Wie weit in den Alltagleben reichte die Macht der Kirche(n)?

Weh: sogar zum tragen eines Kreuzchens im Alltag gibt es meines Wissens keine päpstliche Vorschrift, sehr viele Leute aber machten das.

Das meine ich.
Amulette etc. mögen Ausdruck davon sein, dass Glaubensvorstellungen im Alltag wirkmächtig waren, sie sind aber kein Nachweis dafür, dass religiöse Würdenträger in den Alltag hineinregierten, weil das Auftauchen dieser Amulette etc. allein nicht beweist, dass das verbindlich gewesen wäre.
Es konnte sich dabei genau so um eine Art Mode oder etwas handeln, dass ohne jede Vorschrift aus freien Stücken getragen wurde, dann wäre es aber kein Hineinregieren der Priesterklasse in den Alltag.
Deswegen die Frage nach irgendwelchen überlieferten Vorschriften.

Die Kelten und Slawen etc. mögen lange nichtschriftliche Kulturen gewesen sein, aber ich hatte ohnehin auch mehr an den sehr wohl schriftlichen Mittelmeerraum mit seinen vorchristlichen Kulten gedacht und dass Kelten, Slawen, Germanen etc. lange nichts schriftlichs überlieferten, bedeutet ja nicht, dass möglicherweise die Griechen oder Römer mal etwas über deren Kulte überliefert hätten, weiß ich nicht.
Die Antike ist nun nicht unbedingt mein Spezialgebiet, aber möglich wäre das ja durchaus.
 
in den Alltag hineinregierten
Sorry @Shinigami ich hatte ungenau gelesen und das mehrmalige "hineinregieren" übersehen, liegt also an mir, dass die letzten zwei-drei Beiträge aneinander vorbei reden.

Dieses willentliche, unterstellt "gemasterplante" hineinregieren via dokumentierter Vorschriften: der machtgierige Papst formuliert mit seinen Gelehrten/Kardinälen einen Vorschriftenkatalog, verteilt das an die Bischöfe, diese weisen Äbte, Eremiten, Wanderprediger und Pfarrer an, und so dringt die Masterplanvorschrift bis in die kleinste Hütte und den letzten Meiler - das ist mir für das Mittelalter zu modern gedacht (entre nous halte ich das für Humbug)

Um noch einmal auf meinen langen Beitrag zurück zu kommen: die neu etablierte und dann missionierende Religion, deren Tempel nun Kirchen hießen, musste ihre Schäfchen nicht dazu erziehen, religiös zu sein!!! Sie waren es schon seit unzähligen Generationen. Von neuen Glaubensinhalten musste sie überzeugen und sollte (Gregor der Große) dabei nicht permanent wie die Axt im Walde wüten.

In diesem Sinn ist denke ich ist verständlich, dass Kultisches/Religiöses bis in den Alltag (Amulette, Rituale etc) vorhanden war und nicht neu geschaffen werden musste. Und jede Religion wollte, dass sie in jede Faser ihrer Anhänger aufgesogen wird, aber dazu benötigte keine einen detaillierten Indoktrinationsplan a la "exakt so regieren wir dem Schafhirten bis ins Badezimmer und dafür blablabla"
 
Nun stellst du aber gerade, wenn du die "Erbsünde" in den Mittelpunkt der Argumentation rückst, allerdings das alte Testament ins Zentrum der ganzen Argumentation und gerade wenn man das tut, kann man die dort niedergelegten Vorschriften, kaum ignorieren.

Die Erbsünde beruht zwar auf Vorkommnissen, die im Alten Testament beschrieben werden, aber das Konzept der Erbsünde ist dennoch originär christlich. Im jüdischen Glauben gibt es das so nicht.

Eine biblische Grundlage für die Erbsündenlehre sind vor allem einige Stellen in den Paulusbriefen, insbesondere Römer 5,12 ff:

"Deshalb: Wie durch einen einzigen Menschen die Sünde in die Welt kam und durch die Sünde der Tod und auf diese Weise der Tod zu allen Menschen gelangte, weil alle sündigten -"

Römer 5,12 | Einheitsübersetzung 2016 :: ERF Bibleserver

Explizit ausformuliert wurde die Erbsündenlehre dann von Augustinus.

