Besiegt oder Befreit?

xxxx

  • xxxx

    Stimmen: 8 42,1%
  • xxxxx

    Stimmen: 11 57,9%

  • Umfrageteilnehmer
    19
  • Umfrage geschlossen .
heinz schrieb:
Mir wurde erzählt, dass Kartoffeln von ihnen in der Toilettschüssel gewaschen wurden, dann wurde Wasser gezogen und man wunderte sich, dass die Kartoffeln weg waren.

Diese Anekdote ist sogar bis in meinem Wald vorgedrungen.

Ich hoffe mal für dich, du hast nicht alles geglaubt, was dir deine Ostverwandschaft vorgejammert hat, nur um mal ein Packet mehr zu bekommen.
 
Nach langem Nachdenken muss ich zu der Frage aber auch noch einmal etwas loslassen.
An mehreren Stellen wird behauptet, ein grosser Teil der Bevölkerung hätte sich eventuell nicht unterdrückt gefühlt. Das sehe ich aber ganz anders.
Deutschland befand sich in einer militärisch aussichtslosen Lage.
Die Soldaten wurden, ich nenne es mal, verheizt in sinnlosen Kämpfen. Denkt mal an die Endphase des U-Boot-Krieges. Die Besatzungen bestanden fast nur noch aus Jugendlichen (um die 17). Wenn sie einberufen wurden lebten sie durchschnittlich noch 3 Monate.
Ich glaube spätestens ab diesem Zeitpunkt fühlte sich die grosse Mehrheit der Deutschen durch die Kapitulation doch von einem mörderischen Regime befreit.
 
Ich lese eben in 1945. Kriegsende und Neubeginn im Westmünsterland (1995):

Beim Einmarsch war den britischen Soldaten jeglicher Kontakt mit der Bevölkerung untersagt. Doch irritierte sie der Widerspruch zwischen Fakten, Propaganda und persönlichem Erleben: das bekanntwerdende Ausmaß der NS-Verbrechen - z.B. hingen Fotos aus den KZs in den Geschäftszimmern der Einheiten - schienen vorgefasste Meinungen zu bestätigen, aber der persönliche Umgang mit den Menschen vermittelte einen anderen Eindruck und machte die Tatsachen noch unbegreiflicher. Was ein Besatzungsoffizier über die Bocholter sagte, galt gewiss für viele Deutsche: sie fühlten sich befreit, aber wussten nicht, wovon.
 
Ich lese eben in 1945. Kriegsende und Neubeginn im Westmünsterland (1995):

sie fühlten sich befreit, aber wussten nicht, wovon.

Wirkt wie ein treffendes Zitat, zumindest für einen Teil der Bevölkerung. Wobei ich nicht ganz über das Wort "befreit" hinwegkomme. Können Menschen das für sich in Anspruch nehmen, wenn sie das Regime bis 1-2 Jahre zuvor noch zu größten Teilen voll mitgetragen haben? Ernste Frage, ich habe da keine gute moralische Antwort drauf.
 
Ich kann mit dieser "Befreiung" nichts anfangen. Sie ist natürlich aus der Sicht der politischen Parteien von 1985 nachvollziehbar. Ich bin ein Bewunderer von Richard von Weizsäcker. Er war für mich einer der großen deutschen Politiker der Bonner Republik. Hier kann ich seine Idee dieser Rede verstehen, aber nicht teilen. Was war denn die Realität:

  • Deutschland hat 24 % seiner Fläche verloren. Wie konnte sich jemand aus Stettin, Breslau oder Königsberg befreit fühlen? Von was, von materiellen Verpflichtungen wie Haus und Mobiliar?
  • die Eroberung durch die Alliierten ging meines Wissens häufig mit Verbrechen einher. Die sowjetischen Straftaten wie Massenvergewaltigungen sind allgemein bekannt. Ein ähnliches Verhalten von Franzosen und US-Amerikaner wurde und wird von den Medien weitgehend verschwiegen. Schließlich waren dies nach 1945 unsere Verbündete und Beschützer vor asiatischen Horden
  • Deutschland wurde - wie zuvor die von uns besetzten Gebiete - schamlos ausgeplündert. Wenn ein Zug von der britischen in die französische Zone fuhr, kam danach nur Bahnschrott zurück, Die Franzosen klauten jeden Waggon der sich aus der britischen Zone in die französische Zone bewegte. Dies wurde dann durch marodes Material der Franzosen ausgetauscht und in dieses dann in die britische Zone zurück geschickt. Es gibt französische Berichte von Besatzungsoffizieren das sie die beste Zeit ihres Lebens nach 1945 in Deurtschland verbracht hatten. Hier lebten sie in Luxus und mit Personal. Dies war nur vergleichbar mit den Leben von Kolonialbeamten in Französisch Indochina
  • Befreit wurden Sozialdemokraten, Kommunisten, Zeugen Jehovas, Schwule und eine handvoll überlebende Juden. Ausländische Displaced Persons zogen durch das Land und plünderten. Wurde ein Einheimischer dabei erschossen, wen interessierte es. Wer wollte sich wo beschweren?
Und schlussendlich:
Ich finde es schäbig, wenn ich im Fernsehen irgendeine Doku sehe mit einer Botschaft, "Nazi-Deutschland" habe dies und jenes Verbrechen begangen. Das habe doch nichts mit den Deutschen zu tun. Wer bitte, hatte den dieses Regime 12 Jahre lang unterstützt und das Personal gestellt? Das waren nicht irgendwelche Nazis, sondern wir Deutschen - zumindest unsere Großeltern-Generation.

