Nein, der Plan war kein Unsinn. Gründe habe ich dir mehrfach erläutert. Dass das der eigener Botschafter in Rom nicht den Mund halten konnte, war schon dürftig, ändert aber nichts an der Richtigkeit der grundlegenden Überlegung.
Ist dir da mal der Gedanke gekommen, dass in die Absprachen bereits so viele Personen involviert waren, dass es hochwahrscheinlich sein musste, das irgendwer plauderte, sei es aus Unachtsamkeit oder aus persönlicher Missbilligung gegenüber diesem Vorhaben?
Immerhin zielte es für jeden erkennbar letztendlich darauf ab, mindestens einen begrenzten Krieg gegen Serbien zu provozieren.
So unwahrscheinlich, dass da vielleicht die eine oder andere beteiligte oder informierte Person Gewissensbisse bekommen und versuchen könnte einen Strich durch diese Rechnung zu ziehen?
Dann eben hier an dieser Stelle. Am 35.Mobilmachungstag war Reims von den Deutschen besetzt und die Spitzen der Kavallerie standen 50 km vor Paris.
Was bedeutet, dass man zu diesem Zeitpunkt gemäß Fahrplan noch weniger als 2 Wochen hatte um Frankreich zu schlagen, während aber nicht einmal die Hälfte des Weges zwischen Übertritt der französischen Grenze und den notwendigen Positionen um den französischen Verbänden in Lothringen wirklich jede Rückzugsmöglichkeit abzuschneiden erreich war.
Kavalleriespitzen nutzten niemandem etwas, mit Kavalleriespitzen ohne infanteristische Unterstützung und vor allem auch Feldartillerie im größeren Stil konnte man die französische Armee nicht in einer Weise einkesseln, die für eine Vernichtungsschlacht geeignet gewesen wäre.
Es interessiert von dem her nicht, wo Kavalleriespitzen standen, die sich in einem Gefecht mit französischen Infanteriedivisionen unter Mitführung von Feldartillerie ohnehin nicht hätten halten können, es interessiert, wo sich die für die angedachte Vernichtungsschlacht notwendige Artillerie befand.
Auch sonst nutzten Kavalleriespitzen vor Paris, die nicht dafür ausgerüstet waren den praiser Festungsgürtel aussichtsreich angreifen zu können auch im Hinblick auf die französische Hauptstadt nichts (deren Einnahme ja ohnehinmit dem Schlieffenplan herzlich wenig zu tun gehabt hätte).
Das Einzige, was die Kavalleriespitzen dort erreichen konnten, waren propagandistische Erfolge und begrenzter Flankenschutz für die restliche 1. Armee, letzteres aber nur sehr begrenzt.
Jedenfalls nach der Planung sollte die Entscheidung zwischen dem 35. und 40.Mobilmahungstag fallen. Am 04.September sah es also noch nicht so schlecht aus, wie du hier schreibst. Noch war alles offen.
Es war vielleicht noch offen, ob ein rascher Sieg über Frankreich im Westen gelingen konnte.
Der Fahrplan, dass in 6 Wochen schaffen zu wollen, war zu diesem Zeitpunkt längst Makulatur, dafür kam das schwere Gerät nicht schnell genug voran, während man nur mit Kavallerie und Infanterie ohne entsprechende artilleristische Unterstützung auf eine erfolgreiche Kesselschlacht nicht hoffen konnte.
Was Schlieffen bei seinen Planungen große Sorge machte, das waren die modernen Festungen Lüttich und Namur. Sie waren so konstruiert, das sie den damaligen, bei der Erbauung, Geschützen widerstehen konnten. Als Schlieffen in de Ruhestand trat, gab es noch kein solches Geschütz. Krupp hatte aber bis 1909 schon ein Prototyp für eine 42cm Haubitze entwickelt und sein Vorteil lag an der Straßenbeweglichkeit. Die Österreicher halfen den Deutschen aus. Von Krupp waren im August 1914 fünf Eisenbahnmodell und zwei Straßenmodell einsatzfähig.
Das Lüttich und Namur 1914 nicht mehr dem neuesten Stand entsprachen, hat
@dekumatland schon mehrfach recht überzeugend dargelegt (Ich danke an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich für die interessanten, kenntnisreichen Beiträge aus der Festungsecke
)
Du übergehst allerdings in dieser Betrachtung vollständig denn Umstand, dass die neue, überschwere Belagerungsartillerie bisher im Ernstfall gänzlich unerprobt war.
Ebenso, dass sich damit noch immer die Frage stellte, wie schnell damit eine Eroberung der Festungen vollzogen werden konnte.
Bereits der Verzug einiger Tage würde den Franzosen ja schon mehr Zeit geben die deutsche Schwerpunktbildung besser nachvollziehen und eigene truppen umgruppieren zu können.
Die Schwere Belagerungsartillerie überhaupt gegen Namur einsetzen zu können, setzte überdies voraus, nicht nur Lüttich schnell zu nehmen, sondern auch die dortigen Bahnalnagen relativ unbeschädigt in die Hände zu bekommen, um die Geschütze überhaupt so nah an Namur heranbringen zu können, dass ein einigermaßen präziser Beschuss der Festung möglich war.
