Wie können die so einfach verschwinden?
Das konnten sie genauso wie die Kimbern, Teutonen, Markomannen, Gepiden und etliche andere - Gründe, Umstände gibt es viele. Ein paar verlorene Kriege samt innerer Konflikte (Cherusker Koalition) und der Kriegerverband löst sich auf, man integriert sich in erfolgreicheren, prestigeträchtigeren Koalitionen.
 
Hallo Riothamus,

großes Lob an Dich, dass Du all diese einzelnen Punkte so dezidiert aufschlüsselst und bewertest!!!
In diesem Punkt
Bloße Ähnlichkeiten, Assoziationen und Analogien reizen vielleicht unsere Kreativität, geben aber keine Begründung. Die Inspiration muss an den Quellen überprüft werden. Und auch wenn viel überzeugend scheint, hält das meiste nicht stand.
gebe ich Dir absolut zu 100% recht und das ist wohl auch die Falle, in die ich regelmäßig hineintappe!
Besten Dank für die Gedankenanstöße.
Punkt 6 finde ich hochinteressant. Also meinst Du, die Cherusker waren im Leinetal eher Rinderhalter als Getreidebauern, zumindest in der Gewichtung. Mal in den Raum hineingesprochen. Leinetal, sehr fruchtbarer Lößboden, möglicherweise in der Relation auch dazu geeignet, etwas mehr Ertrag zu erwirtschaften, dass es über die Selbstversorgung hinausging und vielleicht sogar ein Heer versorgen konnte. Okay, Gegenargument: Bewirtschaftungsform (biologisch/technischer Fortschritt) war noch nicht so weit, um entsprechende Kornerträge zu erzielen.

Deine Zahlenbeispiele und die daraus resultierenden Schlüsse finde ich sehr einleuchtend.[/Quote][/Quote]
 
man integriert sich in erfolgreicheren, prestigeträchtigeren Koalitionen.
Aber was ist mit deren Traditionen, kultischen Vorstellungen, Verständnis von Herrschaft und Gefolgschaft einer Gruppe, die die gleiche Sprache spricht und die gleichen Lebensumstände hat? Einfach ein rotes Etikett überstülpen und sich auf einmal als "Sachse" fühlen?
Aber vielleicht ist es ja die fehlende Identität von Sippe und Familientraditionen, dass man das auf einmal aufgibt ... oder es war so, dass sich die Fürsten-/Häuptlingsfamilie umetikettieren ließ und die Gefolgschaft folgte einfach.

Machen wir es doch einmal plastisch und anschaulich.
Angenommen die Segestes-Sippe "herrscht" in einem Teil des Leinetals. In einem schlechten Erntejahr hält sie es für opportun, mit den Römern zu paktieren und mit deren Hilfe die Chatten im Süden zurückdrängen.
Im nächsten Jahr ist die Ernte besser, die Römer werden lästig, verlangen zu viel, mischen sich auf einmal in germanische Belange bzgl. Rechtssprechung ein, man fühlt sich auf einmal wieder mit den Brukterern und Marsern verbunden und ...
Okay, sind vielleicht Bullshit-Gedankenspiele ...
 
Aber was ist mit deren Traditionen, kultischen Vorstellungen, Verständnis von Herrschaft und Gefolgschaft einer Gruppe, die die gleiche Sprache spricht und die gleichen Lebensumstände hat? Einfach ein rotes Etikett überstülpen und sich auf einmal als "Sachse" fühlen?
vielleicht nützt dir diese Leseempfehlung (ich halte es für ein exzellentes Buch) :
Patrick Geary, Europäische Völker im frühen Mittelalter. Zur Legende vom Werden der Nationen (= Fischer-Taschenbücher. 60111, Europäische Geschichte). Aus dem Amerikanischen von Elisabeth Vorspohl. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2002
 
Aber was ist mit deren Traditionen, kultischen Vorstellungen, Verständnis von Herrschaft und Gefolgschaft einer Gruppe, die die gleiche Sprache spricht und die gleichen Lebensumstände hat? Einfach ein rotes Etikett überstülpen und sich auf einmal als "Sachse" fühlen?
Ich denke nicht, dass sich Cherusker, Sachsen, Chatten, Sueben oder Marser sooo fundamental in Sachen Tradition, Kult, Verständnis von Herrschaft und Gefolgschaft, Sprache und Lebensumstände in der römischen Kaiserzeit und danach unterschieden, isb. sprachlich dürfte alles noch sehr viel näher beieinander gewesen sein. Den Unterschied sehe ich eher im Austausch von Führungspersonal, das sich selbst als "sächsisch", "chattisch" oder "suebisch" identifiziert.
 
Danke für die Antworten!

Mir fehlt aber komplett die plastische Vorstellung. Wie soll man sich das vorstellen?
In Nordfriesland leben Kimbern (muss jetzt nicht richtig sein), sagen Odin und ordnen sich einer Herrschaftssippe unter, die "kimbrische" Traditionen pflegt. Hier hat man eine andere Art der Viehzucht, eine andere Rinderrasse, macht einen anderen Käse (Wilster Marschkäse oder sein Urahn) und lebt auch vom Meer.

