Bezgl. des „bekanntermaßen schlechten Wetters“:
Wir haben eine ganze Reihe von Erwähnungen der Varusschlacht und Schilderungen. Von den frühen, zeitgenöss. Erwähnungen (Manilius, Strabon, Velleius Paterculus) erwähnt niemand schlechtes Wetter. Seneca (bzw. Cestius, den Seneca hier missbilligend wiedergibt) erwähnt nicht das Wetter. Auch die Vertreter der silbernen Latinität (Tacitus, Sueton, Florus) 100 Jahre nach der Schlacht halten das Wetter nicht für erwähnenswert. 200 Jahre nach der Schlacht lesen wir erstmals bei Cassius Dio etwas über das Wetter.
Richtig, wir haben eine ganze Reihe von Erwähnungen der Varusschlacht. Schilderungen der Varusschlacht hingegen haben wir nur von Florus (die üblicherweise als unbrauchbar verworfen wird) und Cassius Dio. Dass bei bloßen Erwähnungen, ohne Schilderung, nicht auf das Wetter eingegangen wird, ist doch nicht so verwunderlich - wieso sollte man ausgerechnet das Wetter erwähnen, wenn der Schlachtverlauf nicht geschildert wird? Cassius Dios Schilderung entstand zwar 200 Jahre nach der Schlacht, sie ist aber (wenn man Florus beiseite lässt) auch die erste (erhaltene!) Schilderung.

Aber man kann durchaus ein paar Tage ohne zu essen funktionieren und nebenbei sich aus der Natur ernähren, wenn man tatsächlich seiner Nahrungsmittel verlustig geht: Bucheckern, Brombeeren, Wildgemüse etc.
Aber doch nicht Tausende Soldaten, obendrein in Feindesland. Wie soll denn das praktisch funktionieren? Die Soldaten verteilen sich über zig km2, um sie abzugrasen, und die Germanen lassen sie gewähren?

Die Verpflegung war stets der kritische Punkt, wenn größere Truppenmassen zusammengezogen und bewegt wurden. "Aus dem Land ernähren" geht nur bei kleinen Kontingenten oder wenn man in größeren Gebieten requirieren kann. Ansonsten muss Verpflegung mit- und/oder zugeführt werden.
 
Aber doch nicht Tausende Soldaten, obendrein in Feindesland. Wie soll denn das praktisch funktionieren? Die Soldaten verteilen sich über zig km2, um sie abzugrasen, und die Germanen lassen sie gewähren?
Das war ein Nebenargument. Das Hauptargument war, dass Soldaten Routinen hatten, die warfen im Kampffall nicht einfach ihr Marschgepäck weg, um es liegen zu lassen und im Zweifelsfall nicht mehr bergen zu können. Wenn die Soldaten aufgrund von Kampfhandlungen ihrer Nahrungsmittel verlustig gingen, dann gab es Möglichkeiten.
- teilen
- aus der Natur ernähren
- fouragieren
- im schlimmsten Fall hungern
 
Richtig, wir haben eine ganze Reihe von Erwähnungen der Varusschlacht. Schilderungen der Varusschlacht hingegen haben wir nur von Florus (die üblicherweise als unbrauchbar verworfen wird) und Cassius Dio. Dass bei bloßen Erwähnungen, ohne Schilderung, nicht auf das Wetter eingegangen wird, ist doch nicht so verwunderlich - wieso sollte man ausgerechnet das Wetter erwähnen, wenn der Schlachtverlauf nicht geschildert wird? Cassius Dios Schilderung entstand zwar 200 Jahre nach der Schlacht, sie ist aber (wenn man Florus beiseite lässt) auch die erste (erhaltene!) Schilderung.
Ich hab3 nie gesagt, dass es nicht geregnet hätte. Es ist nur so, dass mich wundert, dass der Regen stets als Grund für die Niederlage akzeptiert wird, als ob es in Italien oder Gallien nie geregnet hätte, als wäre Regen eine Spezialität Germaniens. Und es lässt sich nicht wegdiskutieren, dass Cassius Dio die einzige Quelle ist, die den Regen für erwähnenswert hält.
Tacitus beschreibt zwar nicht die Varusschlacht selbst, gibt aber ein paar Schlaglichter auf die Varusschlacht bei der Begehung des Schlachtfeldes und als er Arminius an den langen Brücken die Rede in den Mund legt und Caecina mit Varus vergleicht und als er Caecina träumen lässt, dass Varus ihn in den Aumpf hinabreiße.
Frontinus, der in seinen Strategemata Probleme thematisiert, erwähnt ebenfalls keinen Regen in Zusammenhang mit der Varusschlacht.
 
