War Merseburg einst römische Exklave ?

Meine Annahmen zur räumlichen Ausdehnung der hier infrage stehenden römischen Exklave Merseburg sind folgende : Das Gebiet der infrage stehenden Exklave ist zweifach aufzufassen. Einmal indem man sein Zentrum beschreibt, welches geographisch ungefähr dem des deutlich späteren Amtes Merseburg entsprechen dürfte. Zu erwarten ist meines Erachtens ein größerer Stapelplatz mit Hafenanlage, eigener Werft, Emporium und vorgelagerten Wehranlagen. Dieses befestigte Handelszentrum dürfte in der Zeit zwischen ca. 180-530 n. Chr. von römischer Auxiliaria beschützt worden sein und wird auch Einheiten der Römer selbst vor Ort gekannt haben.

Zum zweiten sollte man ihr mutmaßliches Hinterland beschreiben, welches dem einstigen Gebiet von Alt-Thüringen entsprechen dürfte, wie es bis 531 n. Chr. existiert hat. Dies bedeutet, dass man diesem Hinterland eine Territorialität zugrunde legt, welche in nördlicher und östlicher Richtung deutlich über das heutige Thüringen hinausreicht.
Und Du findest es nicht etwas erstaunlich, dass dafür jeglicher literarischer Beleg fehlt?
Oder dass zu einer Zeit, als Commodus die angeblich geplanten, wohl schwer zu verteidigenden, aber für die Vorfeldsicherung des Reiches immerhin nützlichen Provinzen Marcomannia und Sarmatia aufgab, er stattdessen eine Exklave mitten in Germanien angelegt haben soll? (Neulich hattest Du übrigens noch gemeint, sie sei erst nach dem Tod von Maximinus Thrax gegründet worden. Jetzt haben wir schon vier Kandidaten: Caesar, Drusus, Marcus Aurelius oder Commodus, Anhänger des Maximinus Thrax.)
Oder dass diese Exklave den Fall des sog. Weströmischen Reiches um Jahrzehnte überdauert haben soll? Also in einer Zeit, als die Römer Britannien faktisch aufgegeben hatten, als ihnen nach und nach alle Gebiete im Westen außer Italien, Teilen Galliens, Noricums und Dalmatiens und schließlich sogar Italien selbst abhanden kamen (und sie ihre Kräfte - vergeblich - anspannten, um wichtige Gebiete in Africa und Spanien zurückzugewinnen), sollen sie eine Exklave mitten im nirgendwo gesichert und verteidigt haben?
 
Ich bin der Auffassung, dass römische Einheiten zeitweilig am militärischen Schutz der mutmaßlichen Exklave Merseburg mitgewirkt haben und sich in begrenzter Zahl längerfristig im Gebiet von Thüringen aufhielten. Die entsprechende These wird weiter unten von mir ausgeführt werden.

Und Du findest es nicht etwas erstaunlich, dass dafür jeglicher literarischer Beleg fehlt?

Die von dir gemachte Aussage, dass dafür jeglicher literarischer Beleg fehlen würde, halte ich schon angesichts der weiter oben genannten Arbeiten zu den Fundplätzen in Frienstedt, Neunheilingen, Hachelbich und Arnstadt für falsch.

Oder dass diese Exklave den Fall des sog. Weströmischen Reiches um Jahrzehnte überdauert haben soll? Also in einer Zeit, als die Römer Britannien faktisch aufgegeben hatten,

Soweit mir bekannt ist, erlebte Britannien nach dem Abzug der Römer zunächst einmal einen wirtschaftlichen Aufschwung. Der von Dir bemühte Zusammenhang, wonach ein Abzug der militärischen römischen Einheiten grundsätzlich mit einem wirtschaftlichen Niedergang gleichzusetzen sei, findet sich verschiedentlich, doch Zosimos weiß in Hinblick auf Britannien in seiner Nea Historia Lib. VI für das beginnende 4. Jahrhundert lediglich von der Gründung einer republikanischen Ordnung nach römischen Vorbild zu berichten und dies sollte man gerade nicht als Beweis für einen ökonomischen und kulturellen Niedergang Britanniens in Anschlag bringen. ZoÌsimou komeÌtos kai apophiskosyneÌgorou Historia nea = Zosimi comitis ex aduocato fisci Historia noua : Zosimus : Free Download, Borrow, and Streaming : Internet Archive Für wirtschaftliche Prosperität brauchte es lediglich Frieden und dieser konnte in manchen Gebieten offenbar auch nach dem Ende der Pax Romana für längere Zeit sichergestellt werden. The Decline And Fall Of The Roman Empire Vol. 4 : Gibbon, Edward : Free Download, Borrow, and Streaming : Internet Archive