Im oberen Leinegraben ist es vielleicht die Segestes-Familie, denen das Land und die Rinder gehören. Die Bauern kennen das Meer nicht, sagen Wotan und pflegen ihre eigenen Sitten und Gebräuche. Sie müssen sich nicht an die Gezeiten anpassen, wohl aber an die Leinehochwasser.
Es sind die Herrscherfamilien, die "Kriegs- und Friedensfürsten" (wenn man davon ausgeht, dass es eine herausragende Führungsqualität war, welche den jeweiligen Stammeshäuptling, Familienoberhaupt, Clanchef, was auch immer ... bitte nicht an den Namen hochziehen) stellen, diese für mich unverständliche Verbindung weltlicher Herrscher und Seher/Priester.
Das habe ich nie verstanden. Bruder A führt seine Gefolgschaft und Bruder/Neffe/Onkel=Oheim B aus der gleichen Familie ist Seher/Schamane, evtl. auch bei einem ganz anderen Stamm.
Also Tiergänger (Wolfgang, der sich bei Vollmond in einen Wolf verwandelt), Verbindung von Menschen und Natur, Trommel und versetzt sich in Ekstase, um Verbindung mit den Göttern oder was auch immer aufzunehmen. Zufälligerweise Angehöriger einer Fürstenfamilie.
Aber wie kann ein Cheruskerseher auf einmal diese Funktion bei den Ubiern einnehmen? Für mich klingt das höchst nebulös. Fahrender Mönch, Preacherman ... warum kein einfaches Bauernmädchen, auf dessen Schulter sich ein Rabe setzt und die auf einmal eine Verbindung zu Wotan hat.

Ich verstehe: die lokale Landschaft, das jeweilige Klima (Küste, Mittelgebirge, Flußtäler) bestimmen die Lebensweise, Bewirtschaftungsformen, Ernährung und vielleicht auch die Vorstellung der Germanen.
Und die Fürstenfamilien besitzen auf irgendeine Art diese Mobilität, bestimmen, ob der Stamm, die Gefolgschaft für oder gegen die Römer ist, ob es Krieg oder Frieden mit den Chatten gibt.
Aber was fehlt ist ein für mich nachvollziehbares Bild der Germanen oder zumindest eine möglichst authentische Näherung, wie sie denn vielleicht gewesen waren.

Ja, ich weiß, dass ich da auf völlig verlorenen Posten stehe.
PS: Vielleicht, hoffentlich wird es in Zukunft einmal ein gut illustriertes Sachbuch geben, welches genau diese Fragen aufgreift und nach dem jetzigen Erkenntnisstand der Geschichtsforschung ergänzt. what we know so far ...
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Übrigens war die germanische Mythologie Yggdrasil, Asen, Odin=Wotan, Thor=Donar, Fenriswölfe, Ragnarök etc. universell (1:1) für alle Germanen von der kimbrischen Halbinsel bis runter zu den Alemannen? Oder ist es nur die nordische Mythologie aus Skandinavien, die man aus Unkenntnis auch den Rhein-Weser-Germanen übergestülpt hat oder könnten die vielleicht eine ganz eigenständige Mythologie gehabt haben? Weiß man das, gibt es da Spekulationen?
 
Wieder kurz nach einem Post ohne Kenntnis von diesem Post abgegeben

Das Verhältnis von Tierzucht zu Ackerbau änderte sich in Mitteleuropa erst um 1000. Die kleinen Ackerflächen sind für das Frühmittelalter gut untersucht und der Stellplatz für Rinder entspricht dem schon vor Christi Geburt. Es ist erstaunlich, wie wenig Ackerland für Selbstversorgung ausreicht, auch wenn ich Zahlen gerade nicht zur Hand habe. Selbst die alten Ortschaften aus dem Frühmittelalter bevorzugen übrigens oft noch Lagen in der Nähe von Auen und saftigen Weiden, während trockenes gutes Land mit dürren Weiden wie etwa der Delbrücker Rücken bei Paderborn und gute Teile des später so fruchtbaren Sintfelds noch nicht besiedelt waren. Genug flutsicheres Ackerland war schon irgendwo zu finden, das Land war zwar dichter als früher angenommen, aber doch noch sehr locker besiedelt. Da war genug Platz für Menschen, Vieh, Äcker und Wasser.

Zur Assimilation:
Wer sagt denn, dass alle Sagen, Legenden und Traditionen verschwunden sind? Tacitus berichtet nicht nur vom Ende der Cherusker, sondern auch davon, dass immer noch Heldenlieder auf Arminius gesungen wurden. Mit dem Mannusmythos überliefert er zudem einen stammesübergreifenden Mythos (, der gleichzeitig ein germanisches Selbstzeugnis darstellt).
 
