Fast alle Schlachten und Kriege werden gewonnen mit Reserven. Der Amerikanische Bürgerkrieg stellte mit seinen Dimensionen alles auf den Kopf, was Nordamerika an kriegerischen Konfrontationen bis dahin erlebt hatte. Gemessen an ärztlicher Versorgung und Schmerzmitteln war der Norden, je länger der Krieg dauerte weit besser ausgestattet. Auch was Bewaffnung betraf, viele Südstaatenregimenter waren noch mit Vorderladern aus dem 18. und frühen 19. Jahrhundert ausgestattet. Etliche Waffen waren nicht einmal mit Perkussionsschloss ausgestattet.
Die neuen Minnie-Geschosse hinterließen Wunden, bei denen oft nur noch die Amputation half. Die Qualität eines Chirurgen wurde oft daran gemessen, wie viele Amputationen er schaffte innerhalb einer gewissen Spanne Zeit. In den Schlachten gingen oft an einem Vormittag die männliche Bevölkerung ganzer Kleinstädte drauf.
Für einen Kommandeur bedeutete das, Männer zu verlieren, die man kannte, die man ausgebildet hatte, die Erwartungen an ihren Kommandeur hatten. Der Süden konnte sich solche Verluste noch weniger leisten, als der Norden. Aber auch in den Nordstaaten lebte die Mehrheit auf dem Lande, und bei Bull Run und Shilo, am Antietam und bei Chancellorsville gingen ganze Kleinstädte aus Pennsylvania, New York, Massachusetts zugrunde.
Der Norden brauchte sehr lange, bis es ihm gelang, sein demographisches und industrielles Übergewicht in die Waagschale zu werfen. Die Verluste waren auch noch hoch, als die Überlegenheit des Nordens immer drückender wurde, und Verluste waren durchaus ein Thema, für das Kommandeure kritisiert wurden. Grant wurde heftig kritisiert wegen seine Verluste und mehr noch wegen der Unbekümmertheit, mit der er sie (nicht) zur Kenntnis nahm.
McClellan wurde als Cunctator kritisiert und man warf ihm, durchaus zu Recht vor, den Gegner doppelt zu sehen, Lee geradezu übermenschliche Fähigkeiten zuzuschreiben.
Grant hatte viele Schlachten gewonnen durch Beharrlichkeit, das Schlachtfeld zu behaupten. Die Schlacht von Shiloh war bis dahin das größte Gemetzel auf amerikanischem Boden, de Norden hatte am 1. Tag enorme Verluste erlitten, erhielt aber am Abend Verstärkungen, und Grant gab die Losung aus "aber morgen zeigen wir es ihnen!"
Mit der Dimension extrem hoher eigener Verluste musste ein Kommandeur erst mal fertig werden. Auch Grant, der nie seine Toten zählte, wurde durch die anhaltenden Verluste depressiv. McClellans Potomac Armee hatte sich nicht schlecht geschlagen, und auch die Konföderierten hatten enorme Verluste.
McClellan kam nicht damit klar, mit der Armee, die er aufgebaut hatte auch zu operieren und Verluste als notwendigen Preis in einem Abnutzungskrieg zu akzeptieren. Die Potomac Armee hatte sich gut geschlagen, sie hatte den Konföderierten ebenso hohe Verluste zugefügt, die Armee war durchaus nicht geschlagen.
McClellan aber ging davon aus, dass er seiner Armee nicht mehr zumuten konnte. Wenn man den Zustand der Armee sah und ihre Verluste, dann hatte McClellan vielleicht sogar recht. Die Verluste im Bürgerkrieg, und das was den Truppen zugemutet wurde, ging teils über das weit hinaus, was man Menschen zumuten kann. Die Verluste im Bürgerkrieg waren höher, als die amerikanischen Verluste im 1. und 2. Weltkrieg. Kaum ein moderner Offizier würde einen Angriff auf Mary`s Heights befehlen oder Picktons Charge bei Gettysburg.
Solche Verluste hatte es bisher nie gegeben. McClellan fiel es noch unendlich schwerer, da er die Armee aufgebaut hatte, die Potomac Armee war sein Werk. McClellan überschätzte Auflösungserscheinungen der eigenen Truppen, neigte dazu, den Gegner zu überschätzen.
Solche Verluste zu akzeptieren, war McClellan nicht fähig.