Warum keine Neutralitätspolitik?

@Shinigami (nach dieser gewaltigen Wortlawine) warum setzte man überhaupt Verträge auf, wenn es doch nach deiner Darstellung Usus war, diese nicht ernst zu nehmen, sondern nach Lust und Laune zu brechen? Und diese Praxis müsste doch allen bekannt gewesen sein, sodass die mühsame Verhandelei a priori sinnlos war - warum machten die das trotz dieses Wissens?

Gute Frage.
 
Man könnte sich jetzt spitzfindig darüber unterhalten, ob rein juristisch gesehen dieser Vertrag wegen der Missachtung der Informationspflicht seitens Berlin und Wien und wegen dem Kompensationsartikel und der Wiener Weigerung Kompensation von Beginn an in Aussicht zu stellen, obwohl Rom, wenn Wie beabsichtigte den territorialen Zuschnitt Serbiens zu verändern (was es tat, wenn auch nicht zu eigenen Gunsten, sondern zu denen Bulgariens) möglicherweise kompensationsberechtigt gewesen wäre, möglicherweise ohnehin bereits gegenstandslos geworden war.

Das nur am Rande.

Na, meinst du etwas die Informationspolitik, die Italien während und vor des Tripoliskrieges praktizierte? und beim Besetzen der Inseln auch das Kompensationsthema schlicht ablehnte; soo ganz anders als 2,5 Jahre später. Na ja, wobei anzumerken ist, das Österreich-Ungarn noch gar nichts erobert hatte, aber trotzdem schon einmal Forderungen erhoben wurden, und auch nichts für sich beanspruchen wollte; ganz im Gegensatz zu Italien.
 
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ch würde annehmen, um auf eine gewisse Zeit ein gewisses Maß an Sicherheit zu gewinnen.

Italien gefiel sich, ich habe es schon oben geschrieben hast du wohl überlesen, darinnen, den Dreibundvertrag zügig zu verlängern, da es zu Spannungen mit Frankreich während des Tripoliskrieges gekommen war. Da war dann der Schutz und die Sicherheit des Dreibundes plötzlich sehr willkommen.............. und kein "heiliger Egoismus" wurde vollmundig postuliert.
 
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Denn eins ist doch offensichtlich: So lange Krieg als legitimes Mittel der Politik galt um eigene Interessen duchzusetzen, standen Verträge die das Kräfteverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt abbildeten grundsätzlich zur Disposition.

Oha. Du führst gerade das Völkerrecht ad absurdum.
Dann stellt sich doch die Frage, weshalb bloß in soo vielen Streitfragen immer wieder Bezug auf völkerrechtlich verbindliche Verträge genommen wurde? Sehr schön bespielsweise ini beiden Marokkokrisen zu betrachten.

Die französische Öffentichkeit damals hielt es offensichtlich für vollkommen normal wegen sowas Krieg anzufangen (und damit auch gleich mal bestehende Regelungen in Sachen Grenzverlauf infrage zu stellen).

Es war doch schon ein wenig komplizierter.

Die internationale Empörung darüber hielt sich in Grenzen, jedenfalls erschien das französische Handeln keiner der anderen Großmächte derart verächtlich, dass diese sich genötigt gesehen hätten aktiv einzugreifen und dem Rowdytum Frankreichs als Akteur die Grenzen aufzuzeigen.

Zumindest waren sich alle Großmächte darüber einig, das Frankreich der Aggressor war und das schon einmal per se sehr günstig.
 
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Das Angebot der Überlassung des Trentino kam erst, als die Entente schon wesentlich mehr geboten hatte und das Österreichische Angebot hatte den Haken, dass Wien darauf bestand Italien das Gebiet erst nach dem Krieg zu überlassen.
Das heißt Rom hätte unter diesen Umständen die Katze im Sack gekauft und wäre das Risiko eingegangen, dass Wien dann möglicherweise von seinem Verprechen nach gewonnenem Krieg nichts mehr würde wissen wollen.

Das gehört zu den Tatsachen schon auch mit dazu.

