Wären alle zufrieden gewesen an Ort und Stelle, wären sie brav an Ort und Stelle geblieben.
Eben – sie blieben nicht zu Hause, sondern machten Raubzüge in die von Römern beherrschten Teile Germaniens. Weil da etwas zu holen war, was sie selbst nicht hatten bzw. selbst nicht herstellen konnten. Dagegen wehrten sich die Römer mit Grenzbefestigungen (Limes) und den Truppenstationierungen. Und gelegentlichen Strafexpeditionen ins „freie“ Germanien.

Limes war jedoch durchlässig für (friedliche) Menschen. Es gab also Handel zwischen den Römern und den Germanen jenseits des Limes, aber manchen war das nicht genug. Wohlstand der einen Seite, weckte – und weckt auch heute noch – Begehrlichkeit der anderen.

Dieser Wohlstand kam nicht von ungefähr, sondern war das Ergebnis einer Staatlichkeit, die Germanen nicht kannten – El Quijote und Maglor haben das oben schon beschrieben. Als diese staatlichen Strukturen unter dem Ansturm der Germanenstämme zusammenbrachen, fiel auch das einst von Römern beherrschte Land wieder auf den Stand ante zurück: Keine Wasserversorgung, keine Städte und kein Geld. Niemand hat die Straßen in Ordnung gehalten, es gab nur noch Tauschhandel. Die kulturellen (z.B. Lese- und Schreibfähigkeit) und technologischen Errungenschaften (z.B. Straßen- und Brückenbau, Wassermühlen, Fußbodenheizung, Bäder, WC) wurden fast völlig vergessen und mussten später neu „erfunden“ werden. Etc.
 
In Aspekte historischer Siedlungs- u. Verkehrsgeographie im Leinetal Aspekte historischer Siedlungs- und Verkehrsgeographie im Leinetal während der römischen Okkupationszeit - GRIN
während der römischen Okkupationszeit lesen wir, dass es kaum sesshafte Siedlungen von Wohn-Stall-Gehöften im Leinetal gab. Daher wurden diese Gehöfte nicht für die Ewigkeit gebaut, für ein, zwei Generationen aber nicht länger. Sobald die Böden ausgelaugt waren, musste die Sippe mit Vieh weiterziehen. Außerdem gab es das Leinehochwasser, fast jeden Frühling/Herbst, so dass in der Talsohle des Leinegrabens gar nicht gesiedelt werden konnte, höchstens an den Hängen des Leineberglandes. Dann stellt sich mir die Frage, gab es bestimmte Wanderwege, welche diese Sippen einnahmen oder eher zufällig? Warum laugten die Böden so stark aus? Gab es keine einfachste Emmer-Ackerbohnen-Fruchtfolgen? War diese ständige Suche nach ertragreichen Boden die Triebfeder für Stammesfehden? Waren die Cherusker diesen "Naturkatastrophen" wie dem Leinehochwasser hilflos ausgesetzt oder hatten sie eben doch Mittel gefunden, um einerseits den fruchtbaren Fluvialboden nutzen zu können?
 
Hallo El Quijote, das habe ich doch so gar nicht gesagt.
Aber diese kriegerischen Auseinandersetzungen gab es nun mal und ich frage lediglich nach den Ursachen. Beute machen wurde ja bereits erwähnt und ich frage mich halt, ob auch um fruchtbarere Böden gekämpft wurde.
Ich denke, diese Frage ist schon legitim oder nicht?
 
Noch eine Bemerkung zur Bodendegradation.
Ich denke, dass das mit dem Bevölkerungswachstum korreliert ist. Eine kleine Sippe kann sehr wohl im "Einklang mit der Natur" leben, je stärker die Population anwächst, desto größer der Zwang zum Raubbau ... so weit meine These.
 
Wie viele kriegerische Auseinandersetzungen gab es denn da zwischen "germanischen" Völkern, sagen wir mal in den 500 Jahren zwischen 0 und 500 ?

Ich würde mal so fragen: Welche kriegerischen Auseinandersetzungen waren für die Römer so relevant, dass wir durch ihre Schriftsteller davon Kenntnis haben?
Das waren amehesten diejenigen Auseinandersetzungen, in die die Römer selbst, die mit Rom verbündeten Stämme oder direkte Gegner der Römer involviert waren. Auseinandersetzungen, die sich weit ab vom Limes abspielten, werden das römische Lesepublikum kaum interessiert haben.