In weiten Teilen meiner Familie fühlte sich niemand befreit. Meine männlichen Vorfahren mütterlicherseits waren bekennende Nazis. Mein Großvater hat bis zu seinem Tod dem NS-Regime die Treue gehalten. Auch von meinen Onkels habe ich noch in den 1980er / 1990er Jahre Aussagen gehört, die mich völlig fassungslos machten. Auf manchen Familienfesten wurde von den älteren Herren zur später Stunde alte "Kampflieder" angestimmt und Helmut Kohl als "Shmuel Cohen" bezeichnet.

Mein Großvater väterlicherseits war zwangsweise zur Waffen-SS eingezogen worden. Dieser Familienzweig hatte in der alten Heimat eine Firma und anderen Besitz verloren. Über den 2. Weltkrieg wurde in der Familie grundsätzlich geschwiegen. Aber befreit wurde dieser Familienzweig auch keinesfalls. Die Hoffnung auf ein Deutschland unter Einschluss von Österreich und Deutsch-Böhmen - für immer vorbei. Das wäre diesem Familienzweig wichtig gewesen.

Ich habe den alten Faden jetzt nur überflogen. Und ja, viele Argumente für und wider sind schon ausgetauscht. Und ich wiederhole daher nur. Deshalb zitiere ich mal unser geschätztes Mitglied Ogrim. Es ist schon alles gesagt, aber noch nicht von mir. :D
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich bin der Ansicht, dass 1945 auch das deutsche Volk befreit wurde. Befreit vom Nationalsozialismus mit dem es sich viel zu intim gemein gemacht hat und von dem es unfähig war, sich selbst zu befreien.

Nordhessen ist recht glimpflich davongekommen. Seine Metropolis Kassel war Oktober 1943 dem Erdboden gleichgemacht worden, und auch kleinere Orte haben etwas auf den Hut bekommen, aber die meisten Städte standen noch, und die Amerikaner zeigten sich als faire Sieger. Es kam nicht zu massenhaften Vergewaltigungen oder zu all den Grausamkeiten, die den Vormarsch der Roten Armee schon in Ungarn und Rumänien begleitet haben.

Frauen, Kinder und Fahrräder waren sicher vor den Amerikanern.

Es endeten endlich die Luftangriffe, es waren keine Sirenen mehr zu hören. Der Krieg ging endlich vorüber, es endete die Angst um Familienangehörige, um Ehemänner, Brüder und Väter.

Es musste nicht mehr verdunkelt werden, es mussten nicht mehr die Türen abgesperrt werden, wenn man sich eine Sendung der BBC oder von Radio Luxemburg anhörte. Es endete die Angst, zum Tode verurteilt zu werden, weil man eine Sau geschlachtet, einen Witz weitererzählt oder Zweifel am Endsieg geäußert hatte.

Vereinzelt kamen auch die ersten Männer aus dem Krieg zurück, viele hatten Abenteuer homerischen Ausmaßes erlebt und mancher hatte sich unter abenteuerlichen Bedingungen durchgeschlagen.

Es endete der Terror! Es wurden die Konzentrationslager und Gefangenenlager befreit. Es ging das Morden zu Ende, es ging die Zeit der Angst, der Paranoia zu Ende. Es endete die Sorge, von Nachbarn und Mitbürgern denunziert zu werden. Es endete die Zeit der verbotenen Bücher, der entarteten Kunst, des staatlich verordneten Kulturbanausentums. All die Grimmes, und Beumelburgs, und Flex verschwanden mit Mein Kampf und dem Mythus des 20. Jahrhunderts da wo sie hingehörten: in den Keller oder Speicher, wohin auch die Führerbilder und -Büsten verschwanden.