Guten Morgen Riothamus,
besten Dank für Deine wirklich exzellenten Einwürfe!
Den Mannusmythos kannte ich noch gar nicht. Vielen Dank für das Stichwort.
Okay, die germanische Gesellschaft war wie die römische patriarchalisch organisiert. Mit Stammvätern und da sind wir wieder bei den Friesen: Hinrichsen, Sohn des Hinrich, Petersen, Sohn des Peter etc.
Vielleicht war das bei den Cheruskern ähnlich. Segestisen, Segimersen, nein wahrscheinlich in anderer Form. :))

Welchen Stellenwert hatte dann die Frau?
Beute, Arbeitskraft, Eigentum oder Adelige, um Genealogie fortzuführen. Ausnahme: Seherinnen, die eine Verbindung zum Jenseits/Götterwelt haben.
Aber okay, das macht wieder ein ganz anderes Faß auf.
 
Danke für die Antworten!

Mir fehlt aber komplett die plastische Vorstellung. Wie soll man sich das vorstellen?
In Nordfriesland leben Kimbern (muss jetzt nicht richtig sein), sagen Odin und ordnen sich einer Herrschaftssippe unter, die "kimbrische" Traditionen pflegt. Hier hat man eine andere Art der Viehzucht, eine andere Rinderrasse, macht einen anderen Käse (Wilster Marschkäse oder sein Urahn) und lebt auch vom Meer.

Die Kimbern lebten im Norden Jütlands, das Himmer in Himmersyssel ist regelmäßig durch nordgermanischen Sprachwandel aus Kimbern entstanden. (Syssel sind mittelalterliche dänische Verwaltungseinteilungen, die als ersten Teil Landschaftsbezeichnungen haben.) Zudem trafen römische Expeditionen dort den zurückgebliebenen Teil der Kimbern an, die sich mit dem Geschenk eines Kultkessel bei Augustus entsühnten.

Die Sprache war noch nicht geteilt. Wenn es den Glauben an Woden schon gab, wäre es gemeingermanisch *Wothanaz.

Wieso muss es da eine Herrschaftssippe geben? Tacitus bezeugt eine unterschiedliche Organisation in verschiedenen Gegenden.

Aber klar, je nach Gegend unterschied sich die Wirtschaftsform, die Organisation und sicher gab es auch immer kleinere dialektische Unterschiede.

Im oberen Leinegraben ist es vielleicht die Segestes-Familie, denen das Land und die Rinder gehören. Die Bauern kennen das Meer nicht, sagen Wotan und pflegen ihre eigenen Sitten und Gebräuche. Sie müssen sich nicht an die Gezeiten anpassen, wohl aber an die Leinehochwasser.

Nimm das mit der Kriegerbande unter Führung einer Adelsclique nicht so ernst. Das widerspricht nämlich den Quellen, die auch für die Cherusker die üblichen Versammlungen und Ämter der Stammesgesellschaften des germanischen Barbaricums erwähnen.

Wir wissen nichts über die Besitzverteilung und die Abhängigkeiten. Hier dürfte *Wothanaz klar gesprochen worden sein. Woden wurde es in Norddeutschland erst im 9. Jahrhundert. (Wotan ist hochdeutsch.)

Es sind die Herrscherfamilien, die "Kriegs- und Friedensfürsten" (wenn man davon ausgeht, dass es eine herausragende Führungsqualität war, welche den jeweiligen Stammeshäuptling, Familienoberhaupt, Clanchef, was auch immer ... bitte nicht an den Namen hochziehen) stellen, ...

Könige (reges) wurde nach Tacitus nach dem Adel, Kriegsführer (duces / Herzöge) nach der Fähigkeit gewählt. Vorsitzende der Versammlungen und Anführer von pagi (Gaue oder Dörfer) gab es auch. Sie bezeichnet Tacitus als Erste (principes / Fürsten). Die Versammlungen kannst du ruhig Thing nennen. Sie trafen wichtige Entscheidungen und fungierten als Gericht. Ansonsten können wir feststellen, dass es die genannten pagi als Einteilung gab und die Funktionen, meist sehr verändert, noch in frühmittelalterlichen Volksrechten zu finden sind und schon vorher bei den Goten wieder auftauchen, wo König und Parlamentspräsident verbunden sind. Tacitus sagt, dass einige Stämme, besonders im Osten von Königen regiert wurden, während woanders die Versammlungen die Macht hätten. Er bleibt aber so vage, undeutlich und widersprüchlich, dass viel hineingelesen werden kann. Ob er wirklich Daten für Skandinavien hatte, kann bezweifelt werden. Halten wir fest:

Ämter:
rex (Plural/Mehrzahl: reges) = König
dux (Pl.: duces) = Anführer im Krieg "Herzog/Kriegshäuptling" (wörtlich: Anführer, Führer)
princeps (Pl. principes) = ("Erster"); die Anführer in den pagi ("Gaufürsten") und der Vorsitzende des Thing
pagus (Pl. pagi) = Dorf, Gau (Hier mag eher Gau gemeint sein, genau wissen wir es aber nicht. Wir wissen nicht einmal, ob es eine Einteilung in Dörfer gab. Das heutige Dorf entwickelte sich erst im Frühmittelalter.)

Abgesehen vom Thing sind die lateinischen Wörter am sichersten: Denn dann ist klar, dass das durch die römische Brille gesehen ist. König, Herzog und Gaufürst finden sich aber auch in der Literatur. Und Thing ist eben auch immer noch so üblich, dass jeder eine ungefähre Ahnung hat, was gemeint ist und uns mehr als eine ungefähre Ahnung aus den Quellen auch nicht gegeben ist.