Ich hab3 nie gesagt, dass es nicht geregnet hätte. Es ist nur so, dass mich wundert, dass der Regen stets als Grund für die Niederlage akzeptiert wird, als ob es in Italien oder Gallien nie geregnet hätte, als wäre Regen eine Spezialität Germaniens. Und es lässt sich nicht wegdiskutieren, dass Cassius Dio die einzige Quelle ist, die den Regen für erwähnenswert hält.
Tacitus beschreibt zwar nicht die Varusschlacht selbst, gibt aber ein paar Schlaglichter auf die Varusschlacht bei der Begehung des Schlachtfeldes und als er Arminius an den langen Brücken die Rede in den Mund legt und Caecina mit Varus vergleicht und als er Caecina träumen lässt, dass Varus ihn in den Aumpf hinabreiße.
Frontinus, der in seinen Strategemata Probleme thematisiert, erwähnt ebenfalls keinen Regen in Zusammenhang mit der Varusschlacht.

Was die Suche nach dem Schlachtort anbelangt, so halte ich es nicht für zielführend sich über die Wetterbedingungen tiefere Gedanken zu machen. Da haben wir bessere Fakten.
 
Was ich nicht verstehe: Das Sommerlager lag an der Weser, sagen wir mal in Minden. Zu Fuß zurück ins Winterlager nach Xanten sind es 203 km, also mit Tross auch in 10 Tagen bequem zu erreichen. Und man tut gut daran schiffbare oder treidelbare Flüsse zu nutzen. Man macht ja eine Art Umzug.

Jetzt gibt es eine Abweichung von der Route. Das heißt, man ist zunächst auf einer bekannten Strecke, auf der man wie gewohnt gut vorwärts kommt. Der "Abstecher", wegen des lokalen und begrenzten Konfliktes, muss als machbar erschienen sein, und kurz. Der ganze Trupp wird auch nicht aufgeteilt in ein Einsatzkommando und ein Hauptheer, sondern man marschiert auf immer ungünstigerem und engerem Weg, mit dem ganzen Tross, mit Kind und Kegel.

Minden - Kalkriese (83 km). Minden - Paderborn (75 km).
Das sind doch gar keine großen Entfernungen. Selbst wenn es unterwegs Probleme und Überfälle gab (leichte Untertreibung), musste doch der ganze Trupp nicht in einen solchen Schlamassel geraten.

Und der Proviant muss doch bis zum Zeitpunkt des vermutlich späten Abbiegens von der geplanten Route für den gesamten geplanten Rückweg, bis zum nächsten Versorgungslager, mehr als ausreichend, und vor allem noch gut transportierbar gewesen sein.
Wie konnte es zu dieser organisatorischen Katastrophe kommen? Man macht doch keinen Krieg mit dem Möbelwagen im Tross, die Teilnehmer des Sommercamps sollten doch nur wieder heil nach Xanten zurück gelangen.
 
Was ich nicht verstehe: Das Sommerlager lag an der Weser, sagen wir mal in Minden. Zu Fuß zurück ins Winterlager nach Xanten sind es 203 km, also mit Tross auch in 10 Tagen bequem zu erreichen. Und man tut gut daran schiffbare oder treidelbare Flüsse zu nutzen. Man macht ja eine Art Umzug.

Jetzt gibt es eine Abweichung von der Route. Das heißt, man ist zunächst auf einer bekannten Strecke, auf der man wie gewohnt gut vorwärts kommt. Der "Abstecher", wegen des lokalen und begrenzten Konfliktes, muss als machbar erschienen sein, und kurz. Der ganze Trupp wird auch nicht aufgeteilt in ein Einsatzkommando und ein Hauptheer, sondern man marschiert auf immer ungünstigerem und engerem Weg, mit dem ganzen Tross, mit Kind und Kegel.

