen Krieges gewann mehr und mehr die Köpfe.
Auch bei Bethmann-Hollweg, und bei dem Willi sowieso, der sogar den Endkampf der „germanischen Rasse“ herbei spintisierte. (irgendwie kommt mir das bekannt vor.)

War der große Krieg allgemeine Erwartung? Und wenn dem so war, ab wann?

Kann man das an der rasanten Entwicklung der Rüstungsanstrengungen aller großen Mächte ab ca. 1911 ablesen?
(Was für eine dumme Falle: Misstrauen befördert Rüstung, und Rüstung befördert Misstrauen ,.. und alsbald ist genug Pulver gesammelt um kleine Funken groß zu machen.)

Und wenn schon Krieg, dann hoffentlich zum geeigneten Zeitpunkt.
Insbesondere auch aus Sicht der Militärs.
Was wir wissen ist, dass sowohl Conrad und Moltke wiederholt auf einen Präventivkrieg drängten, um eben den günstigsten Zeitpunkt (der bei Conrad fast stets gegeben war) nicht zu verpassen.

Es ist mir nicht bekannt, dass z.B Joffre einen solchen planen durfte (Bourachot – Marshal Joffre).
Selbst Planungen im Konfliktfalle präventiv auf Belgien vorzurücken wurden ihm untersagt. Ja, er hatte sogar überhaupt keinen echten Kriegsplan, sondern lediglich einen flexiblen Aufmarschplan je nach eintretender Situation.
Und Russland? Drängte Danilov auf einen Präventivkrieg? Mir nicht bekannt, kann aber sein, ich weiß es nicht.
Hatte das Militär in GB solche Wunschvorstellungen?

Die Kopplung des Militärs zur Politik war im DR zudem jedenfalls enger als in Frankreich oder in England, und ich vermute auch in Russland.


Dazu ein paar passende Äußerungen:

Joffre wurde 1912 gefragt: "Denken Sie nicht an den Krieg?" Antwort:" Ja, ich denke an ihn, ich denke die ganze Zeit daran. Wir werden einen Krieg haben, ich werde ihn führen und ich werde ihn gewinnen." (1)

1913 ließ Joffre gegenüber den englischen Directory of Military Operations Wilson vernehmen, "dass es für Frankreich besser sein würde, wenn ein Konflikt nicht zu lange hinausgeschoben würde." (2)


(1) Becker, 1914 Comment les Francais sont entres dans la guerre

(2) British Documents on the origins of the War 1898 -1914, Band 9/2, S.532
 
Dazu ein paar passende Äußerungen:
Joffre wurde 1912 gefragt: "Denken Sie nicht an den Krieg?" Antwort:" Ja, ich denke an ihn, ich denke die ganze Zeit daran. Wir werden einen Krieg haben, ich werde ihn führen und ich werde ihn gewinnen." (1)

1913 ließ Joffre gegenüber den englischen Directory of Military Operations Wilson vernehmen, "dass es für Frankreich besser sein würde, wenn ein Konflikt nicht zu lange hinausgeschoben würde." (2)

(1) Becker, 1914 Comment les Francais sont entres dans la guerre

(2) British Documents on the origins of the War 1898 -1914, Band 9/2, S.532


Danke für den Hinweis.
Die Quelle (2) “Band 9/2” ist bei archive.org zu finden.
Das was dort S. 532ff steht deckt sich ganz gut mit Deiner Darstellung, wenn auch nicht ganz..
Nicolson berichtet im Februar 1913 an Grey, dass Wilson einen führenden französische Militär auf seiner Heimreise von der Schweiz getroffen und ihm darüber berichtet habe. (Joffre wird als solcher nicht namentlich erwähnt)
Nehmen wir an es war Joffre, so habe dieser geäußert “die Soldaten”, oder vielleicht besser übersetzt “das Militär” seien der Überzeugung, dass es für Frankreich weit besser wäre wenn ein Konflikt mit Deutschland nicht allzu lang aufgeschoben wäre.
Denn angesichts der Konsequenzen des Balkankonflikts könne man sich der Bündnistreue Russlands sicher sein. Und diese sei unter anderen Umständen weniger verlässlich, während man derzeit davon ausgehen könne, dass sich Russland aus vollem Herzen (wholehearted) an der Seite Frankreichs fände.
Ansonsten sei Russland nun so stark (exceedingly strong) geworden, dass es immer weniger auf französische Unterstützung, ob militärisch oder finanziell, angewiesen sei und daher geneigt sein könne eine eigene außenpolitische Linie zu verfolgen.
Und auf England könne man sich noch weniger verlassen.
Der Bericht weist aber auch deutlich darauf hin, dass dies nicht die Haltung der französischen Regierung sei, die clearly in keinen Krieg über Balkanfragen hineingezogen werden will.

Danke für den Hinweis auf dieses interessante Dokument.

“Sir A. Nicolson to Sir Edward Grey.

Private. (1)
Sir Edward Grey, Foreign Office, February 24, 1913.


I met General Wilson last night, who has just come back from Switzerland and
on his way through Paris saw some of the leading military men. He tells me that
the soldiers are of the opinion that it would be far better for France if a conflict
were not too long postponed. Their reasons are that if it would come now it would
be in consequence of the Balkan difficulties, and therefore they would be able to
secure the wholehearted support of Russia. Were a conflict to be postponed and
eventually to arise over some difficulty between Germany and France alone, they
had some doubts, treaty notwithstanding, whether Russia would go whole-
(1) [Carnock MSS., Vol. II of 1913.]583
heartedly on their side. They impressed upon Wilson that Russia was now
exceedingly strong, both in her military organisation and also in her financial
condition, and was therefore far less dependent on French support, either in a
military or a financial sense. In short, that Russia was now well able to look after
herself, and might be inclined to take a line of her own. (This I gather is not
quite the view of the French Government, who are nervous lest they should be
dragged into a war over Balkan affairs in which the French public have no great
interest). He further said that he found some doubts in the minds of the military
men as to what would be our attitude, — whether we should really in the case of a
conflict give them any material assistance on land, and whether, indeed, such
assistance would be efficient and above all timely.
General Wilson said that of course he had only seen military men and no
one else, and he was repeating to me their views alone.
I also saw Braham, and he told me that he had been rather disturbed by a
letter which he had received from the "Times" Correspondent in Paris. He laid
reat stress on the military spirit now pervading France, and which was, he thought,
rather dangerous.


A. N[ICOLSON].

MINUTE.

The French Gov[ernment] clearly do not want to be dragged into war over the Balkans
and are working to prevent. Russia precipitating a conflict over that. We on our side can be
no party to France precipitating a conflict for the revanche.”
 
Wobei daraufhin zu weisen ist, das der Präsident Poincarè, ganz im Gegensatz zu seinen Amtsvorgängern Fallières und Loubet, die Bündnisverpflichtung Frankreichs auch dann als gegeben sah, und das ohne jede Not, wenn ein kriegerischer Konflikt über einem Streit zwischen Serbien und Österreich-Ungarn entstand. Dies hatte er Iswolski auch wissen lassen. Ob er sich des erheblichen Risikos für Frankreich vor dem Hintergrund der russischen Balkanpolitik, erwähnt sei hier der Balkanbund, der Österreich links liegen ließ, eigentlich bewusst war?

Poincarè war sich auch nicht zu blöde, um seinen Hund Bismarck zu nennen. Auch er war es, der die Marokkopolitik, die eigentlich endlich friedlich, schiedlich löst war, wieder verschärfte.
 
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