Sollten Nazi-Verbrecher heute noch verurteilt werden??

Auch wenn die Frage an Shinigami geht: ich verstehe sie gerade nicht. Es wurden 1940 noch Soldaten vor einem Militärgericht verurteil, die in Polen Juden erschossen hatten. Anderthalb Jahre später war ihre jetzt noch verurteilte Tat die neue Realität. Aber man sieht: Das Rechtssystem funktionierte bis in den Krieg hinein.

Gleich vorweg: Ich bin kein Jurist oder habe eine vergleichbare Ausbildung.

Das Dritte Reich war für meine Begriffe, für mein Rechtsverständnis schlicht und ergreifend ein Unrechtsstaat. Ein Staat, der beispielsweise die entsetzlichen Taten in der "Reichsprogromnacht" nicht ahndet, sondern sogar den Opfer der Gewalt noch eine Sühne auferlegt, zeigt ganz offen seine verbrecherische Fratze. Göring äußerste sich zu dem Initiator Goebbels, "Mit wäre lieber gewesen, ihr hättet 200 Juden erschlagen, statt solche Werte zu zerstören. Die Juden mussten dann auch noch ihre Versicherungsansprüche an das Nazireich abtreten und darüber hinaus 1 Milliarde Reichsmark Sühne zahlen.
 
@Turgot

Was das Decken und Verüben von politisch motivierten Verbrechen durch das NS-Regime und den gesamten Staatsapparat angeht, hast du sicherlich recht, dass möchte wohl auch niemand bestreiten.

Nur, die Argumentation, die ich ursprünglich kritisiert hatte, lautete ja paraphrasiert mehr oder weniger dahin, dass auf Grund der Indoktrination durch das NS-Regime die jugendlichen und jungen Erwachsenen Täter in den KZs den Unrechtsgehalt ihrer Taten ja gar nicht richtig hätten erkennen können.

Das würde aber voraussetzen, dass das völlig anders lautende Strafrecht in der Lebenswirklichkeit der Bevölkerung keine Rolle mehr gespielt hätte.
Das hat es aber natürlich.

Brachte in NS-Deutschland irgendjemand aus Habgier, Eifersucht oder sonst irgendetwas seinen Nachbarn um, musste der Täter natürlich mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen.
Selbstverständlich wurde über solche Taten auch berichtet.
Und in welcher Form die NS-Presse das in Fällen ausschlachtete, wenn sich die Konstellation ergab, dass man dem Tatverdächtigen irgendeinen jüdischen oder kommunistischen Hintergrund andichten konnte oder ein solcher zufällig sogar gegebenn war, brauche ich doch wohl auch nicht ausführen?

Die gesamte Streicher-Presse etwa arbeitete doch ganz systematisch mit Verleumdungen und haltlosen Behauptungen, die unliebsamen Gruppen regelmäßig schwerste Verbrechen andichteten und diese als angeblich "undeutsch" etc. anprangerte.

Das alles passierte doch nicht im luftleeren Raum.
Tatsächliche und angebliche Verbrecher wurden doch unter diesem Regime in ziemlich exzessiver Weise durch die Öffentlichkeit gezerrt, so lange das Regime die Verbrechen nicht aus politischen Gründen goutierte.
Und diese Beschuldigungen, ob im Einzelfall nun haltbar oder nicht, bezogen sich in diesen Fällen doch offensichtlich auf einschlägige normierte Straftatbestände und nicht rein auf die NS-Ideologie.

Das Strafrecht spielte in der öffentlichen Wahrnehumg eine Rolle, die NS-Propaganda instrumentalisierte es mitunter.
Und deswegen ist die Vorstellung, dass junge Erwachsene und Jugendliche unter diesem Regime mehr oder minder ohne jedes Bewusstsein für ein entsprechendes Strafrecht und die Verwerflichkeit bestimmter Taten aufwuchsen, mMn unhaltbar.

Sicherlich wurde das geschriebene Recht durch das NS-Regime mehr und mehr ausgehölt, besonders ab dem Zeitpunkt, als die NS-Oberen meinten auf die internationale Meinung keine Rücksicht mehr nehmen zu müssen.

Dennoch verschwand das Strafrecht nicht aus dem Bewusstsein der Bevölkerung.
Und musste von dem her einen moralischen Antipol zu dem bilden, was die Nazis in bestimmten Situationen taten oder anordneten.
Auch bei Leuten, die zum Teil unter starkem Einfluss dieses Regimes sozialisiert worden sind.
 