Neulich hattest Du übrigens noch gemeint, sie sei erst nach dem Tod von Maximinus Thrax gegründet worden.
Nein, ich habe lediglich die These aufgestellt, dass sich eine erhebliche Zahl der Anhänger des Maximinus Thrax nach dessen Ende in das Gebiet der Juthungen nach Thüringen abgesetzt hat, um sich so einer Bestrafung durch den römischen Senat zu entziehen. Der Gründungszeitpunkt der hier infrage stehenden Exklave Merseburg könnte möglicherweise auch früher anzusetzen sein. Die Entstehung des dortigen Handelsplatzes wird vermutlich bereits in der Latènzeit erfolgt sein, wie u.a. die Grabfunde in Schkopau, Leuna und Schafstädt nahe legen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die von dir gemachte Aussage, dass dafür jeglicher literarischer Beleg fehlen würde, halte ich schon angesichts der der weiter oben genannten Arbeiten zu den Fundplätzen in Frienstedt, Neunheilingen, Hachelbich und Arnstadt für falsch.
Ich meinte natürlich Erwähnungen der angeblichen Exklave Merseburg in der antiken Literatur (nicht in der heutigen und auch nicht bei obskuren Schreibern des Mittelalters oder des Humanismus).
Soweit mir bekannt ist, erlebte Britannien nach dem Abzug der Römer zunächst einmal einen wirtschaftlichen Aufschwung. Der von Dir bemühte Zusammenhang, wonach ein Abzug der militärischen römischen Einheiten grundsätzlich mit einem wirtschaftlichen Niedergang gleichzusetzen sei, findet sich verschiedentlich, doch Zosimos weiß in Hinblick auf Britannien in seiner Nea Historia Lib. VI für das beginnende 4. Jahrhundert lediglich von der Gründung einer republikanischen Ordnung römischen Vorbild zu berichten und dies sollte man gerade nicht als Beweis für einen ökonomischen und kulturellen Niedergang Britanniens in Anschlag bringen. ZoÌsimou komeÌtos kai apophiskosyneÌgorou Historia nea = Zosimi comitis ex aduocato fisci Historia noua : Zosimus : Free Download, Borrow, and Streaming : Internet Archive Für wirtschaftliche Prosperität brauchte es lediglich Frieden und dieser konnte in manchen Gebieten offenbar auch nach dem Ende der Pax Romana für längere Zeit sichergestellt werden. The Decline And Fall Of The Roman Empire Vol. 4 : Gibbon, Edward : Free Download, Borrow, and Streaming : Internet Archive
Du hast mein Argument anscheinend nicht verstanden (und von einem wirtschaftlichen Niedergang habe ich gar nichts geschrieben): Die Römer zogen ihre Truppen aus Britannien ab und überließen die Insel (und die dortigen Romanen) sich selbst. Und da sollen sie stattdessen lieber mitten in Germanien Truppen stationiert gehabt haben, um eine abgelegene, von Feindesland umgebene, Exklave zu verteidigen?
 
Nebenbei. ich habe die verlegte Kopie einer primitiven Karte römischer Straßen um den Mittelmeerraum wieder gefunden. Sie stammt aus einem Buch (A4) unbekannten Titels und zeigt ein kurzes Stück römischer (schwarz durchgezogen) Straße, die durch de Westen des Thringer Waldes zur (angenommen) mittleren Saale führt. Sonstige Handelswege sind gestrichelt. Es hilft aber nicht weiter, da zu ungenau. Das Blatt, S.330, kann ich leider z.Zt. nicht kopieren. Im Text wird auf "S.329: Info-Kästchen "Provinzen in der Kaiserzeit" hingewiesen. Vielleicht kennt jemand das Buch. Auf der Seite ist oben rechts ein römischer Reisewagen abgebildet, an den ich mich erinnerte.
Nachdem es mir mit großer Mühe gelang, meinen Scanner zu reaktivieren, hänge ich die diskutierte Seite an. Die Stichstraße ist nördlich des Thüringer Waldes zwischen den beiden gestrichelten linken Straßenverläufen zu erkennen.

Hier noch mal die Karte, die durchgezogene Linie stellt sich als unverbundener Strich dar, der zudem schmaler als die Römerstraßen ist.

gmann330-ausschnitt.jpg


gmann330.jpg
 
Der dünnere und beidseitig nicht exakt angebundene Straßenverlauf könnte auf eine unsichere Quellenlage hin deuten.
Es ist einfach ein Strich, vielleicht ein Druckfehler, ohne Bewandnis. Ich hatte gedacht, wir könnten diese Diskussion über diese Chimäre jetzt lassen.
Du solltest diese Überblicksdarstellung aus einem vierzige Jahre alten, populärwissenschaftlichen Buch, das keinerlei wissenschaftlichen Anspruch vertritt, wirklich nicht so ernst nehmen und Hypothesen darauf aufbauen.
 
Gut. So lange wir die Herkunft des Striches nicht ermitteln können, ist er wissenschaftlich ohne Belang. Er liegt allerdings voll auf der Linie unserer Diskussion und ist nahezu deckungsgleich mit der Karte der (keilförmigen) Fundverteilung durch die Thüringer Pforte zur mittleren Saale. Ob rein zufällig, mag die Zukunft zeigen.
 
@ELQ

Wie ist der Titel des Buches zur Karte? Der Knotenpunkt der Handelswege am Zusammenfluss von Elbe und Saale ist hochinteressant. Hier haben wir auch die Lager. Der Verfasser hatte sich vor 40 Jahren sehr große Mühe gegeben. Meinen größten Respekt für sein gutes Gespür.
 
Die grosse Bertelsmann Lexikothek. Pleticha, Heinrich, Mann, Golo: Panorama der Weltgeschichte Band IV. 1983/1988. das ist die Karte, die Opteryx vor einigen Wochen als schlechte Kopie eingeführt hat.
 
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