Es endete die Zeit der Angst: Angst vor Fliegerangriffen, Angst vor Blockwarten, Angst vor dem Briefträger, der schwarzumrandete Briefe zustellte, in denen den Hinterbliebenen mitgeteilt wurde, dass der Mann oder Bruder für Großdeutschland gefallen ist, oder auch Briefe, in denen mitgeteilt wurde, dass Israel Soundso oder Sarah Soundso an Herzversagen im Osten oder im Schwarzwald verstorben ist und der Hinterbliebene soundsoviel für dessen Entsorgung bezahlen muss.
Es endete die Zeit des Misstrauens, dass Klima der Angst und Denunziation.

Es waren viele der alten Nachbarn verschwunden, es waren vor allem die Juden verschwunden, es kamen aber neue Nachbarn. Aus Ostpreußen, Schlesien, Pommern oder auch aus Siebenbürgen und der Bukowina.

Wie es weitergeht und wie es weitergehen soll, dass war häufig völlig unklar, dass es aber weitergeht und weitergehen muss- dass war doch allgemeine Überzeugung.
 
Mein Problem mit dem Begriff "befreit", im Bezug auf das Jahr 1945 wäre, dass in meinem Verständnis sich eine Befreiung dadurch auszeichnet, dass sie die Freiheit zur Folge hat.
Dazu gehört für mich, aber wenn man auf der Ebene der Gesamtbevölkerung oder Deutschlands argumentiert nicht nur die persönliche Freiheit des Einzelnen, sondern auch die Freiheit der Bevölkerung die Belange ihres öffentlichen Zusammenlebens ohne Bevormundung durch andere selbst zu regeln.

War das der Fall? Ich meine nein. Jedenfalls nicht unmittelbar.

Im Osten ohnehin nicht. Auch der Westen des Landes wurde besetzt, geteilt und überregionale politische Selbstbestimmung erstmal unterbunden, während sich die Besatzungsmächte zunächst alle wichtigen Entscheidungen in überregionalen Angelegenheiten selbst vorbehielten.

In den 1950er Jahren nach der Wiederherstellung eines zusammenhängenden deutschen Staatsgebiets, der Ablösung des Besatzungsstatuts und der normalisierung des völkerrechtlichen Status der Bundesrepublik und der weitgehendenn Normalisierung der interntationalen Beziehungen, wird man sicherlich davon ausgehen können, dass damit für den westdeutschen Staat ein Grad an Souveränität erreicht war, der die Freiheit der Bevölkerung ihre Belange ohne auswärtige Bevormundung selbst zu regeln, nicht mehr behinderte.
An diesem Punkt um 1955 herum würde ich von einer tatsächlich abgeschlossenen Befreiung sprechen.

1945 wurde die Gewaltherrschaft des NS-Systems mit all ihren verbrecherischen Auswüchsen beendet, wofür man nur dankbar sein kann, allerdings die Freiheit für das Land oder seine Bevölkerung, abseits der persönlichen Ebene waren die danach folgenden Jahre der Besatzungherrschaft bis in die 1950er Jahre hinein sicher nicht.

Von dem her scheint mir der Begriff "Befreiung" unpassend, zumindest wenn man ihn auf den direkten Kontext des Jahres 1945 oder die unmittelbar folgende Zeit bezieht.

Den Begriff "besiegt" halte ich auch nicht unbedingt für passend, jedenfalls wenn man ihn auf die gesamte Bevölkerung beziehen wollte, denn das würde erstmal voraussetzen, dass diese Bevölkerung aktiv gekämpft hätte.
Mindestens im Westen, dachte der weitüberwiegende Teil der Zivilbvölkerung aber überhaupt nicht daran, irgendwelchen ernsthaften Widerstand im Sinne eines Volkskrieges zu leisten, sondern war einfach froh, wenn die Briten oder Amerikaner einrückten, so dass man ihnen den Ort möglichst kampflos und mit wenig Zerstörung übergeben konnte und der ganze Spuk endlich vorbei war.
Da wurde die Möglichkeit der Kapitulation und sich unter den Schutz der alliierten Streitkräfte zu stellen weitgehend eher herbeigesehnt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich bin der Ansicht, dass 1945 auch das deutsche Volk befreit wurde. Befreit vom Nationalsozialismus mit dem es sich viel zu intim gemein gemacht hat und von dem es unfähig war, sich selbst zu befreien.
Dem - und auch dem Rest deines Beitrags - stimme ich zu.

Lediglich zu diesem Statement
All die Grimmes, und Beumelburgs, und Flex verschwanden mit Mein Kampf und dem Mythus des 20. Jahrhunderts da wo sie hingehörten: in den Keller oder Speicher, wohin auch die Führerbilder und -Büsten verschwanden.
habe ich eine Ergänzung zu machen: Es waren offenbar zu viele, die Nazi-Devotionalien vielleicht mit dem Hintergedanken aufbewahrten: Man kann ja nicht wissen, was noch kommt. Und jetzt, nach beinahe 80 Jahren, sind sie bei manchen Enkeln wieder begehrt. Aber leider nicht wegen ihres historischen Wertes, sondern wegen der Ideen, die sie repräsentieren.
 