Ich würde auch sagen, dass sich die Erbsünde und der Opfertod Jesu im Grunde einander bedingen. Ohne die Erbsünde ist der Opfertod Jesu eigentlich nicht notwendig und ohne den Opfertod Jesu würde die Erbsündenlehre bedeuten, dass es für die Gläubigen keinerlei Entrinnen vor den Folgen der Erbsünde gibt und das wäre dann doch relativ unattraktiv.

Worin besteht aber deren theologischer Sinn, wenn die Einhaltung dieser Vorschriften für die eigene Beurteilung vor Gott vollkommen irellevant ist, da man sich selbst auch durch einen regelkonformen Lebenswandel nicht retten kann?
Ich würde meinen, das widerspricht sich.

Man kann durch den Glauben an Jesus zwar Vergebung von Sünden erlangen, aber wenn man dann fortwährend weiter sündigt, ist das wohl ein Zeichen, dass man es mit dem Glauben doch nicht so ernst meint. Daher ist man auch als reformierter Christ gut beraten, sich um einen regelkonformen Lebenswandel zu bemühen.

Und was mögliche Widersprüche betrifft: religiöse Lehren und Schriften sind ja nun selten logisch und frei von Widersprüchen, insbesondere wenn sie wie die Bibel von vielen Autoren stammen und über einen längeren Zeitraum entstanden sind.

Dieser Interpretation würde ich nicht folgen wollen, weil für die Rettung in diesem Fall nicht nur der Glaube an Gott hinreichend war, wenn man sich an die Überlieferung hält, sondern das Handeln danach.
Noah hat sich und seine Familie der Geschichte nach nicht allein dadurch retten können, dass er an Gott glaubte, sondern dass er ganz konkret die in Auftrag gegebene Arche zusammenzimmerte.
Und Lot und seine Töchter wurden auch nicht allein auf Grund ihres Glaubens gerettet, sondern dadurch, dass sie entsprechend göttlicher Weisung die Beine in die Hand nahmen.

Das liegt aber auch daran, dass durch die Art der jeweils anstehenden Katastrophe quasi der Zwang dazu bestand, selbst noch aktiv zu werden. Im Falle Lots stand eben die Vernichtung Sodoms unmittelbar bevor und es wäre vielleicht etwas zu viel verlangt gewesen, wenn Lot die Erwartung gehabt hätte, dass die Engel ihn und die seinen aus der Stadt heraustragen.

Analog gilt das auch für Noah. Um die Sintflut zu überleben, benötigte er eben ein Schiff. Hier kommt noch dazu, dass Gott hier Noahs Schiff auch noch brauchte, um von jedem Tier ein Paar zu retten.

Aber ganz grundsätzlich gilt hier eben auch, dass dies alles ja vor dem Opfertod Jesu geschah, durch den, wie ich schon geschrieben hatte, das Verhältnis zwischen Gott und Menschen eine neue Geschäftsgrundlage erhielt.

Noch zwei Bemerkungen:

1. Das Christentum ist ja gegenüber dem Judentum eine neue Religion, auch wenn ersteres seine Grundlagen in letzterem hat, aber teilweise auch in griechischen Vorstellungen hat. Und da ist ja ganz normal, dass sich die neue Religion aus den Schriften der Vorgängerreligion das heraussucht, was sie verwerten kann und den Rest verwirft. Man ist also durchaus nicht gezwungen, das ganze Alte Testament inklusive aller Vorschriften zu akzeptieren, nur weil man sich auf bestimmte spezifische Teile beruft.

2. Der Ablasshandel stand auch deshalb in der Form, wie er zur Zeit Luthers praktiziert wurde, nicht auf biblischen Grundlagen, weil die Bibel das Fegefeuer, des Verkürzung ja der Hauptzweck des Ablasshandels war, nicht kennt. Wenn man sich dann also auf den Grundsatz "sola scriptura", "allein durch die Schrift" beruft, ist es nur folgerichtig, auch den Ablasshandel zu verwerfen.
 