Zuletzt bearbeitet:
Müsste man dann nicht jeden Staatsanwalt, der von dieser früheren Rechtsinterpretation wusste, wegen Strafvereitelung vor Gericht stellen?
Strafvereitelung (hier durch Unterlassen/Garantenstellung) ist ein schwieriger Tatbestand. Komplex. Welcher Interpretation folgst Du da, insbesondere bzgl Kausalität und Vorsatz in diesem Kontext?
 
Ich bin kein Jurist. Wenn das zu hoch für den Otto-Normal-Bürger ist: Wie schön für die Juristen, wenn das Thema so schwierig und komplex ist, dass es a) für niemand außerhalb des Bereichs nachvollziehbar ist, und b) dazu führt, dass Juristen in dem Zusammenhang nicht bestraft werden können...

EDIT
Ich mein, es ist doch allzu billig, mir wieder und wieder an den Kopf zu werfen "Erklär's dir doch selber", obwohl ich von Anfang an gesagt habe, dass ich kein Jurist bin. Ist es denn so völlig unmöglich, einem Laien zu erklären, wie das mit dem Gleichheitsgrundsatz ist, warum der hier nicht verletzt ist, wenn dem so ist, dass es bisher nicht mal jemand probiert hat? Wie soll ein Rechtssystem denn Anerkennung bei der Bevölkerung erlangen, wenn es sich um so komplexes Geheimwissen handelt, dass eine Erklärung nicht mals möglich ist?
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich wollte Dir nichts an den Kopf werfen.

Ich vermute, dass Du hier mit eigenen Interpretation für Strafvereitelung arbeitest. Ich halte das in Bezug auf die enge Frage dieser "Änderung" der Interpretation der Beihilfe-Tatbestände aber für abwegig (wegen der oben angerissenen fachlichen Fragen), ...

dennoch aber für nachvollziehbar, wenn man das quasi "gefühlsmäßig" beurteilen will. Und erst recht in Bezug auf das Justizversagen bzgl. der allgemeinen Verfolgung von NS-Verbrechen ist das verständlich.

Deine allgemeinen Fragen zur geänderten (?, und wann?) Auffassung hier sind berechtigt, mit Schuldfragen wegen Strafvereitelung hat das aber mE nichts zu tun.
 
Das Dritte Reich war für meine Begriffe, für mein Rechtsverständnis schlicht und ergreifend ein Unrechtsstaat.
Natürlich war es das. Aber eben nicht für alle. Es war reine Willkür für Juden, Regimegegner, Behinderte oder Leute, die aus der Volksgemeinschaft rausdefiniert wurden. Aber für den politisch unauffälligen „Reichs-“ oder „Volksdeutschen“ setzte sich der Rechtsstaat bis in den Krieg weitestgehend bruchlos fort. Diebstahl war Diebstahl, Mord war Mord. Du musst die Sphäre des Strafrechts und die Sphäre der politischen Justiz voneinander trennen. Alkoholiker, Homosexuelle, psychisch Erkrankte, für die gab es freilich keinen Rechtsstaat.

Wenn wir darüber diskutieren, ob Nazi-Verbrecher heute noch verurteilt werden sollen, dann diskutieren wir heute über damals junge Leute, die aber i.d.R. „Reichs-“ oder „Volksdeutsche“ waren, also normalerweise nicht durch politisierte Unrechtshjustiz verfolgt wurden. Das Argument, was in den letzten Beiträgen vorgebracht wurde, war, dass diese damals jungen Leute ja gar nicht gewusst haben konnten, was sie taten, da sie ja in einem Unrechtsstaat aufwuchsen. Aber das ist eben zu kurz gedacht. Gerade für die, die sich im Rahmen der staatlichen Ideologie schuldig machten, funktionierte der Rechtsstaat ja eben noch bzw. sie wurden amnestiert.
Und Unrecht ist doppelseitig: es hat nicht nur Opfer (die zu hart oder gar unschuldig verurteilt werden), sondern auch Nutznießer (die amnestiert oder deren Verbrechen gar nicht erst verfolgt werden) .
 
Strafvereitelung (hier durch Unterlassen/Garantenstellung) ist ein schwieriger Tatbestand. Komplex. Welcher Interpretation folgst Du da, insbesondere bzgl Kausalität und Vorsatz in diesem Kontext?

Nochmal nachgefragt. Wie soll hier Strafvereitelung begründet werden?
Oder ist das einfach mal so in den Raum gestellt worden?
 