Minden - Kalkriese (83 km). Minden - Paderborn (75 km).
Das sind doch gar keine großen Entfernungen. Selbst wenn es unterwegs Probleme und Überfälle gab (leichte Untertreibung), musste doch der ganze Trupp nicht in einen solchen Schlamassel geraten.

Und der Proviant muss doch bis zum Zeitpunkt des vermutlich späten Abbiegens von der geplanten Route für den gesamten geplanten Rückweg, bis zum nächsten Versorgungslager, mehr als ausreichend, und vor allem noch gut transportierbar gewesen sein.
Wie konnte es zu dieser organisatorischen Katastrophe kommen? Man macht doch keinen Krieg mit dem Möbelwagen im Tross, die Teilnehmer des Sommercamps sollten doch nur wieder heil nach Xanten zurück gelangen.

Zu dieser Irritation wurde schon sehr viel publiziert. Sinn macht es nur wenn Du den ersten Satz so formuliert hättest:
Das Sommerlager lag an der Weser, sagen wir mal in Corvey.
 
Zu dieser Irritation wurde schon sehr viel publiziert. Sinn macht es nur wenn Du den ersten Satz so formuliert hättest:
Das Sommerlager lag an der Weser, sagen wir mal in Corvey.
Ein an der Weser nachgewiesenes augusteisches oder tiberisches Römerlager liegt in Minden. Im gut erforschten Corvey gibt es hingegen keine römischen Funde.
Dass Varus an der Weser gewesen sei, in der Χερουσκίδα, sagt Cassius Dio:

τῇ σφετέρᾳ τῶν Ῥωμαίων ὁρῶντες ὄντας, δεξάμενοι δὲ τὸν Οὐᾶρον ὡς καὶ πάντα τὰπροστασσόμενά σφισι ποιήσοντες προήγαγον αὐτὸνπόρρω ἀπὸ τοῦ Ῥήνου ἔς τε τὴν Χερουσκίδα καὶ πρὸςτὸν Οὐίσουργον, κἀνταῦθα εἰρηνικώτατά τε καὶφιλικώτατα διαγαγόντες πίστιν αὐτῷ παρέσχον ὡς καὶἄνευ στρατιωτῶν δουλεύειν δυνάμενοι.
Da immer wieder von Winterlagern (hibernae) die Rede ist, ist das Sommerlager an der Weser quasi im Umkehrschluss davon abgeleitet.
 
Naja, nur, wenn ich weiß, dass ich mich in einem Gebiet bewege, in dem häufiger mal Situationen eintreten, in denen eine solche Rüstung ein entscheidender Nachteil ist, überlege ich mir doch, ob ich bei dieser Rüstung bleibe oder mir etwas anderes ausdenke, was den Umweltgegebenheiten besser gerecht wird.
Verzicht auf bestimmte Rüstungsteile, anderes Material, übergang zu beweglicheren Truppen, stärkung der Rolle von Reiterei und vor allem Schützen, um es nicht mehr auf den Nahkampf in Formation ankommen zu lassen und auf Teile der Rüstungen verzichten zu können, etc.
Blöderweise gibt es keine Rüstung/Ausrüstung, die für jede Situation (Wetterbedingungen, Gefechtsbedingungen, topographische Bedingungen) optimal geeignet ist. Da die römischen Soldaten nicht gut drei verschiedene Garnituren mit sich herumschleppen konnten, um im Bedarfsfall die passende anzulegen, konnte jegliche Zusammenstellung der Ausrüstung nur der Versuch sein, diejenige zu finden, die für den Verwendungszweck des Soldatentyps und die am ehesten zu erwartenden äußeren Bedingungen am geeignetsten ist. Bedenken muss man dazu auch, dass jeder Feldherr danach strebt, die Bedingungen eines Kampfes selbst diktieren zu können, also nach Möglichkeit Ort und Zeit der Schlacht festzulegen und nach einem Schlachtplan vorzugehen. Natürlich funktioniert das in der Praxis nicht immer, es wird aber zumindest angestrebt. Der römische Legionär der frühen Kaiserzeit war als schwere Nahkampfinfanterie konzipiert, der in Formation gegen einen Gegner, der sich ebenfalls in Schlachtreihe aufgestellt hatte, vorgehen sollte, und entsprechend ausgerüstet. Meist klappte das ja auch.
Übrigens regnete es auch in Germanien nicht ständig und bestand das Land nicht nur aus Wald und Sümpfen, insofern bestand keine Notwendigkeit, die Legionäre gezielt schlechtwettertauglich auszurüsten (um den Preis, dass sie dann bei besseren Bedingungen nicht mehr so gut wie möglich ausgerüstet gewesen wären).
Varus hatte das Problem, unvermutet und unvorbereitet angegriffen zu werden, also überhaupt keine Wahl zu haben, unter welchen Bedingungen er kämpft. Das ist immer der schlimmstmögliche Fall, den es nach Möglichkeit zu vermeiden gilt (weswegen insbesondere eine gute Aufklärung wichtig ist).