Was ich damit zum Ausdruck bringen will: das Verhältnis der antiken, spätantiken, frühmittelalterlichen und mittelalterlichen Menschen zu der allgegenwärtigen Tatsache, bis in den Alltag hinein (Wertvorstellungen, Verhalten, Haltungen) von Religion/Aberglaube und deren Organisation (Kult, Tempel, Priester etc) durchdrungen/beherrscht zu sein, ist für uns heute völlig fremdartig, da wir zu solchen Glaubens/Religionsinstitutionen ein sachlich-distanziertes Verhältnis haben (können und dürfen)

Vielleicht könnte man daran anknüpfend auch fragen, inwieweit sich das Freiheitsverständnis - oder die kulturell stets etwas unterschiedlich geprägten Freiheitsverständnisse - vormoderner Gesellschaften von unserer westlichen Weltsicht des frühen 21. Jh. unterscheidet. Für einen christlichen wie für einen nichtchristlichen Europäer der Antike oder des Mittelalters dürfte es meist ganz selbstverständlich gewesen sein, dass seine persönliche Freiheit in vielfacher Weise durch familiäre, gesellschaftliche und religiöse Traditionen beschränkt war. Zugleich erhielt er dadurch persönlichen Halt und eine definierte gesellschaftliche Position. Möglicherweise empfand man dann religiös tradierte Regeln gar nicht als außergewöhnlich, weil sie in ein System an Regeln eingebettet waren, die das Leben ohnehin bestimmten.

"Die Kirche" hätte dann weniger von außen in das Leben von Menschen "hineinregiert", sondern wäre eben ein Teil des kulturellen Umfeldes dieser Zeit geworden und über viele Jahrhunderte geblieben.
 
@Nikias sehe ich ganz ähnlich!
Die wenigen mir bekannten "freiheitlichen" Aufstände in europ. Spätantike und Mittelalter - z.B. Bagauden, Stellinga - hatten soziale Ungerechtigkeiten, als unhaltbar empfundene soziale Verhältnisse als Ursache, richteten sich gegen erdrückende, auspressende weltliche Herrschaft(en), nicht gegen "die Kirche".

Andere spätantike Unruhen wie Konflikte a la Arianer contra "katholisch" oder die religiösen Zankereien in Byzanz wiederum hatten keine derartigen sozialen Ursachen, sondern erbittert ausgefochtene religiöse Gründe (für oder gegen diese oder jene Anschauung, wobei man sich gegenseitig der Ketzerei bezichtigte - freilich dass es zu solchen Unruhen kam, zeigt, wie fest verinnerlicht die religiösen Haltungen waren: so fest, dass man dafür zu den Waffen griff)

Nebenbei: diese byzantinischen Auslegungsspitzfindigkeiten (Homöousie etc) sind mir bis heute rätselhaft, ebenso dass man sich wegen derart undurchschaubarem Krempel prügelte...
 
1. Das Christentum ist ja gegenüber dem Judentum eine neue Religion, auch wenn ersteres seine Grundlagen in letzterem hat, aber teilweise auch in griechischen Vorstellungen hat. Und da ist ja ganz normal, dass sich die neue Religion aus den Schriften der Vorgängerreligion das heraussucht, was sie verwerten kann und den Rest verwirft. Man ist also durchaus nicht gezwungen, das ganze Alte Testament inklusive aller Vorschriften zu akzeptieren, nur weil man sich auf bestimmte spezifische Teile beruft.

Naja, moment: Wenn man "sola scrpitura" beschwört, und nicht etwa "partes scirpturae" dann wird man sich schon damit anfreunden müssen, irgendwie allem beachtung schenken zu müssen, was in der besagten Schrift so vorkommt, denn wenn man Teile davon ohne Begründung ausblendet, ist man bei den Sitten, Konventionen und Traditionen wieder angekommen, die diesem Grundsatz widersprechen.

Die "neue Religion" gegenüber dem Judentum möchte ich hier auch nicht gelten lassen, als der biblische Kanon zusammengestellt wurde, war diese Religion durchaus schon ein paar Jahre alt, und insofern hierbei ja ein expliziter Selektionsprozess stattgefunden hat, sollte man doch meinen, dass man alles, was man nicht mehr für unbedingt notwendig hielt, weil Relikte religiöser Traditionen, aus danen man sich mittlerweile gelöst hatte, dabei rausgeflogen, bzw. keinen Eingang in den Kanon gefunden hätte.
Offenbar waren die christlichen Würdenträger des 4. Jahrhunderts noch der Meinung, dass diese Schriften integraler Bestandteil der eigenen Religion sind, nicht etwa nur Relikte von Traditionen, mit denen sie keine Verbindung mehr hatten.

