Ja, das klingt auch tatsächlich schlüssig, was Du sagst.
Vielleicht habe ich ja wirklich diese populistische Boulevardjournalismus-Mentalität in mir, könnte ja sein ...

Sehr viel mehr gefällt mir das Buch Pötzl/Saltzwedel: Die Germanen. Geschichte und Mythos, da es sich sehr viel klarer und plastischer ausdrückt.
Cherusker: 200.000 Mann (doch eine sehr beachtliche Volksgruppe) zwischen Elbe, Harz und Weser. Arminius 17 v. Chr. geboren, möglicherweise i.d. Nähe von Bad Driburg (LK Höxter). Vater Segimer war bereits Verbündeter Roms (aha). Senator Varus Statthalter nach Germanien.
Als armer Mann betrat er das reiche Syrien, und als reicher Mann verließ er das arme Syrien.
4 - 5 n.Chr. erfolgreicher rechtsrheinischer Feldzug des Tiberius bis zur Elbe
Germanische Anwohner lieferten den Römern Uniformschmuck. Bauern verkauften den Soldaten Fleisch, Obst, Gemüse und Bier. Gastwirte boten einsamen Okkupanten neben warmen Speisen auch wärmende Germaninnen.
(konnten sie sich das nicht unter Zwang nehmen? Ich denke, Germanien war okkupiert)
Varus trieb bei den Germanen Steuern ein, auch als Naturalien.
Die Germanen hatten ein Problem mit dem römischen Eigentumsrecht. Andere Vorstellungen von Persönlichkeit, Ehre, Sippe und Stamm. - wird aber nicht richtig beschrieben.

Na ja, wieder ein paar Fragmente mehr.
 
Arminius 17 v. Chr. geboren, möglicherweise i.d. Nähe von Bad Driburg (LK Höxter).
Möglich ist das natürlich. Wer wollte das widerlegen? Genauso gut könnte Arminius aber auch im Landkreis Gifhorn oder im Westharz geboren sein. Wer wollte das widerlegen? Da sind den beiden Autoren die Journalisten* durchgegangen. Offensichtlich basiert diese Vermutung auf der vermeintlichen Namensähnlichkeit zwischen Arminius und Irminsûl und der Annahme, dass die Irminsûl bei auf der Driburger Iburg gestanden habe.
Dafür sind dann ein paar großzügige Konjekturen notwendig; so schafft man Faktoide.

*Saltzwedel ist promovierter Germanist und studierter Mittelalterhistoriker
 
Zuletzt bearbeitet:
Guten Morgen,

ich habe mir noch einmal die Situation eines germanischen Langhauses, eines Wohnstalls vor Augen geführt.
Menschen lebten dort mit ihrem Vieh, Rindern, wilden Hausschweinen, vielleicht auch Federvieh eng zusammen.
Freie und Unfreie unter einem Dach? Hausherr, seine Familie, zusammen mit Knechten, Mägden oder Sklaven - letzteres ist immer noch nicht sauber definiert.

Hat jeder diese Ordnung ohne Gewaltanwendung widerstandslos akzeptiert?
Herren und Diener, Herrscher und Sklaven ohne Bewachung in einem Raum --- ohne, dass die Gefahr bestand, dass der Hausherr im Schlaf vielleicht überrascht und gekillt wird?

Gut, bei den Römern hat es ja auch funktioniert, dass Herren und Haussklaven unter einem Dach leben. Vermutlich, weil sie sehr genau wussten, was mit aufsässigen Sklaven funktioniert. Sklavenaufstände hat es in Rom aber dennoch immer wieder gegeben.

Vielleicht kann ja jemand von Euch etwas zu der Situation von Freien/Unfreien in Germanien sagen.
 
ich habe mir noch einmal die Situation eines germanischen Langhauses, eines Wohnstalls vor Augen geführt.
Menschen lebten dort mit ihrem Vieh, Rindern, wilden Hausschweinen, vielleicht auch Federvieh eng zusammen.
Freie und Unfreie unter einem Dach? Hausherr, seine Familie, zusammen mit Knechten, Mägden oder Sklaven
@BerndHH das klingt irgendwie so, als sei diese Lebens- und Wohnweise arg rückschrittlich, unzivilisiert, speziell im Vergleich zu einer römischen Villa - - abgesehen von Sklaven, die es da längst nicht mehr gab, war die Lebens- und Wohnweise in einem Schwarzwälder Bauernhof des 19. und frühen 20. Jhs. nicht anders!
 
