andreassolar
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Soweit ich sehen konnte, wurde noch kein Faden zum Krieg selber, noch zu dessen Vorgeschichte(n) gepostet.
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Tausende italien. Siedler nahmen dort Land, ließen sich nieder, ital. Firmen dominierten schließlich das Gebiet wirtschaftlich - in zunehmender Konkurrenz mit franz. Firmen und Bestrebungen.
Jau...stimmt...ich hatte es knapp gehalten. Gut, dies explzit nochmals darzulegen, auch hinsichtlich der später massiv einsetzenden franz. Bemühungen, Einfluss und Dominanz in Tunesien über 'Italien' zu gewinnen, was im franz. Protektorat ab 1881 endete.Hierzu eine kleine Ergänzung:
Die Einwanderung italienischer Auswanderer nach Tunesien hinein und das Aufnehmen wirtschaftlicher Tätigkeiten dort, beginnt eigentlich bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, noch vor der italienischen Einigung.
Angefangen wohl bei Kauf- und Seeleuten aus der Toskana und vor allem den mittelitalienischen Kleinstaaten, mit späterer schwerpunktmäßiger Verlagerung auf armutsbedingte Auswanderung aus den Territorien des Kgr. Beider Sizilien.
Die Vorstellung der "4.Küste" und ihre Entstehung hat auch etwas damit zu tun, dass zum Zeitpunkt der italienischen Einigung, im Besonderen, wenn man diese als Prozess von 1848-1870/1871 auffasst, bereits entsprechende italienische Gemeinden in Tunesien vorhanden waren.
Die offenkundige nachträgliche Einfügung jenes Memos mit Datum vom 28. Juli 1911 vom damaligen ital. Außenminister San Giuliano, an den ital. Ministerpräsdenten Giolitti und an den ital. König Vittorio Emanuele III. gerichtet, vom bekannten Ende her in eine große Geschichtserzählung, hier bei Clarks I.Weltkrieg-Titel Schlafwandler, verführt verständlicherweise zu 'Kurzschlüssen'. Mit etwas Übung und Erfahrung oder 'wissenschaftlicher Akribie' lösen sich solche Groß-Narrative besonders an den 'Rändern' im Rahmen eigener Recherchen und Bemühungen, dem jeweiligen Thema eine eigene Dynamik und Berechtigung zu geben, gerne mal etwas auf in weitere 'Untergeschichten', die damals keineswegs jeweils notwendig, linear in die vom Ende her bekannte Finalität münden mussten.
Clarks Ausführungen suggerieren - in der deutschen Übersetzung einen Hauch stärker - San Giulianos Verantwortung für den späteren Balkanbund und dessen sehr schnellen und erfolgreichen Krieg ab Oktober 1911 gegen das Osmanische Reich mit allen Folgen und Nachwirkungen hin zum kommenden Weltkrieg aufgrund einer riskanten, fast verantwortungslosen Außenpolitik, die ab Sommer 1911 eine gefährliche, militärisch gestützte Realisierung der ital. Kolonialansprüche in Tripolitanien um fast jeden Preis forcierte. Oder doch nicht? ;-)
Jener Abschnitt im Memo San Giulianos lautet vollständig und im Original:
La ragione principale, per la quale io credo preferibile di evitare la spedizione in Tripolitania è la probabilità (probabilità non certezza) che il colpo, che il successo di tale spedizione darebbe al prestigio dell'Impero Ottomano, spinga all'azione contro di esso i popoli balcanici, entro e fuori dell'Impero, oggi più che mai irritati contro il pazzesco regime centralista giovane-turco, ed affretti una crisi, che potrebbe determinare e quasi constringere l'Austria ad agire nei Balcani.
(Q: Francesco Malgeri, La Guerra Libica, Roma 1970, Appendice, I.- Documenti: 1. Promemoria del ministro degli esteri Di San Giuliano. S. 385-389, S. 385)
Die Kursivsetzung, und damit Betonung, von non stammt vom Original, also von San Giuliano. Übersetzt via deepl und eigener Tätigkeit:
Der Hauptgrund, warum ich glaube, dass es besser wäre, die Expedition nach Tripolitanien zu vermeiden, ist die Wahrscheinlichkeit (Wahrscheinlichkeit, nicht Gewissheit), dass der Schlag, den der Erfolg einer solchen Expedition dem Ansehen des Osmanischen Reiches versetzen würde, die Balkanvölker innerhalb und außerhalb des Reiches gegen das Osmanische Reich aufbringen würde, die heute mehr denn je gegen das verrückte jungtürkische zentralistische Regime gereizt sind, und eine Krise beschleunigen würde, die Österreich zum Handeln auf dem Balkan bestimmen und fast zwingen könnte.
Tatsächlich liegt San Giulianos Hauptaufmerksamkeit nun deutlicher bei der ÖU-Administration und deren mögliche Reaktionen und Aktionen auf dem Balkan und besonders hinsichtlich Albanien, einer Osmanischen Provinz, um welche politische Entscheidungs-Kräfte sowohl in Rom wie in Wien konkurrierten.
