Auf #33 wollte ich noch eingegangen sein:
Zitat aus Wikipedia: Um 800 betrug die Einwohnerzahl gerade noch 20.000 Einwohner.
Womit es sich, nachdem die Einwohnerzahl der meisten europäischen Städte zu der Zeit deutlich unter 10.000 lag, nach wie vor um eine veritable Metropole handelte.
Hintergrund für das als „Leichensynode“ in die Geschichte eingegangene Verfahren waren Machtkämpfe zwischen verfeindeten römischen Adelsfamilien. Diese bestimmten über die Papstwahl, was oft mit „extremen Gewaltexzessen“ einherging, so Reinhardt.
Der massive Einfluss des römischen Adels auf die Papstwahl und im Übrigen auch auf die Besetzung der italienischen Bischofsstühle ist aber kein Charakteristikum des Frühmittelalters, sondern das hält sich bis mindestens ins Spätmittelalter hinein relativ konstant.
Die Orsini und die Colonna, die Borghese, die Chigi stellen bis ins 16. Jahrhundrt hinein, mehr oder weniger laufend Kardinäle, mitunter Päpste und und insofern sie Teile Roms und der Umgebung de facto kontrollierten, konnten sie auch Einfluss darauf nehmen, wer an der Wahl eines Papstes überhaupt teilnehmen konnte, da es ihnen mitunter möglich war, einfach zu verhindern, dass unliebsame Gegner von außerhalb Roms den Wahlort vor Beginn der Wahl erreichten.
Wenn du die Schwäche der Kirche, an einem starken Einfluss des römischen Adels auf die Wahl des Papstes festmachen wolltest, müsstest du die katholische Kirche bis ins 15.-16. Jahrhundert mindestens, als eine ziemlich ohnmächtige Veranstaltung betrachten.
Und genau darauf kommt es an: Gott ist überall präsent und sieht alles – und wenn man irgendein der 10 Gebote übertrat, drohte die Kirche zumindest mit Fegefeuer, wenn nicht mit ewiger Verdammnis. Aber durch die Beichte konnte man diesem Schicksal teilweise entgehen.
Das ist nicht richtig. Nicht durch Beichte konnte man diesem Schicksal teilweise entgehen, sondern durch Buße und gute Werke.
Nun wird man argumentieren können, dass das Beichten nicht zwangsläufig nötig war um Buße tun zu können, sondern allenfalls um sich zu versichern, ob die Buße auch angemessen war.
Prinzipiell konnte man die Beichte aber übrspringen und sich selbst Bußritualen unterziehen, ohne die Geistlichkeit bemühen zu müssen.
Und konsequenterweise machte die Kirche ein Geschäft daraus: Ablasshandel war geboren, denn mit einem Ablass konnte man – je nach Höhe der Summe, so und so viele Jahre (das wurde in Hunderten von Jahren gemessen, und es gab ein ganzes Katalog, welch Sünde wie viel kostete) – den Aufenthalt im Fegefeuer verkürzen.
Nun war der Ablasshandel allerdings im Kern auch eine sinnvolle Einrichtung, weil er einen Ersatz für Bußen darstellte, die mitunter gar nicht so einfach zu erbringen waren.
Als Bußritual so und so viele Gebete zu sprechen, mag recht machbar erscheinen, wie aber kann z.B. ein Stummer diese Auflage erfüllen?
Wie kann z.B. ein Gehbehinderter sich zur Buße einer Pilgerreise in angemessener Weise (d.h. er müsste zu Fuß gehen) unterziehen, oder ein Unfreier, der an die Scholle gebunden ist und dem es es von seinem Herrn nicht erlaubt wird sich zu entfernen?
Prinzipiell war der Ablasshandel eigentlich keine so schlechte Sache, weil er eine Alternative für alle bot, die sie den gängigen Bußpraktiken aus welchen Gründen auch immer nicht unterziehen konnten.
Die Art und Weise, wie die Kirche das später kapitalisierte ist sicherlich kritikwürdig, ich sehe allerdings, wenn man es praktisch bedenkt relativ wenig Anlass diese Einrichtung an und für sich zu skandalisieren.
Auch wennn man Ausnahmefälle wie die oben Angesprochenen einmal ausklammert, führten auch andere etablierte Praktiken zu Problemen. Z.B. länger dauernde Wallfahrten als Massenphänomen mussten unweigerlich das gesamte Wirtschaftsleben stören.
