Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

@vindus

wenn Strabon sagt, dass die Marser sich ins Landesinnere zurück gezogen haben und für das Jahr 16 laut Tacitus die Germanen im Begriff waren die Elbe zu überqueren und letztendlich sich doch für den Kampf entschieden haben - wo suche ich dann ? Wulf Walther vom TLDA hat erst vor nicht allzu langer Zeit eine bemerkenswerte Arbeit publiziert. Er geht sogar von einer cheruskischen Elite im nordwestlichen Thüringen aus, welche um 10/15 n. Chr. sich gebildet hat und bis zur Saale-Elster Region ausbreitete. Gestützt wird die These durch B. Sicherl vom LWL, welcher die barbarisierten Gaius-Lucius- Denare (Sicherl Gruppe 3; bei mir "Typ Taugwitz" nach dem ersten Fundort benannt, in Bearbeitung) als Sold der Arminius-Koalition sieht.
 
@vindus

Mein Favorit, oder eher gesagt wo ich den Untergang des Varus vermute, liegt zwischen unterer Diemel und unterer Werra (zwischen Kneblinghausen und Hedemünden. Aber für das Jahr 16 n. Chr. war Germanicus zwischen Weser/Werra und der Elbe-Saale-Region. Es gibt ja die Funde des Germanicus-Horizont, nur nicht an Lippe und Ems.
Ist zwar nicht vollkommen absurd aber doch recht unwahrscheinlich. Auch diese Gebiete habe ich mal eine Zeit lang als Favorit ins Auge gefasst, zumal es da auch diese Legende mit dem Bischof gab der die Gnitaheide erwähnt. Aber auch diese Region passt wie ich heute finde nicht so gut zu den Überlieferungen wie es mal schien. Außerdem liegt das Eggebirge mit dem Osning und der Senne räumlich näher und günstiger in Richtung Wiehengebirge/Kalkriese. Daher vermute ich dass die Varusschlacht ihren Anfang im Bereich östlich von Paderborn oder um Detmold herum ihren Anfang genommen und in Kalkriese ihr Ende gefunden hat. So wie es Tacitus im Grunde genommen beschreibt wenn man ihn wörtlich nimmt und den einfachsten, naheliegensten, Fall annimmt, nämlich dass mit dem „Saltus Teutoburgiensis“ dass den Quellen von Ems und Lippe nächstgelegene Gebirge gemeint war. Wenn man sich die Strecke zwischen Detmold und Kalkriese ansieht sind das mit den günstig gelegenen und damals vermutlich genutzten Wegen entlang von Anhöhen und Flüssen ca. 60 km. Das wären genau drei bis vier Tagesmärsche. Natürlich ist das grob geschätzt denn so ein Tagesmarsch könnte unter ungünstigen Bedingungen auch bis zu 15 km betragen haben, oder im Eilmarsch auch mal 30 km, und Detmold ist damit die entfernteste Schätzung für einen Ausgangspunkt den ich nicht exakt kenne. Denn bei Tacitus steht, ich kann kein Latein aber El Quijote kann das sicher erläutern, dass Germanicus sich bei seiner Expedition nicht mehr weit vom ST befand wo, wie man ihm sagte, die unbegrabenen Legionen noch liegen sollen. Es wird also nicht gesagt dass die unbestatteten Reste der Legionen nicht weit vom ST sind, sondern dass sich Germanicus nicht mehr weit von dem ST befand wo die Legionen liegen. Für mich klingt das so dass sich die Legionen de facto unmittelbar hinter dem ST befunden haben dürften (deutlich weniger als einen Tagesmarsch).
 
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@vindus

wenn Strabon sagt, dass die Marser sich ins Landesinnere zurück gezogen haben und für das Jahr 16 laut Tacitus die Germanen im Begriff waren die Elbe zu überqueren und letztendlich sich doch für den Kampf entschieden haben - wo suche ich dann ? Wulf Walther vom TLDA hat erst vor nicht allzu langer Zeit eine bemerkenswerte Arbeit publiziert. Er geht sogar von einer cheruskischen Elite im nordwestlichen Thüringen aus, welche um 10/15 n. Chr. sich gebildet hat und bis zur Saale-Elster Region ausbreitete. Gestützt wird die These durch B. Sicherl vom LWL, welcher die barbarisierten Gaius-Lucius- Denare (Sicherl Gruppe 3; bei mir "Typ Taugwitz" nach dem ersten Fundort benannt, in Bearbeitung) als Sold der Arminius-Koalition sieht.
Mit Elbe überqueren kann auch gemeint gewesen sein dass sie sich hinter sie zurückziehen wollten. Ob sie schon dort waren geht daraus nicht hervor. Es kann sein dass sich Cherusker im Bereich des heutigen NW Thüringen niedergelassen haben. Ich vermute dass die alle miteinander vermischt und verwandt waren. Eine Mischung aus Chatten und Cheruskern usw. Aber warum sollte das die V-Schlacht nach Sachsen-Anhalt bringen?
 