Der Angriff der germanischen Übermacht auf eine in Bewegung befindliche ausgedünnte römische Armee kannte viele Facetten.
Die seitenlange Diskussion, ob es „vacuas“ oder „vagas“ hieß, ist zwar an sich nicht uninteressant, zur Erklärung der Varusniederlage trägt sie aber wenig bei: Selbst wenn die römische Armee ausgedünnt gewesen sein sollte, ergibt das nicht zwingend eine germanische Übermacht. Die Zahl der germanischen Krieger kann trotzdem noch geringer gewesen sein als die der römischen Soldaten. Wir haben einfach keine Informationen zu den germanischen Stärkeverhältnissen.
Bedenken sollte man aber, dass es in der Antike (und auch zu anderen Zeiten) üblich war, die Stärke des gegnerischen Heeres massiv zu übertreiben und von einer deutlichen zahlenmäßigen Überlegenheit des Feindes auszugehen. Wenn also in unseren spärlichen Quellen nicht behauptet wird, Varus sei von einer gewaltigen germanischen Übermacht überrannt worden, könnte man daraus den Schluss ziehen, dass selbst die Römer Arminius‘ Truppenstärke nicht allzu hoch einschätzten.

Das war ein Nebenargument. Das Hauptargument war, dass Soldaten Routinen hatten, die warfen im Kampffall nicht einfach ihr Marschgepäck weg, um es liegen zu lassen und im Zweifelsfall nicht mehr bergen zu können. Wenn die Soldaten aufgrund von Kampfhandlungen ihrer Nahrungsmittel verlustig gingen, dann gab es Möglichkeiten.
- teilen
- aus der Natur ernähren
- fouragieren
- im schlimmsten Fall hungern
Man kann wohl annehmen, dass ein römischer Legionär (viel Marschieren mit schwerer Ausrüstung und Gepäck, dazu Schanzarbeiten) den Kalorienverbrauch eines Schwerarbeiters hatte. (Ein zügiger Marsch mit Gepäck in Formation ist keinesfalls mit einer gemütlichen Wanderung zu vergleichen.) Mit Waldbeeren und Hungern wird er mit seiner Kampffähigkeit bald am Ende sein.

Ich hab3 nie gesagt, dass es nicht geregnet hätte. Es ist nur so, dass mich wundert, dass der Regen stets als Grund für die Niederlage akzeptiert wird, als ob es in Italien oder Gallien nie geregnet hätte, als wäre Regen eine Spezialität Germaniens.
Erstens nennt auch Cassius Dio den Regen nicht als einzigen Grund für die Niederlage, sondern nur als verstärkendes Element zu den sonstigen ungünstigen Umständen.
Zweitens ließen sich die Römer die Rahmenbedingungen einer Schlacht nach Möglichkeit nicht aufzwingen. Also wenn sie die Wahl hatten, im Regen zu kämpfen oder zu warten, bis er aufgehört hat, werden sie in der Regel (sofern sie nicht aus irgendeinem Grund in einem Kampf bei Regen einen besonderen Nutzen sahen) wohl gewartet haben. Dazu braucht man gar keine Klischees von germanischen Wäldern und Sümpfen zu bemühen: Für eine Armee, die schwer gerüstet in Formation vorrückt, ist ein trittfester Untergrund immer besser als ein matschiger, und der Moral der Soldaten bekommt Regen (von Sonderfällen wie dem „Regenwunder“ einmal abgesehen) auch nicht sonderlich.

Varus hatte das Problem, unter Bedingungen kämpfen zu müssen, die ihm aufgezwungen wurden. In einen Hinterhalt zu geraten ging selten gut aus, auch nicht in Italien oder Gallien, auch nicht bei Schönwetter.