Daneben setzt Tacitus voraus, dass bestimmte Familien/Sippen als adelig galten. Ein Adeliger konnte eine Gefolgschaft anwerben. Es wird aber in Zusammenhang mit der Schlacht an den Pontes Longi gesagt, dass Arminius und sein Onkel Inguiomer verschiedener Ansicht über das Vorgehen waren, aber Inguiomer sich durchsetzte, weil er der gewählte dux war. Das wäre bei einer Gefolgschaft anders. An anderer Stelle ist von Entscheidungen des Things der Cherusker die Rede. Bei einer Gefolgschaft hätte der Gefolgschaftsführer das Sagen.

Gefolgschaften gab es wie gesagt auch, und Arminius hatte sicher eine, aber das führt jetzt zu weit.

..., diese für mich unverständliche Verbindung weltlicher Herrscher und Seher/Priester.
Das habe ich nie verstanden. Bruder A führt seine Gefolgschaft und Bruder/Neffe/Onkel=Oheim B aus der gleichen Familie ist Seher/Schamane, evtl. auch bei einem ganz anderen Stamm.
Also Tiergänger (Wolfgang, der sich bei Vollmond in einen Wolf verwandelt), Verbindung von Menschen und Natur, Trommel und versetzt sich in Ekstase, um Verbindung mit den Göttern oder was auch immer aufzunehmen. Zufälligerweise Angehöriger einer Fürstenfamilie.
Aber wie kann ein Cheruskerseher auf einmal diese Funktion bei den Ubiern einnehmen? Für mich klingt das höchst nebulös. Fahrender Mönch, Preacherman ... warum kein einfaches Bauernmädchen, auf dessen Schulter sich ein Rabe setzt und die auf einmal eine Verbindung zu Wotan hat.

Bis heute werden Adelige Priester und Bischof von Rom waren /sind nacheinander ein Pole, ein Deutscher und ein Argentinier.

Es wird gesagt, dass Adlige priesterliche Funktionen ausüben konnten, besonders als Leiter des Thing. Bei den Römern waren ja auch der Adel und die Magistrate als Priester berufen. Ob das bei den Germanen ähnlich waren oder die Beobachtung beim Niederschreiben an das für Römer Gewohnte angepasst wurde, können wir nicht sagen.

Sonst sind nur weise Frauen erwähnt. Eher nicht als Priesterin, sondern als Seherin. Aber so klar lässt sich das wahrscheinlich auch wieder nicht trennen. Raben erwähnen die Quellen nicht.

Der Altar der Ubier diente dem römischen Provinzialkult für Augustus und Caesar. Ein römischer Parteigänger brauchte eine Beschäftigung und da war ein Posten frei. Ohne Zynismus gesagt, war damit der Adel der Cherusker im Reich eingebunden.

Und nochmal zu Wotan: Wir wissen nicht, ob es den schon zu Arminius Zeiten gab. So wie später ward er aber sicher noch nicht beschrieben worden sein. Da stammt vieles aus frühmittelalterlichen walisischen Sagen. Vielleicht war es aber auch umgekehrt. Jedenfalls bleibt so etwas nicht 700 Jahre lang gleich.

Da es zu lang wurde, folgt ein zweiter Teil.
 
Zweiter Teil:

Ich verstehe: die lokale Landschaft, das jeweilige Klima (Küste, Mittelgebirge, Flußtäler) bestimmen die Lebensweise, Bewirtschaftungsformen, Ernährung und vielleicht auch die Vorstellung der Germanen.
Und die Fürstenfamilien besitzen auf irgendeine Art diese Mobilität, bestimmen, ob der Stamm, die Gefolgschaft für oder gegen die Römer ist, ob es Krieg oder Frieden mit den Chatten gibt.
Aber was fehlt ist ein für mich nachvollziehbares Bild der Germanen oder zumindest eine möglichst authentische Näherung, wie sie denn vielleicht gewesen waren.

Hierzu erstmal nur:
Nicht eine Familie, nicht ein Klan, nur der einzelne Adlige konnte eine Gefolgschaft haben.

Ja, ich weiß, dass ich da auf völlig verlorenen Posten stehe.
PS: Vielleicht, hoffentlich wird es in Zukunft einmal ein gut illustriertes Sachbuch geben, welches genau diese Fragen aufgreift und nach dem jetzigen Erkenntnisstand der Geschichtsforschung ergänzt. what we know so far ...
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Das gab es schon.

Schon die Germania des Tacitus kannst du als Zusammenfassung des damals Bekannten lesen.

Modernere wissenschaftliche Übersichten (dicke Handbücher) zu den Germanen, werden anscheinend nur in Diktaturen geschrieben.