Dem - und auch dem Rest deines Beitrags - stimme ich zu.

Lediglich zu diesem Statement habe ich eine Ergänzung zu machen: Es waren offenbar zu viele, die Nazi-Devotionalien vielleicht mit dem Hintergedanken aufbewahrten: Man kann ja nicht wissen, was noch kommt. Und jetzt, nach beinahe 80 Jahren, sind sie bei manchen Enkeln wieder begehrt. Aber leider nicht wegen ihres historischen Wertes, sondern wegen der Ideen, die sie repräsentieren.


Ich habe mich als Kind und auch später als Erwachsener immer wieder gefragt, wozu die das aufgehoben haben. Manches war ja geradezu bizarr. Das Bizarrste was ich zu Gesicht bekam, waren arische Christbaumkugeln in gotischer Schrift mit deutschem Gruß. Rest einer Kollektion , die 1945 den Amerikanern in die Hände fiel. Die GIs müssen sich gefreut haben. Meine Oma sagte immer, sie gingen wie fröhliche Kinder die soeben beschert wurden. Schwer belastendes Material hatte meine Großtante im Misthaufen versteckt.

Mein Großonkel war ein 150 Prozentiger. Wegen Einnahme einer Höhe bekam er das Ritterkreuz, und er war Zeitlebens überzeugt, dass der NS gute Ideen hatte, die schlecht ausgeführt wurden.

Aber auch der wünschte sich nicht ernsthaft die Nazis zurück, und als sie dran waren hat ihm auch manches nicht gepasst. Zum Beispiel wollte er sich nicht vorschreiben lassen, mit wem er Viehhandel betrieb.
 
Der Krieg war für Hitler bereits verloren, als die Amerikaner in Europa eingriffen (spätestens seit Stalingrad). A

Ich würde meinen seit der verlorenen Schlacht um Moskau im Winter 1941. Nun war klar, das Russland sich nicht eben mal im Vorbeigehen "erledigen" ließ, sondern das ein langer Abnutzungskrieg bevorsteht und den konnte Nazi-Deutschland nicht gewinnen. Des Weiteren meinte ein gewisser H. aus B. auch noch im Dezember 1941 den USA den Krieg zu erklären. Der Kerl hatte den Verstand verloren.
 
Der Krieg war de facto schon verloren, als eine Landung in England sich als unmöglich erwies, und als die deutsche Luftwaffe, bei horrenden Verlusten an erfahrenen Piloten, die Luftüberlegenheit verloren hatte.

Spätestens mit der Versenkung der Bismarck im Mai 1941 war es der Marineführung deutlich, dass keine Ressourcen für den Aufbau einer Seeherrschaft vorhanden waren.

Der Ausbau der U-Boot-Flotte hatte ja nur noch eine strategisch-defensive Zielsetzung und Wirkung.

Der Krieg wäre auch ohne den Überfall auf Russland nicht zu gewinnen gewesen.
 
Der Krieg war de facto schon verloren, als eine Landung in England sich als unmöglich erwies, und als die deutsche Luftwaffe, bei horrenden Verlusten an erfahrenen Piloten, die Luftüberlegenheit verloren hatte.
Stimmt, das sehe ich ganz genau so. So lange Großbritannien als Gegner vorhanden war - und sie waren ein starker Gegner zu jeder Zeit, auch als die Briten 1940/41 ganz alleine gegen Hitler standen - konnten die Nazis nicht hoffen, die Herrschaft über ganz Europa zu erringen. Man muss dem militärischen Komplett-Dilettanten Göring dankbar sein, dass er eine vollkommen falsche Strategie gegen die Royal Air Force anwenden ließ und auch während der Battle of Britain nicht aus seinen Fehlern lernte. So hat das Fighter Command mit allerletzter Kraft die Angriffe der Luftwaffe abwehren können.
 
So lange Großbritannien als Gegner vorhanden war - und sie waren ein starker Gegner zu jeder Zeit, auch als die Briten 1940/41 ganz alleine gegen Hitler standen - konnten die Nazis nicht hoffen, die Herrschaft über ganz Europa zu erringen.
So lange Großbritannien alleine war und das war bis zum Sommer 1941 der Fall, hätte es mittelfristig den Krieg gegen Deutschland verloren, einfach weil Deutschland mittlerweile die Industrien und Ressourcen nicht nur des eigenen Landes, sondern auch die der besetzten Länder Europas zur Verfügung standen.
Dagegen wäre die britische Industrieleistung auf Dauer nicht angekommen. Die Briten konnten zwar ergänzendes Material in den USA einkaufen, aber zunächst nur gegen harte Währung und auch nach dem Lend-Lease-Act erstmal nur, so lange Großbritannien in den USA als kreditwürdig betrachtet wurde.