Allgemein bekannt sind die Germanenkriege Roms, allerdings nur aus römischer Sicht. Jedoch haben auch kriegerische Auseinandersetzungen zwischen germanischen Stammesverbänden untereinander archäologische Spuren hinterlassen. Umfangreiche Kriegsbeuteopfer, die in Norddeutschland und Skandinavien in Mooren versenkt wurden, vermitteln einen Eindruck von der Größe germanischer Heere, ihrer Ausrüstung und Organisation nach römischem Vorbild.
Landesmuseum Bonn zeigt die Ausstellung „Germanen. Eine archäologische Bestandsaufnahme“ – Eine Zeitreise bis ins 1. bis 4. Jahrhundert nach Christus – Kabinett Online

Aber diese kriegerischen Auseinandersetzungen gab es nun mal und ich frage lediglich nach den Ursachen. Beute machen wurde ja bereits erwähnt und ich frage mich halt, ob auch um fruchtbarere Böden gekämpft wurde.

Tacitus (Ann. 13,57) erwähnt für das Jahr 58 n. Chr. eine große Schlacht zwischen Chatten und Hermunduren, bei der es um die Kontrolle von Salzquellen ging. Tacitus vermerkt mit sichtlicher Genugtuung den Sieg der (mit den Römern freundschaftlich verbundenen) Hermunduren gegen die (Rom feindlich gesinnten) Chatten.

Nicht genau datiert ist der Feldzug der Chamaver und Angrivarier gegen die Brukterer, den Tacitus (Germania 33) als Eroberungs- und Vernichtungsfeldzug beschreibt; über die Ursache war er sich selber nicht ganz im klaren: seu superbiae odio seu praedae dulcedine (entweder aus Hass auf den Hochmut oder aus Verlangen nach Beute).
 
Genau, dem pazifistisch eingestellten Germanen waren bewaffnete Konflikte natürlich vollkommen unbekannt. Frieden schaffen ohne Waffen - Die direkten Vorfahren der Grünen Alternativen Liste.
Auseinandersetzungen wurden ausgetragen, indem man einen Stuhlkreis bildete und sich maximal mit Wattebällchen blutig warf. Ansonsten war Friede, Freude, Eierkuchen auf dem Christopher Street Day in Colonia und abends schmissen die Ubier eine Orgie für alle.
Leute, manchmal denke ich, ihr wollt mich veräppeln, oder? Egal, Hauptsache Spaß!

Die Idee, dass Chatten oder Cherusker auf der Suche nach Lebensraum in das Siedlungsgebiet des anderen eindrangen und dass es eine kriegerische Auseinandersetzung gab, ist natürlich völlig abwegig. Wie dumm von mir, so einen Quatsch anzunehmen.

Was wissen wir eigentlich von den Cheruskern? Eigentlich überhaupt nichts.
Außer den zwei Fürstenfamilien, ihrem ungefähren Siedlungsgebiet und ihren nicht vorhandenen Hinterlassenschaften. Wir wissen nicht, wie gesprochen wurde. Es ist kein Germanisch/Cheruskisch überliefert. Wir wissen nicht einmal wie sie sich organisiert hatten, was sie überhaupt verbunden hatte, wenn es nicht einmal äußere Erkennungszeichen gab.
Ihre religiöse Überzeugung, beteten sie überhaupt die gleichen Götter an wie die Anhänger der nordischen Mythologie. Yggdrasil, Wotan = im Süden Odin, Thor/Donar, Loki, was auch immer. Wir wissen es einfach nicht.
Die Rolle ihrer Seher/Schamanen. Anscheinend konnte ein Fürst die Rolle eines Sehers/Schamanen einnehmen und Kontakt mit dem Jenseits bzw. mit den Kräften der Natur aufnehmen.

In vielen Dingen bin ich immer noch genau so schlau wie vorher.
Auf alle Fälle habe ich die Erkenntnis über die Härten der Eisenzeit mitgenommen und das kann ich mir auch plastisch sehr gut vorstellen.
 