Ist ja wohl auch verständlich. Schließlich sollte Österreich-Ungarn sein eigenes Territorium "sofort" herausrücken; man beachte die Außenwirkung auf potenzielle Bündnispartner wie Bulgarien oder Rumänien.
Und abschließend wurde die italienischen Forderung akzeptiert. Das gehört auch dazu.
 
Aber die Krux ist ja, dass so lange Giolitti und sein Neutralitätskurs in Italien populär waren Wien sich weiterte Italien irgendwas anzubieten.

Du übersiehst dabei ein paar Kleinigkeiten. Italien war der Verbündete Österreich-Ungarn und hat gerade vor 2 Jahren um eine vorzeitige Verlängerung gebettelt; es brauchte wieder einmal Schutz.

Wie sah das Verhalten Österreich-Ungarn aus, als Italien einen freien Rücken benötige. Beispielsweise die kolonialen Abenteuer, bei denen man sich auf offener Bühne vor der Welt bis auf die Knochen blamierte.

Oder nehmen wir das Erdbeben 1908. Hat Österreich-Ungarn diese "günstigen" Gelegenheiten" etwa genutzt, um im Süden endlich Ruhe vor dem italienischen Irredentismus zu bekommen. Nein und Conrad wurde seinem Job geworfen, weil er wieder gebetsmühlenartig seine Forderung nach einen präventiven Feldzug wiederholte.Nach dem, was dann tatsächlich geschehen war, muss wohl konstatiert werden, das der Mann wohl recht hatte und sich sowohl Kaiser Franz Joseph als auch der Ballhausplatz vollständig über den Charakter des eigenen Verbündeten getäuscht haben.
 
Also ich denke "machiavellistisch" und rücksichtslos, war die Auffassung, die dem Imperialismus als solchem zu Grunde lag im Allgemeinen und damit auch die Praxis.

Und das Missachten von Verträgen war keine italienische Spezialität, sondern zumindest, wenn man sich die koloniale Sphäre anschaut eher die Regel in der politischen Praxis der Großmächte.
Z.B. dann, wenn sie in ihren Kolonialen Auseinandersetzungen internationale Abkommen zur Kriegsführung, die sie selbst unterschrieben hatten, einfach mal souverän missachteten.

Die imperialen Akteure Europas waren ja durch die Bank der Meinung Rechte welcher Art auch immer ausschließlich sich selbst zuzugestehen und Verträge, die theoretisch die Rechte und Rechtsgüter der Bewohner von Teilen Afrikas und Asiens oder deren Gesellschaften, Ländern oder Korporationen schützten einfach mal für nichtig zu betrachten, wenn sie gerade den eigenen Intessen im Weg waren.

Insofern finde ich es ein wenig unangebracht, sich über das Missachten von Verträgen auf italienischer Seite derart zu Echauffieren. Wenn Italien damit ein Tabu gebrochen hat, dann allenfalls dadurch, dass es Verträge mit europäischen Akteuren missachtete, aber nicht dadurch, dass es Verträge im Allgemeinen missachtete.
Und ob selbst das so ein Unikum war? Ich glaube auf dem Weg zur deutschen Einheit haben auch Preußen und Österreich diverse Verträge in extermer Weise missachtet, die sie wechselseitig untereinander und mit anderen Vertragsparteien der Deutschen Bundesakte von 1815 hatte.

Ein Bismarck selbst, hat als er 1866 dem Königreich Italien im Fall eines gemeinsamen, erfolgreichen Krieges gegen Österreich Venetien als Beute anbot im Prinzip genau die gleiche Politik betrieben, wie später die Entente Mächte und hat genau dieses Verhalten Italiens seinerzeit gefördert und belohnt.

Interssanterweise ist diese Episode italienischen Opportunismusses und Machiavelismusses nicht als besonders negativ in die deutsche Geschichtsschreibung eingegangen - kein Wunder, es hätte ja irgendwie am Ruf des Nationalheiligen Bismarck und dessen Darstellung als "ehrlicher Makler" gekratzt-.

Also merke, wenn sich Italien von Berlin unter Bruch der Deutschen Bundesakte, da Berlin damit eine auswärtige Macht zum Krieg gegen ein Bundesmitglid anstachete, ködern ließ dann war das in Ordnung und nicht zu beanstanden.