Das hätte sich, wenn sich in Europa nichts getan hätte, nicht dauerhaft aufrecht erhalten lassen.

Man kann darüber verhandeln, ob die Nazis/NS-Deutschland den 2. Weltkrieg in dem Moment verloren, als die UdSSR überfallen wurde.
So lange das aber noch nicht der Fall war, hatte Deutschland eigentlich ganz gute Karten Großbritannien mittelfristig zu überrüsten und zum Frieden zu zwingen.
Aber 1940, als klar war, dass man Großbritannien nicht schnell besiegen könnte, war das nicht der Fall, weil es keinesfalls ausgemacht war, dass die Briten neue Verbündete finden würden.
Das hatten die Nazis wohl durchaus selbst in der Hand, da sich Stalin an den Pakt hielt, den er mit Hitler hatte und Großbritannien ohne die Sowjetunion als Verbündeten kein realistische Möglichkeit besaß Zugriff auf den europäischen Kontinent zu bekommen und den Krieg tatsächlich nach Deutschland zu tragen.
 
Das ändert alles nichts.
  • Unterlegenheit der deutschen Luftwaffe 1940
  • Unterlegenheit der deutschen Luftwaffe 1941
  • Unterlegenheit der deutschen Marine 1940
  • Unterlegenheit der deutschen Marine 1941

Und keinerlei Aussicht auf strategische Besserung!

  • Hätte der Weihnachtsmann der deutschen Marine einige weitere Großkampfschiffe à la Bismarck beschert: keine Chance, da nicht genügend Treibstoff verfügbar.
  • Britische Radartechnik: 1941 verfügbar, und mit deren Verfügbarkeit jederzeit taktische Überlegenheit in der Defensive, jederzeit örtliche Überlegenheit im Luftkampf möglich
  • Verlust der deutschen Ausbildungsfähigkeit an fliegerischem Nachwuchs.
  • Von 1940 bis 1944: durchgehend bessere Kolbenmotoren auf britischer Seite, Scheitern der deutschen Motorenentwicklung.
  • Keine deutschen Viermot-Bomber bzw. keine strategischen Bomber vorhanden, keine in der Entwicklung
  • Keine deutschen Langstreckenjäger
  • 1938 - 1940: De Havilland Moskito entwickelt, 1941 einsatzbereit. Fernaufklärer, Höhenbomber, Nachtjäger, und über Jahre nicht abzufangen, Reichweite bis nach Berlin.
  • Horrende Verluste der deutschen Luftwaffe, Scheitern aller deutschen Angriffskonzepte im Luftkrieg
  • Mai 1941: mit dem verlustreichen Fallschirmjägereinsatz auf Kreta endet auch dieses Konzept
  • Mai 1941: nach dem Untergang der Bismarck Verzicht auf Bau von neuen deutschen Großkampfschiffen
  • Schon 1941 Zwang zum ressourcenfressenden und personalintensiven Aufbau der Flakartillerie und der Nachtjagd
  • Und das alles vor dem Angriff auf die Sowjetunion
 
Zuletzt bearbeitet:
Das hätte sich, wenn sich in Europa nichts getan hätte, nicht dauerhaft aufrecht erhalten lassen.
Das ist aber genau der Knackpunkt in deiner Argumentation: hätte... Oder auch, müsste, sollte, wäre. Du spekulierst. Ziemlich fundiert, keine Frage, aber eben Spekulation. Ich spekuliere nun auch einmal: Die USA hätten eine deutsche Hegemonie Europas (die weit darüber hinausgereicht hätte) niemals zugelassen - die bereits massive materielle Unterstützung Großbritanniens 1940/41 lässt kaum anderes vermuten. Ja, die Bevölkerung der USA war mehrheitlich gegen eine Beteiligung am Krieg. Aber was die Bevölkerung denkt ist nicht zwingend deckungsgleich mit dem was die Regierungen beschließen. Roosevelt hätte ja bereits die Angriffe deutscher U-Boote auf amerikanische Handelsschiffe im Frühjahr und Sommer 1941 als Kriegsgrund ausreichen können. Da hätten die Menschen wohl massiv ihren Unmut geäußert, aber was hätte es genützt, wenn da doch bereits der Kriegszustand mit Deutschland hergestellt worden wäre? Genau, gar nix. Die Mobilisierung wäre eben schon ein halbes oder viertel Jahr vor Pearl Harbor angelaufen. Und das war nun meine Spekulation. :)
 
Dieser Thread ist zwar schon ein paar Tage alt (07.07.2004), aber er ist aktuell.