Auch deine bemühten Versuche um Sarkasmus ändern nichts daran, dass wir, wie du im weiteren richtig feststellst, wenig bis gar nichts über die frühen Völker der Germania Magna wissen. Und damit eben auch nicht über eventuelle kriegerische Konflikte. Einige wenige sind durch römische Autoren überliefert, mehr können wir zunächst nicht sagen, auch nicht, ob und wie viele kriegerische Auseinandersetzungen es im Hinterland gab, oder ob da durch die bäuerliche Lebensweise dominierte.
Im Kontaktbereich zu Rom entwickelten sich in den folgenden Jahrhunderten allerdings Kriegergefolgschaften, die meisten aber anscheinend als neue Gruppierung um irgendwelche Warlords.
Dort gab es Geld zu verdienen, Beute zu machen, Schutzgelder, Sold und was auch immer. Aber dafür musste man "Profi" sein, Vollzeit-Krieger.
Weiter weg von der Kontaktzone dürfte noch längere Zeit eher weniger passiert sein, abgesehen von der jährlichen Ernte und gelegentlichen Überfällen durchziehender Raubscharen.
 
Eines sollte aber klar sein: anders als in Siedlungen der Bandkeramiker oder der Michelsbergkultur, auch der Hallstattzeit, gabe es bei den Germanen weniger befestigte Siedlungen.

Auch gibt es überregional bedeutsame Opferplätze wie z.B. in Niederdorla, die für ein etwas geordneteres Zusammenleben unterschiedlicher Stämme sprechen.
Es sind meines Wissens auch weniger häufig Massengräber oder Gräber von Gewaltopfern bekannt, obwohl die Sitte der Brandbestattung manches maskiert haben dürfte.

Man könnte die These aufstellen dass das Leben friedlicher war.
Über den "Immensum Bellum" und seine Opfer wissen wir aber fast nichts.
 
Als diese staatlichen Strukturen unter dem Ansturm der Germanenstämme zusammenbrachen, fiel auch das einst von Römern beherrschte Land wieder auf den Stand ante zurück: Keine Wasserversorgung, keine Städte und kein Geld. Niemand hat die Straßen in Ordnung gehalten, es gab nur noch Tauschhandel. Die kulturellen (z.B. Lese- und Schreibfähigkeit) und technologischen Errungenschaften (z.B. Straßen- und Brückenbau, Wassermühlen, Fußbodenheizung, Bäder, WC) wurden fast völlig vergessen und mussten später neu „erfunden“ werden. Etc.
Na ganz so schlimm war es nun auch wieder nicht. Der Tauschhandel nahm zwar zu, aber auch die germanischen Herrscher ließen (in bescheidenerem Ausmaß) Münzen prägen. (Daneben kursierten auch oströmische Münzen.) Die Städte in Italien und Gallien schrumpften zwar, blieben aber meist weiterhin besiedelt. Die Lese- und Schreibfähigkeit blieb zumindest in den Klöstern aufrecht.
 
Die Städte in Italien und Gallien schrumpften zwar
Auch im heutigen Deutschland blieben einige römische Städte durchgehend besiedelt: Mainz, Köln, Trier (ok, da könnte man streiten, ob die römische Provinz Belgica nicht doch eher Gallien zuzuordnen ist) oder Regensburg (in Raetia). Die Liste liesse sich wahrscheinlich noch etwas verlängern.
 
Sehr guter Hinweis,
der Immensum bellum - 4 bis 5 n. Chr. als Teil von: Augusteische Germanenkriege 12 v. Chr. bis 16 n. Chr. (diese Phase wird von einem Historiker auch als der "Dreißigjährige Krieg" bezeichnet)- auch in der WP sehr gut dargestellt.
Immensum bellum – Wikipedia
Das ist ja auch exakt die Zeit, in die ich meinen Fokus setzen möchte.

Und in dieser Phase von Frieden zu sprechen finde ich wunderlich aber lasst uns bitte nicht darauf herumreiten.
Es ging mir ja auch um die Motivationslage. Eine arme cheruskische, chattische, brukterische Viehhalter- und Ackerbauernsippe, die große Probleme hat, den Winter zu überstehen, von deren Söhnen nur jeder Dritte oder wie auch immer überlebt.
Eine Sippe unter diesen Umständen kann gar nicht friedfertig sein, wenn sie sehen, dass die Nachbarn mehr haben, die Rinder und die Schweine fetter und sie noch Emmersaatgut im Speicher (wie haben die Germanen eigentlich Saatgut aufbewahrt) ... dann werden sie sich das auch mit Gewalt holen.
Das haben einige von Euch ja schon sehr plastisch und nachvollziehbar geschildert.

