Es waldet im waldigen Wald, oder nicht?

El Quijote

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Wobei auch die undurchdringlichen Wälder und endlosen Sümpfe Germaniens nicht so undurchdringlich und endlos waren. Das sind topoi, daran sei immer wieder mal erinnert. Und diese topoi dienen natürlich auch dazu, für eine Niederlage eine einigermaßen rationale Erklärung hinzubiegen, ohne gleich an der grundsätzlichen Überlegenheit der Römer zu rütteln.
 
Jetzt, zur Zeit des Baumsterbens, der Trockenheit und der großen Rodungen der Fichtenwälder, sieht die Landschaft des heimischen Siegerlandes so kahl aus wie zur Zeitenwende:
Eine Folge des keltischen Eisenerzabbaus und der massiven Holzkohlegewinnung. Schon seit langem sind dort Erosionsfolgen mit Einschwemmung von Böden in die Talauen bekannt.
Man sollte sich von der Vorstellung eines menschenarmen und dichtbewaldeten Germaniens lösen.

Andererseits, in römischen Berichten über Kontrolle eroberter Gebiete durch Schlagen von Schneisen zur Gewinnung von Sichtachsen, hat man auch einen Rückschluss auf die damalige Geländebeschaffenheit und Vegetation.
Pollenanalysen sind in dieser Hinsicht weiter hilfreich für die Einschätzung der landwirtschaftlichen Nutzung.
 
Es gibt eine Karte der Waldverbreitung von Schwarz und Schlüter (s.a. Pflug, Tafel IV). Unabhängig von der zeitlichen Einordnung zeigt sie starke Bewaldung und viele Sümpfe in Flussnähe. Als Beispiel: die Bifurkation Fuhne bildete bis in die Neuzeit ein ca. 15 Kilometer breites Sumpfgebiet. Nur in der Bronzezeit scheint es eine größere Trockenphase gegeben zu haben, wie Urnenfunde am Grund zeitweise ausgetrockneter Gewässer zeigten.
 
Natürlich gab es Wälder (und auch Urwälder) und Sümpfe. Die gibt es z.T. bis heute, viele Sümpfe wurden erst im 20. Jhdt. trockengelegt (heute legt man sie wieder feucht, weil man festgestellt hat, dass sie gute CO2-Speicher sind).

Nur, wenn römische Historiographen Leistungen herausstellen oder Niederlagen oder zumindest Gefahren dramatisieren wollten, dann schilderten sie Germanien als ein Gebiet, das aus nichts anderem als Sümpfen und Wäldern bestand.

Nun sind Sümpfe und Wälder aber keine Lebensgrundlage für Völkerscharen, die den professionellen römischen Legionen zumindest insoweit Probleme machen konnten, dass sie diese ab und an an den Rand einer Niederlage (Caecina) oder darüber hinaus (Lollius, Varus) brachten.

Und wenn es sich bei Germanien nur um Wälder und Sümpfe gehandelt hätte, wäre das nicht nur ein Gebiet gewesen, das keine Lebensgrundlage bot, sondern auch ein ausreichend breiter Grenzsaum um den Durchzug feindlicher Heere zumindesten unwahrscheinlich zu machen, was die alte These von der Grenzverkürzung obsolet machen würde.

Nein, Germanien war für Rom interessant. Vielleicht nicht so sehr wegen der Börden, wie manche meinen, aber eben als Region, in der Menschen lebten, die man lieber unter Kontrolle hatte, denn als beständige Gegner (was sich ja letztlich nicht durchsetzen ließ) und sicherlich auch wegen mutmaßlicher oder bekannter Bodenschätze (wie dem Briloner Blei).

Die fruchtbaren Gebiete waren besiedelt. Es gab Dörfer und (laut Caesar) Einzelgehöfte, die Getreide anbauten - spätestens seit der Bronzezeit gab es auch den Pflug in unseren Gefilden - und sicherlich Ansätze von Hortikultur; die Kirsche (< lat. ceresia) etwa muss damals in Germanien eingeführt worden sein (sonst würden wir sie *Zirse oder *Zirsche o.ä. nennen, wie die Zelle oder die Zither [und nicht den Kaiser oder Keller])
 
Die Archäobotaniker sind hier gefragt. Ich sehe in der heimischen Landschaft jede Menge Hügelgräber die doch vermutlich nicht im dichten Wald sondern sichtbar und mit Sicht zum Sonnenaufgang angelegt wurden. Ich denke dass die Landschaft auch 1.500 Jahre später dann einerseits durch Bruchwälder, Sümpfe und Moore in den Niederungen, andererseits durch offene Flächen in den landwirtschaftlich gut nutzbaren Lagen und durch Fernhandelswege auf den Höhen und in Halbhanglagen geprägt war. Auf jeden Fall kein wüstes Germanien.
 