Die Frage ist halt, wie unfrei ein rechtlich Unfreier wirklich war.
Im archäologischen Befund können wir Freie und Unfreie nicht voneinander unterscheiden. Also können wir nur auf römische Quellen rekurrieren. Tacitus schreibt, dass die Unfreien ihren eigenen Sitz und ihre eigenen Penaten regieren. Die Penaten waren in der römischen Vorstellung die Vorfahren, die für den Schutz der Vorräte und des Herdfeuers verantwortlich waren. Im Klartext: die Unfreien lebten nicht im Haushalt des Herren, sondern führten ihren eigenen Hof und Haushalt. Was sie von ihren Herren unterschied war, dass ihr Herr sie straflos töten durfte - quod impune erst.
 
Okay, El Quijote hat das exakt ausgedrückt, dass man es aus der Archäologie natürlich nicht eruieren kann - das verstehe ich vollkommen.

Mein bisheriges Verständnis war halt jenes, dass ein Sklave im alten Rom seine Rolle wohl verinnerlicht hat und vielleicht auch über Generationen so tradiert wurde.
Du kannst Dich nicht gegen das System auflehnen, ansonsten ergeht es Dir wie Spartacus und den anderen Gekreuzigten entlang der Via Appia.

Und Sklavenaufstände hatte es im Römischen Reich wohl zu Hauf gegeben:
Sklavenaufstände im Römischen Reich – Wikipedia Sklavenaufstände im Römischen Reich

Die germanische Gesellschaft war halt anders organisiert und ein System von Freien/Unfreien halt weniger ausgeprägt und es ist einfach schlichtweg nicht bekannt.
Okay akzeptiert.
@dekumatland: Ja, Du hast absolut recht. Vielleicht sollte man auch mal rekonstruieren, wie war es eigentlich auf einem Heidebauernhof des 19. Jrdt.? Vertriebene aus Ostpreußen und Schlesien berichteten auch schon nach 1945, dass sie in der Lüneburger Heide bei den besitzenden Bauern regelrecht Frondienste verrichten mussten.
Aber das führt viel zu weit vom Thema weg. Sorry für diesen blödsinnigen Exkurs. :-(
 
Aus dem archäologischen Funden kann man schon ablesen, dass die germanische Gesellschaft - bis auf wenige Ausnahmen - auf Subsistenzwirtschaft basierte. Es gab keinen Bergbau, keine Plantagen, keine großen Villen und keine Amphitheater. Das beschränkt den Einsatzgebiete der Sklaven in Germanien erheblich ein. Da bleibt für die Sklaven doch nichts anderes übrig, als selbst ein paar Acker zu bewirtschaften und ein paar Rinder, Schafe etc. zu halten.

Mein bisheriges Verständnis war halt jenes, dass ein Sklave im alten Rom seine Rolle wohl verinnerlicht hat und vielleicht auch über Generationen so tradiert wurde.
Da liegt ein Irrtum vor. Das Gros der Skaven im alten Rom wurde nicht in die Sklaverei geboren. Menschen gelangten vor allem als Kriegsgefangene in die Sklaverei. Die steten Kriegszüge und Expansionen sorgten immer wieder für Nachschub - zumindest in der frühen Kaiserzeit. Das bedeuet, dass die meisten Sklaven im alten Rom nicht als Sklaven geboren wurden.
Außerdem gab es bei den Römer eine starke Tradition die Sklaven nach jahrelangen treuen Diensten in die Freiheit zu entlassen.

Folgt man der Germania des Tacitus bestanden die Sklaven der Germanen zum einen aus Kriegsgefangenen, zum anderen aus Schuldknechten, die beim Würfeln verloren hatten. Daneben gab es noch Freigelassene, das bedeutet, dass auch die Germanen Sklaven freigelassen haben.

Beachtet man die zahlreichen Kriege der Cherusker im 1. Jahrhundert, so ist anzunehmen, dass die Cherusker viele Sklaven erbeuteten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Maglor, besten Dank!!!
Schuldknechtschaft und Kriegsgefangene - das sind sehr wichtige Hinweise.