Wenn es jetzt nichts/wenig gab, was die Cherusker von den Chatten unterschied, nicht sprachlich, höchstens unterschiedliche Siedlungsgebiet dann war es doch mehr oder weniger ein Kampf jeder gegen jeden.
Die Gefolgschaft des Cheruskerfürsten Segimer gegen die des Segestes und die dann wieder gemeinsam gegen die Chauken. Allianzen, die sich immer wieder neu bilden und lösen.

Ich nehme den Gedanken mit der Kontaktzone zum Römischen Imperium auf. Dieser kommt dann als weiterer Player ins Spiel, der diese germanischen Stämme (die es ja nur aus römischer Sicht gibt) gegeneinander ausspielt.
Maximale Zwietracht - maximaler Erfolg der Römer, sollte man meinen. DIVIDE ET IMPERA in seiner Reinform.
Also ich stelle mir das so wie die Situation im Wilden Westen Mitte/Ende des 19. Jhrdt. vor: Comanchen vs. Apachen vs. bewaffnete Siedler/Kavallerie.

Germanien als "Indianerland".
Links vom Rhein das Weltreich mit der stärksten Armee der bekannten Welt und dem Einfluss, Germanenstämme je nach Bedarf als Hilfssoldaten zu aquirieren, sie für seine Zwecke zu verheizen und dann wieder aus dem Dienst zu entlassen.
Also Beute versprechen und nach Gutsherrengusto zu handeln. Überspitzt gesagt: man schenkt den Ubiern ein paar Glasperlen und die ziehen los und fangen ein paar chaukische Sklaven ein, die man dann in Rom zur Schau stellen kann.
Im Grenzland "Biberjäger, Fallensteller, Hasardeure wie im Wilden Westen" (um mal dieses Bild zu bedienen), die vielleicht Geschäfte/Tauschhandel betrieben. Keine Skalps sondern germanisches Frauenhaar?
Wenn sich Cheruskersippen gegenseitig an die Gurgel gehen oder sich deren Fürsten auch noch für fremde Dienste kaufen ließen, dann waren es doch paradiesische Zustände für die Römer.

Die Varusschlacht war - wenn man das so betrachtet - ein absoluter Verkehrsunfall. Etwas Gravierendes muss ja vorgefallen sein, dass Arminius tatsächlich mehrere Stämme zumindest für dieses Projekt einen konnte.
Falsche Jahreszeit, falsche Witterung, falsche Route, falsches Gelände, Verrat durch die Auxiliartruppen und schon war die militärische Katastrophe da.
Doch schon kurz danach verfielen die Sieger wieder in alte Verhaltensweisen und der eine "Germane war dem anderen ein Wolf". Beutestreitigkeiten, Futterneid, Territorialansprüche was auch immer. Sie zerteilten sich wieder in alle Richtungen und das wars.

Der Stammesverband der Cherusker, den es ja nur in der römischen Geschichtsschreibung so gegeben hatte, hatte anscheinend so wenig Nachhaltigkeit bzw. kulturelles Beharrungsvermögen, so dass sie sang- und klanglos wieder verschwanden und deren Überlebende von anderen Stämmen "assimiliert" wurden.
Die große Terra Icognita:
- Leinegraben (mit kleinen ärmlichen Dörfern aus wenigen Gehöften dünn besiedelt), Leinebergland (kaum bewirtschafteter Urwald, Wesertal, Weserbergland (dito)
- Hildesheimer Platt - keinen Bezug zum "Cheruskischen", das es ja nicht ...
- Gesellschaftsstruktur: Familie, Sippe, Stamm, Stammesverband - Adelige, Fürsten, Schamanen/Seher - alles unbekannt

Ist das so abwegig und falls ja, wo ist meine Annahme falsch? Danke Euch schon mal für Eure Kommentare.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich sehe das anders. Die Strukturen sind z.T. bekannt.
Die Franken bzw. Merowinger sind ja schon im 4. bzw. im 5. Jahrhundert vorhanden, und bei ihnen zeigt sich eine immer wohlhabendere Führungsschicht. "Warlords" hat hier vor wenigen Tagen jemand gesagt. Ihr Aufstieg hängt mit der Finanzierung durch das Römische Reich und mit dem Föderatenstatus zusammen.
Sie kamen nicht aus dem Nichts.