Insofern würde ich meinen, wenn man da epxplizit Teile ausblenden wollte, bräuchte man schon stichhaltige Gründe im Einzelfall.

2. Der Ablasshandel stand auch deshalb in der Form, wie er zur Zeit Luthers praktiziert wurde, nicht auf biblischen Grundlagen, weil die Bibel das Fegefeuer, des Verkürzung ja der Hauptzweck des Ablasshandels war, nicht kennt. Wenn man sich dann also auf den Grundsatz "sola scriptura", "allein durch die Schrift" beruft, ist es nur folgerichtig, auch den Ablasshandel zu verwerfen.

Ich bemühe hier mal Wiki, weil ich gerade nichts anderes zum Thema zur Hand habe, werde das aber nochmal nachschlagen:


"[...] Nach römisch-katholischer Lehre werden durch einen Ablass die so genannten zeitlichen Sündenstrafen ganz (vollkommener Ablass) oder teilweise (Teilablass) erlassen. Nicht zu verwechseln ist der Ablass der Sündenstrafen mit dem Nachlass der Sünden, also der Sündenvergebung selbst, die im Bußsakrament empfangen werden kann. Die Vergebung einer Sünde beseitigt nach katholischer Lehre nämlich die daraus erwachsenen Sündenstrafen nicht.

Zeitliche Sündenstrafen waren ursprünglich die dem reuigen Sünder bei der Sündenvergebung auferlegten zeitlich befristeten Kirchenstrafen (Bußen, die meist eine zeitweilige Exkommunikation umfassten). Später verstand man darunter die Zeit, welche die Seele nach dem Tod im Fegefeuer verbringt, bevor sie zur Anschauung Gottes im Himmel gelangt [...]"

Ablass – Wikipedia

Demnach hatte der ursprüngliche Zweck des Ablasses eher wenig bis nichts, mit der Vorstellung des Fegefeuers zu tun, auch wenn sich diese Vorstellung später damit verband.
Insofern würde ich dir recht geben, dass die Praxis mit dem Fegefeuer zu drohen und dafür für so und so viele Jahre Ablass zu verkaufen, mit der Bibel nicht zu rechtfertigen ist, aber das gilt möglicherweise nicht für den Ablass und damit auch nicht für den Ablasshandel per se, sondern möglicherweise nur für bestimmte Formen davon.


Auf die anderen Punkte gehe ich jetzt nicht mehr ein, obwohl ich da einigen Raum für Widerspruch sehe, aber dass sollte man, wenn Fortsetzung gewünscht wird, vielleicht wirklich besser in einem neuen Faden diskutieren.
 
Naja, moment: Wenn man "sola scrpitura" beschwört, und nicht etwa "partes scirpturae" dann wird man sich schon damit anfreunden müssen, irgendwie allem beachtung schenken zu müssen, was in der besagten Schrift so vorkommt, denn wenn man Teile davon ohne Begründung ausblendet, ist man bei den Sitten, Konventionen und Traditionen wieder angekommen, die diesem Grundsatz widersprechen.
In den ersten Jahrzehnten des Christentums schrieb ein jüdischer Theologe namens Paulus einen Brief an die heidenchristlichen Gemeinden in Galatien. Ich empfehle Dir, diesen Brief einmal zu lesen.

Außerdem empfehle ich Dir, zum Schlagwort "sola scriptura" einmal nachzulesen, was genau damit gemeint ist.
 
Ohne die Erbsünde ist der Opfertod Jesu eigentlich nicht notwendig und ohne den Opfertod Jesu würde die Erbsündenlehre bedeuten, dass es für die Gläubigen keinerlei Entrinnen vor den Folgen der Erbsünde gibt und das wäre dann doch relativ unattraktiv.
Absolut richtige Feststellung, wenn auch das mit „relativ unattraktiv“ sehr mild ausgedrückt ist. Der Trick des Christentums, mit dem es erfolgreich fast 2 Milliarden Menschen für sich gewinnen konnte, ist die Erzählung, dass jeder Mensch aufgrund der Ursünde der Stammeltern böse geboren und erst durch die Taufe davon befreit wird, wenn auch er dann, leider, leider, weiter zum Bösen neigen wird – Zitat aus dem Katechismus für Erwachsene (Fettschreibung durch mich):

1707 Der Mensch hat „auf Anraten des Bösen gleich von Anfang der Geschichte an seine Freiheit mißbraucht“ (GS 13, 1). Er ist der Versuchung erlegen und hat das Böse getan. Zwar verlangt er immer noch nach dem Guten, aber seine Natur ist durch die Erbsünde verwundet. Er neigt zum Bösen und ist dem Irrtum unterworfen.