Und wo liegt der Kontrapunkt?
Das hatte ich weiter oben mit den entsprechenden Quellenzitaten schon ausgeführt, aber auch das gern nochmal in Kurzfassung:

In Kalkriese wurden haufenweise Gegenstände gefunden, die man ganz bestimmt nicht braucht, wenn man in eine Schlacht zieht: Silberbesteck, Servierteller, Sofas, Frauenschmuck usw.

Sueton hingegen schreibt, dass Tiberius streng kontrollierte, dass bei diesem Feldzug nichts Unnötiges mitgenommen wird. Sueton widerlegt also die Tiberius-in-Kalkriese-These.

In Kalkriese wurden Überreste nachträglich bestatteter Leichen sowie die ausgeplünderten Überreste römischer Ausrüstung gefunden, hier fand also eine Schlacht statt, die die Römer verloren haben.

Dio hingegen schreibt, dass es gar keine Schlacht gab, weil sich niemand zum Kampf gestellt hat. Dio widerlegt also die Tiberius-in-Kalkriese-These.

Und Velleius schreibt, Tiberius habe seine Truppen unversehrt und vollzählig zurückgeführt. Also widerlegt auch Velleius die Tiberius-in-Kalkriese-These.

Alle drei Autoren widerlegen einhellig die These. Und solang nicht mit schlagenden Argumenten bewiesen wird, dass alle drei Autoren Blödsinn geschrieben haben, bezeichne ich die Tiberius-in-Kalkriese-These als Blödsinn.
 
Das hatte ich weiter oben mit den entsprechenden Quellenzitaten schon ausgeführt, aber auch das gern nochmal in Kurzfassung:

In Kalkriese wurden haufenweise Gegenstände gefunden, die man ganz bestimmt nicht braucht, wenn man in eine Schlacht zieht: Silberbesteck, Servierteller, Sofas, Frauenschmuck usw.

Sueton hingegen schreibt, dass Tiberius streng kontrollierte, dass bei diesem Feldzug nichts Unnötiges mitgenommen wird. Sueton widerlegt also die Tiberius-in-Kalkriese-These.

In Kalkriese wurden Überreste nachträglich bestatteter Leichen sowie die ausgeplünderten Überreste römischer Ausrüstung gefunden, hier fand also eine Schlacht statt, die die Römer verloren haben.

Dio hingegen schreibt, dass es gar keine Schlacht gab, weil sich niemand zum Kampf gestellt hat. Dio widerlegt also die Tiberius-in-Kalkriese-These.

Und Velleius schreibt, Tiberius habe seine Truppen unversehrt und vollzählig zurückgeführt. Also widerlegt auch Velleius die Tiberius-in-Kalkriese-These.

Alle drei Autoren widerlegen einhellig die These. Und solang nicht mit schlagenden Argumenten bewiesen wird, dass alle drei Autoren Blödsinn geschrieben haben, bezeichne ich die Tiberius-in-Kalkriese-These als Blödsinn.
All das habe ich ja bereits selber geschrieben und ich habe daher auch nicht widersprochen. Ich denke du verwechselst hier etwas. Meine Frage war, so habe ich das zumindest verstanden, warum Hermundure denkt dass Germanicus in Sachsen-Anhalt war und ich habe sie gefragt was dafür und dich was dagegen spricht. Ich kann mir niemals vorstellen dass Germanicus in Sachsen-Anhalt gekämpft hat. Der dürfte mit ziemlicher Sicherheit in NRW und NS gewesen sein und ist dann wieder Richtung Ostfriesland abgezogen. Die Sache mit Sachsen-Anhalt habe ich nicht verstanden. Das Tiberius in Kalkriese war habe ich nie geglaubt oder behauptet sondern du hast das als Antwort auf meine Frage nach Hermundures Zielsetzung geschrieben.
 
Auszug Wulf Walter:

"Für die Problematik von Interesse sind hier
auch die kürzlich von B. Sicherl näher betrachteten Funde von barbarisierten Augustus-Denaren vom Gaius-Lucius-Typ aus dem rechtsrheinischen Nordwest- und Mitteldeutschland,
die inzwischen auch zunehmend in verschiedenen Stilisierungsgraden, insbesondere aber
in der auffälligen starken Verwilderungsform
seiner Stilgruppe III in Nordwestthüringen
auftreten. Folgt man seinen Überlegungen,
dass dafür „als Emittenten nur die Cherusker
in Betracht“ kommen, die vermutlich anfangs
schon als autonome Anführer im römischen
Dienst ihre Krieger mit eigenen Prägungen
von Silbermünzen honorierten und dies wohl
auf gewisse Zeit auch nach der Niederlage
des Varus im weiter operierenden ArminiusHeer beibehielten, spräche das auch für die
Anwesenheit solcher Gefolgschaftskrieger in
Thüringen, eventuell sogar für hier neu entstandene Sitze von cheruskischen Eliten, die
angesichts der hier konzentrierten speziellen
Münzvariante (Sicherl Gruppe III) möglicherweise auch im Expansionsgebiet weiter als
Prägeherren in Erscheinung traten."