Und es lässt sich nicht wegdiskutieren, dass Cassius Dio die einzige Quelle ist, die den Regen für erwähnenswert hält.
Er ist auch (neben Florus) die einzige (erhaltene) Quelle, die den Schlachtverlauf für erwähnenswert hält.

Frontinus, der in seinen Strategemata Probleme thematisiert, erwähnt ebenfalls keinen Regen in Zusammenhang mit der Varusschlacht.
Die „Strategemata“ sind im Wesentlichen eine Sammlung von Militäranekdoten, keine systematische Kriegsgeschichte.
 
Moin

Nur nebenbei, aus meiner Bundeswehrzeit als Panzergrenadier, draußen bei Regenwetter ist schlimmer als Hitze und Kälte, schlimmer als Erschöpfung und Hunger, wenn du total durchgeregnet bis, dann geht das wirklich massiv an die Einsatzfähigkeit und Psyche.
 
Man kann wohl annehmen, dass ein römischer Legionär (viel Marschieren mit schwerer Ausrüstung und Gepäck, dazu Schanzarbeiten) den Kalorienverbrauch eines Schwerarbeiters hatte. (Ein zügiger Marsch mit Gepäck in Formation ist keinesfalls mit einer gemütlichen Wanderung zu vergleichen.) Mit Waldbeeren und Hungern wird er mit seiner Kampffähigkeit bald am Ende sein.
Steht alles außer Frage, trifft aber nicht den Kern. Ich versuche es noch mal:
Für den Fall, dass römische Legionäre auf dem Marsch plötzlich angegriffen wurden, gab es Routinen. Es verlor daher nicht gleich eine ganze Legion ihre Nahrungsmittelrationen. Wenn ein Teil der Nahrungsmittel verloren ging, dann war das eben so. Darauf musste man reagieren. Wenn Zurückholen/erobern nicht ging: Pech gehabt.

Ausgangspunkt der Nahrungsmittelargumentation war folgender Beitrag:

Der schwere Infanterist, der sich auf dem Marsch seines Gepäcks entledigt, kann nur hofffen, den Kram (zu dem auch die Tagesverpflegung gehörte) wiederzufinden. Die Chancen sind gering, besonders wenn sich das Kampfgeschehen, bspw durch einen Rückzug, verlagert.

Daraufhin meine Entgegnung:
Zunächst einmal ist zu erwarten, das ein Manipel sein Gepäck zusammenschmeißt und dass man sich an Ort und Stelle verteidigt, natürlich kann man abgedrängt werden und natürlich ist Hunger ein Problem. Aber man kann durchaus ein paar Tage ohne zu essen funktionieren und nebenbei sich aus der Natur ernähren, wenn man tatsächlich seiner Nahrungsmittel verlustig geht: Bucheckern, Brombeeren, Wildgemüse etc. Auch hier greift, was ich in meinem vorherigen Beitrag schrieb: Wir reden über gut trainierte Berufssoldaten, die Routinen haben, die wissen sich zu verhalten, wenn sie angegriffen werden.
Hier sollte doch bereits deutlich gewesen sein, dass ich den Verlust der Nahrungsmittel nicht für den Normalfall halte.

Gestern habe ich noch mal, wegen deiner direkten Ansprache, darauf hinwgewiesen, dass es sich um ein Nebenargument handelte:

Das war ein Nebenargument. Das Hauptargument war, dass Soldaten Routinen hatten, die warfen im Kampffall nicht einfach ihr Marschgepäck weg, um es liegen zu lassen und im Zweifelsfall nicht mehr bergen zu können. Wenn die Soldaten aufgrund von Kampfhandlungen ihrer Nahrungsmittel verlustig gingen, dann gab es Möglichkeiten.
- teilen
- aus der Natur ernähren
- fouragieren
- im schlimmsten Fall hungern

Ich verstehe die Diskussion nicht. Natürlich kann sich ein Schwerstarbeiter nicht dauerhaft nur von Brombeeren und Bucheckern ernähren. Das behauptet aber doch auch niemand. Es geht um den hypothetischen Fall, wie du dich als geschlagener römischer Soldat im Feindesland ernährst, wenn du keine Nahrungsmittel mehr hast: da bleiben dir in unseren Breiten die Dinge, auif die du zurückgreifen kannst: Bucheckern, die Scheunen der einheimischn Bevölkerung (so diese nicht gut geschützt sind), Brombeeren und ähnliches.