Und weil er zum Bösen neigt, wird er sündigen, was für eine Kirche, die die Macht hat, ihn von Sünden zumindest zeitweise zu befreien, eine Bestandsgarantie darstellt. :D

Man kann durch den Glauben an Jesus zwar Vergebung von Sünden erlangen, aber wenn man dann fortwährend weiter sündigt, ist das wohl ein Zeichen, dass man es mit dem Glauben doch nicht so ernst meint. Daher ist man auch als reformierter Christ gut beraten, sich um einen regelkonformen Lebenswandel zu bemühen.
Ja, reformierten Christen haben es schwerer als Katholiken, die sich immer wieder durch die Beichte einen Ablass ihrer Sünden verschaffen können. Und wenn man als Katholik am Sterbebett die letzte Ölung empfängt, ist man halbwegs gerüstet für das Leben in der Vorhölle, in die bis zum Jahr 2007 auch die ungetauften neugeborenen Kinderlein kamen, weil mit Erbsünde behaftet. In dem Jahr hat der Vatikan mit einem Federstrich abgeschafft, was 800 Jahre galt, und unglücklichen Eltern dazu veranlasste, ordentlich Anlassbriefe zu kaufen und für Totenmessen zu spenden, um ihren ungetauften Kindern die Zeit in der Vorhölle zu verkürzen.

Um die Sintflut zu überleben, benötigte er eben ein Schiff. Hier kommt noch dazu, dass Gott hier Noahs Schiff auch noch brauchte, um von jedem Tier ein Paar zu retten.
Selbstverständlich handelte sich bei diesen Tieren nur um heterosexuelle Paare. Ich frage mich, wie Noah bei der Eingangskontrolle es geschafft hatte, die Homosexuelle zu erkennen und zurückzuweisen, schließlich gibt es die Homosexualität bei min. 471 Tierarten. :D
 
Ja, reformierten Christen haben es schwerer als Katholiken, die sich immer wieder durch die Beichte einen Ablass ihrer Sünden verschaffen können. Und wenn man als Katholik am Sterbebett die letzte Ölung empfängt, ist man halbwegs gerüstet für das Leben in der Vorhölle, in die bis zum Jahr 2007 auch die ungetauften neugeborenen Kinderlein kamen, weil mit Erbsünde behaftet. In dem Jahr hat der Vatikan mit einem Federstrich abgeschafft, was 800 Jahre galt, und unglücklichen Eltern dazu veranlasste, ordentlich Anlassbriefe zu kaufen und für Totenmessen zu spenden, um ihren ungetauften Kindern die Zeit in der Vorhölle zu verkürzen.

Ich bin jetzt kein Spezialist für diese Frage, aber was genau meinst Du mit "Vorhölle", deren Zeit man für ungetaufte Kinder durch Ablässe verkürzen könne? Ablässe bezogen sich nach spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher katholischer Lehre auf das Purgatorium, also eine Art Warte- oder Reinigungs"ort" vor dem Eingang in den Himmel. Da es sich um keinen dauerhaften Zustand handelte, konnte dieser zumindest theoretisch verkürzt werden.

Der Limbus hatte damit nichts zu tun. Dieser war eher als theologische Idee konzipiert, ungetauften Kleinkindern - und anderen Menschen ohne Einsichtsfähigkeit - die man als der Erbsünde unterworfen ansah, die aber zugleich keine persönliche Schuld auf sich geladen hatten, einen Anteil an der göttlichen Erlösung zusprechen zu können. Thomas von Aquin beschrieb es als Zustand der natürlichen Glückseligkeit ohne Gottesschau. Dafür konnte man zweifellos keine Ablässe erwerben, da diese nun einmal persönliche Schuld und Vergebung voraussetzen. Insofern dürfte Deine Behauptung, Eltern hätten 800 Jahre lang ebensolche erworben, eher Deiner Fantasie entspringen.
 