Was, entgegen vom bekannten Ende her entlang großer Narrative, San Giuliano nicht wissen konnte oder realistischer Weise dabei berücksichtigt hatte, auch wenn es sich irgendwie danach anhört:
Erst der sich entwickelnde und dann länger fortdauernde Krieg ab Ende Oktober 1911 und die spätestens im Dezember 1911 offenbar werdende Tatsache, dass das Osmanische Reich mit militärischen Mitteln den italienischen Streitkräften in 'Libyen' keine entscheidende Niederlage bereiten konnte oder sie zum Rückzug aus 'Libyen' zwingen konnte, führte ab Dezember 1911 zu gewissen Überlegungen - sowohl bei der ÖU-Regierung wie manchen Balkanstaaten.
- Bei Abfassung des Memos bestanden innerhalb der neuen Balkanstaaten bedeutende Spannungen, man stand mit den jeweiligen großnationalen Ambitionen und entsprechender Propaganda in erheblicher Konkurrenz untereinander. Serbien und Bulgarien beispielsweise. Eine mögliche Balkanliga, wie ab Frühjahr 1912 entstanden, war im Juli 1911 weder absehbar, erkennbar, noch realistischer Weise erwartbar.
- Weder war die italienische Militärexpedition nach 'Libyen' als Krieg, gar als längerer Krieg, geplant oder nach üblicher Erfahrung erwartbar. Sie war als militärisch gestützte, schnelle Besetzung geplant und gedacht.
Erkennbar wird dies beispielsweise in einem vertraulichen Bericht des GB-Gesandten in Rumänien, Walter Townley, an den britischen Außenminister Edward Grey vom 6. Dezember 1911 u.a.:
Nachdem ich Herrn Maioresco [rumänischer Außenminister, Anm. von mir] gesehen habe, habe ich Ihre Depesche Nr. 13 vom 2. Dezember erhalten, in der Sie mir einen Bericht des Botschafters Seiner Majestät in Wien über eine Unterredung zwischen dem französischen Botschafter und Graf Aehrenthal übermitteln. Ich erlaube mir hinzuzufügen, daß der König von Rumänien und das Kabinett die von König Ferdinand geäußerte Besorgnis über das, was sich im Frühjahr auf dem Balkan ereignen könnte, wenn sich der türkisch-italienische Krieg in die Länge zieht oder die Türkei ernsthaft in Bedrängnis gerät, voll teilen.
(Q: BD 9,1, S. 519 f., Nr. 529, S. 520.)
Siehe Marokko 2! Bitte unterschlage oder vielmehr übersieh nicht einfach die scheinbar gelungenen 'Vorbilder'. Tunesien.Ich frage mich, weshalb man in Rom so kurzsichtig und der Meinung gewesen war, durch Tripolitanien und die Cyrenaika einen Spaziergang durchführen und weitestgehend ohne militärisches Gefechte auskommen zu können.
Tat das dt. Agieren in Marokko 2 (Marokko 1 ....naja) ebenso, und war weitaus kriegsgefährlicher (und, sorry, hirnrissiger). Und vieles andere mehr. Oder glaubst Du, die Liman-Sanders-Mission käme bei mir ernsthaft besser weg - vor allem vom vermeintlichen Ende her, dem I. Weltkrieg, und moralisch im heutigen Sinne beurteilt?In der Summe bleibt , dass das italienische Agieren potenziell Gefahren und Risiken bargen und die Einschätzungen fehlerhaft.
Unter dem Datum des 01.November 1911 machte der König von Montenegro den ÖU Geschäftsträger Giesl interessante Eröffnungen.
König Nikolaus bot Österreich-Ungarn die Armee Montenegros für den Falle einer kriegerischen Auseinandersetzung gegen jeden Feind, Ausnahme Russland und Serbien, an. Darüber hinaus war Nikolaus bereit in "Allem und Jedem Österreich-Ungarns Ratschläge und Weisungen zu befolgen."
Als Gegenleistung erbat König Nikolaus die Unterstützung Österreich-Ungarns hinsichtlich der Ansprüche Montenegros auf Nordalbanien, wenn die Verhältnisse eine Aktion bedingen. Kurz, wenn es an die Liquidation der Türkei geht. (1)
Die ital. Reg. wollte zunächst den Krieg auf Tripolitanien lokalisieren und lehnte daher beispielsweise das Angebot eines militärisches Vorgehens von Seiten der montenegrinischen Administration bei Kriegsbeginn ab, gegen das osmanische Albanien vorzugehen. Die montenegrinische Administration wandte sich nun Ende Oktober an die ÖU-Regierung mit diesem Angebot, doch auch diese ging nicht darauf ein.
Liest Du eigentlich gelegentlich auch mal meine Beiträge zumindest fallweise durchgehend und ausreichend gründlich?
Ich hatte das Folgende am 15.1.22, Nr. 29, im Faden 'Italien im Ersten Weltkrieg' gepostet:
Ganz offenkundig war man der sehr irrigen Meinung, die einheimische Bevölkerung würde die Italiener als neue Herrn des Landes begrüßen oder zumindest einfach hinnehmen. Und die türkische Armee hatte man wohl sträflich unterschätzt und seine eigene militärische Leistungsfähigkeit hoffnungslos überschätzt.
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