Wenn heute Verbrechen bestraft werden, die früher nicht bestraft wurden, frag ich mich warum. An den Gesetzen hat sich ja nichts geändert. ElQ nannte es ein "Versäumnis", dass das früher nicht geschah. Ich habe mich bisher in der Illusion gewiegt, dass Jura nicht etwas völlig erratisches ist, das willkürlich mal so, mal so ausschlägt. Wenn hier Fehler gemacht wurden, falsch geurteilt wurde, systematisch und über Jahrzehnte hinweg, würde ich erwarten, dass sich durch diese Fehler jemand schuldig gemacht hat.

Aba jut, war's halt ein "Hoppla, war halt nicht richtig, kann ja mal vorkommen." Ich hab jedenfalls verstanden, dass es mir hier niemand erklären wird. Werd ich halt dumm sterben.

Aber um ehrlich zu sein: Mir vergeht ob der Hochnäsigkeit & Arroganz, die mir wiederholt entgegen schlägt, jeglichedie Lust, in diesem Forum auch nur noch eine Silbe zu schreiben.
 
. Ich habe mich bisher in der Illusion gewiegt, dass Jura nicht etwas völlig erratisches ist, das willkürlich mal so, mal so ausschlägt.
Sollte sie auch nicht. Aber versäumte Strafverfolgungen sind ja nichts erratisches. Die Frage ist halt, ob das Versäumnis beabsichtigt war oder nicht. Das ändert aber nichts an der grundsätzlichen Strafverfolgungspflicht. Versäumnis kann kein Recht schaffen.

Wenn hier Fehler gemacht wurden, falsch geurteilt wurde, systematisch und über Jahrzehnte hinweg, würde ich erwarten, dass sich durch diese Fehler jemand schuldig gemacht hat.
Ja. Aber was willst du damit sagen? Dass es Versäumnisse gab und diese zum Teil aus Desinteresse zum Teil aus dezidierten Interessen herrühren, ist ja nichts Neues, das ist seit den 1980ern Gegenstand der Diskussion.

Ich hab jedenfalls verstanden, dass es mir hier niemand erklären wird.
Was ist denn deine Frage?
 
Meine Frage? In jedem anderen Gebiet führt es zu Konsequenzen, wenn über lange Zeiträume hinweg systematisch Fehlentscheidungen getroffen werden, egal ob vorsätzlich oder fahrlässig. Richter und Staatsanwälte können offensichtlich dekandenlang das Recht falsch auslegen, zig tausend Täter ins Grab entschwinden lassen, und die einzig Folge ist ein "Das lief jetzt aber blöd..."

Man, muss das toll sein, Jurist zu sein. Keine Verantwortung, egal, was man macht...
 
Aber um ehrlich zu sein: Mir vergeht ob der Hochnäsigkeit & Arroganz, die mir wiederholt entgegen schlägt, jeglichedie Lust, in diesem Forum auch nur noch eine Silbe zu schreiben.
davon bitte ich dich Abstand zu nehmen!

Wenn heute Verbrechen bestraft werden, die früher nicht bestraft wurden, frag ich mich warum.
In dieser Angelegenheit
Vergewaltigung in der Ehe ist seit Juli 1997 strafbar. Mit dem 33. Strafrechtsände- rungsgesetz wurde das Merkmal außerehelich aus dem Tatbestand der Vergewaltigung, § 177 StGB, gestrichen, sodass seitdem auch die eheliche Vergewaltigung als ein Verbrechen geahndet wird.
ist lediglich ein Merkmal gestrichen worden. Richter XY hat im Frühjahr 1997 korrekt freisprechen können, was er im Herbst 1997 dann mit Strafe belegte. Zitiert aus:
https://www.bundestag.de/resource/b...537fa85e9ccce444dc95/wd-7-307-07-pdf-data.pdf

Das wäre ein - laienhaft vorgebrachtes - sehr einfaches Beispiel.
 
Wenn heute Verbrechen bestraft werden, die früher nicht bestraft wurden, frag ich mich warum.

Solltest Du Lust haben, dann schau Dir mal den Fall Kesselring an (download unter 21). Es wird die politische Dimension der juristischen Beurteilung sehr deutlich. Ich weiss nicht, ob Du darauf hinaus wolltest.
 
davon bitte ich dich Abstand zu nehmen!


In dieser Angelegenheit ist lediglich ein Merkmal gestrichen worden. Richter XY hat im Frühjahr 1997 korrekt freisprechen können, was er im Herbst 1997 dann mit Strafe belegte. Zitiert aus:
https://www.bundestag.de/resource/b...537fa85e9ccce444dc95/wd-7-307-07-pdf-data.pdf

Das wäre ein - laienhaft vorgebrachtes - sehr einfaches Beispiel.