Die Gaius Lucius Denare vom Taugwitzer Typus (bei B. Sicherl Gruppe 3) wurden bisher nur in Thüringen und im Süden von Sachsen-A. gefunden. Exakt auf dieser Spur fallen auch die Münzen des Germanicus-Horizont (von mir in Arbeit).
 
und weiter heißt es:

"Der entscheidende Impuls zu Etablierung
und Durchsetzung der rheinwesergermanischen Kultur in Thüringen erfolgte dabei u.
E. in erster Linie durch eine umfangreichere
Migration und Landnahme aus dem Nordwesten, die hier zum ersten Mal dezidiert mit der
Niederlage der Marbod-Allianz im Jahr 17 n.
Chr. und der daraus gewonnenen Vormachtstellung der cheruskisch dominierten Koalition
unter Führung des Arminius bis zur Saale in
Zusammenhang gebracht wird.
Folgt man diesen Überlegungen, so erscheint
es auch nur konsequent, ein historisches
Schlüsselereignis für die Beurteilung der politischen Machtverhältnisse während der älteren Kaiserzeit in Thüringen – die bei Tacitus um das Jahr 58 n. Chr. erwähnte sog.
Salzschlacht im Grenzgebiet zwischen den
Hermunduren und Chatten – erneut im traditionellen Salzgewinnungsgebiet an der
mittleren Saale zu verorten und damit das
westsaalische Thüringen in dieser Zeit dem
Herrschaftsgebiet der Chatten zuzurechnen."
 
"Weitere gewichtige Argumente für einen umfassenderen Bevölkerungszuzug aus dem
Nordwesten sind neue, erst mit der frühen
rheinwesergermanischen Kultur in Thüringen einsetzende Bestattungssitten, von denen hier besonders die sog. Brandgräber
vom „Typ Körner“ Aufmerksamkeit verdienen. Ihr Ursprung wird seit längerem allgemein schon in der vorrömischen Eisenzeit im
nordwestdeutschen Raum gesehen, wobei
inzwischen die besten Übereinstimmungen
mit den jüngst von E. Cosack eindrücklich
definierten „Scheiterhaufenflachgräbern“
zu erkennen sind, welche nachweislich vor
allem im traditionellen cheruskischen Siedlungsgebiet zwischen Weserbergland und
Leine während der mittleren Latènezeit bis
zur jüngeren Kaiserzeit hier anscheinend die
allein vorherrschende Grabsitte bildeten."
 
@Hermundure das sind spannende Indizien zum späteren Verbleib der cheruskischen Kriegereliten - dennoch verschwanden sie, ihr Name scheint peu a peu sein Prestige verloren zu haben.
Mir ist aber nicht klar, was das mit Kalkriese zu tun hat und was das mit einer missdeuteten Sueton-Textstelle zu tun hat.
 
@dekumatland

ich wollte lediglich @vindus mitteilen, warum ICH davon ausgehe das Germanicus in Thüringen und Sachsen-A. gewesen ist.

Was Kalkriese angeht, so würde mich interessieren ob sich ein metallurgischer Fingerabdruck der I. Legion (Augusta) Germanica nachweisen lässt. Ob die Textstelle einst von Prof. Capelle so "missgedeutet" wurde bezweifle ich. Zudem wissen wir aus den Quellen das Germanicus das Schlachtfeld des Varus aufgesucht hatte. Wie gesagt, der genetische Fingerabdruck spricht gegen Letzteren.
 
Naja, wenn Germanicus Cherusker und Brukterer bekämpfte, diese aber nach Osten expandierten, dann könnte man das Heer des Germanicus auch weiter im Osten vermuten.
 
Was Kalkriese angeht, so würde mich interessieren ob sich ein metallurgischer Fingerabdruck der I. Legion (Augusta) Germanica nachweisen lässt. [...] Zudem wissen wir aus den Quellen das Germanicus das Schlachtfeld des Varus aufgesucht hatte.
Wenn wir selbst in Marschlagern kaum mehr als Wall und Graben und vielleicht einen vergessenen Zelthering finden, warum sollten wir mehr Spuren vom Germanicus-Besuch des Varusschlachtfeldes finden? Das ergibt keinen Sinn.
 
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