Der Sinn von Bedingungssätzen (wenn... dann...) ist klar, oder?

Erstens nennt auch Cassius Dio den Regen nicht als einzigen Grund für die Niederlage, sondern nur als verstärkendes Element zu den sonstigen ungünstigen Umständen.
Und beschreibt fast slapstickartig, wie die Römer gegeneinander und gegen Bäume prallen und beständig ausrutschen, wohingegen die Germanen leichtfüßig durch den Wald hüpfen und die Römer beschießen. Der Sturm reißt Baumkronen hernieder, welche den Römern auf die Köpfe fallen, den offenbar keinerlei physikalischen Gesetzen unterliegenden Germanen aber nicht.

Er ist auch (neben Florus) die einzige (erhaltene) Quelle, die den Schlachtverlauf für erwähnenswert hält.
Dennoch werfen auch Velleius und Tacitus Schlaglichter auf den Verlauf der Schlacht.


Die „Strategemata“ sind im Wesentlichen eine Sammlung von Militäranekdoten, keine systematische Kriegsgeschichte.
Natürlich sind sie keine systematische Kriegsgeschichte. Eine Anekdotensammlung würde ich sie nicht nennen, eher eine Exempla-Sammlung.
Frontinus ordnet diese Exempla-Sammlung redaktionell nach Themengebieten:

Quo magis autem discreta ad rerum varietatem apte collocarentur, in tres libros ea diduximus.
Sein erklärtes Ziel war, dass die Strategemata den Feldherren von Nutzen seien:

Ita enim consilii quoque et providentiae exemplis succincti duces erunt, unde illis excogitandi generandique similia facultas nutriatur; praeterea continget, ne de eventu trepidet inventionis suae, qui probatis eam experimentis comparabit.
Regen kommt bei ihm drei Mal als militärisch bedeutsamer Faktor vor (einmal davon sogar in zeitlicher Nähe zur Varusschlacht).

Ti. Nero adversus Pannonios, cum barbari feroces in aciem oriente statim die processissent, continuit suos passusque est hostem nebula et imbribus, qui forte illo die crebri erant, verberari. Ac deinde, ubi fessum stando et pluvia non solum sed et lassitudine deficere animadvertit, signo dato adortus superavit.
Tiberius ließ die gegnerischen Pannonier, sie sich morgens zur Schlacht aufgestellt hatte, im Nebel und Regen stehen und erst als er Erschöpfungs- und Auflösungserscheinungen bemerkte, gab er das Angriffssignal.

Idem Hannibal adversus Iunium dictatorem nocte intempesta DC equitibus imperavit, ut in plures turmas segregati per vices sine intermissione circa castra hostium se ostentarent: ita tota nocte Romanis in vallo statione ac pluvia, quae forte continua fuerat, inquietatis confectisque, cum receptui signum mane Iunius dedisset, Hannibal suos requietos eduxit et castra eius invasit.
Hannibal ließ während der Nacht 600 Reiter das Lager des Junius umkreisen, weshalb Junius' Soldaten die ganze Nacht in Alarmbereitschaft waren und im Regen gestanden hatten, und griff dann am Morgen mit ausgeruhten Truppen an und eroberte das Lager.

Fabius Maximus, Cunctatoris filius, apud Arpos praesidio Hannibalis occupatos, considerato situ urbis, sescentos milites obscura nocte misit, qui per munitam eoque minus frequentem oppidi partem scalis evecti in murum portas revellerent. Hi adiuti decidentium aquarum sono, qui operis strepitum obscurabat, iussa peragunt: ipse dato signo ab alia parte aggressus cepit Arpos.
Fabius Maximus ließ seine Soldaten die Befestigungen von Arpos erklimmen, die schlechter bewacht waren als wohl unbefestigte Teile der Stadt. Fallendes Wasser (Regen?) übertönte das Geräusch des Kletterns.