„Das große Karthago führte drei Kriege. Es war noch mächtig nach dem ersten, noch bewohnbar nach dem zweiten. Es war nicht mehr auffindbar nach dem dritten.“

Man sagt im Allgemeinen wiederholen sich nicht Vorgänge in der Historie die einmal stattgefunden haben. Aber ist das immer so?
Gerade mit dem II. WK habe ich so meinen Zweifel.

Deutschland besiegt oder befreit?
  • Militärisch und technisch-ökonomisch besiegt (Menge, Qualität, Ressourcen usw.).
  • Politisch befreit von wahnsinniger(n) Ideologie/Ideologen (z.B. Lebensraum – Ideologie, Rassen – Ideologie usw.).
 
Mein Problem mit dem Begriff "befreit", im Bezug auf das Jahr 1945 wäre, dass in meinem Verständnis sich eine Befreiung dadurch auszeichnet, dass sie die Freiheit zur Folge hat.
Dazu gehört für mich, aber wenn man auf der Ebene der Gesamtbevölkerung oder Deutschlands argumentiert nicht nur die persönliche Freiheit des Einzelnen, sondern auch die Freiheit der Bevölkerung die Belange ihres öffentlichen Zusammenlebens ohne Bevormundung durch andere selbst zu regeln.

War das der Fall? Ich meine nein. Jedenfalls nicht unmittelbar.

Im Osten ohnehin nicht. Auch der Westen des Landes wurde besetzt, geteilt und überregionale politische Selbstbestimmung erstmal unterbunden, während sich die Besatzungsmächte zunächst alle wichtigen Entscheidungen in überregionalen Angelegenheiten selbst vorbehielten.

In den 1950er Jahren nach der Wiederherstellung eines zusammenhängenden deutschen Staatsgebiets, der Ablösung des Besatzungsstatuts und der normalisierung des völkerrechtlichen Status der Bundesrepublik und der weitgehendenn Normalisierung der interntationalen Beziehungen, wird man sicherlich davon ausgehen können, dass damit für den westdeutschen Staat ein Grad an Souveränität erreicht war, der die Freiheit der Bevölkerung ihre Belange ohne auswärtige Bevormundung selbst zu regeln, nicht mehr behinderte.
An diesem Punkt um 1955 herum würde ich von einer tatsächlich abgeschlossenen Befreiung sprechen.

1945 wurde die Gewaltherrschaft des NS-Systems mit all ihren verbrecherischen Auswüchsen beendet, wofür man nur dankbar sein kann, allerdings die Freiheit für das Land oder seine Bevölkerung, abseits der persönlichen Ebene waren die danach folgenden Jahre der Besatzungherrschaft bis in die 1950er Jahre hinein sicher nicht.

Von dem her scheint mir der Begriff "Befreiung" unpassend, zumindest wenn man ihn auf den direkten Kontext des Jahres 1945 oder die unmittelbar folgende Zeit bezieht.

Den Begriff "besiegt" halte ich auch nicht unbedingt für passend, jedenfalls wenn man ihn auf die gesamte Bevölkerung beziehen wollte, denn das würde erstmal voraussetzen, dass diese Bevölkerung aktiv gekämpft hätte.
Mindestens im Westen, dachte der weitüberwiegende Teil der Zivilbvölkerung aber überhaupt nicht daran, irgendwelchen ernsthaften Widerstand im Sinne eines Volkskrieges zu leisten, sondern war einfach froh, wenn die Briten oder Amerikaner einrückten, so dass man ihnen den Ort möglichst kampflos und mit wenig Zerstörung übergeben konnte und der ganze Spuk endlich vorbei war.
Da wurde die Möglichkeit der Kapitulation und sich unter den Schutz der alliierten Streitkräfte zu stellen weitgehend eher herbeigesehnt.

Eingedenk der Tatsache, dass die Freiheit unter dem Faschismus und Nationalsozialismus ein gar zu bedrücktes, kümmerliches Dasein fristete, da ist doch das Verdienst der Alliierten, dass sie das Recht auf Leben, Freiheit und das Streben nach glück nicht nur wieder hergestellt, sondern auch garantiert haben unbestritten. Sie haben relativ schnell wieder öffentliche Ordnung und Sicherheit wiederhergestellt, und das war angesichts der Tatsache, dass das deutsche Volk bis an die Zähne bewaffnet war, das war angesichts von Schwarzmarkt und Bandenkriminalität keineswegs selbstverständlich.