Die Hügelgräber waren zu einer Zeit angelegt, wo es hier wesentlich wärmer und trockener war. Dann folgte eine Phase feuchten und kühleren Klimas. Die Moore wuchsen wieder und die Wasserspiegel stiegen. Ich nannte ja das Beispiel, wo nach längerer regenarmer Zeit hier in einem Sumpfgebiet in mehreren Metern Tiefe eine pfostengestützte Grube gefunden worden war, in welcher vorgeschichtliche Urnen standen.
Die Urnen aus der RKZ steckten dem gegenüber oben auf Sanddünen, wo sie beim Kiesabbau freigelegt wurden
 
Die Hügelgräber waren zu einer Zeit angelegt, wo es hier wesentlich wärmer und trockener war.
Hügelgräber (bronzezeitliche) innerhalb des Territoriums "Germania magna" finden sich in breiten Flußtälern/Auen (Tübingen Kilchberg), auf halber Höhe an Bergen (Tübingen Bühl) und oben auf Höhenzügen (bei Iba, Nordhessen) - ich verstehe nicht was deren Lokalisierungen mit Klimaperioden und Bewuchs zu tun haben und was die über die Relevanz der Germania magna für die Römer sagen können.
 
Ich kenne die spezifische Situation aller römischen Militärlager in Germania Magna nicht, aber ich denke, sie wurden alle immer in Gebieten ohne Wald gebaut.
Wo ein römisches Lager ist, müssen keine Bäume gewesen sein; Ich glaube nicht, dass die Römer es sich leisten konnten, enorm viel Zeit mit der Rückgewinnung des Landes zu verschwenden und dann erst später mit dem Bau des Vallums zu beginnen.
 
Ich kenne die spezifische Situation aller römischen Militärlager in Germania Magna nicht, aber ich denke, sie wurden alle immer in Gebieten ohne Wald gebaut.
Wo ein römisches Lager ist, müssen keine Bäume gewesen sein; Ich glaube nicht, dass die Römer es sich leisten konnten, enorm viel Zeit mit der Rückgewinnung des Landes zu verschwenden und dann erst später mit dem Bau des Vallums zu beginnen.

Das wird darauf ankommen, ob wir über temporäre Marschlager reden oder aber über ständige Stützpunkte der Römer in "Germanien".
Für ein temporäres Marschlager, werden sich sicherlich weniger dicht bewaltete Gegenden angeboten haben, nicht nur mit Bick darauf, dass man zunächstmal ein weitgehend freies Areal benötigte, um das Lager überhaupt aurichten zu können, sondern auch dahingehend, dass ein allzudichter Wald natürlich auch potentiellen Feinden bei der Verschleierung ihrer Annäherung gewisse Vorteile verschafft. Hier wird man sicherlich, so alnge irgendmöglich Wert darauf gelegt haben, das Gelände so weit als möglich einsehen zu können.

In einem bereits "pazifizierten" Gebiet und einem ständigen Stützpunkt, mit der Absicht diesen möglicherweise irgendwann auszubauen, mögen die Prioritäten möglicherweise anders ausgesehen haben, schon allein, weil man absehen konnte in absehbarer Zeit größere Mengen von Baumaterial zu benötigen, bei dem es sicherlich von Vorteil war, wenn man es direkt vor Ort gewinnen konnte.
Punkte, die man fest kontrollierte, die damit grundsätzlich auch durch ständige Vorposten zusätzlich abgesichert werden konnten unterlagen der Problematik der Marschlager, die Umgebung nur unzureichend zu kennen und auskundschaften zu können, sicherlich nicht in diesem Maße.

Mit Hinblick auf dem Bedarf an Holz für den Ausbau eines ständigen Lagers, als Brennstoff im Winter, aus Baumaterial für Boote/Schiffe zur Operation auf den Flussläufen um die eigenen Versorgungswege frei zu halten oder als für Übergänge über Flüsse oder Absenkungen, um bei Zeiten wenigstens notdürftige Straßen in Richtung weiter zurückliegender Stützpunkte anzulegen oder um Fahrzeuge zur Versorgung, größere Speicherbauten etc. zu errichten, wird man sicherlich für längere Dauer ausgelegte Lager, nicht mitten in den Urwald geelegt haben.