Eine vierte Stelle ist diese:

Phalaris Agrigentinus, cum quaedam loca munitione tuta in Sicilia oppugnaret, simulato foedere frumenta, quae residua habere se dicebat, apud eos deposuit: deinde data opera, ut camerae tectorum, in quibus id conferebatur,rescissae pluviam reciperent, [id] fiducia conditi commeatus proprio tritico abusos initio aestatis aggressus inopia compulit ad deditionem.
Phalaris von Agrigent tat so, als habe er zu viel Getreide und überließ dieses seinen Gegnern, sorgte aber dafür, dass die Dächer der Lagerhäuser kaputt wären, damit es hereinregnete und als das Frühjahr kam, griff er seine Gegner an, die ihre eigenen Weizenvorräte aufgebraucht hatten im Vertrauen darauf, auf Phalaris' Weizenvorräte zuzugreifen, die nun verdorben waren?! (Seltsame Taktik, scheint mir eher unhistorisch zu sein.)

wenn du total durchgeregnet bis, dann geht das wirklich massiv an die Einsatzfähigkeit und Psyche.
Das glaube ich sofort. Das gilt aber eben für alle, die sich auf einem Schlachtfeld befinden und nicht bloß für eine Seite.
 
Ja, aber da die einheimischen Krieger wohl leichter gerüstet waren, hatten die es sicherlich leichter.
Ich denke mal, bei den zum Zeitpunkt der eventuell mehrtägigen Kämpfe im "Waldland" waren die germanischen
Kämpfer im Vorteil.
 
Bucheckern, die Scheunen der einheimischn Bevölkerung (so diese nicht gut geschützt sind), Brombeeren und ähnliches.
Beeren sind aber nur ein paar Wochen im Jahr erntereif. Bucheckern fallen nur im Herbst vom Baum. Wir haben als Kinder mal Bucheckern gesammelt und dabei auf welche zugegriffen, die bereits auf der Erde lagen. Das war unwahrscheinlich mühselig. Wir haben mit 4 Kindern 5 Tage lang gesammelt und hatten 2-3 kg Bucheckern zusammen, die wir dann beim Forstamt abgegeben haben. Der Förster war baff, dass wir das überhaupt gemacht haben. Er hat uns erklärt, dass man normalerweise im Herbst Planen unter einer Buche aufspannt und dann durch schütteln oder warten (Wind), die Bucheckern in die Plane fallen. Er hat uns Kids dann noch ein paar Mark aus seinem eigenen Portemonnaie gegeben.

Pilze hingegen können das ganze Jahr über wachsen, nicht nur im Herbst. Insbesondere bei feuchtem Wetter wachsen Pilze gut. Die Pilzvorkommen dürften kaum gereicht haben, um ganze Legionen zu ernähren. Aber mit Glück und wenn nicht zu viele Menschen suchen kann damit eine handvoll Leute ernährt werden.
Die Jagd auf Wild wäre theoretisch auch noch möglich. Allerdings wird sich das meiste Wild verkrümeln, wenn mal eben ein paar tausend Leute auf einem Haufen durch die Gegend stapfen. Wenn etwas Zeit da ist, könnte fischen noch eine Möglichkeit sein, sich Nahrungsmittel zu besorgen, sicherlich jedoch nicht für ganze Legionen.
 
Die germanischen Wälder dürften sehr wildreich gewesen sein. Zur Zeit beleben wieder riesige Wildschweinrotten unsere Waldgebiete, bis zu 30 Exemplare, die samt Frischlingen die Elbe problemlos durchschwimmen. Da dürfte es an Fleisch nicht gemangelt haben.
 
Der römische Legionär der frühen Kaiserzeit war als schwere Nahkampfinfanterie konzipiert, der in Formation gegen einen Gegner, der sich ebenfalls in Schlachtreihe aufgestellt hatte, vorgehen sollte, und entsprechend ausgerüstet.

Das ist mir klar. Nur der einzige Grund warum man bei diesem Modell blieb ist doch derjenige, dass es i.d.R. funktionierte, auch unter den Bedingungen in Zentral- und Nordeuropa.
Hätte man festgestellt, und dazu hatte man vor Varus ja nun mehr als ein halbes Jahrundert Zeit, dass für diese Regionen dises Konzept nicht hinhaute, hätte es zwei Wege gegeben, damit umzugehen:

1. Weiteres Vorstoßen in diese Regionen zu vermeiden.
2. Vom Konzept der standartmäßig ausgerüsteten überall einsetzbaren Truppen mindestens teilweise abzugehen und für die betreffenden Regionen Spezialtruppen zu schaffen, die unter den gegebenen Bedingungen besser funktionieren.