Die ältere Literatur wurde von Ludwig Schmidt zusammengefasst. Die jüngste Auflage stammt aus den frühen 40er Jahren, es gibt aber Nachdrucke. Schmidt war kein Nazi, aber er musste schon geschickt schreiben, um dem Regime unliebsames unterzubringen. In der Hinsicht, wie man unter einer Diktatur schreiben kann, ist er ebenso ein Beispiel wie für die Darstellung des Forschungsstands. Das Werk ist bis heute nicht ersetzt und würde auch heute anders angelegt, ist dadurch aber immer noch zumindest für Historiker relevant, ob man will oder nicht. Wer Recherchieren will kann da nachschauen, um keine Fehler zu wiederholen und einen Einstiegspunkt zu haben. Für Laien ist die Lektüre wohl eher frustrierend und oft in die Irre führend. Aber, wer sich wirklich einarbeiten will, kommt irgendwann nicht daran vorbei. Es ist schlicht in Kapitel für die einzelnen Stämme eingeteilt.

Ludwig Schmidt, Die Geschichte der deutschen Stämme bis zum Ausgang der Völkerwanderung. Band 1 firmiert als Die Ostgermanen, Band 2 als Die Westgermanen (mit den Angrivariern und Cherusker in einem Kapitel S. 91-128, falls du es online findest.) Auch, wenn es hier im Thread um Cherusker geht, sei vermerkt: Der Teil über die Franken wurde wegen seines Todes nicht fertig. Erich Zöllner erstellte daher einen Band über diese: Geschichte der Franken bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts, 1970. Da Zöllner erst 1996 starb, ist dieser Teil noch nicht gemeinfrei. Aber das Taschenbuch Ulrich Nonn, Die Franken, Stuttgart 2010 ist zwar weniger umfangreich, aber dafür aktueller und besser lesbar.

Auch die sozialistische Diktatur der DDR musste sich ein Werk zu den Germanen gefallen lassen, das nicht so ganz auf der Linie lag. Es ist natürlich viel von der kommunistischen Wirtschaftstheorie abzuziehen, aber großteils ist die Ideologie nur bei Zusammenfassungen und Kapiteleröffnungen aufgesetzt. Es war politisch vorgegeben, dass es jenseits der Oder-Neiße-Linie keine Germanen geben durfte. An einigen Stellen werden dann allerdings "zum Vergleich" Karten von jenseits dieser Grenze gezeigt. Das Werk hat also seine ganz eigenen Einschränkungen. Im Unterschied zur Geschichte bei Schmidt werden hier vorwiegend die archäologischen Erkenntnisse zusammengefasst (und natürlich auch der Westen berücksichtigt). Es kann als das große Vermächtnis der DDR-Archäologie gelten:

Bruno Krüger (Hrsg.): Die Germanen. Geschichte und Kultur der germanischen Stämme in Mitteleuropa. Ein Handbuch in 2 Bänden. (= Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Alte Geschichte und Archäologie der Akademie der Wissenschaften der DDR. Band 4). Akademie, Berlin 1976/1983.
Band 1 beschäftigt sich mit der Zeit bis ins 2. Jahrhundert und Band 2 bis zur Vorherrschaft der Franken.

Wider erwarten also recht subversiv diese Germanen.

Heute gibt es so etwas leider nur einführend.

Als Cherusker-Forscher solltest du Reinhard Wolters, Die Schlacht im Teutoburger Wald - Arminius, Varus und das römische Germanien, München 2008 (Esxgibt neue, verbesserte Auflagen) kennen. Es ist gut geschrieben und stellt den Hintergrund gut dar, nur ist es eben kein dickes Handbuch und im Zentrum steht die Schlacht.

Ein Büchlein zur Einführung ins Thema ist etwa Herwig Wolfram, Die Germanen, München 1995.

Übrigens war die germanische Mythologie Yggdrasil, Asen, Odin=Wotan, Thor=Donar, Fenriswölfe, Ragnarök etc. universell (1:1) für alle Germanen von der kimbrischen Halbinsel bis runter zu den Alemannen? Oder ist es nur die nordische Mythologie aus Skandinavien, die man aus Unkenntnis auch den Rhein-Weser-Germanen übergestülpt hat oder könnten die vielleicht eine ganz eigenständige Mythologie gehabt haben? Weiß man das, gibt es da Spekulationen?

Das ist mittelalterliches Skandinavien.

Aus den geringen Spuren in Quellen, Sagen, Märchen und so wurde einiges zu den 'heidnischen' Vorstellungen des Frühmittelalters hierzulande herausgepresst. Veraltet, nur gekürzt nachgedruckt*, aber nicht ersetzt ist Paul Herrmann, Deutsche Mythologie, Berlin 2007. (Original: Leipzig 1898.) Es enthält viele gewagte Assoziationen und ist eher etwas für Germanisten, Fantasy-Autoren und Weltenbastler, aber eben die einzige quellenbasierte und kundige Zusammenfassung, die noch so gerade verständlich ist. Schon die Grimms haben natürlich einiges dazu geschrieben.

In der Antike ist zu unterscheiden, wie die Römer das interpretierten, da sie einfach römisch-griechische Götter als Gleichsetzung anstelle germanischer Namen nannten, was für das Barbaricum beschrieben ist und die Archäologen dort fanden und zuletzt, was in den römischen Provinzen daraus wurde.