Aber Kriegsgefangene, deren Familie Du wohlmöglich erschlagen hast, lässt Du ja kaum mit Dir unter einem Dach schlafen. Die musst Du separieren und bewachen, vermute ich mal.

Aber es ist wohl wie vieles eine Black Box.
 
Hallo liebe Leute,

folgende Aspekte gehen mir noch durch den Kopf:

Organisation der germ. Stammesgesellschaft vor und nach Kontakt mit dem Römischen Reich.
monarchieartige Fürstensippe, die den "Reik" stellen.
REIK aus Fürstensippe
FREIE / UNFREIE

Stammesgesellschaft und Germanische Stammesverfassung.
Wie waren sie aufgebaut?
Ranggesellschaft: Macht wird von der Gemeinschaft auf dem Thing an fähige Führungspersönlichkeiten übertragen. Ansonsten eine herrschaftsfreie Gesellschaft

Stammesgesellschaft definiert sich durch Mythos über den Ursprung des Stammes.
Bei den Cheruskern vielleicht die Quelle der Hirsche, mal frei fabuliert.
Aufnahme in die Stammesgemeinschaft durch Pubertäts- und Stammesinitation

Religion: nicht animistisch (alles ist beseelt) - vielleicht bei den Vorfahren der Germanen, sondern polytheistisch

Ranggesellschaft: Stammesgesellschaft und Häuptlingstümer
Stammeshäuptlinge mit besonderen Fähigkeiten: Jagdhäuptling, Kriegshäuptling etc.
König/Reik muss Tauglichkeit i. Kampf mit den Nachbarstämmen beweisen, vielleicht auch sein Verhandlungsgeschick, um von den Freien akzeptiert zu werden.
Ansonsten keine weiteren sozialen Klassenunterschiede (doch Freie/Unfreie), keine regierende Elite (doch, die Fürstenfamilie des Segestes z.B.), die Zugriff auf Ressourcen, Produktionsmittel, Land hat und unmittelbar politischen Zwang ausübt.

Stammesverband/Stammesförderation gab es später bei den Franken, Sachsen, etc.

Stammesgesellschaften: Verwandtschaftsbeziehungen unter den Eliten (also Heiraten zwischen Cherusker- und Chaukenfürsten o.ä.). Politisch-religiöse Ordnung der Großfamilien und Clans. Großfamilien definieren sich über gemeinsamen Namen, sehr ausgeprägt im nordischen Bereich: Hinrichsen, Johannsen, Martensen, Sohn des XX etc.

Wie definierten sich die cheruskischen Fürstenfamilien?

über Lineage / Abstammungsgruppe, Abstammungslinie - genetisch
Clans - mythische Abstammungsgruppe - gab es bei den Cheruskern so etwas wie die keltischen McDonalds von Clanranald? Man weiß es leider nicht.

Germanische Stammesverfassung
Die Sachsen lebten in einer königslosen Verfassung. War es der Kontakt mit dem Röm. Imperium, das röm. Vorbild, dass es zum Wechsel zu einer monarchischen Verfassung kam - passt nicht.

Also man sieht, es ist sehr nebulös. War ein Reik nur ein Fürst oder ein König ...
Also wieder genauso schlau wie am Anfang.
 
Laut Heiko Steuer* waren die Cherusker eher ein Clan als ein "Stamm":

Eine weitere Facette der Gesellschaftsformen bildeten die – immer wieder thematisierten – frei beweglichen Kriegerscharen, die losgelöst von den dörflichen Gemeinschaften durch Germanien zogen. Ihre Anführer und ihre jeweilige Gefolgschaft bildeten Einheiten, die Namen trugen und daher von den Römern mit territorial gebundenen Siedlungsgemeinschaften (Stämmen?) verwechselt werden konnten. Diese Heere hießen nach den Anführern, Arminius gehörte zur Sippe der Cherusker, und nur solange es diese Familie gab, gab es auch einen Stamm der Cherusker. Nachdem die letzten Vertreter aus dem Clan des Arminius und Segestes ausgeschaltet waren, die von Rom unterstützten bzw. gar eingesetzten Könige Italicus und Chariomerus (unter Domitian 81–96 n. Chr.), gab es keine Nachrichten in der schriftlichen Überlieferung mehr mit Nennung der Cherusker. Somit spiegeln die sog. „Stammesnamen“ der antiken Überlieferung in erster Linie Kriegsführer mit ihrem Anhang. Sie wurden von der Forschung des 19./20. Jahrhunderts aufgrund des Denkens in Nationalstaaten mit ihren Grenzen als territoriale Einheiten auf der Landkarte eingetragen.