Wenn es sich von der Entente unter Bruch des Dreibundvertrags kaufen ließ, dann war das unverzeihlicher Verat hervorgerufen durch einen absolut miesen Charakter und Beutegier.

Finde den Fehler.


Was das Thema Ansprüche angeht:

Ich denke der Beruf auf die historischen Territorien der Republik Venedig war im Kern nicht Unsinniger als der Beruf manches Deutschen Nationalisten anno 1871/1871, der versuchte die Annexion Elsass und Lothringens damit zu begründen, dass diese Territorien anno Schnee mal zum alten Römisch-Deutschen Kaiserreich gehört hatten.

Italien war so wenig Venedig, wie Preußen-Deutschland in irgendeiner Form Rechtsnachfolger des alten Heiligen Römischen Reiches war, und die Bevölkerung fragte man vorsichtshalber nicht.


Bismarck begründet die Annexion Elsass-Lothringens seinerzeit mit strategischen und militärgeographischen Interessen, dass man annektieren müsse, wegen der Festungen und um ein militärisches Vorfeld gegen Frankreich zu haben. Die italienische Argumentation war zum Teil ähnlich. Zum Teil wurden Gebiete an der Östlichen Adria einfach deswegen gefordert, weil sich diese durch die Geographie steilerer Küsten und geschützter Buchten besser als Marinestützpunkte eigneten, als die italienischen Häfen etc.

Und natürlich spielte für Italien eine Rolle die Adria für sich selbst weitgehend zu sichern um eine Hand auf den Handel im Westbalkan zu bekommen.
Die Annexion Elsass-Lothringens sicherte zwar keine Küste, monopolisierte aber den Oberrhein als Verkehrs- und Handelsroute für das deutsche Reich, was sicherlich die deutschen Einflussmöglichkeiten in der nördlichen und nordwestlichen Schweiz stärkte.


Man kann da gewisse Parallelen sehen, Frage ist, will man.

Elsass-Lothringen war aber zumindest eine deutschsprachige Provinz, und es hatte die Bevölkerung die Möglichkeit, sich für Deutschland oder Frankreich zu entscheiden. Die preußischen Militärs und Beamten haben sich in Elsass-Lothringen häufig sehr ungeschickt aufgeführt.
Die Elsässer waren in der Armee vielfach Diskriminierungen ausgesetzt, die "Wackes" galten als unsichere Kantonisten. Dennoch hat sich die Bevölkerung doch recht bald mit Deutschland arrangiert, und die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung hat vom wirtschaftlichen Aufschwung profitiert, eine Mehrheit oder auch nur starke Minderheit, die sich für Frankreich ausgesprochen hätte, gab es in Elsass-Lothringen schon wenige Jahre nach der Annexion nicht mehr.

Wie schon erwähnt gab es vielfach Benachteiligung und Diskriminierung der Elsässer, aber auch in Elsass-Lothringen haben sich 1914 zahlreiche Freiwillige gemeldet.

Istrien, Dalmatien und der Dodekanes waren so italienisch wie die Fidschi-Inseln. Eine Bevölkerung, die heiß und innig ersehnte, "heim ins Reich" geholt zu werden, die gab es schlichtweg nicht! Weder in Elsass-Lothringen, noch im Trentino und erst recht nicht in Dalmatien oder Istrien gab es eine starke Irridenta-Bewegung. Die italienischsprachige Bevölkerung der Donaumonarchie genoss die vollen Bürgerrechte.

Territoriale oder wirtschaftliche Ansprüche, von denen das Wohl und Wehe Italiens abhing, Konflikte, die den Bestand des Landes gefährdeten , die eine gewaltsame Lösung, einen Krieg alternativlos gemacht hätte- die gab es schlichtweg nicht.

Die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung wie des Parlaments wünschte die Neutralität Italiens und war keineswegs bereit, wegen Istrien und Dalmatien das Risiko eines großen europäischen Krieges in Kauf zu nehmen. Alles, was Italien an noch einigermaßen gerechtfertigten Forderungen und Kompensationen erheben konnte, das hätte Italien auch ohne Krieg und ohne dieses furchtbare Gemetzel haben können.