Insgesamt als Überblick vielleicht das Büchlein: Rudolf Simek, Götter und Kulte der Germanen, München 2004.

*Die Nazi-Ideologie konnte wirklich nicht drin bleiben. Leider fehlen auch Literaturangaben und Anmerkungen.
 
Übrigens war die germanische Mythologie Yggdrasil, Asen, Odin=Wotan, Thor=Donar, Fenriswölfe, Ragnarök etc. universell (1:1) für alle Germanen von der kimbrischen Halbinsel bis runter zu den Alemannen?
Zumindest Wotan/Odin taucht in den Quellen zu Alemannen (die ihm Bieropfer brachten), Langobarden, Angelsachsen, Festlandsachsen und sowieso bei den Wikingern auf. Sicher mit teils etwas verschiedenen Aspekten, aber allen gemeinsam als Kriegsgottheit. Das bedeutet aber nicht, dass sie allesamt eine gemeinsame Religion, einen gemeinsamen Kult gehabt hätten!
Bei den Goten taucht kein Wotan/Odin auf (Wolfram, Goten)
Ob überhaupt Kriegsgott Wotan schon in der frühen Kaiserzeit im germanischen Pantheon thronte, lässt sich nicht feststellen - wahrscheinlich begann seine Karriere erst kurz vor der Völkerwanderungszeit.

Lesenswert: RGA Sonderband germanische Religionsgeschichte
 
@Riothamus

Ähnlich antiquiert wie deine Literaturliste scheint mir aus heutiger Sicht das arg enge Festhalten an Tacitus, seine Aussagen zu "germanischen" Gesellschaftsformen wurden mit Recht in Zweifel gezogen. In vielem überträgt er die römische Vorstellungswelt auf die "germanische", ohne sich die tatsächlichen Verhältnisse erklären zu können.

Zumindest Walter Pohl sollte man bei derr Literaturangabe nicht ignorieren. Heiko Steuer wäre auch zu nennen.
Es muss auch nicht immer ein 800-seitiger Wälzer sein.
 
Hallo Riothamus,

herzlichen Dank für Deine dezidierten Ausführungen!!! Ich bin Dir sehr dankbar, dass Du zu jedem Punkt ausführlich Stellung nimmst, das hilft mir sehr gut weiter. Große Klasse!
Was Literatur angeht, da habe ich schon daneben gegriffen. Der absolute Tiefpunkt => Herwig Wolfram: Die Germanen. 1995. Nur Fließtext, ausschließlich Allgemeinplätze, hätte man sich evt. auch zusammengoogeln können. Herr Wolfram, Sie mögen ein renommierter Mittelalterhistoriker sein, für mich war es allerdings rausgeworfenes Geld. Lesson to learn: Bibliothek aufsuchen und erst dann die Werke käuflich erwerben, die auch für das speziell individuelle Interesse auch tatsächlich einen Mehrwert bietet.
Für meinen persönlichen Geschmack sollte ein Standardwerk Text, Illustrationen, Karten, Schaubilder und sehr viel mehr Material bieten. Aber okay, das sind meine Vorstellungen, viele sehen das vielleicht ganz anders.
In den 1970er Jahren gab es z.B. den dtv-Atlas zur Weltgeschichte in mehreren Bänden, so etwas nur sehr deutlich detaillierter wäre wünschenswert. Oder auch das Schulbuch Zeiten und Menschen. Vielleicht mal als Anregung, sollte einer von Euch ein geschichtliches Sachbuch schreiben wollen.

Was sagst Du zur Rolle des Priesters?
Waren es jetzt Geistliche, Seher, Schamanen, was war das genau und vor allem wie wird man dazu? Musste man eine Erscheinung haben? Ein Mensch (daher dieses Beispiel des "Wolfgangs"), der auf einmal Tiergestalt annimmt und plötzlich diese besondere Verbindung zu den Göttern und der Natur schlechthin bekommt.
Welche Rolle hatten sie? Wurden sie befragt, wenn die Kälber oder neugeborene Menschen plötzlich starben? Wurden sie um Beistand angefleht (um eben diese Verbindung zu den Göttern aufzunehmen), wenn eine Missernte oder Hungersnot anstand. Sollten sie etwas dazu beitragen, um das Kriegsglück auf ihre Seite zu bekommen?

Thomas Höffgen beschreibt in "Schamanismus bei den Germanen", dass eben diese Schamanen sich durch Trommeln, Tanz, halluzinogene Drogen (Fliegenpilze, Bilsenkraut, Tollkirsche u.ä.) etc. in einen Rausch versetzen und dass dann die Götter aus ihnen sprachen.
Er zeichnet aber ein Bild, was für mich überhaupt nicht plastisch wird.
 