Selbstverständlich handelte sich bei diesen Tieren nur um heterosexuelle Paare.
Beim Glyptodon hat Noah vielleicht ein schwules Männchen erwischt.

Insofern dürfte Deine Behauptung, Eltern hätten 800 Jahre lang ebensolche erworben, eher Deiner Fantasie entspringen.
Das waren keine Ablassbriefe, sondern Anlassbriefe:

... und unglücklichen Eltern dazu veranlasste, ordentlich Anlassbriefe zu kaufen...
 
Ja, @Sepiola, du hast den Schreibfehler erkannt, für den ich mich entschuldigen möchte.

Aber was den Ablass bzgl. Limbus betrifft, da hast du, @Stradivari, Recht: Es war viel schlimmer, denn für die ungetauften Kinder gab es laut katholischer Kirche keine Rettung. Seit Augustinus nicht – Zitat:

Seit der Kirchenlehrer Augustinus von Hippo die Lehre von der Erbsünde formulierte, sah die Theologie die Taufe als unverzichtbar für das Seelenheil und damit die Erlösung an. Augustinus hielt es für ausgeschlossen, dass ungetaufte Kinder in das Paradies oder auch nur in einen anderen Ort der Glückseligkeit eingehen könnten (siehe ungetaufte Kinder).[5] Die Synode von Karthago im Jahr 418 verfestigte diese Lehre und damit die Ansicht, dass Säuglinge, die ungetauft sterben, in die Hölle kommen.

Zwar wurde im Mittelalter diese Lehre abgemildert, aber das „Konzil von Ferrara/Florenz (1431 bis 1445) bestätigte die Lehre der Synode von Karthago, dass die Taufe unverzichtbar sei und Menschen, die im alleinigen Zustand der Erbsünde sterben, in die Hölle kommen.“

Als Konsequenz davon, wurden die ungetauften Kinder auch nicht in geweihten Erden begraben, sondern wie Selbstmörder außerhalb.
 
Ich habe es gerade nachgelesen, und Dein Beitrag scheint mir dann doch etwas selektiv zitiert:

Im Mittelalter wurde diese Lehre wieder abgemildert: Als Ort für die ohne persönliches Verschulden vom Himmel ausgeschlossenen Seelen wurde ihr zufolge ein Ort am Rand oder Saum der Hölle angesehen, genannt Limbus („dünne Schicht“). Petrus Abaelardus (1079–1142) lehrte, dass solche Kinder keine Sinnesstrafen erlitten, nur den Verlust der Gottesschau. Thomas von Aquin beschrieb im 13. Jahrhundert den Limbus puerorum als Ort ewiger natürlicher Glückseligkeit. Der Dominikaner Hugo Ripelin von Straßburg legte in seinem Werk Compendium theologicae veritatis (1268) dar, dass sich dieser Ort über der Hölle der Verdammten befände.
Das Konzil von Ferrara/Florenz (1431 bis 1445) bestätigte die Lehre der Synode von Karthago, dass die Taufe unverzichtbar sei und Menschen, die im alleinigen Zustand der Erbsünde sterben, in die Hölle kommen.

Die theologische Bewertung des Thomas von Aquin hatte ich ja bereits angesprochen, und der Limbus ist nun einmal gerade nicht die Hölle. Es ist ja Dein gutes Recht, die christlichen Kirchen zutiefst abzulehnen, aber eine gewisse Redlichkeit der Argumentation sollte schon beachtet werden. Zuerst hast Du behauptet, Eltern ungetaufter Kinder seien über 800 Jahre hinweg veranlasst worden, Ablässe erwerben. Als sich diese Behauptung nicht halten ließ, behauptest Du einfach, es sei noch "viel schlimmer". So etwas bringt doch nur unnötige Schärfe in eine Diskussion, die hier ja nicht in einem religiös, sondern in einem historisch ausgerichteten Forum stattfindet.
 
Zuerst hast Du behauptet, Eltern ungetaufter Kinder seien über 800 Jahre hinweg veranlasst worden, Ablässe erwerben. Als sich diese Behauptung nicht halten ließ, behauptest Du einfach, es sei noch "viel schlimmer".
Und es ist auch viel schlimmer gewesen, schließlich wurden die ungetauften Kinder statt in den Limbus direkt in die Hölle befördert. Oder etwa nicht?