Zugleich: die reine marterielle Existenz der Germanen der römischen Kaiserzeit hing von der Landwirtschaft ab. Die Gesellschaft war noch recht egalitär und vor allem: nicht arbeitsteilig. Ich glaube nicht dass die sich gegenseitig den Schädel eingeschlagen haben.

Es gab damals keine Computerspiele und keine Ego-Shooter, aber Papas Acker auf dem harte Arbeit wartete, gerade für die Jungspunde.
Aufstiegsmöglichkeiten gab es nur in römischen Diensten.

Das alles ändert sich mit dem Nachlassen der römischen Wirtschaftskraft und der Schwächung der bis dahin flexiblen und erfolgreichen Verteidigung des römischen Reiches.
 
Hallo Pardela,

vielen Dank für Deinen Einwand!
Ja, leuchtet mir ein. Franken, Merowinger 4./5. Jhrdt n. Chr. (?) aber ich rede von dieser Zeit, die Herwig Wolfram den "Dreißigjährigen Krieg" (16 v.Chr. bis 16 n. Chr.) bezeichnet, also einen sehr kurzen Ausschnitt der germanischen Geschichte.
Eine Adelsschicht aus einem ärmlichen Dorf von Subsistenzbauern muss sich ja irgendwann einmal herauskristallisiert haben, also irgendwann in oder vor der Eisenzeit müssen diese Machtstrukturen entstanden und auf die Nachkommen vererbt sein.
Herwig Wolfram spricht sogar von "Königen" - ein gekröntes Oberhaupt passt doch für diese Gesellschaft überhaupt nicht. In der Serie "Barbaren" sprechen sie sich mit Reik an - das mag aber eine historische Ungenauigkeit vielleicht sogar Unwahrheit sein. Also eine mächtige Familie mit einem vielleicht größeren und besseren Langhaus und mehr Land als die anderen.
Vielleicht bilden diese mächtigeren Familien/Sippen auch sogar eingefriedete/bewehrte Wehrdörfer, um sich vor ihren Gegnern zu schützen. Sigimer oder Segest hatten angeblich solche Wehrdörfer oder Wehrgehöfte, die dann auch belagert wurden.

Worauf diese Macht beruht, habe ich nicht verstanden.
Auf Abstammung, Mehrbesitz oder Befehlsgewalt über Krieger, die den Willen des Herrschenden/Anführers mit Gewalt durchsetzen vermögen. Was aber auch wieder zweifelhaft ist, weil hier auch schon erwähnt wurde, dass Gefolgschaft - ich lasse meinen Acker liegen und gehe für Reik Segimer auf Kriegs-/Raubzug gegen wen auch immer - nicht befohlen oder durchgesetzt werden konnte, sondern sich erkauft werden musste?
Wahrscheinlich habe ich da irgendetwas nicht richtig verstanden.
Du sprichst von einer egalitären Agrargesellschaft aber wie passt das zusammen? Die Familie Segimer hat ihren Besitz und die Familie Segest den anderen. Und dazwischen die Knechte, die Unfreien oder die Sklaven. Aber wie passt das alles zusammen. Für mich ist es verwirrend und es gibt sich kein klares Bild.
 