Die Briten und Amerikaner haben Deutschland gnadenlos bombardiert, sie haben sich aber im Großen und Ganzen als faire Sieger gezeigt, Die brtische und amerikanische Gefangenschaft war in den allermeisten Fällen erträglich, die Bundesrepublik gewann relativ schnell ihre Souveränität zurück. Beim Aufbau der Polizei wurden recht schnell deutsche Beamte wieder eingesetzt. Bis 1955 hatte die Bundesrepublik bis auf den Berlin Status die volle Souveränität zurück gewonnen.

Von den Wissenschaftlern und Künstlern, die in Deutschland geblieben waren, hatten sich fast alle irgendwie mit den Nazis arrangieren müssen. Von den Emigranten waren etliche nicht mehr am Leben. Fachleute, Beamte die völlig unbelastet waren, gab es praktisch nicht.

Die Staatsgewalt in Deutschland war völlig zusammengebrochen, es war an den Alliierten, überhaupt eine Staatsgewalt wieder herzustellen.

Die Alliierten haben Grundfreiheiten wieder Geltung verschafft, sie haben sie garantiert. Sie haben die KZ befreit, Presse-, Meinungs-Versammlungs-Freiheit garantiert, und sie haben dabei auch Deutsche eingebunden.

Die beiden deutschen Staaten haben neide recht bald ihre Souveränität, die BRD die volle Souveränität zurückgewonnen.

Verglichen mit dem 1. Weltkrieg ist Deutschland vor allem der Westen sehr glimpflich davon gekommen. Innere Sicherheit und öffentliche Ordnung wurden wieder hergestellt, Grundfreiheiten durchgesetzt und garantiert, und das alles ist völlig friedlich passiert.

Gemessen, an dem was vorher war, gemessen auch an dem, was an Waffen in der Bevölkerung in Privatbesitz noch vorhanden war, war es keineswegs selbstverständlich, dass es so verlief, wie es dann kam.

Bei der Mehrheit der Bevölkerung in Ost und West war darüber große Erleichterung vorhanden. Ich bin daher auch der Ansicht, dass auch Deutschland 1945 befreit wurde. Befreit vom NS, befreit von Angst vor der eigenen Regierung, von der Angst um Familienangehörige. Die beiden deutschen Staaten wurden bald wieder souverän. Auch das war nicht selbstverständlich. Der Unsinn von absurden Reparationen wurde nicht wiederholt, die Staatsgewalt war völlig zusammengebrochen, unbelastete Fachkräfte standen nicht (früher) zur Verfügung.
Nach dem, was an Verbrechen durch deutsche Dienststellen begangen wurden,, war durchaus verständlich und nachvollziehbar, wenn
da auch eine gewisse Skepsis und Zurückhaltung vorhanden war, deutschen Dienststellen die volle Autorität über Polizei, Grenzschutz, Geheimdienste, Rechtspflege zu geben, wenn da nur Mitarbeiter vorhanden waren, die vor kurzem noch im Reichssicherheitshauptamt saßen.

Gemessen daran, was vorher war, gewann Deutschland schnell wieder seine Souveränität zurück, und auch das war nicht selbstverständlich.

Ich bin daher auch der Meinung, dass mit vollem Recht von einer Befreiung gesprochen werden kann.


Natürlich wurde Deutschland im 2. Weltkrieg besiegt. Wenn deutschland nicht besiegt wurde, welche Nation wurde denn dann überhaupt je besiegt.

Im 1. Weltkrieg hatte es bis Kriegsende keine gegnerischen Truppen auf deutschem Boden gegeben. Im 2. Weltkrieg führte Deutschland den totalen Krieg, und am Ende stand die totale Niederlage, die bedingungslose Kapitulation.

Deutschland wurde nicht besiegt, es hat nur den Krieg verloren, aber sowas von verloren.
 
Die beiden deutschen Staaten haben neide recht bald ihre Souveränität, die BRD die volle Souveränität zurückgewonnen.
Ich bin mit dem was du schreibst grundsätzlich einverstanden, mir geht es eher darum, dass ich in Teilen die populäre Erinnerungskultur etwas schräg finde, wenn diese sich diese Auf den Standpunkst stellt, dass das Jahr 1945 das Jahr der Befreiung gewesen sei und ähnliche Floskeln.

Nein, 1945 war nicht das Jahr der Befreiung, sondern das Jahr, in dem im Westen die Befreiung begann, die aber war ein Prozess (und das konnte nach 12 Jahren NS-Diktatur auch gar nicht anders sein), der sich über Jahre hinzog.

Ich habe überhaupt nichts dagegen den Westmächten die Leistung der Befreiung zuzugestehen, in gewissem Maße durchaus auch den Sowjets, denn dere System, dass in der werdenden DDR installiert wurde, war zwar repressiv, allerdings konnten sich Einwohner im Gegensatz zu Deutschland unter dem NS-Regime wenigstens ihres Lebens einigermaßen sicher sein.