Und dass es im Hochmittelalter in dieser Beziehung ein Intermezzo der Milde gab, habe ich auch gesagt. Aber dieses Intermezzo war am Ende des Mittelalters schon wieder zu Ende, wie die Bestätigung der augustinischen Lehre (ungetauften Kinder gehen in die Hölle) durch das Konzil von Basel–Ferrara–Florenz beweist. Klar, Jesuiten haben das später wieder anders gesehen, so dass die ungetauften Kinder wieder nur am Rand der Hölle (also im Limbus) landeten, was dann bis zur Mitte des 20. Jahrhundert galt.

Das alles ist wahr und keine leere Behauptung, wie du es oben zu insinuieren versuchst.

Und dass die ungetauften Kinder außerhalb der geweihten Erde begraben werden mussten, ist auch eine Tatsache, die erst 1970 etwas abgemildert wurde – Zitat aus „Internationale Theologische Kommission: Die Hoffnung auf Rettung für ungetauft sterbende Kinder (2007) / hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz“:

Eine wichtige liturgische Entwicklung hat durch die Einführung einer kirchlichen Beerdigung für ungetauft verstorbene Kinder stattgefunden. Wir beten nicht für die Verdammten. Das Missale Romanum von 1970 führte eine Begräbnismesse für ungetaufte Kinder ein, deren Eltern die Absicht hatten, sie taufen zu lassen. Die Kirche vertraut diese Kinder, die ungetauft sterben, der Barmherzigkeit Gottes an.
 
Das alles ist wahr und keine leere Behauptung, wie du es oben zu insinuieren versuchst.

Und dass die ungetauften Kinder außerhalb der geweihten Erde begraben werden mussten, ist auch eine Tatsache, die erst 1970 etwas abgemildert wurde – Zitat aus „Internationale Theologische Kommission: Die Hoffnung auf Rettung für ungetauft sterbende Kinder (2007) / hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz“:

Einige Beiträge zuvor hast Du mit derselben Sicherheit behauptet, die Kirche habe 800 Jahre lang Eltern dazu gedrängt, ihre ungetauften Kinder durch Ablässe aus dem Limbus zu befreien. Papst Benedikt habe diese "Vorhölle" dann 2007 "abgeschafft". Jetzt behauptest Du, die theologische Idee des Limbus sei nur ein "Intermezzo" gewesen, das nach 1445 "schon wieder zu Ende" gewesen sei. Es tut mir sehr leid, aber das lädt nicht gerade dazu ein, Dir unbesehen alles zu glauben, ohne um Quellen Deiner mit großer Sicherheit vorgetragenen Behauptungen zu bitten.

 
Wenn wir die beiden von Dir genannten Quellen einmal ansehen:

Zunächst hast Du einen Wikipediaartikel sehr selektiv zitiert, der in seiner Gesamtheit Deine Position nicht stützt. Außerdem nennst Du eine Arbeitshilfe von 2007.

Dort heißt es: Es ist bekannt, dass die traditionelle Lehre zu diesem Thema sich der Theorie des Limbus bedient hat, verstanden als Zustand, in dem die Seelen der ohne Taufe sterbenden Kinder aufgrund der Ursünde nicht den Lohn der glückseligen Gottesschau verdienen, jedoch keinerlei Bestrafung unterworfen sind, weil sie keine persönlichen Sünden begangen haben. Diese Theorie, die von Theologen seit dem Mittelalter ausgearbeitet wurde, hat niemals in die dogmatischen Definitionen des Lehramts Eingang gefunden, auch wenn dasselbe Lehramt sie in seiner ordentlichen Lehre bis zum II. Vatikanischen Konzil erwähnt hat. Sie bleibt daher eine mögliche theologische Hypothese. Im Katechismus der Katholischen Kirche (1992) wird die Theorie des Limbus jedoch nicht erwähnt. Der Katechismus lehrt vielmehr, dass ohne Taufe sterbende Kinder von der Kirche der Barmherzigkeit Gottes anvertraut werden, wie sich in dem besonderen Begräbnisritus für solche Kinder zeigt.
[...]
Im Mittelalter bekräftigte das kirchliche Lehramt mehr als einmal, dass diejenigen, „die in Todsünde sterben“, und diejenigen, die „nur mit der Ursünde“ sterben, „unterschiedliche Strafen“ erhalten. Da Kinder, die noch nicht das Alter des Vernunftgebrauchs erreicht haben, keine aktuelle Sünde begangen haben, kamen Theologen zu der gängigen Sicht, dass diese ungetauften Kinder überhaupt keine Schmerzen fühlen oder dass sie sogar ein volles natürliches Glück durch ihre Verbundenheit mit Gott in allen natürlichen Gütern genießen (Thomas von Aquin, Duns Scotus)
[...]
Die päpstlichen Stellungnahmen in dieser Periode [gemeint ist die Frühe Neuzeit] haben die Freiheit der katholischen Schulen verteidigt, mit dieser Frage zu ringen. Sie schrieben die Theorie des Limbus nicht als Glaubenslehre fest. Der Limbus war jedoch die allgemeine katholische Lehre bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts.