Vielleicht sollte ich nicht so respektlos über den Wolfram reden.
Ich werde mir das kleine Büchlein noch mal vorknöpfen und es mal akribisch durcharbeiten. :))
 
Wie man in Augusteische Germanenkriege – Wikipedia Augusteische Germanenkriege – Wikipedia liest, hatten die Cherusker bis zu 16.000 Krieger unter Waffen und wenn man nach der damaligen Hochrechung davon ausgeht, dass ...
Noch zu den 16.000. Das wird die Krieger der von Arminius geschaffenen Koalition verschiedener Stämme meinen. Und die 4000 der Liste werden sich auf die Cherusker beziehen, wenn da nicht einfach Zahlen von einzelnen Gefechten abgeleitet wurden.
Rio deutet es zwar an, aber m.E. noch ein bisschen zu verhalten. Die Zahlen, die Wikipedia da liefert, sind ziemlich aus der Luft gegriffen. Wir haben einfach keine Zahlen in den Quellen. Die präzisesten Zahlen, die wir aus den Germanienkriegen haben, sind die Mengen römischer Einheiten (Legionen, Vexillationen, Kohorten...), da wissen wir allenfalls die potentielle Höchstteilnehmerzahl römischerseits an Feldzügen. Heiko Steuer hat mal errechnet, wie viele Krieger Germanien hätte bereitstellen können. Er hat dazu die überlieferten Siedlungen der augusteischen Zeit in Germanien herangezogen, die etwaige (!!) Siedlungsdichte errechnet und ein Mittel gewählt, wie viele Personen pro Gehöft anzusetzen seien und wie viele davon wiederum statistisch gemittelt als Krieger in Fragen kämen. Solche Herangehensweisen sind die einzigen, die in irgendeiner Form seriös sind und dennoch bleiben es Gleichungen mit viel zu vielen Variablen.

Wie können die so einfach verschwinden?
Bei dir liest sich das so, als seien die Personen verschwunden. Ausgemerzt. Der Identitätswechsel - was kümmerte es einen Bauern, ob er Brukterer, Cherusker oder Chatte war?!? - kommt bei dir gar nicht in Betracht.
 
Weil du immer die "Segestes-Sippe" im Leine-Tal verortest: Wir wissen wirklich nicht viel über diese Leute, kennen kaum mehr als ihre Namen in lateinischer Niederschrift. Aber gerade bei Segestes haben wir immerhin ein Indiz, dass er wahrscheinlich westlich der Weser gelebt hat. Im Frühjahr 15 ging Germanicus wohl von Mainz* über den Rhein und stellte das von seinem Vater auf dem Mons Taunus errichtete Lager wieder her (Achtung, der moderne Name Taunus ist eine Wiederbelebung des römischen Namens, kein über die Jahrtausende überlieferter Ortsname). Manche haben das Römerlager Nida mit dem castellum in monte tauno identifiziert, andere den Burgberg von Friedberg.
Von dort zieht man weiter bis zur Adrana (Eder) und zerstört Mattium. (Mattium ist nicht eindeutig lokalisiert, Metze wäre allerdings lautlich passend und läge in der fraglichen Region. Danach musste Germanicus eigentlich zurück an den Rhein (Tacitus: "Germanicus hielt es für Wert den Heereszug umzukehren"), er hatte ja noch einen Feldzug in Planung (15-2), erhielt aber Botschaft von Segestes, der von Arminius belagert wurde (circumsedebatur). Also befreite er Segestes aus der Belagerung - von Gefechten mit den Belagerern ist keine Rede - und kehrte an den Rhein zurück, um den zweiten Feldzug (15-2) in Gang zu setzen, der ihn in das Gebiet zwischen Ems und Lippe führte und zum Varusschlachtfeld.
Die einzigen Flüsse, die beim Feldzug 15-1 erwähnt werden, sind Rhein und Eder. Demzufolge ist anzunehmen, dass Segestes seinen Sitz westlich der Weser hatte.



*Leider erwähnt Tacitus den Namen des Lagers nicht, aber das wäre der logischste Weg.
 
Aber wie kann ein Cheruskerseher auf einmal diese Funktion bei den Ubiern einnehmen? Für mich klingt das höchst nebulös.
Wieso "Seher"?
Segimundus war Priester an der ara Ubiorum, also am Altar der Ubier. Das war aber nur der Name. in Gallien war Lugdunum der Zentralort für den gallischen Kaiserkult. In Germanien hatten die Römer Köln (ara Ubiorum) dazu bestimmt. D.H. Köln war der Zentralort für den römischen Kaiserkult in Germanien. Dorthin musste die civitates (also die Bürgerschaften) ihre Abordnungen schicken.
 
Ähnlich antiquiert wie deine Literaturliste scheint mir aus heutiger Sicht das arg enge Festhalten an Tacitus, seine Aussagen zu "germanischen" Gesellschaftsformen wurden mit Recht in Zweifel gezogen. In vielem überträgt er die römische Vorstellungswelt auf die "germanische", ohne sich die tatsächlichen Verhältnisse erklären zu können.
Der größte Witz ist, dass Tacitus in der Germania so eine Art mustergültige Verfassung für alle Stämme zwischen Rhein und Wechsel ausmalt, aber in den Annalen erzählt er von Cheruskern wieder was ganz anderes.
 
