Zur Lage von Hethis (Alt-Corvey)

Der Sinn des Namens ist nach Ansicht der Ortsnamenexpertin Birgit Meineke problemlos entschlüsselbar; damit ist auch eine plausible Lokalisierung möglich, und zwar in Heiden:
Gerade bekomme ich den kürzlich erschienenen 171. Band der Westfälischen Zeitschrift in die Hände, da äußert sich die Autorin ausführlich zum Thema Hethis. Ein Beitrag zur Lokalisierung der Erstgründung Corveys (S. 157-204).
Für die von ihr favorisierte Lokalisierung in Lage-Heiden würden vorromanische Fundamente unter der Kirche sprechen; wirklich beweiskräftige Indizien gibt es jedoch nicht.
 
Dass Hethis - wenn es nicht Hechi ist - wohl mit θ gelesen werden muss, mag man auch an dem Personennamen sehen:

Helmut Wiesemeyer schrieb:
Unser Translatio-Autor berichtet nun von der Errichtung von Klosteranlagen auf den Theodrad-Besitzungen, und zwar an einem Orte, der Hethis genannt wird.​
Wegen eben dieses Theodrad will ich die Verortungsdiskussion wieder aufgreifen, denn zur Lokalisierung von Hethis im Solling wird eine Bemerkung der Translatio, in der eben Theodrad vorkommt, herangezogen. Aber ist das gerechtfertigt?

Die Translatio berichtet, dass auf die Frage des Abts Adalhards von Corbie an die sächsischen Mönche nach einem geeigneten Klosterplatz in Sachsen ein sächsischer Mönch einen Ort im Besitz seines Vaters angepriesen habe: Scio in patris mei possessive esse locum. Diesen beschreibt er als von zwei sprudelnden (lebendigen) Quellen umgeben: ubi et ex ultraque parte fons vivus emanat. Dieser Ort sei sehr geeignet für die Ansiedlung eines Klosters: multum aptus.
Theodrad wird daraufhin von Adalhard nach Hause geschickt, um Erkundigungen einzuziehen und kommt mit der frohen Botschaft wieder, dass seine Familie bereit sei, diesen Ort für eine Klostergründung zur Verfügung zu stellen.
Aufgrund der Umstände wird dann eine Klostergründung auf sechs Jahre verschoben. Das weiß freilich Adalhard noch nicht, das weiß nur der Verfasser der Translatio.

So... nun gibt es einen neuen Abt in Corbie, der ebenfalls Adalhard heißt. Der greift das Projekt wieder auf und berät sich dazu mit älteren Mönchen. In diese Beratungen platzt geradezu die Nachricht eines placitums Ludwigs des Frommen in loco qui dicitur Patherbrunna. Der ruft Bischof Hathumar herbei, ad cuius dioecesim pertinebat locus, ubi construendum erat monasterium.

Wir wissen nicht, ob der locus, ubi et ex ultraque parte fons vivus emanat und der locus, qui dicitur Hethis, ubi […] nihil proficere potuerunt [...] nam locus ita aridus erat überhaupt identisch sind, davon wird aber immer ausgegangen.

Dafür spricht, dass sonst Theodrad und sein Zwei-Quellen-Ort eigentlich keiner Erwähnung wert gewesen wären.
Dagegen spricht die Unterschiedlichkeit der beiden Ortsbeschreibungen, der eine Ort aufgrund seiner zwei Quellen ideal für eine Klostergründung, der andere trocken.

Die zwei Quellen, von den wir also gar nicht sicher wissen (50:50), ob sie wirklich bei Hethis lagen, werden herangezogen, um zu „belegen“, dass Hethis beim „Roten Wasser“ im Solling lag. Wie kommt von von der Beschreibung locus, ubi et ex ultraque parte fons vivus emanat auf den Solling? Das kann überall gewesen sei und wir wissen nicht einmal, ob dieser Ort mit dem von Ludwig bestimmten locus, ubi construendum erat monasterium identisch ist. Als gäbe es im ganzen Bistum Paderborn des frühen 9. Jhdts. nur einen Ort mit zwei Quellen.

(Edit: Wort vergessen)
 
Zuletzt bearbeitet:
Sie brachen auf und sollen irgendwann am nächsten Tag in Corvey angekommen sein. Ausdrücklich mit Alten und Kindern. Ihr Vieh haben sie sicher nicht zurückgelassen. Mit Rindvieh sind das bei zwei Tagen keine 15 km, eher liegt die Grenze bei 12 km, aber bei lebenden Wesen geht ja auch mal mehr. Damit ist mit Zirkel und Karte eine Vorauswahl zu treffen. Gewaltmärsche und normale Wanderdistanzen sind jedenfalls bei so einem Umzug auszuschließen.