Wenn Erpressung und Vertragsbruch als legitime Grundzüge der Politik akzeptiert werden, wenn das gute alte Recht des Stärkeren zur einzigen Konstante der Politik wird, Bündnisse und Verträge nur solange Gültigkeit besitzen wie es einem passt; Wenn das Recht des Stärkeren die einzige Konstante der Politik wird, dann hat Diplomatie und Völkerrecht jeden Sinn verloren, und dann lässt sich mit What-aboutismus auch noch die größte Erpressung legitimieren, denn so sind alle Imperien der Welt entstanden und Italiens Ansprüche auf Istrien und Dalmatien auch nicht ungerechter, als GBs Anspruch auf Hongkong, der Anspruch König Friedrichs auf Schlesien nicht ungerechtfertigter als das Recht des Königs der Belgier auf eine Privatkolonie im Kongo.


Machiavelli war der Erste, der offen ausgesprochen hat, dass in der Politik das Gesetz des Handelns nicht von moralischen Erwägungen bestimmt wird und nicht bestimmt werden kann.

Aber auch Machiavelli ging nicht davon aus, dass ein Fürst oder Politiker machen kann was er will. Bündnis- oder Vertragsbruch, Präventivkrieg das sich Hinwegsetzen über moralische Schranken- das sind Mittel der Politik, die der Notwehr vergleichbar sind. Machiavellis Ideen sind aber durchaus von einem hohen Verantwortungsbewusstsein geprägt. Ein sich Hinwegsetzen über moralische Schranken, das ist für Machiavelli ein Notbehelf in Ausnahmesituationen.

Ein Staat oder Fürst, der sich aber ständig über Spielregeln hinwegsetzt ist für ihn ein Unding. Ein Völkerrecht und eine funktionierende Gesellschaftsordnung kann nicht funktionieren, wenn es nicht so etwas wie eine Geschäftsordnung im Verkehr der Staaten untereinander gibt, so wie Grund-Freiheiten für Machiavelli eine notwendige Voraussetzung für eine funktionierende Gesellschaftsordnung ist.



Machiavelli schreibt, dass ein Fürst, der tun kann, was er will, ein Unding ist. Allem Handeln muss die Tugend (virtu) innewohnen, Machiavelli verstand darunter nicht eine moralische, sondern eine naturgegebene auf ihr Ziel hinsteuernde geheimnisvolle Kraft, die sowohl Individuen wie Gruppen eigentümlich ist. Ohne virtu ist jedes Handeln ziel und zwecklos und für Machiavelli verwerflich, ein Verschwörer muss sie besitzen wie der Verteidiger eines Staates.

Italiens Politik des Sacro egoismo hat sich souverän über den Wunsch der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung und des Parlaments nach dem Festhalten an der Neutralität hinweggesetzt, es hat diese Politik die politischen, militärischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten Italiens überschätzt und überfordert, es hat diese Politik durchaus auch einen nicht unerheblichen Anteil am Aufstieg des Faschismus, und es hat diese Politik nicht zuletzt auch viele Italiener ganz unnötig das Leben gekostet.


Zugegeben, so wirklich hatte ja auch bei den Mittelmächten keiner ernsthaft geglaubt oder erwartet, dass auf Italien Verlass war. Die viel beschwülstete "Nibelungentreue" hat kein Mensch von Italien erwartet oder erwarten können. Conrad hat lange vor 1914 oder 1915 einen Präventivkrieg gegen Italien gefordert. So arg überraschend war daher der "Treuebruch" Italiens nicht und die heftige Empörung über den "Treuebruch" der "Abruzzen-Schufte" war ein wenig verlogen.
 
Wenn Erpressung und Vertragsbruch als legitime Grundzüge der Politik akzeptiert werden, wenn das gute alte Recht des Stärkeren zur einzigen Konstante der Politik wird, Bündnisse und Verträge nur solange Gültigkeit besitzen wie es einem passt; Wenn das Recht des Stärkeren die einzige Konstante der Politik wird, dann hat Diplomatie und Völkerrecht jeden Sinn verloren, und dann lässt sich mit What-aboutismus auch noch die größte Erpressung legitimieren, denn so sind alle Imperien der Welt entstanden und Italiens Ansprüche auf Istrien und Dalmatien auch nicht ungerechter, als GBs Anspruch auf Hongkong, der Anspruch König Friedrichs auf Schlesien nicht ungerechtfertigter als das Recht des Königs der Belgier auf eine Privatkolonie im Kongo.

