Romanisch-germanische Sprachgrenzen im frühen Mittelalter


Dass bei Metropolen mit Strahlkraft der eigensprachliche Name hinter den jeweiligen - lateinisch gefärbten* - landessprachlichen Namen der jeweiligen Sprecher zurücksteht. Metropolen mit Strahlkraft können eben nicht so ohne weiteres in die obigen Überlegungen mit eingebunden werden, wie kleinere Orte (über die es freilich meist viel weniger Belegmaterial gibt).


*nicht nur bei romanischen Sprachen
 
Dass bei Metropolen mit Strahlkraft der eigensprachliche Name hinter den jeweiligen - lateinisch gefärbten* - landessprachlichen Namen der jeweiligen Sprecher zurücksteht.
aber dieser Umstand sagt, wenn ich es richtig verstehe, nichts über den Verlauf der romanisch-germanischen Sprachgrenze (und ggf ihrer Veränderung/Verschiebung) im frühen Mittelalter (?!)
 
Nein, er besagt etwas darüber, dass man vorsichtig damit sein sollte, die zum jeweiligen Abfassungszeitpunkt der jeweiligen Textzeugen bekannteren Städte in die Überlegungen mit einzubeziehen.
 
@El Quijote das leuchtet mir ein, dass Mailand, München, Paris etc hier fehl am Platz sind - sie liegen obendrein auch weit weg von der frühmittelalterlichen romanisch-germanischen Sprachgrenze.
 
Ah, tu nicht so!
Du hast nur zu Mailand/Milano Stellung genommen, nicht aber zu Florenz/Firenze, Köln/Colonia, Augsburg/Augusta und Aachen/Aquisgrana.
oh Gott, ich arger Sünder :p:D:D
also hole ich das gehorsam nach: Florenz, Köln, Augsburg und Aachen - ganz egal wie man sie schreibt - markieren ebenfalls keine romanisch-germanische Sprachgrenze (auf jeden Fall liegt sie nicht entlang dieser Städte)

@Dion es geht auch weniger aggressiv... ;)
 
Das hängt weniger von der Sprache ab als von der Entfernung.

Es hängt in erster Linie von der Sprache ab.

Und Italiener sagen zu Köln immer noch Colonia (zu Zeit der Römer: Colonia Agrippina), zu Augsburg Augusta (Augusta Vindelicum) und zu Aachen Aquisgrana (Aquæ Granni oder Aquisgranum).
[/quote]
Kein Wunder, die lateinischen Ortsnamen wurden in Folge der Eindeutschung alle verändert. Das betraf zunächst den Akzent - die Franken und Alemannen waren mit den lateinischen Akzentregeln offensichtlich überfordert und haben halt alles auf der ersten Silbe betont, die ursprünglich betonten Vokale der nachfolgenden Silben wurden schlampig ausgesprochen und sind im Lauf der Zeit geschwunden. Aus Augústa wurde Áugust(a) > Augst, aus Aus Colónia wurde Kóloni(a) > Köllen > Köln. Im Fall der vindelikischen Augusta wurde der Name im Rahmen der Eindeutschung außerdem durch das Anhängsel -Burg verändert.

Das gleiche gilt für Florenz (ursprünglicher Name Florentia)
Gegenbeispiele: Das italienischen Ortsnamen Venezia und Verona klingen immer noch genauso wie im Spätlatein, die deutschen Pendants Venedig und Bern weichen viel stärker davon ab. (Letzteres Exonym wird heute - wahrscheinlich wegen der Verwechslungsgefahr mit dem Schweizer Namensableger - nicht mehr verwendet, außer wenn von Dietrich von Bern die Rede ist).
 
Das schöne an Gegenbeispielen ist, dass sie sich nicht einfach wegargumentieren lassen.

Seit der fränkischen Eroberung existiert für den Großteil der Orte hier ein hochdeutscher und ein niederdeutscher Name. In den Quellen finden sich meist hochdeutsche Namen (und ab und an auch Latinisierungen und Verballhornungen). Die Bevölkerung sprach Niederdeutsch.

Mein Wohnort trägt einen Mittelhochdeutschen Namen, es existiert aber auch ein neuniederdeutscher Name, während fast nur noch Hochdeutsch gesprochen wird. Die älteste Version aus dem 9. Jahrhundert hat sich ganz regelmäßig in die erwähnten Formen verwandelt. Und das ist kein Einzelfall in Westfalen, dass Ortsname und Ortsmundart abweichen.
 
Es hängt in erster Linie von der Sprache ab.
Klar – ich habe ja gesagt, dass Ortsnamen sich lokal verändern, diese Veränderungen aber von weit entfernten Orten nicht immer mitgemacht werden: Für sie bleiben Ortsnamen weitgehend so, wie sie zuerst waren oder lange Zeit benutzt wurden. Das gilt auch für Orte in Deutschland, die keine römische Vergangenheit haben. Beispiel Leipzig – die Entwicklung des Ortsnamens vom 7. bis 16. Jahrhundert: Lipsk, Libzi, Lipz, Liptzick, Lipzic, Leiptzgk, Leipczigk, Lips, Leipzig.
 
diese Veränderungen aber von weit entfernten Orten nicht immer mitgemacht werden: Für sie bleiben Ortsnamen weitgehend so, wie sie zuerst waren oder lange Zeit benutzt wurden.
im Fall von Mainz scheint das nicht ganz zuzutreffen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Mainz#Entwicklung_des_Stadtnamens
die französische Variante Mayence fußt auf nur 16 Jahren franz. Besetzung und hat wenig mit älteren (spät)lat. Varianten oder den verschiedenen "lokalen" (regionalen) Namen der Stadt zu tun.
die spanische Variante Maguncia ist eindeutig romanisch
sicher kennt @zaphodB. weitere fremdsprachige Varianten.
 