Aber dieses Überladene in der Erinnerungskultur, dass diesen Prozess teilweise auf das Kriegsende einzudampfen versucht, dass geht mir um ehrlich zu sein etwas auf den Keks, weil das unmittelbar in den Monaten nach dem Krieg nicht unbedingt dem Empfinden der Bevölkerung ensprochen haben wird.
Die wird in weiten Teilen jedenfalls dankbar gewesen sein, dass der Krieg vorbei war und auch, dass die Siegermächte sehr viel dafür taten das Überleben der Bevölkerung zu sichern und beim Wiederaufbau der Infrastruktur zu helfen.

Die Bevölkerung wird aber sehr wohl auch registriert haben, dass sie unter der Herrschaft der Besatzungsmächte erstmal nicht die Möglichkeiten zur Selbstbestimmung besaßen, wie sie das aus der Weimarer Republik her noch kannten (jedenfalls die Älteren) und ees wird sicherlich auch erstmal ein latentes Gefühl der Unsicherheit vorhanden gewesen sein, wie es jetzt weitergehen würde, ob man mittelfristig wieder zu Souveränität und einigermaßen gegebener Selbstbestimmung kommen würde, oder aber, ob man die nächsten Jahrzehnte jedes mal, wenn man irgndwas wollte, sei es einen Verein gründen, eine Zeitung herausgeben oder etwas anderes, erstmal bei den Vertretern der Siegermächte würde anfragen müssen.
Diese Ungewissheit wird in den ersten Monaten, vielleicht sogar in den ersten 1-2 Jahren vorhanden gewesen und der Wahrnehmung völlig befreit zu sein aus der Sicht der Zeitgenossen etwas entgeegengestanden haben.

Verglichen mit dem 1. Weltkrieg ist Deutschland vor allem der Westen sehr glimpflich davon gekommen.
Gehe ich nicht mit, jedenfalls nicht, was die unmittelbare Nachkriegszeeit beetrifft, weil die Versorgungsprobleme, gerade in den vom Krieg schwer getroffenen Industriestädten einfach extrem waren.

Mittelfristig hast du sicherlich recht damit, dass es durchaus gut war, dass die Bevölkerung entwaffnet und die NS-Strukturen einigermßen konsequent abgebaut und neuangefangen wurde und das wäre ohne die Besatzungsmächte sicherlich nicht gegangen.

Befreit vom NS, befreit von Angst vor der eigenen Regierung, von der Angst um Familienangehörige.
Naja, dass mit der Befreiung vor der Angst um Familienanghörige würde ich angesichts der Problematiken von Flucht und Vertreibung und was damit an Auseinanderbrechen von Familien und der Problmatik der Vermissten angeht, etwas anders sehen.
Auch war da natürlich die Problematik der Kriegsgefangenschaft im Besonderen, in der Sowjetunion, wo die Angehörigen teilweise bis in die 1950er Jahre nichts genaues wussten und nur hoffen und bangen konnten.

Man musste sicherlich keine Angst mehr haben, dass die Eigenen Familien von einem Regime terrorisiert würden, jedenfalls in den Westzonen nicht, aber die Angst um Vermisste Familienmitglieder, die wird bei vielen noch eine ganze Zeit lang vorhanden gewesen sein.

Der Unsinn von absurden Reparationen wurde nicht wiederholt
Das ist, mindestens was den Westen betrifft richtig, zwischen der DDR und der Sowjetunion kam es ja durchaus zu einer Reparationsregelnung, allrdings wurde der Verzicht darauf ja nicht bei Kriegsende beschlossen, sondern erst in den 1950er Jahren und Regelungen zwischen der Bundesrepublik und den Staateen des Ostblocks, im besonderen Polen, standen ja im Prinzip bis zum Ende des kalten Krieges noch aus.

Auch über dieses Thema dürfte sich die Bevölkerung unmittelbar bei Kriegsende durchaus so ihre Gedanken gemacht haben und die werden gemessen an den Erfahrungen des 1. Weltkriegs nicht unbdingt zu besonders freudigen Erwartungen geführt haben.

Ich bin daher auch der Meinung, dass mit vollem Recht von einer Befreiung gesprochen werden kann.
Wie gesagt, ich bin durchaus nicht im Grundsatz dagegen, ich bin nur durchaus dafür, zwischen der unmittelbaren Situation am Ende des Krieges, als für die Bevölkerung nicht absehbar war, wie es weitergehen würde und der Situation 5 oder 10 Jahre danach zu unterscheiden, ganz einfach deswegen, weil sich in dieser Zeit in der Wahrnehmung der Bevölkerung viel getan haben dürfte.
 
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