Wegen der Trockenheit des Umfelds - beim Kloster selbst war Wasser natürlich eine Notwendigkeit - schließt eine Lage an der Weser (und damit Idistaviso) aus. Quellen wiederum sind oft heute versiegt, weshalb keine vorhanden sein muss. Ein Streifen längs der Weser kann abgezogen werden, ebenso feuchte Naturräume. Demgegenüber sind eher trockene Naturräume hervorzuheben.

Die fraglichen Ortsnamen im Solling sind neuzeitlich, die zeitgenössischen kennen wir nicht. Flur- und Hofnamen mit Hed-, -hed- oder Verwandtem gibt es wohl in jedem zweiten Ort Westfalens. Und in trockener Landschaft ist auch Heide häufig. Damit fällt die Etymologie weitgehend aus, weil es, wie bei Aliso zu viele Treffer gibt. Der Name kann allenfalls als weitere Stütze dienen.

Wegen der Archäologischen Funde "unter der Grasnarbe", die damals gleich mit dem St. Galler Klosterplan verglichen wurden, erscheint Neuhaus wahrscheinlich: Hethis – Wikipedia
Es wurde, meine ich, von Holzbauten auf Steinfundament ausgegangen. Bei Gelegenheit lese ich nach und nenne die Aufsätze. Auch, wenn es nicht stimmen sollte, findet sich darin Interessantes.

Wir sehen hier übrigens zwei gegensätzliche Klosterkonzepte: Das einsame Kloster in der Wildnis und das der Erschließung und dem Landesausbau dienende, auch verkehrstechnisch günstig gelegene Kloster. Jedenfalls, wenn wir den Quellen trauen. Günstige Verkehrswege ( und Siedlungskammern wären damit für Hethis auch auszuschließen.

Weitere Möglichkeiten zur Eingrenzung sehe ich erst einmal nicht.
 
Sie brachen auf und sollen irgendwann am nächsten Tag in Corvey angekommen sein. Ausdrücklich mit Alten und Kindern.
Ich bin mir da nicht so ganz sicher, Du beziehst dich da ja auf die Tanslatio Sancti Viti (MGH SS 2), Abschnitt 11.

Sed primum petierunt episcopum, ut veniret et sanctificaret locum, vexillumque sanctae crucis in loco altaris poneret, nomenque, ut Corbeia vocaretur, aptaret. Quod factum esse octavo Kalendas Sepetembris constat. Et eadem die coeperunt, qui aderant, aedificia erigere - erant tamen pauci numero - usque ad diem sextam kalendas Octobris. Septimo kalendas namque eiusdem mensis surrexerunt a loco quo usquemquaque habitaverant, cum omni suppellectili sua, senes et pueri, et alia dia venerunt ad locum destinatum, et celebraverunt missaum solemnia cum omni gratiarum actione, laudantes Dominum et benedicentes Domino.
Zuerst baten sie den Bischof, dass er käme und den Ort heilige und die Stanndarte des Heiligen Kreuzes an den Ort des Altares stelle und dass er den Ort Corbei (Corvey, wie das Mutterkloster, Corbie) nenne. Dies geschah an den achten Kalenden des September (25. August). Und an diesem Tag begannen diejenigen, die vor Ort waren, es war nur eine geringe Anzahl, Gebäude zu errichten, bis zu den sechsten Kalenden des Oktober (26. September) denn an den siebten Kalenden des Oktober (25. September) erhoben sich die, welche bis dahin dort gelebt hatten von dem Ort mit allem ihrem Hausraut, Alte und Junge und am anderen Tag kamen sie zu dem bestimmten Orte und feierten eine fromme Messe mit allen gnädigen Aktioenen Gott lobend und preisend. (halb übersetzt, halb paraphrasiert).

Mir erscheint der Text nicht ganz logisch. Die zur Errichtung der Gebäude abgestellten Mönche bauten bis zum 26. September, weil am 25. September das Altkloster aufgegeben wurde?
Und wenn sie an einem Tag losmarschierten und am anderen ankamen: Muss man dann nicht zwei Tage - denn über Nacht werden sie ja kaum marschiert sein - ansetzen?


Wie ernst ist die Angabe "Rotes Wasser" zu nehmen?
Gar nicht. In der Quelle steht nur etwas vom sächsischen Mönch Theodrad in Corbie, der seinem Abt sagt, dass seine Familie ein geeignetes Stück Land für die Gründung eines Klosters zwischen zwei lebendigen Quellen (ubi ex utraque parte fons vivus emanat) besäße. Ob das Kloster dort später gegründet wurde, wissen wir nicht. Dafür spricht, dass man sonst Theodrad gar nicht weiter hätte erwähnen müssen, da er keine weitere Rolle in der Erzählung spielt, dagegen, dass der Ort, wo das Kloster Hethis gegründet wurde als aridus (trocken) klassifiziert wird und damit gerechtfertigt wird, warum die Mönche keinen wirtschaftlichen Erfolg hatten, weswegen sie ja dann aus Hethis nach dem noch zu gründenen Corvey umzogen. Die Identifikation des Roten Wassers mit einer dieser beiden von Theodrad erwähnten (Wasser)Quellen ist durch die (historischen) Quellen zunächst nicht gerechtfertigt.
 