Für sie bleiben Ortsnamen weitgehend so, wie sie zuerst waren oder lange Zeit benutzt wurden.
Hast Du das Gegenbeispiel Verona > Bern übersehen?
Hier ist genau dasselbe passiert wie mit Augst oder Köln: Der Akzent wurde auf die erste Silbe verlagert, die nachfolgenden Vokale sind im Lauf der Jahrhunderte gänzlich geschwunden.
Im Französischen (das im Vergleich mit dem Italienischen drastische Lautwandel mitgemacht hat) ist aus Aquae (Aachen) z. B. Aix geworden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das gilt auch für Orte in Deutschland, die keine römische Vergangenheit haben. Beispiel Leipzig – die Entwicklung des Ortsnamens vom 7. bis 16. Jahrhundert: Lipsk, Libzi, Lipz, Liptzick, Lipzic, Leiptzgk, Leipczigk, Lips, Leipzig.

Das wäre ein Ortsname mit slawischer Vergangenheit. Ob der Name ursprünglich ein -p- oder hatte, ist fraglich; die ältesten Belege haben ein -b-.
Aus dem 7. Jahrhundert gibt es keine Belege; Lipsk ist die polnische Form.
 
So erinnert die deutsche Bezeichnung Mailand mehr an das einstige Mediolanum als das italienische Milano

verstehe ich nicht (nebenbei: gilt das auch für Grenzstädte, so Görlitz oder Swinemünde?) - und was ist an "Mediolanum" klanglich/sprachlich näher an "Mailand" als "Milano"??
medioLANum - mILANo - maILANd (das zeigt nichts sprachwissenschaftliches, sondern nur die direkte klangliche Ähnlichkeit)

Im Deutschen ist es üblich, das lateinische Flexionssuffix* abzuknippsen: Da hat man aus Mediolanum schon nur noch Mediolan. An -lan ein pseudoetymologisierendes -d dranzuhängen, geht schnell.
Nun ist die Frage von das Medio zu Mi wurde. Eigentlich ist im Italienischen ja die Form Mezzo zu erwarten (hätte die Stadt in der Toskana gelegen und nicht in Transpadanien, dann hieße sie heute vermutlich *Mezzolano anstatt Milano.
Es fällt mir gerade leider etwas schwer, die älteren Namensformen zu finden, ab wann aus Medio-/Mi- wurde - wobei immer zu bedenken ist, dass gerade bei bekannten Ortsnamen auch Retardierungen anzusetzen sind, also eine konservative Schreibung mit der alten Namensform, obwohl diese in der gesprochenen Sprache praktisch nicht mehr vorkam.
Denkbar wäre, dass die deutsche Form Mailand nicht auf die keltisch-lateinische Form Medio, sondern bereits auf das italienische Mi zurückgeht, Stichwort frühneuhochdeutsche Diphtongierung, in der aus î (z.B. lîp) ei (Leib) wird.

Aus dem pilum wird der Pfeil, aus dem pilaster der Pfeiler, aus Sankt Vitus > Sankt Veit, aus wîp wird Weib....





*ja, schon klar, der Name ist ursprünglich keltisch, Mediolanon.
 
Sind denn diese deutschen Bezeichnung für die italienischen Städte Venedig, Mailand etc. im frühen Mittelalter übernommen worden oder stammen die aus späteren Zeiten? Immerhin war ja Norditalien als Reichsitalien bis in die Neuzeit noch Teil des HRR. Da könnte ich mir vorstellen, dass in den Kanzleien des Reiches die ungewohnten italienischen Namen deutsch verballhornt worden sein könnten.

Einige Städte im französischsprachigen Raum haben übrigens auch eine Version im Deutschen, auch wenn diese heutzutage ungebräuchlich sind. Ich denke da an Kammerich (Cambrai), Nanzig (Nancy), Bisanz (Besançon) oder Wirten (Verdun), die auch bis in die Neuzeit zum HRR gehörten. Spontan fällt mir als einziger deutscher gebräuchlicher Name für französischsprachige Städte Lüttich (Liège) ein.
 
ab wann aus Medio-/Mi- wurde
Es gibt ein Dorf am schönen Zürichsee und das heißt Meilen. Es soll ebenfalls auf ein Mediolanum zurückgehen.
In ortsnamen.ch steht: Die Lautgruppe -di- in Mediolanum entwickelt sich bereits im Vulgärlateinischen zu -jj- (Rohlfs I, §220).

Mich irritiert jedoch die Bemerkung in der italienischen Wiki zu Milano, nämlich dass Milan, wie es im lokalen Dialekt genannt wird, über ein Miran entstanden sei.
Im Varon Milanes - Wikipedia aus dem 16. Jh. steht, dass manche Leute Miran sagen.
1884 schrieb Carlo Salvioni in "Fonetica del dialetto moderno della città di Milano: saggio linguistico", dass man das Miran in der Stadt nicht mehr höre.
 
Zurück
Oben