Herwig Wolfram spricht in "Germanen" C.H. Beck Wissen übrigens ständig von Kämpfen, zumindest in der Zeit, die er den "Dreißigjährigen Krieg" nennt. Hier ein paar Schlaglichter aus seinem Buch:
Führungsschicht/Traditionsträger [welche Traditionen? Die des eigenen Machterhaltes?] der Cherusker. Siedlungsgebiet: Quellgebiet Lippe, Ems über die Elbe bis nach Osten. Tacitus spricht von der "Königssippe" zwei Familien. Ihre Namen beginnen mit Sigi für Sieg. Sigimer - Arminius Vater; Inguomer - sein Onkel und Arminius ~ Siegfried? Rivalität/Feindschaft innerhalb der "Königssippe" [okay ein Terminus von Tacitus]. PAX AUGUSTA und der entscheidende Angriff des Imperium Romanum auf Germania Magna mit einer langen Kette von Feldzügen.
16 v.Chr. Aufstand der Sugambrer u. Tenkterer verletzte den römischen Reichsfrieden - "Germanenfrage" muss gelöst werden
12 - 9 v.Chr. Drusus-Offensive (Nero Claudius Drusus - Heerführer und Augustus Stiefsohn)
9 v.Chr. Drusus überschreitet die Weser und stirbt nach einem Reitunfall
Sein älterer Bruder Tiberius setzt die Feldzüge fort. Strategiewechsel: nicht mehr die Unterwerfung Germaniens ist im Fokus, sondern die äußere Beherrschung
4 - 5 n. Chr. Cherusker als Hauptgegner der Drusus-Feldzüge unterwerfen sich "freiwillig" (?) Spannungen innerhalb der Führungsschicht (also wieder das Haus Segimer gegen Segest?), Exilierung der Unterlegenen (wer jetzt?)
Cheruskische Führungsschicht (was bedeutet jetzt schon wieder Führungsschicht? Könige, Fürsten, Schamanen - Fürst kann ja gleichzeitig Schamane sein, verstehe ich überhaupt nicht) schließt sich den Römern an (ich denke, die spielen sich gegeneinander aus? Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr)
Sigimund (Segestes Sohn) wird Priester am ubischen Augustusaltar in Colonia (Augustusaltar - beten sie jetzt römische Götter an?)

Es folgt ein Exkurs mit Marbod und den Markomannenkriegen und es wird noch verwirrender

Mutmaßungen über Arminius Richtungswechsel - Revolte der germanischen Hilfstruppen - sie wollten so etwas wie bessere "Tarifverträge" herausholen

Zitat:
Arminius musste die zerstrittene Welt seiner Sippe aus den Angeln heben, um sich bei den Cheruskern und den benachbarten Stämmen seinen Selbstwertgefühl entsprechend durchzusetzen.
 
Herwig Wolfram spricht in "Germanen" C.H. Beck Wissen übrigens ständig von Kämpfen, zumindest in der Zeit, die er den "Dreißigjährigen Krieg" nennt.
Das ist eben das Grundproblem der historischen Quellen. Die berichten nicht vom Alltag, sondern von herausragenden Ereignissen, zumal wir nur welche aus römischer Perspektive haben.

4 - 5 n. Chr. Cherusker als Hauptgegner der Drusus-Feldzüge unterwerfen sich "freiwillig" (?) Spannungen innerhalb der Führungsschicht (also wieder das Haus Segimer gegen Segest?), Exilierung der Unterlegenen (wer jetzt?)
Eine Exilierung des Segestes fand zehn Jahre später statt, als Arminius seinen Schwiegervater belagerte und Germanicus Segestes zu Hilfe eilte.

Sigimund (Segestes Sohn) wird Priester am ubischen Augustusaltar in Colonia (Augustusaltar - beten sie jetzt römische Götter an?)
>>> Kaiserkult

Es folgt ein Exkurs mit Marbod und den Markomannenkriegen und es wird noch verwirrender
Warum?

Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr
Das dürfte daran liegen, dass du ein ethnozentristisches Geschichtsbild zelebrierst und Konfliktlinien nicht an persönlichen Interessen ausmachst, sondern an Stammesgrenzen (die du die nicht allzu starr vorstellen solltest).
Die Brüder Flavus und Arminus standen sich in den Jahren 14/15 und 16 in zwei einander feindlich gesinnten Heeren gegenüber (de facto haben wir das nur für das Jahr 16 überliefert), sie sollen sich an der Weser beinahe gegenseitig an die Gurgel gegangen sein, wobei die ganze Episode auch einfach eine dramatisierende Erfindung des Tacitus (oder Plinius, dessen Germanenkriege nicht auf uns gekommen sind) sein kann, um Flavus‘ Teilnahme am römischen Feldzug herauszuarbeiten. Flavus‘ Sohn Italicus, der in Ravenna aufwuchs, wurde später von den Römern auf Bitten der Cherusker als deren König installiert.