Es ist doch ganz logisch. Erst wird gebaut, dann eingezogen. Das wird eigentlich bis heute so gemacht. Und wie heute bei vielen Projekten gab es wohl eine offizielle 'Eröffnung' als Ende der Bauzeit. Die Schilderung erscheint mir sogar klarer und folgerichtiger als viele andere Stellen, die Daten wiedergeben. Klar, es ist sicher nicht alles nach so kurzer Zeit fertig gewesen, aber Quartiere, Ställe und eine Kapelle werden vorbereitet gewesen sein.

Ich habe auch zwei Tage angesetzt. 6 km wäre eine Tagesleistung für Rindvieh, wurde mir von kundigen Leuten mitgeteilt. Ich war überrascht, obwohl ich durchaus aus eigener Erfahrung weiß, wie ungern die auf Wanderschaft gehen, wenn sie das nicht gewohnt sind. Weite Wege zwischen den Weiden waren hierzulande ja nicht üblich. Aber das war um 2000. Wenn es bessere Daten gibt, rechne ich gerne damit. Aber 20 km können wir auch wegen der Alten und der Kinder kaum ansetzen. Für heutige Kinder werden schon mal 5 km angegeben, aber, selbst, wenn wir 10 rechnen, was ich mit Pausen für machbar halte, ist es nur ein maximaler Radius von 20 km.

Und dazu nehmen wir die Luftlinie statt der realen Umzugsstrecke. Da kommt schnell 1/4 gegenüber der Luftlinie dazu, manchmal sogar 1/2. Es gibt also eine entsprechende Sicherheitsmarge.
 
Mir erscheint der Text nicht ganz logisch. Die zur Errichtung der Gebäude abgestellten Mönche bauten bis zum 26. September, weil am 25. September das Altkloster aufgegeben wurde?
Und wenn sie an einem Tag losmarschierten und am anderen ankamen: Muss man dann nicht zwei Tage - denn über Nacht werden sie ja kaum marschiert sein - ansetzen?
Vielleicht habe ich Deine Bedenken nicht richtig verstanden, aber mir erscheint alles logisch:
Die zur Errichtung der Gebäude abgestellten Mönche bauten bis zum 26. September. Am 25. September brachen die Umzügler auf, und "am anderen Tag" (oder "an einem anderen Tag") gelangten sie zum vorgesehenen Ort. Wenn man "alia die" als "am nächsten Tag" interpretiert, kamen sie also am 26. September an. Daher wurde von den zur Errichtung der Gebäude abgestellten Mönchen bis zum 26. September gebaut, weil an diesem Tag die Umzügler eintrafen.
 
Es ist doch ganz logisch. Erst wird gebaut, dann eingezogen. Das wird eigentlich bis heute so gemacht. Und wie heute bei vielen Projekten gab es wohl eine offizielle 'Eröffnung' als Ende der Bauzeit. Die Schilderung erscheint mir sogar klarer und folgerichtiger als viele andere Stellen, die Daten wiedergeben. Klar, es ist sicher nicht alles nach so kurzer Zeit fertig gewesen, aber Quartiere, Ställe und eine Kapelle werden vorbereitet gewesen sein.

Ich habe auch zwei Tage angesetzt. 6 km wäre eine Tagesleistung für Rindvieh, wurde mir von kundigen Leuten mitgeteilt. Ich war überrascht, obwohl ich durchaus aus eigener Erfahrung weiß, wie ungern die auf Wanderschaft gehen, wenn sie das nicht gewohnt sind. Weite Wege zwischen den Weiden waren hierzulande ja nicht üblich. Aber das war um 2000. Wenn es bessere Daten gibt, rechne ich gerne damit. Aber 20 km können wir auch wegen der Alten und der Kinder kaum ansetzen. Für heutige Kinder werden schon mal 5 km angegeben, aber, selbst, wenn wir 10 rechnen, was ich mit Pausen für machbar halte, ist es nur ein maximaler Radius von 20 km.

Und dazu nehmen wir die Luftlinie statt der realen Umzugsstrecke. Da kommt schnell 1/4 gegenüber der Luftlinie dazu, manchmal sogar 1/2. Es gibt also eine entsprechende Sicherheitsmarge.
Man kann von heutigen Menschen nicht auf damalige schließen. Die Menschen waren damals ganz andere Dinge gewöhnt. Ich z.B. lief in meiner Jugend bis zu 15 - 30 km am Tag und bin mit meinem kleinen Bruder einmal 24 km an einem Tag mit nur 3 Unterbrechungen gelaufen. Und der war damals 8 Jahre alt.
 
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