So schwer können die Nachteile durch Umweltbedingungen in Germanien und anderen Teilen Nordeuropas also nicht gewesen sein, sonst hätte man sich für eine der beiden Varianten entschieden.

Bedenken muss man dazu auch, dass jeder Feldherr danach strebt, die Bedingungen eines Kampfes selbst diktieren zu können, also nach Möglichkeit Ort und Zeit der Schlacht festzulegen und nach einem Schlachtplan vorzugehen. Natürlich funktioniert das in der Praxis nicht immer, es wird aber zumindest angestrebt.

Naja, die Frage ist, kann man die andere Seite dazu zwingen sich darauf einzulassen.
Und von diesem Standpunkt ausbetrachtet war Varus Entscheidung sich spontan in die "Aufstandsbekämpfungsaktion" einzulassen von vorn herein eine strategische Dummheit.

Er war mit seinen Truppen auf einen solchen Feldzug überhaupt nicht vorbereitet, wird dementsprechend auch nicht übermäßig viel Verpflegung dabei gehabt und dementsprechend auch keine Zeit gehabt haben den Feind aufzuspüren und auszumanövrieren um ihn zu günstigen Bedingungen zur Entscheidungsschlacht stellen zu können.
Wenn wir voraussetzen, dass die Römer für diesen Feldzug eigentlich nicht verproviantiert waren und sich nicht über längere Zeit aus dem Land ernähren konnten, stand Varus damit von vorn herein unter immensem Zeitdruck die Schlacht zu suchen und das nötigenfalls auch unter ungünstigen Bedingungen, womit er der germanischen Seite das Diktat der Bedingungen überließ.
Die einzige Option, die Varus gehabt hätte seinerseits die Germanen in eine Schlacht zu zwingen hätte darin bestanden deren Siedlungen anzugreifen, dass hätte aber wahrscheinlich sein Ziel einer Befriedung der Provinz konterkarriert, weil das möglicherweise andere Stämme dazu veranlasst hätte sich einem potentiellen Aufstand anzuschließen.

Das die Bedingungen für die Römer suboptimal waren, würde ich weniger dem Gelände oder dem Wetter an sich anlasten, denn das waren allenfalls Produkte des eigentlichen Problems, nämlich Varus Entscheidung sich ohne Not in einen spontanen nicht vorbereiteten Feldzug einzulassen, statt den Winter zu nutzen um die eigenen Kräfte zusammen zu ziehen und im nächsten Jahr vernünftig vorbereitet und verproviantiert loszuschlagen.
 
Doch, da läßt sich kein Wild blicken, wenn da so viele Menschen unterwegs sind.
Also Grundsätzlich ist es sehr schwer sich bei uns ausschließlich aus dem Wald zu ernähren, bei einer sehr! kleinen Menschengruppe mag das noch angehen, bei vielen, fast unmöglich.
Wildschweine! gab es damals sicherlich nicht so viele, da der menschliche Ackerbau als Futterquelle eher knapp war.
Die Ursache der heutigen Wildscheinschwemme sind ja z.B. Maismonokulturen.
Das mit dem Wildreichtum in den germanischen Wäldern zweifel ich einfach mal an. Sicherlich gab es da nicht wenig,
aber auch für Wild ist der Wald alleine keine gute Nahrungsgrundlage, dazu benötigt es auch Lichtungen und Freiflächen.
 
Beeren sind aber nur ein paar Wochen im Jahr erntereif. Bucheckern fallen nur im Herbst vom Baum.
Wie gesagt, das ist alles nur hypothetisch, nach dem von Reinecke skizzierten Fall, dass Legionäre ihr Marschgepäck haben zurücklassenm müssen.
- Ich gehe nicht davon aus, dass drei Legionen alle ihr Marschgepäck verloren haben.
- Es geht darum, was für Möglichkeiten es im hypothetischen Fall des Verlustes gäbe. Dass diese ein Optimum darstellen würden, habe ich nie behauptet. Die Alternative ist eben hungern.
Beeren werden je nach Art zwischen Frühsommer und Herbst reif. Die Varusschlacht wird zwischen Ende August und Anfang Oktober stattgefunden haben. Der Sommer soll schon [fast] vorbei gewesen sein.
 
Zurück
Oben