Du argumentierst mit dem heutigen Zustand/Verständnis, für den es 2 katastrophale Weltkriege benötigt hatte, um es (vorübergehend?) allgemeingültig werden zu lassen.

1914 war aber der Imperialismus die beherrschende Ideologie und die beruhte nun mal auf dem Recht des Stärkeren. Sei es gegenüber den afrikanischen und asiatischen Völkern oder in Europa selbst.

Die Ausgangsfrage hier war, ob das Deutsche Reich hätte eine Neutralitätspolitik betreuben können, was ich verneint habe. Eine Großmacht konnte nicht neutral gegenüber allen anderen sein.

Das Gleiche galt auch für Italien 1915. Es war zu groß, um nicht beachtet zu werden, es grenzte an beide Kriegsparteien. Wäre Italien weiter neutral geblieben, quasi eine riesige Schweiz, hätte es Sanktionen befürchten müssen. Eher von Entente-Seite als von den Mittelmächten, die mit der Neutralität weniger Probleme gehabt hatten (aber welche Kriegspartei hätte auf eine Armee von 900.000 Mann verzichtet?)
 
Elsass-Lothringen war aber zumindest eine deutschsprachige Provinz
Ich darf nochmal daran erinnern, es gab vor 1871 keine "Provinz" Elsass-Lothringen. Es gab die zwei mehrheitlich deutschsprachigen Rhein-Départements und das Mosel-Département um Metz in dem Sprecher des Deutschen in ähnlichem Maße eine Minderheit waren, wie die italienischsprachigen Communities in Istrien und Dalmatien.

Mal davon abgesehen, was macht denn der Umstand welche Sprache die Bevölkerung spricht für einen Unterschied, was das Faktum angeht, dass es sich um eine agressive Annexion handelte, für die es, wenn man nicht in schrägen, sehr verdreht nationalistischen Mustern oder eben in Kategorien machiavellistischer Funktionalität (die durchaus zynisch sein kann) denkt, keine wirklich gute Rechtfertigung gab?

Territoriale oder wirtschaftliche Ansprüche, von denen das Wohl und Wehe Italiens abhing, Konflikte, die den Bestand des Landes gefährdeten , die eine gewaltsame Lösung, einen Krieg alternativlos gemacht hätte- die gab es schlichtweg nicht.
Die gab es bei keiner der involvierten Großmächte.

Die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung wie des Parlaments wünschte die Neutralität Italiens und war keineswegs bereit, wegen Istrien und Dalmatien das Risiko eines großen europäischen Krieges in Kauf zu nehmen.
War sie offensichtlich doch, immerhin hat der Versuch der Regierung das Land in den Krieg zu steuern funktioniert. Wäre die Bevölkerung tatsächlich nicht bereit gewesen, das hinzunehmen (bitte sorgsam von "beführworten" unterscheiden), hätte dieser Versuch der Regierung zu Generalstreik und Revolution führen müssen. Tat er aber nicht.
Die Bevölkerung zog am Ende in den Krieg. In weiten Teilen zwar mürrisch, aber sie tat es.

Alles, was Italien an noch einigermaßen gerechtfertigten Forderungen und Kompensationen erheben konnte, das hätte Italien auch ohne Krieg und ohne dieses furchtbare Gemetzel haben können.
Wie?

Ich hatte bereits darauf hingewiesen, dass Wien das Trentino zwar in Aussicht stellte, aber nicht bereit war, es vor Ende des Krieges zu übergeben.
Damit stand die italienische Regierung de facto mit nichts anderem da, als mit einem Versprechen.
Ein Versprechen, bei dem es keine Garantien gab, dass wenn die Zentralmächte den Krieg gewinnen sollten und Österreich-Ungarn seine Kräfte erst wieder frei haben würde, auch nur daran denken würde, es einzuhalten.
Immerhin, das Verhältnis zwischen Wien und Rom war nach wie vor nicht besonders vertrauensvoll, woran beide Seiten mit ihrem Verhalten ihren Anteil hatten und auch, dass sich Östrreich-Ungarn nach wie vor mit Conrad v. Hötzendorff einen ausgemachten Italienhasser und Präventivkriegsbeführworter als Generalstabschef (man bedenke den kriegsbedingt wachsenden Einfluss der Militärs gegenüber der zivilen Regierung) leistete, dürfte das Vertrauen nicht gerade gestärkt haben.