Aber es wäre alleine schon im Hinblick auf den absehbaren Bedarf an Rohstoffen nachteilhaft gewesen, sich ganz prinzipiell auf Gegenden mit wenig Waldbestand festzulegen.
 
Die ersten Lager werden aus Holz gebaut worden sein. Siehe z. B. Gelduba oder auch Haltern. Und direkt zu beginn wohl auf einer Lichtung. Und das Holz wird sofort um das Lager gewonnen worden sein, um Pallisaden, Wachttürme und ähnliches zu bauen. Und nicht zu vergessen das Feuerholz zum kochen, heizen oder für Handwerker. So wird sehr schnell ein größeres Gebiet frei von Bäumen sein.
Bei Steinen war es etwas anderes. Hier wurden lange Transportwege in kauf genommen. Aber Wehrmauern aus Stein sind nach den Pallisaden gebaut worden sein.
 
Selbstverständlich haben sie etwas mit Bewuchs zu tun, denn mitten im wuchernden, später germanischen Urwald hätte man sie nicht angelegt.
Das erstaunt mich teilweise. Aufgrund ihrer immensen Häufigkeit sollen Hügelgräber (bronzezeitliche) teilweise landschaftsprägend gewesen sein (laut Tante Wiki), das setzt Sichtbarkeit (also wenig Wald) und ebenes Gelände (Flachland, breite Flußtäler, Ebenen) voraus. Als Grabstätten dürften sie nicht weit von Siedlungen entfernt sein, also im Umkreis von besiedeltem und bearbeitetem Gelände, ergo waldarm oder entwaldet.
Aber gilt das denn auch für eher exotische bzw unwegsame Höhenlagen? Im Knüllgebirge, fast ganz oben (!) am Eisenberg, finden sich ein paar bronzezeitliche Hügelgräber, zw. Iba und Ronshausen (Waldhessen) eine Gruppe Hügelgräber hoch oben auf einem Höhenzug - dieses Bergland soll zur Bronzezeit nicht bewaldet gewesen sein? Das zu glauben fällt mir schwer.
 
Der Wald sah auf der Höhe ganz anders aus, als in den feuchten Niederungen. Unten bestand er nicht nur aus Bäumen mit gehörigem Abstand, sondern aus dichtem Unterholz. Bäume fielen um, verrotteten und bildeten die Grundlage für neuen Bewuchs. Das behinderte jede Passierbarkeit. Rodungen, außer Brandrodungen, hätten viel zu lange gedauert. Auf der Höhe war der Wald lichter. Der Fund der Himmelsscheibe beweist, dass auf dem Mittelberg Sichtachsen vorhanden gewesen sein müssen, also kaum Baumbestand.
 
(...)Auf der Höhe war der Wald lichter.(...)
Ich verstehe nicht, warum zur Bronzezeit in unseren Mittelgebirgen (z.B. Waldhessen, Knüll - von da meine beiden Beispiele für Hügelgräber oben am Berg, paar 100 m höher als die besiedelten Täler drumrum) der Wald auf den Höhen lichter gewesen sein soll (zumal es zuvor hieß, zu diesen Zeiten solle es kaum Wald gegeben haben, was die Hügelgräber angeblich beweisen)
 
Ich gehe dabei von unseren Verhältnissen im Saale-Elbe-Mulde-Gebiet aus. Unsere Tiefebenen sind feucht und bilden ideale Bedingungen für Urwälder. Wenn eure Täler genau so trocken, wie die Höhen sind, trifft das natürlich nicht zu.
 
@Opteryx (porca miseria) jetzt machst du mich konfus - was gilt denn nun?
1. Sind Hügelgräber "Nachweise" dafür, dass die Gegend, in der sie sind, eher waldarm war? (ich bezweifle das, lasse mich aber gerne belehren)
2. 1000-2000 Jahre nach den bronzezeitlichen Hügelgräbern: total andere Flora, oder eher dieselbe? Wenn anders, dann sagen die Hügelgräber nichts über die Verhältnisse zur Römerzeit.
3. Mit "unseren Mittelgebirgen" meinte ich die hierzulande, sowas wie Harz, Meissner, Knüll, Hunsrück, Odenwald, fränk.&schwäb. Alb etc - von "deinen" Tiefebenen vs "meinen Täler und Höhen" habe ich nichts verlautbart. Aber wie dem auch sei: wie sieht es in der urwaldgünstigen Saale-Mulde-Elbe Tiefebene mit bronzezeitlichen Hügelgräbern aus?

Genug gehügelgräbert! Gibt es was nachlesbares zur Ausbreitung des Walds in Germanien zur "Römerzeit"?
 
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