Bereits hier lagen ganz erhebliche Risiken.
Die deutschen Marschleistung betrugen so zwischen 25 und 35 Kilometer. Ich glaube, Schlieffen hatte 40 Kilometer vorgesehen, was bei heftigen Widerstand wenig realistisch war.
Ja, aber auf den ersten Etappen auf denen Nachschubprobleme noch nicht die entscheidende Rolle spielten und zunächst auch ohne maßgeblichen französischen Widerstand.
Auf den traf man ja erst in Belgien und dann kommt dabei hinzu, dass sich die französische Armeen vor der Marne-Schlacht ja zunächst erstmal kämpfend zurückzogen, gerade um nicht von der deutschen Übermacht auf diesem Abschnitt auf dem linken Flügel umgangen zu werden.
Dass die deutschen Truppen relativ schnell vorrücken konnten, so lange die Franzosen sich wegen Unterzahl und Umgehungsgefahr tendenziell zurückzogen statt mit wirklich letzter Kraft dagegen zu halten ist klar.
Es war doch aber klar, dass das nicht so weitergehen konnte, weil früher oder später von französischer Seite darauf reagiert werden würde.
Das tat Joffre dann ja auch, in dem Teile der in Lothringen eingesetzten Kräfte aus der Front herausgezogen und daraus dann die 6. Armee unter Maunoury gebildet wurde, die dann letztendlich eingesetzt wurde um den linken französischen Flügel zu stabilisieren.
Und in dem Moment, in dem das passierte die französischen Truppen nicht mehr Gefahr liefen auf ihrem linken Flügel umgangen zu werden, wenn sie stehen blieben und kämpften, war es mit dem zügigen deutschen Vormarsch vorbei.
Und dass eine Stabilisierung des französischen linken Flügels in dieser Form erfolgen würde, war wirklich alles andere als ein exotischer Zufall.
Das war durchaus vorhersehbar, wenn man dem französischen Generalstab nicht von vorn herein völlige Inkompetenz attestierte.
Schlieffen wollte ursprünglich durch Belgien und Holland. Moltke hatte diese wesentlich Änderung vorgenommen, das Holland als "Luftröhre" erhalten bleiben sollte.
Das ist mir durchaus klar, aber ich weiß nicht, wie detailliert Conrad in diese Überlegungen eingeweiht war.
Hinsichtlich des verkehrstechnischen Nadelöhrs Aachen-Lüttich, lag es ja durchaus im schlieffen'schen Sinne nahe Limburg in die Kriegshandlungen mit einzubeziehen um auch die über Maastricht führenden Bahnen für Vorstoß und Versorgung zur Verfügung zu haben.
Das moltke es sich mit den Niederländern nicht verderben wollte ist mir bekannt, aber wenn Conrad da nicht im Detail informiert war, ließ sich diese Möglichkeit natürlich in Betracht ziehen.
Insofern hätte Conrad vielleicht nicht unbedingt ein so krasses logistisches Nadelöhr antizipieren müssen, wie bei der Aussprarung der Niederlande (dafür in diesem Fall dann aber ggf. noch die niederländische Armee als Flankenbedrohung und um so sicherere Intervention der Briten).
Wirtschaft und heereseigene Rüstungsbetriebe waren selbst in den günstigen Fällen fast nie mit Vorräten für mehr als sechs Monate bei normaler Beanspruchung ausgestattet. Befragungen ergaben eine durchschnittliche Reichweite von etwa drei Monaten. Außergewöhnliche hohe Rohstoffimporte erfolgten, wie sie Statischen Jahrbücher zeigen, in den Monaten vor dem Krieg nicht.
An dieser Stelle widersprichst du aber deiner eigenen Argumentation.
Denn wenn, wie du meinst die Erfolgsaussichten des Schlieffenplans so schlecht nicht waren, brauchte es ja auch keine großen Vorräte über 3 Monate hinaus
Wäre Frankreich nach 6 Wochen geschlagen gewesen, hätten die Russen ohnehin keine Hoffnungen haben können allein einen Krieg gegen die Zentralmächte erfolgreich durchzustehen und sehr wahrscheinlich zügig Frieden geschlossen, wenn die Bedingungen einigermaßen annehmbar gewesen wären.
Insofern, wenn man Realisierbarket des Schlieffenplans unterstellt, ist das kein außerordentliches Versäumnis (im Gegensatz dazu, dass man für diesen Plan überhaupt nicht über die zulänglichen Truppenstärken verfügte und im Vorfeld bis 1913 auch zu wenig Anstalten machte Heeresvermehrungen durchzuboxen).
Die Bevorratung geringe Bevorratung mit Munition und anderen war nur dann ein Problem, wenn man einen Erschöpfungskrieg erwartete und der ließ sich eigentlich nur dann erwarten, wenn man von Beginn an davon ausging, das die Chance den Schlieffenplan realisieren zu können sehr gering anzusetzen gewesen wären.