Hier hat sich die Gesetzeslage geändert.
Manchmal ändert sich auch die Rechtsprechung bei unveränderter Gesetzeslage. Vor ein paar Jahren kam ein Staatsanwalt auf die Idee, die "Ku'damm-Raser" wegen Mordes anzuklagen. So etwas hat es zuvor nicht gegeben. Und das Gericht ist der Argumentation gefolgt und hat die Raser verurteilt. Der Fall ging noch ein paar Mal hin und her durch die Instanzen, inzwischen sind die Urteile m. W. rechtskräftig.
 
Mein Onkel ist Jurist. Auf dem Klo lagen immer stapelweise Hefte mit neuen Urteilen und Gesetzesänderungen. Das half mir schon recht früh zu begreifen, dass Recht ein laufender Prozess ist. Ein Richter oder ein Staatsanwalt kann sich natürlich immer nur an geltendes Recht halten. Er ist ja kein Hellseher. Ich sehe darin keine Strafvereitlung.

Interessanter ist die Frage nach der Gerechtigkeit, die auch aufgeworfen wurde. Ist Gerechtigkeit etwas, das sich entwickelt und verändert oder ein unveränderliches, absolutes Ideal? Ein Theist, der glaubt, dass Gott eine Instanz absoluter Moral ist, würde wohl letzteres bevorzugen.

Es ist schon irgendwie ungerecht, wenn ein Mensch für dieselbe Tat bestraft wird und ein anderer nicht, weil sich die Rechtssprechung ändert. Gilt das dann auch andersherum. Ist es zum Beispiel ungerecht, dass ein Homosexueller früher strafrechtlich verfolgt wurde und heute nicht mehr?
 
Fritz Bauer, der den bundesdeutschen Behörden misstraute, wohl nicht zu Unrecht, und seine Informationen bezüglich Adolf Eichmann lieber den Israelis übergab, die ihn dann in Argentinien schnappten.

In der jungen Bundesrepublik fand man an jeder Ecke Alt-Nazis. Beispielsweise war eine große Anzahl der Funktionäre im Bund der Vertriebenen Alt Nazis. Das Oberlandesgericht München hat seine eigene Vergangenheit durchleuchten lassen. Im Endergebnis wurde bekannt, dass das OLG München nach 1945 nicht eine einzige strafrechtliche Verurteilung eines Richters wegen eines Rechtssprechungsakt im Nationalsozialismus gegeben hat. Dafür gab es Beförderungen. Alt-Nazi wurden Oberpräsidenten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Im normalen Strafrecht - also außerhalb politischer Schauprozesse! - funktionierte das System weiter, mit weitgehend mit der Weimarer Republik konformen Rechtsauffassungen. Ja, die Nazis haben ja z.B. Mord im Strafrecht noch verschärft, die Morde in den Konzentrations- und Vernichtungslagern waren eine Zuwiderhandlung ihrer eigenen Rechtsverschärfungen, auch wenn man das Recht dort dann großzügig beugte. Insofern sollte man nicht Freisler heranziehen, sondern die Gesetzbücher.

Zuweilen wurden selbst SS-Schergen wie der berüchtigte Kommandant von Buchenwald Karl Otto Koch u. a. wegen Mord an Häftlingen zur Rechenschaft gezogen. Koch war ein äußerst brutaler Typ, der geradezu surrealistische Grausamkeiten beging.

Die Ethik war freilich etwas aus dem Ruder gelaufen. Juden umzubringen galt als löblich, als Heldentat-etliche "Kriegshelden haben das EK II oder das KVK mit oder ohne Schwerter bekommen für Morde an jüdischen Zivilisten, "Asozialen" und Untermenschen bekommen. Nach Himmlers Ethik konnten Massenmörder noch "anständig" bleiben, selbst wenn Hundert, Tausend oder noch mehr Leichen dalagen.

Juden umzubringen ging ohne weiteres noch als Anstand durch, Lampenschirme aus Menschenhaut, Möbel aus Überresten von Menschen- so what! Den Ermordeten die Goldzähne herauszuschlagen, sinnlose Experimente an jüdischen Kindern- Opfer für die Wissenschaft!

Den Juden bevor man sie endlich auf grauenhafte Weise umbrachte vorher die Brieftasche zu klauen- das verstieß gegen den Kodex war unanständig. Himmler sagte, die SS habe sich keine Mark, keine Zigarette genommen- was wie er genau wusste gelogen war.