Auch für die damit verbundenen Heilsversprechen, war das Schaffen einer Alternative, sagen wir mal gesellschaftlich sinnvoll, weil in der Zeit, die dann nicht mehr für eine Wallfahrt aufgewendet werden musste, weitergearbeitet werden konnte.
Vor dem Hintergrund, dass das Mittelalter eine Zeit permanenter Mangelwirtschaft darstellte, waren Geldzahlungen oder Abgabe von Naturalien als Sühneleistung sicherlich sinnvoller, als die Gesellschaft noch wirtschaftlich dadurch zu strapazieren ihre ohnehin nicht im Übermaß vorhandenen Arbeitskräfte tagelang zwecks Pilgerreise von der Arbeit abzuziehen und sie schlimmstenfalls ans andere Ende Europas zu schicken.
So viel Missbrauch mit dem Ablass getrieben wurde, sofern man an Buß- und Sühneleistungen als Ausgleich für Verfehlungen festhalten oder ausufernde Wallfahrten eindämmen wollte, gab es einige gute Argumente dafür.
Und auch dafür hat die Kirche bis heute ein Hilfsangebot parat – natürlich gegen Bezahlung: Totenmesse oder wie es neumodisch heißt: „Messe für die Verstorbenen“
Ja, aber liturgisches Totengedenken ist nichts, was die Kirchen einfach als Mogelpackungen an gutgläubige Laien verscherbelten, sondern dass nahmen die Geistlichen für sich selbst nicht ungern in Anspruch.
Und weil viel hilft viel, kann man schon zu Lebzeiten selbst bestimmen und vorausbezahlen, dass diese Messe jährlich für einen am jeweiligen Todestag gelesen werden soll.
Wie gesagt, dass ist allerdings nichts, was einfach benutzt worden wäre, um die Laien übers Ohr zu hauen. De facto gibt es vor allem im Frühmittelalter recht häufig Verbrüderungsverträge zwischen verschiedenen klösterlichen Gemeinschaften, die sich gegenseitig verpflichteten ihrer Toten zu gedenken und als sich dann irgendwann die individuelle Totenmesse entwickelte, wurde die durchaus auch von Geistlichen selbst für sich in Anspruch genommen.
Davon abgesehen, blieb diese Praxis durchaus nicht auf die Kirche beschränkt, diverse wohltätige Stiftungen, wie Armenhäuser etc. wurden regelmäßig mit der Auflage versehen, dass diejenigen, die davon profitierten, dann regelmäßig beim Allmächtigen ein gutes Wort für den Stifter einzulegen hatten.
Das sind Vorstellungen und Bräuche, die man kritisieren kann, aber das war durchaus kein exklusiv von der Kirche verwendetes Instrument, dass vor allem darauf abgezielt hätte die Laien zu gängeln.
Diese Gelder waren im Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert ein Teil des Einkommens der Priester.
Wobei man dann allerdings dazu sagen sollte, dass im Mittelalter und bis weit in die Neuzeit der niedere Weltklerus häufig ziemlich arm war, weil er sich mitunter um sehr kleine Gemeinden kümmern musste, so dass die Pfründe oder Teilpfründe, die da abfielen allein mitunter nicht zum Leben reichten, oder gerade eben so.
Das mag sich in den größeren Gemeinden in den Städten anders verhalten haben, aber in den kleinern Landgmeinden, mit vielleicht gerade einmal 100 oder 200 Personen, für die ein Geistlicher verantwortlich war, was kam denn da an Abgaben (die Teilweise noch an das Bistum abzuführen waren) herum?
Insofern massives Wachstum an Bevölkerung, Produktivität und die Transporttrevolution erst im 19. Jahrhundert einsetzen, wundert es auch nicht, dass das noch lange so blieb.
schließlich ist das Beten für einen Gestorbenen auch Arbeit, die bezahlt gehört, nicht wahr?
Ich weiß nicht, was daran so lustig ist, modern gesprochen handelt es sich um eine Dienstleistung.
Insofern zum Ritual etwa auch Messwein und Weihrauch, oder Wachskerzen oder Öllampen gehörten, verursachte das ggf. Materialkosten und natürlich nahm das die Zeit der Geistlichen in Anspruch, in der sie keiner anderen produktiven Tätigkeit nachgehen konnten.
Insofern sehe ich auch da den Skandal nicht, das als Zusatzleistung anzubieten und bezahlen zu lassen.