Eine italienische Regierung, die sich ohne Sicherheiten darauf eingelassen hätte, bis zum Ende des Krieges auf die Übergabe des Trentino zu warten und dann zu hoffen, dass Wien ehrlich genug sein würde, sich an das Zugesagte zu halten, wäre Gefahr gelaufen für ihre Neutralität am Ende bestraft zu werden, falls Wien nicht willens war sich daran auch zu halten.

Wenn Erpressung und Vertragsbruch als legitime Grundzüge der Politik akzeptiert werden [...]
Wie sonst meinst du, funktioniert Imperialismus? Wenn sich alle darin verwickelten Akteure an die Verträge in denen territoriale Grenzen etc. mal anerkannt worden sind (auch von eigener Seite her) gehalten hätten, wie hätten sie sich ausdehnen und ihre jweiligen Imperien schaffen sollen?

Das hätte nicht funktioniert.

Im Übrigen, dass dann Diplomatie ihren Sinn verloren hätte, das stimmt gerade nicht.
Sie war gerade wegen des anarchischen Charakters der internationalen Politik von Bedeutung, um Koalitionen für die Durcchsetzung von Interessen oder die Einhegung von Gegnern durchzusetzen, wo diese von keinen anderen Spielregeln eingehegt wurden.

Genau so hatte Diplomatie funktional nach wie vor eine Rolle bei der Vorbereitug des Bruchs mit bisher bestehenden Verhältnissen, siehe die Verhandlungen zwischen der Entente und Italien über Preis für den italienischen Kriegseintritt.

Aber auch Machiavelli ging nicht davon aus, dass ein Fürst oder Politiker machen kann was er will. Bündnis- oder Vertragsbruch, Präventivkrieg das sich Hinwegsetzen über moralische Schranken- das sind Mittel der Politik, die der Notwehr vergleichbar sind. Machiavellis Ideen sind aber durchaus von einem hohen Verantwortungsbewusstsein geprägt. Ein sich Hinwegsetzen über moralische Schranken, das ist für Machiavelli ein Notbehelf in Ausnahmesituationen.
Machiavelli ist erstmal ein Denker aus einer ganz anderen Zeit.
Aus einer Zeit in der die Macht der Herrschenden noch prekär war, weil es keinen institutionellen Unterbau gab und das, was man vielleicht als "Proto-Staat" bezeichnen kann relativ wenig zugriff auf die Ressourcen des Landes hatte und dem als Auskunftsmittel bei Auseinandersetzungen oft nur die Gewalt blieb.

Das hat aber relativ wenig mit den Verhältnissen des beginnenden 20. Jahrhunderts zu tun.

Wenn Machiavelli darüber nachdachte, was ein Herrscher tun konnte oder nicht, dann spielt dort die weitgehend christliche Prägung der Bevölkerung eine und der persönliche Ruf des "Fürsten" eine Rolle.
Machiavelli war zar kein besonderer Freund von Moral als entscheidendem Referenzmodell zur Gestaltung von Politik, aber Realist genug die aus Moralvorstellungen hergeleiteten Ansprüche der Bevölkerung an die Legitimität des Herrschers sehr wohl zu berücksichtigen.

Nur war aber das legitimitätsspendende Modell des frühen 20. Jahrhunderts ganz anders geartet, als im Ausgehenden Mittelalter, insofern die Ideologie in den Köpfen der Menschen, die hauptsächlich vorherrschte keine christliche mehr war, sondern eine partikularistisch-nationalistische (jedenfalls bei allen Nicht-Sozialisten), mit explizit rassistischen und sozialdarwinistischen Zügen.
Und das bedeutet auch einen völligen Paradigmenwechsel dahingehend, welche Handlungsweisen der politischen Führung, wie immer sie aussieht, als legitiimitätsspendend angsehen werden.