Ich mag zwar Game of Thrones nicht, aber vielleicht solltest du die mal eine Staffel davon reinziehen, dann verwirrt dich das überlieferte Schlaglicht auf die politische Geschichte der Cherusker vielleicht ein bisschen weniger.
 
Hallo El Quijote,
ja, Du hast recht. Danke für Dein Zurechtrücken. Ethnozentristisches Geschichtsbild - okay, das habe ich dann wohl.
Aber okay, man lernt nie aus und warum soll auch nicht ständig meine Einstellung ändern.
Ich finde es gut, wenn man mich darauf hinweist.
 
Herwig Wolfram spricht in "Germanen" C.H. Beck
@BerndHH da hast du doch eine sehr gute und ebenso lesenswerte Übersicht über die Geschichte der Germanen!

Du neigst in deinen Darstellungen und Fragen zu Extremen: mal ist es nur ein kleines ärmliches Dorf oder eine Sippe als Pars pro toto für irgendeinen "Stamm", dann wieder alle Cherusker oder Markomannen und wie sie sich unterscheiden - meine Empfehlung wäre, dass du dich trotz der Materialmenge an dem doch sehr übersichtlichen Buch von H. Wolfram orientierst; auch wenn dieser eigens schreibt, dass manches heute schwer nachvollziehbar ist (z.B. die bruchstückhaft überlieferte kriegerische Heroik)

Das einzelne, kleine und ärmliche (Subsistenzwirtschaft) Dorf ohne steinerne Palastaula, Legionenkastell, öffentliche Bäder, Wasserleitungen etc etc - ein erster Blick in die Geschichte zeigt doch sofort, dass das große mächtige Rom unter Kaiser Augustus und danach Tiberius sich nie (!!) mit einem einzelnen Barbarendorf beschäftigt hat. (kleiner Jokus: einzig im heutigen Frankreich - Aremorica - lokalisiert man eine unbeugsame zaubertrankgestärkte :D Ausnahme) Die gentile Gesellschaft bzw Organisation der germanischen Stämme/Gruppen im 1.Jh. schon war selbstredend großflächiger als ein einzelnes oder eine Handvoll Dörfer. Die herrschenden "Sippen" (Großfamilienverbände) stützten ihre Macht auf ihre kriegerische Gefolgschaft (Gefolgschaftswesen) Eine Gefolgschaft von ein paar Hundert Kriegern zu unterhalten, zu bewaffnen hätte "ein kleines ärmliches Dorf" nie leisten können. Und die Subsistenzwirtschaft dieser germanischen Barbaren schaffte es, große Kriegsverbände zu organisieren - so groß, dass die mächtigen und obendrein technologisch überlegenen römischen Legionen gelegentlich sehr empfindlich was auf die Mütze bekamen...
Nächster Schritt: der Unterhalt solchen "reckenhaften" Kriegsgefolges war nicht total, nicht immer aus der ortsansässigen Wirtschaft leisten, weshalb solche Gefolgschaften mit der Aussicht auf Beute in attraktive Gebiete gelotst wurden (oder sich ohne Geheiß eines Chefs einer mächtigen Großsippe a la Sigi/Segi-Sippe auf den Weg machte) - der bekannte Spruch "der Krieg ernährt den Krieg" kann auf die germanischen Gesellschaften der römischen Kaiserzeit angewendet werden: je siegreicher ein Warlord (sic!) wurde, umso attraktiver wurde seine Gefolgschaft und wuchs folglich an. Marbod beispielsweise ist ein solcher Warlord.
Und Rom? Rom schloss nie Verträge, Verhandlungen, Abmachungen mit einem Dorf, sondern mit den Bossen der Kriegsgefolgschaften, mit den Warlords.
Das friedliche Germanien, dessen freie Wehrbauern (upps, eine kriegerische Beinote) sich rustikal-urdemokratisch im Thing treffen - diese Retro-Utopie hatte a priori die Schattenseite der rein macht-utilitaristischen Gefolgschaft, bestehend aus Profikriegern mit charismatischem Warlord an der Spitze, eine in sich völlig undemokratische Organisation.

ähnliches - bitte nicht jedes Wort dieser vereinfachten Übersicht auf die Goldwaage legen! - steht bei Wolfram.
 
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