*** Im Deutschunterricht durften wir einst unsere Fantasie spielen lassen, um was es sich handelt. Der Name kommt tatsächlich von mons sacra, heiliger Berg, Aber er ist wohl eher Überrest einer Motte im Paderborner Grenzgebiet am Frankfurter Weg. Name und Gestalt gelten tatsächlich als die einzigen bekannten Quellen.
Mit welcher soliden Argumentation kommt man von einer Motte zu einem "mons sacra" und von diesem zu einem "Zuckerberg"?

Wenn ich meine Fantasie spielen lasse, fallen mir die Zücker (=Räuber) ein, das Wort zücken hat im Mittelalter auch die Bedeutung 'entreißen', 'rauben'.
 
@Riothamus

Ähnlich antiquiert wie deine Literaturliste scheint mir aus heutiger Sicht das arg enge Festhalten an Tacitus, seine Aussagen zu "germanischen" Gesellschaftsformen wurden mit Recht in Zweifel gezogen. In vielem überträgt er die römische Vorstellungswelt auf die "germanische", ohne sich die tatsächlichen Verhältnisse erklären zu können.

Zumindest Walter Pohl sollte man bei derr Literaturangabe nicht ignorieren. Heiko Steuer wäre auch zu nennen.
Es muss auch nicht immer ein 800-seitiger Wälzer sein.

Heiko Steuer und Walter Pohl haben einen ausführlichen Forschungsüberblick geschrieben, nachdem gefragt war? Und als Einführung auf nicht zu hohem Niveau ist Herwig Wolfram nicht zu veraltet. Zudem ein dünnes Büchlein der Beck'schen Reihe. Seriös, aber für ein größeres Publikum geschrieben.

Bis in das 20. Jahrhundert wurden in der Regel die eigenen Begriffe anderen Zuständen übergestülpt. Unter anderem darum wird Quellenkritik betrieben. Und da Tacitus gut untersucht ist, muss er doch heute wieder mit entsprechenden Einschränkungen herangezogen werden. Ohne die lateinischen Begriffe wird ja z.B. gerade verschleiert, was alles aus römischer Sicht übernommen ist. Ich habe das ausdrücklich geschrieben. Welche Quellen hast du für ein anderes Bild? Das heute teils übliche legendenmäßige Ausschreiben der Theorie von der Ethnogenese zählt bekanntlich nicht.

Zu Gesellschaftsformen schrieb ich nicht, nur zur politischen Organisation. Ethnologie, Strukturalismus, Neoevolutionismus sind eigentlich ein Begriff hier im Forum.

Ich habe im Forum schon zwei- oder dreimal vorexerziert, was von der Beschreibung der politischen Organisation des Tacitus übrig bleibt. Auch ein paar andere haben das getan. Zu den Schlüssen aus dem Strukturalismus habe ich, glaube ich, dabei nur Einzelbeispiele gebracht und von späteren Verhältnissen nur die Goten benutzt, weil die Beispiele des Frühmittelalters fast nur Bedeutung für den Wortschatz und die Verbreitung der beschriebenen Organisation haben.

Tacitus steht zudem nicht im Luftleeren Raum, auch wenn er höchstens einmal durch die Provinz Germanien gereist ist. Er kann an römische Begriffe angeglichen haben, hat aber nach Ausweis der historischen Werke nichts erfinden müssen, um sein Bemühen zu fördern. Wenn natio Germaniorum und einzelne gentes auftreten, sind das kein in Sippen gestaltetes germanisches Volk, sondern - kurz gesagt - eine Gruppe von Ethnien und Großethnien, die sich nach Ausweis des Mannus-Mythos als "wahre Menschheit" sehen, wie solche Überethnien genannt wurden. Ich rede also nicht Tacitus nach dem Mund und übersetze einfach gens mit Klan/Sippe und postuliere eine Sippenorganisation, Presse es auch nicht in moderne Vorstellungen, um von einem germanischem Volk zu faseln, sondern schaue mir die in der Welt wiederkehrenden politischen Organisationen an und schließe aus, was nicht passt. Und wenn ich ich schreibe, ist das natürlich nicht wörtlich zu nehmen, sondern war, bis in diesem Jahrtausend wieder angefangen wurde, gens mit Sippe zu übersetzen und dann Hilfskonstrukte zu bilden, um auf als Sippe organisierte Ethnien bestehen zu bleiben, das übliche Vorgehen. Unnötig zu sagen, dass Hilfshypothesen nicht zulässig sind.

Zugegeben ging es mir in meinem letzten Post nur um zwei Punkte und deshalb mag es scheinen, ich hätte da einiges nicht berücksichtigt:

1- Die ausgedrückte Unsicherheit hinsichtlich der Bezeichnungen, für die die lateinischen Begriffe ein üblicher Ausweg sind. Ich schlug im Forum schon mal vor, *dux oder *Fürst u.s.w. zu schreiben, weil der Inhalt des Amts unsicher bleibt und nach Ethnie und Zeit verschieden war.
2- Die Darlegung, dass aus der Ereignisgeschichte folgt, dass die Cherusker politisch als Stamm organisiert waren, da Ämter auszumachen sind. (Jedenfalls zur Zeit der Germanicus-Feldzüge. Da gab es bekanntlich schon längeren Kontakt mit Rom. Und das ist natürlich keine Aussage für 20 vor Christi Geburt.)
 
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