Eine primär christlich-katholisch ausgerichtete Gesellschaft, wie Machiavelli sie zu seinen Lebzeiten kannte, in der Weisheit und Milde Idealtugenden des Herrschers waren und die Vorstellung, des unterschiedlichen Wertes von Menschen (so lange sie alle Christen waren und keine ständischen Rangunterschiede vorlagen) so eher nicht vorkam, hätte das Handeln der italienischen Regierung 1915 sicherlich als zutiefst irritierend und verstörend empfunden.
(Wenngleich Machivelli wegen seinem Aufruf zur Befreiung Italiens im letzten Kapitel des "principe" grundsätzlich auch als Kronzeuge für die Irredentisti bis zu einem gewissen Grad Anschlussfähig war)

Aber eine Gesellschaft, die dem Rassismus und dem Nationalismus, dem Sozialdarwinismus huldigte, und für die die Unterwerfung und Unterjochung Anderer und das Wachstum der eigenen Macht um mit anderen, deren Macht auch wuchs weiterhin konkurrieren zu können, als notwendigkeit betrachtete, tickte vollkommen anders.
In dieser Denkungsart, musste konsequenter Weise rücksichtsloses Machtstreben und erfolgreiche Expansion als lgitimitätsspendende Herrschertugend andere Vorstellungen ablösen.
Denn wenn die Welt nicht mehr als natürliche göttliche Ordnung wahrgenommen wurde, wie noch von den meisten Menschen im ausgehenden Mittelalter, sondern in der falsch verstandenen Version des "Survival of the fittest" als täglicher Kampf ums Überleben, in der am Ende nur derjenige übrig bleibt, der kontinuierlich Beute macht und wächst und sich daher der anderen erwehren kann, dann verliert derjnige Herrscher, der nicht andere unterwirft an Legitimität und schwächt seine Stellung.

Und deswegen wäre das Handeln der italienischen Regierung 1915 durchaus als eine (wenn auch vielleicht nicht die einzige) logische Konsequenz auch von Machivellis Gedankengängen zu betrachten (jedenfalls nach meine Dafürhalten) ohne Machiavelli selbst im besonderen Maße zu pervertieren.

Zugegeben, so wirklich hatte ja auch bei den Mittelmächten keiner ernsthaft geglaubt oder erwartet, dass auf Italien Verlass war. Die viel beschwülstete "Nibelungentreue" hat kein Mensch von Italien erwartet oder erwarten können. Conrad hat lange vor 1914 oder 1915 einen Präventivkrieg gegen Italien gefordert. So arg überraschend war daher der "Treuebruch" Italiens nicht und die heftige Empörung über den "Treuebruch" der "Abruzzen-Schufte" war ein wenig verlogen.
Mann muss sich vergegenwärtigen, dass ja 1914 alle mit einem kurzen Krieg rechneten.

D.h. wenn die militärischen Planer recht behalten hätten und das Ding einigermaßen schnell gelaufen wäre, wäre Italien möglicherweise tatsächlich den Krieg über neutral geblieben.


Nachdem es aber länger dauerte und der (auch wirtschaftliche, siehe Energieproblem) Druck auf Italien zunahm, während Wien sich erst weigerte Italien irgendeine Form von Kompensation zuzusagen und sich dann weigerte, dass unfreiwillig gegebene Versprechen, mit Sicherheiten zu unterlegen, was es für Rom unaufrichtig erscheinen lassen musste, wurde die Aufrechterhaltung der Neutralität natürlich für jede Regierung zunehmend schwierig, die innenpolitisch mittelfristig nicht in den Ruf geraten wollte, unter allen Optionen die Schlechteste gewählt zu haben.

Im Sommer und Herbst 1914 war die Zustimung zum Neutralitätskurs Giolittis noch relativ einhellig, aber das schwand zunehmend seit dem Winter 1914/1915.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mal davon abgesehen, was macht denn der Umstand welche Sprache die Bevölkerung spricht für einen Unterschied, was das Faktum angeht, dass es sich um eine agressive Annexion handelte, für die es, wenn man nicht in schrägen, sehr verdreht nationalistischen Mustern oder eben in Kategorien machiavellistischer Funktionalität (die durchaus zynisch sein kann) denkt, keine wirklich gute Rechtfertigung gab?
Meinst du damit Elsass-Lothringen? Sind diese aggressiv annektiert oder erobert worden? ...hm... ...:*) oder gab es da Verhandlungen, weil eine französische Aggression zünftig in die Hose ging?
Mit Verlaub: für das, was du ausführen bzw erklären willst, ist 1870/71 kein günstiges Beispiel.