„Germanen“ aus Sicht der Archäologie. Neue Thesen zu einem alten Thema Teil 1 und 2. Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Bd. 125/1 und 2 (Berlin, Boston 2021)
 
die (...) frei beweglichen Kriegerscharen, die losgelöst von den dörflichen Gemeinschaften durch Germanien zogen.

Dies ist dabei ein ganz wichtiger Punkt. Den so lange postulierten "Wehrbauern", der in seiner Freizeit (wann hat ein Bauer Freizeit?) zum Krieger wird, dürfte es nie gegeben haben, zumindest nicht als militärisch relevantes Element. Um als Kämpfer erfolgreich zu sein, ist Training unerlässlich, wofür einem Bauern einfach die Zeit fehlt, zudem kann er sich eine konkurrenzfähige Ausrüstung schlichtweg nicht leisten.

Dass die Römer die Kriegergefolgschaften nicht von den Bauernclans unterschieden haben, macht uns natürlich die Einordnung schwer, zumal ohne weiteres eine Zugehörigkeit zu mehreren Gruppierungen möglich gewesen sein dürfte. Sogenannte Stammesgebiete sind dann eher temporäre Herrschaftsbereiche von Warlords, die stark fluktuieren können, gleichzeitig dabei das Siedlungsgebiet der "Stämme " überlagern.

Es können also im Siedlungsgebiet der Chatten durchaus Cherusker herrschen - nur als Beispiel.
Das macht die Landkarte dann eher unübersichtlich. Die klassische Vorstellung, wo man auf der Karte schön die Stämme nebeneinander malte, gehört jedenfalls in die Tonne.
 
Es können also im Siedlungsgebiet der Chatten durchaus Cherusker herrschen - nur als Beispiel.
Das macht die Landkarte dann eher unübersichtlich. Die klassische Vorstellung, wo man auf der Karte schön die Stämme nebeneinander malte, gehört jedenfalls in die Tonne.
es sei denn, dass ein Clan derart mächtig wird und an Prestige zulegt, dass er eine große Kriegergefolgschaft unterhalten kann: dann kann der Clan zur Chefetage einer gens werden (Amalerclan & Ostgoten) oder es entwickelt/formiert sich um diesen Traditionskern ein "Stamm".
 
Laut Heiko Steuer* waren die Cherusker eher ein Clan als ein "Stamm":

Eine weitere Facette der Gesellschaftsformen bildeten die – immer wieder thematisierten – frei beweglichen Kriegerscharen, die losgelöst von den dörflichen Gemeinschaften durch Germanien zogen. Ihre Anführer und ihre jeweilige Gefolgschaft bildeten Einheiten, die Namen trugen und daher von den Römern mit territorial gebundenen Siedlungsgemeinschaften (Stämmen?) verwechselt werden konnten. Diese Heere hießen nach den Anführern, Arminius gehörte zur Sippe der Cherusker, und nur solange es diese Familie gab, gab es auch einen Stamm der Cherusker. Nachdem die letzten Vertreter aus dem Clan des Arminius und Segestes ausgeschaltet waren, die von Rom unterstützten bzw. gar eingesetzten Könige Italicus und Chariomerus (unter Domitian 81–96 n. Chr.), gab es keine Nachrichten in der schriftlichen Überlieferung mehr mit Nennung der Cherusker. Somit spiegeln die sog. „Stammesnamen“ der antiken Überlieferung in erster Linie Kriegsführer mit ihrem Anhang. Sie wurden von der Forschung des 19./20. Jahrhunderts aufgrund des Denkens in Nationalstaaten mit ihren Grenzen als territoriale Einheiten auf der Landkarte eingetragen.