Auch hier lese ich nichts von Ablässen, die man den Eltern angeboten hätte, aber auch nichts davon, dass die Idee des Limbus im Spätmittelalter verworfen worden sei. Wo hast Du das also her? Wie gesagt, es steht Dir frei, die christlichen Kirchen abzulehnen, aber solche mit erstaunlicher Gewissheit vorgetragenen, sich zudem widersprechenden Behauptungen solltest Du möglichst schon irgendwie belegen.
 
Wo hast Du das also her?
Aus dem gleichen Artikel der Wikipedia, den auch du zitiert hast – Zitat:

Die Synode von Karthago im Jahr 418 verfestigte diese Lehre und damit die Ansicht, dass Säuglinge, die ungetauft sterben, in die Hölle kommen.
(…)
Das Konzil von Ferrara/Florenz (1431 bis 1445) bestätigte die Lehre der Synode von Karthago, dass die Taufe unverzichtbar sei und Menschen, die im alleinigen Zustand der Erbsünde sterben, in die Hölle kommen.


Ich sehe gerade, den letzten Satz hier hast auch du gestern in deinem Beitrag #94 zitiert, aber offensichtlich gleich wieder vergessen, sonst hättest du jetzt nicht gefragt, wo ich das her habe.
 
Das erscheint mir doch eine sehr dünne Grundlage für eine derart starke Behauptung, oder? Der Limbus erscheint mir gerade ein Lösungsversuch für dieses Problem zu sein, wenn ich es recht verstehe. Und für Deine zuvor geäußerte Behauptung gibt sie leider überhaupt nichts her.

Also nein, leider kann ich daraus nicht entnehmen, woher Du die recht selbstgewiss geäußerten Behauptungen hast, nach der die theologische Vorstellung vom Limbus entweder 800 Jahre lang verwendet wurde, um Eltern ungetaufter Kinder Ablässe anzudrehen oder - davon abweichend - seit dem Spätmittelalter keine Relevanz mehr hatte. Ich möchte darüber keinen großen Streit mit Dir führen, aber ein wenig seltsam sind diese Behauptungen aus meiner - natürlich nicht maßgeblichen Sicht - schon.
 
Der Limbus erscheint mir gerade ein Lösungsversuch für dieses Problem zu sein, wenn ich es recht verstehe
Klar war der Limbus ein Problemlöser – für die Kirche, nicht für die betroffene Eltern.

Das Ganze hat sich die Kirche völlig unnötig aufgebürdet, denn seit 2007 gibt es Limbus nicht mehr – und damit auch kein Problem mehr für gläubige Eltern ungetauft gestorbenen Kinder. Womit wir bei der Frage wären, warum hat die Kirche 1600 Jahre so sehr darauf gepocht, dass diese Kinder gläubiger Eltern entweder in die Hölle oder an deren Rand kommen?

Denn das war nicht nur ein theologisches Problem für die Kirche, sondern hatte auch harte reale Konsequenzen für Eltern, die es nicht geschafft haben, ihr Kind rechtzeitig taufen zu lassen.

Hier zeigt sich einmal mehr, mit welcher Macht die Kirche in den Alltag der Menschen regierte. Das war kein Missbraucht der Macht, sondern einfach der Gebrauch der Macht. Diese Macht lag in dieser Selbstermächtigung der Kirche: Nur getaufte Menschen sind von der Ursünde befreit und haben somit die Möglichkeit in den „Himmel“ zu kommen. Daraus resultierte auch das berühmtberüchtigte Extra ecclesiam nulla salus.
 
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