Doch, genau dies ist damit gemeint. Die von Johann Georg Graevius erstellte Übersetzung der in Zosimos, Nea Historia Liber VI, Kapitel 5 gegebenen Textstelle ist durchaus zutreffend, denn políteuma kathistasai meint in diesem Zusammenhang ja, dass die Britannier, nachdem sie die römischen Magistrate hinausgeworfen hatten, zur Wahrung ihrer Interessen umgehend damit begannen öffentlich die Staatsgeschäfte zu betreiben, wobei sie die Ordnung der römischen Republik wählten und diese in der Art und Weise der Bretonen nachahmten. Diese Einrichtung einer durch landständische Vertreter öffentlich betriebenen Politik war dereinst - neben der Unschuldsvermutung - das Signum der Republik. Du hast hier zur Übersetzung also einen Widerspruch aufgemacht, der sich in Hinblick auf die Vorlage des Zosimos so gar nicht ergibt. Dein Fazit dahingegen ist zutreffend : Die Britannier regelten ihre Angelegenheiten fortan selbst.
Hier spielen mehrere Problem ein:
1.) traduttore, traditore
der Übersetzer ist ein Verräter am Text, will sagen: es ist nie genau aus der Original in die Zielsprache zu übersetzen, weil Wortbedeutungen immer um eine Nuance anders sind.
2.) Ich zitierte gestern bereits in einem anderen Zusammenhang Marc Bloch: „...zum großen Leidwesen der Historiker pflegen die Menschen nicht immer ihren Wortschatz zu ändern, wenn sie ihre Gewohnheiten ändern".
Sprich: Wenn Gräfe um 1690 einen griechischen Text ins lateinische übersetzt, bedeuten die Worte die er benutzt nicht unbedingt das, was sie für Zosimos bedeuteten oder was sie für uns bedeuten. Wenn wir "Repubik" hören, denken wir fast unwillkürlich (obwohl das auch heute nicht korrekt ist) an demokratische Verfasstheit. Wenn um 1800 der Vizekönig von Neuspanien
república hörte, dachte er an selbstverwaltete Indianergebiete, die aber natürlich unter seiner und damit unter der Herrschaft des spanischen Königs standen.
Dass die Britannier eine Republik mit einer Verfasstheit ähnlich der römischen, wie wir sie etwa zum Zeitpunkt der gracchischen Reformen "kennen", gründeten, als die Römer abzogen, sollten wir nicht unbedingt glauben. Eher, dass nun eben keine römische Verwaltung da war und die Briten selber ihre Geschicke in die Hand nahmen. Und das kann alles umfassen: Von der Herrschaft keltischer Warlords bis zu einem geordneten Gemeindewesen.