„Germanen“ aus Sicht der Archäologie. Neue Thesen zu einem alten Thema Teil 1 und 2. Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Bd. 125/1 und 2 (Berlin, Boston 2021)
Womit Steuer natürlich unterstellt, dass die Sippe Segimers und die Sippe Segestes' auch bereits vor der Beziehung von Arminius mit Thusnelda verwandtschaftlich verbunden gewesen seien.
 
Wenn es keine Stämme gegeben haben soll, sondern nur "Clans" oder "Kriegergefolgschaften", stellt sich aber die Frage, wie Platz für die von Tacitus beschriebenen Versammlungen, in denen beraten, beschlossen und Recht gesprochen wurde, gewesen sein kann.

Dies ist dabei ein ganz wichtiger Punkt. Den so lange postulierten "Wehrbauern", der in seiner Freizeit (wann hat ein Bauer Freizeit?) zum Krieger wird, dürfte es nie gegeben haben, zumindest nicht als militärisch relevantes Element. Um als Kämpfer erfolgreich zu sein, ist Training unerlässlich, wofür einem Bauern einfach die Zeit fehlt, zudem kann er sich eine konkurrenzfähige Ausrüstung schlichtweg nicht leisten.
Die Armeen der Römer und der meisten griechischen Stadtstaaten bestanden aber lange Zeit großteils aus genau solchen Wehrbauern (sowie Handwerkern und Händlern). Natürlich hatten sie nicht die Ausbildung und Erfahrung von professionellen Soldaten und auch nicht unbedingt deren Ausrüstung, aber für den Kampf gegen die großteils wohl gleichgearteten Armeen der Nachbarn reichte es; im Fall der Letzteren sogar für Siege über die wesentlich professionelleren Armeen der Perser. Vor allem an der römischen Geschichte können wir beobachten, dass der Kriegsdienst für sie tatsächlich ein Problem war, weil sie sich nicht ihrem zivilen Erwerb widmen konnten - aber gegeben hat es ihn trotzdem.

Was übrigens die Ausrüstung betrifft, so waren noch die germanischen Söldner Belisars (die tatsächlich "Berufssoldaten" waren) teils erbärmlich schlecht ausgerüstet. Vom Zeitzeugen Prokopios wissen wir, dass seine Heruler nicht einmal Helme trugen.
 
Guten Morgen,

das ist absolut hochinteressant, was Ihr sagt!

Für mich stellt sich aber die Frage, wie können Bauernclans und Kriegergefolgschaften miteinander koexistieren?
Waren die umherziehenden Krieger die Freien und die Bauern die Unfreien, die für ihre "Herren" die Felder bestellten und die sie mit Naturalien versorgten?
Bei der einfachen Subsistenzlandschaft wäre das doch der Grund für permanente Konflikte.
Die Tatsache, dass die Römer die komplexen oder weniger komplexen Stammesorganisationen der Germanen nicht verstanden haben, ist für mich absolut einleuchtend.

Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Kriege sehr einseitig zu Lasten der ortsgebundenen Bauern gingen.
Was passiert, wenn sie Segestes oder Segimer den Tribut nicht zahlen können? Von den Römern werden sie ja sowieso massakriert, wenn sie wieder mit A oder B paktiert haben. By the way: eine römische Legion, die sich mit Troß laut und lärmend durchs Wesertal kämpft ist sicherlich weniger gefährlich, als eine Chattenschar, die von den Römern dafür bezahlt wird, bei Nacht und Nebel Dorf X brandzuschatzen.

Was hatten die Römer denn vorgefunden?
Ein Flickenteppich aus Stämmen oder das was sie darunter verstanden, Bauernclans und jenen beschriebenen Kriegergefolgschaften von Warlords, die sich teilweise kaufen ließen oder zumindest gegeneinander ausspielen ließen.

Also eine Situation vergleichbar mit Afghanistan z.Z. des US-amerikanischen Militäreinsatzes?
Eine korrupte Elite, innerlich zerrissen, Stammesgesellschaften aber alle durch eine gemeinsame Religion und Widerstand gegen eine ausländische Besatzungsmacht geeint. Okay, blöder Vergleich.
 