Hin und wieder wurden aber tatsächlich Leute, die allzu ungeniert klauten von SS-Gerichten zur Rechenschaft gezogen. Koch war extrem korrupt, und schlimmer noch er hatte sich mit einem SS-Gewaltigen überworfen: Mit Josias Erbprinz von Waldeck Pyrmont. Waldeck war natürlich auch korrupt. Eine in Kassel ansässige "Forschungsbehörde" hatte keine andere Aufgabe, als sich um Waldecks erlegte Rehböcke zu kümmern.

Waldeck hatte immer wieder versucht, Koch abzusägen, was ihm aber nicht so recht gelang, da der "Reichsheini" schützend seine Hand über Koch hielt. Schließlich aber hatte es Koch übertrieben. Bei einem Besuch in Buchenwald hatte ein Häftling Waldeck von einer Krankheit geheilt. Dieser Häftling war aber zu einem gefährlichen Mitwisser geworden, so dass Koch ihn kurzerhand "auf der Flucht" erschoss. Koch wurde schließlich wegen zahlreicher Verfehlungen, darunter auch der Mord an Häftlingen, die Waldeck kannte.
 
Fritz Bauer, der den bundesdeutschen Behörden misstraute, wohl nicht zu Unrecht, und seine Informationen bezüglich Adolf Eichmann lieber den Israelis übergab, die ihn dann in Argentinien schnappten.

In der jungen Bundesrepublik fand man an jeder Ecke Alt-Nazis. Beispielsweise war eine große Anzahl der Funktionäre im Bund der Vertriebenen Alt Nazis. Das Oberlandesgericht München hat seine eigene Vergangenheit durchleuchten lassen. Im Endergebnis wurde bekannt, dass das OLG München nach 1945 nicht eine einzige strafrechtliche Verurteilung eines Richters wegen eines Rechtssprechungsakt im Nationalsozialismus gegeben hat. Dafür gab es Beförderungen. Alt-Nazis wurden Oberpräsidenten.

... und Arbeitgeberpräsidenten, Ministerpräsidenten, Staatssekretäre, Minister und Bundeskanzler.
 
Das sie nicht tätig werden musste, lag aber an der damals gängigen Interpretation des geltenden Rechts durch die Gerichte.
Insofern wurde hier keine Ausnahme gemacht und es liegt auch keine Pflichtversäumnis seitens der Staatsanwaltschaft vor. Genau das wäre aber der Fall, wenn man jetzt von Verfolgung absehen würde.


Das kann man von einem Jugendlichen nicht erwarten. Was man von einem Jugendlichen durchaus aber erwarten kann, ist dass er oder sie erkennt, dass es falsch ist anderen dabei zu helfen Menschen zu ermorden.

Und dann sind wir an einem Punkt, wo es knifflig wird.

Ich denke man kann auch von einem Jugendlichen erwarten zu erkennen, dass es falsch und unrecht ist, als bewaffneter Posten dafür zu Sorgen, dass Menschen einem dezidierten Mordprogramm zugeführt werden und dem nicht entkommen können.
Ich denke auch, dass man von einem jugendlichen erwarten kann, zu erkennen, dass es falsch und unrecht ist, im Rahmen einer Tätigkeit als Schreibkraft dezidierte Mordbefehle abzufassen (gleich wer sie diktiert hat) und sie zu übermitteln.

Das sind die beiden Dinge, wo ich sagen würde, dass darf man erwarten und dafür sollte man auch strafen.

Das sehe ich auch so! Es gibt seit Jahrhunderten doch so etwas wie Ethik. Seit Jahrhunderten gab es die Zehn Gebote, und mag es auch noch so rudimentär entwickelt sein-so etwas wie ein Gewissen hat doch jeder, und jeder muss es innerlich totschlagen. So sehr die Propaganda und die Nazi-Nomenklatura sich auch bemühten, das alles als gut und richtig und als harte aber notwendige Maßnahme hinzustellen, so war doch den Tätern wohl bekannt, dass sich das nicht rechtfertigen ließ.

Bei den Auschwitz-Prozessen wurde auch der Darmstädter Hans Stark angeklagt. Stark war als 17 oder 18-jähriger Schüler nach Auschwitz gekommen. Häftlinge berichteten übereinstimmend, dass Stark einer der brutalsten Täter war. Nie hatte er so etwas wie Mitleid gezeigt-im Gegenteil. Im zarten Alter von 18 Jahren wurde Stark zum Herren über Leben und Tod.

In seinem Schlusswort sagte Hans Stark, dass er an der Tötung vieler Menschen mitgewirkt habe, und in den letzten Jahren sich immer wieder gefragt habe, ob er zum Verbrecher geworden sei. Er habe darauf keine Antwort gefunden.
 
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