Für mich stellt sich aber die Frage, wie können Bauernclans und Kriegergefolgschaften miteinander koexistieren?
Waren die umherziehenden Krieger die Freien und die Bauern die Unfreien, die für ihre "Herren" die Felder bestellten und die sie mit Naturalien versorgten?
Bei der einfachen Subsistenzlandschaft wäre das doch der Grund für permanente Konflikte.
Aus dem Frühmittelalter wissen wir, dass viele freie Bauern sich Klöstern und anderen Grundherren unterstellten (und damit ihre Freiheit aufgaben), weil sie sich die notwendigen Waffen für Kriegszüge nicht leisten konnten, da ihr Hof dafür nicht genug abwarf. Etwas zeitverzögert stiegen die Ministerialen auf. Das waren Unfreie, die als Gutsverwalter eingesetzt waren und somit über genug Ressourcen verfügten, um sich Waffen leisten zu können und somit die Lücke auszufüllen, welche die sich in Abhängigkeit begebenen Bauern gelassen hatten. So steigen Freie zu Unfreien herab und Unfreie zum Niederadel auf. Somit sind die Krieger und die Bauern vor dem FMA weitgehend dieselben.
 
Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Kriege sehr einseitig zu Lasten der ortsgebundenen Bauern gingen.

Das gilt ja für alle Kriege. Die Bauern sind an ihre Scholle gebunden und können nicht ohne weiteres davon wandern, werden von jedem ausgeplündert, der durchzieht. Andererseits haben sie in schwierigen Zeiten überhaupt Lebensmittel.
 
Hallo El Quijote,
okay, demnach war der Status Freiheit/Unfreiheit nicht in Stein gemeißelt, sondern einer Fluktuation unterworfen.
Also gab es dann wohl keine Sklavenkaste, keine Knechtschaft, die erst nach einem elenden Tod endete. Das hatten wir auch schon angerissen, wenn ich mich nicht täusche.
Schuldknechtschaft: der Bauer erkauft sich militärischen Schutz durch Abgaben an den jeweiligen Warlord.

Bauer Enno vom Cheruskerclan der Segimer erkauft sich für die Dauer eines Jahres den Schutz des Chattenfürsten Eike, um sich vor den Überfällen der umherstreifenden Marserhorde - die wiederum mit den Römern paktiert - erwehren zu können. Enno zahlt in Naturalien und erlaubt es der Gefolgschaft von Eike in seinem Gehöft zu nächtigen oder was auch immer.

Wahrscheinlich habe ich es immer noch nicht verstanden.
 
So etwas wie ein "Stammesgebiet" der Cherusker wurde bereits durch Julius Cäsar geografisch grob umrissen. Später beschrieben Tacitus und der Claudius Ptolemäus ein solches Gebiet. Das Denken in territorialen Einheiten ist jedenfalls nicht erst im 19. Jahrhundert erfunden worden.

Tacitus bezeichnet die Herkunftsfamilie, d.h. den Clan des Arminius als "stirps regia", d.h. Königsgeschlecht. (Konkret erklärt Tacitus, dass Italicus, der Sohn von Flavus, sei Nachkomme der "stirps regia".) Ein Name dieser Familie ist jedoch nicht überliefert.
Es kann sein, dass die Herrscherfamilie und Stamm der Cherusker verschiedene Namen hatten wie bei den völkerwanderungszeitlichen Gruppierungen der Goten und Franken. Es könnte also eine Art Äquivalent zu den Merowingern und Amalern gegeben haben. Es kann aber auch ganz anders gewesen sein.

Die Dekonstruktion des Chersuker-Stammes, für die Heiko Steuer argumentiert, ist mit den römischen Schriftquellen eigentlich nicht vereinbar.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Maglor,
aber ist der Begriff König denn richtig? Erbadel durch Abstammungslinie, Blutlinie, vom Vater auf den Sohn weitergegeben. König und untergeordnete Fürsten. Oder Segestes und Segimer als jeweilige Clanchefs, die sich auf einen mythischen Ursprung berufen.

Das wäre nämlich ein entscheidendes Kriterium der Herrschaftsform.
Führung als Erbe oder durch besondere Fähigkeiten wie in Ranggesellschaft und Häuptlingstum beschrieben.
Also ein Führer, der seine hervorstechende Eigenschaft ständig wieder auf ein Neues beweisen muss, um sich der Gefolgschaft seiner Mannen sicher zu sein?
Aber okay, gem. Tacitus Blutadel.
 
Zurück
Oben