_______
*) ich werde versuchen, mir dieses "...:" abzugewöhnen - aber da oben ist es mir noch mal passiert, sorry ;) :)
 
Meinst du damit Elsass-Lothringen? Sind diese aggressiv annektiert oder erobert worden? ...hm... ...:*) oder gab es da Verhandlungen, weil eine französische Aggression zünftig in die Hose ging?
Mit Verlaub: für das, was du ausführen bzw erklären willst, ist 1870/71 kein günstiges Beispiel.

_______
*) ich werde versuchen, mir dieses "...:" abzugewöhnen - aber da oben ist es mir noch mal passiert, sorry ;) :)
Daran dass es annektiert wurde dürfte eigentlich genau so wenig Zweifel bestehen, wie daran, dass eine Annexion infolge eines Krieges immer insofern ein agressiver Akt ist, als dass sie eine Verletzung vorher bestehender Verträge und Regelungen betreffend Grenzverläufen bedeutet, die von einer Seite mit Gewalt erzwungen wurde.
Die Agression richtet sich hierbei nicht gegen den anderen Akteur, sondern gegen die bestehenden Vereinbarungen.

Hierfür ist es belanglos, wer den Krieg begonnen hat.

Wenn absprachen und Verträge (z.B. Verträge über den Grenzverlauf) als heilig und unbedingt zu beachten betrachtet worden werden, hätte keine Seite sie verletzen dürfen, auch nicht die Angegriffene.

Wenn Absprachen und Verträge als unantatbar gegolten hätten, hätte ein in seinen Rechten verletzter (angegriffener) Akkteur vielleicht das Recht gehabt die Verletzung zu ahnden und der Partei die den Vertrag verletzt hat eine Strafe aufzuerlegen (Reparation), aber sie hätte dann kaum das Recht für sich beanspruchen können jetzt ihrerseits den Vertrag zu verletzen.
 
Istrien, Dalmatien und der Dodekanes waren so italienisch wie die Fidschi-Inseln.
In Istrien waren ca. 40% der Bevölkerung italienischsprachig. In Dalmatien war Italienisch noch bis 1918 Amtssprache.
Auf den Fidschi-Inseln dürfte weder das eine noch das andere der Fall gewesen sein.
 
Du argumentierst mit dem heutigen Zustand/Verständnis, für den es 2 katastrophale Weltkriege benötigt hatte, um es (vorübergehend?) allgemeingültig werden zu lassen.

1914 war aber der Imperialismus die beherrschende Ideologie und die beruhte nun mal auf dem Recht des Stärkeren. Sei es gegenüber den afrikanischen und asiatischen Völkern oder in Europa selbst.

Die Ausgangsfrage hier war, ob das Deutsche Reich hätte eine Neutralitätspolitik betreuben können, was ich verneint habe. Eine Großmacht konnte nicht neutral gegenüber allen anderen sein.

Das Gleiche galt auch für Italien 1915. Es war zu groß, um nicht beachtet zu werden, es grenzte an beide Kriegsparteien. Wäre Italien weiter neutral geblieben, quasi eine riesige Schweiz, hätte es Sanktionen befürchten müssen. Eher von Entente-Seite als von den Mittelmächten, die mit der Neutralität weniger Probleme gehabt hatten (aber welche Kriegspartei hätte auf eine Armee von 900.000 Mann verzichtet?

Das klingt ja gerade so, als ob Erpressung und Vertragsbruch völlig normale Verhaltensweisen der Internationalen Politik gewesen wären, als ob es akzeptierte Verhaltensweise des Internationalen Völkerrechts gewesen wäre, sich wenn es gerade passt, sich über die staatliche Souveränität unabhängiger Staaten hinwegzusetzen, als , als ob sich Europa 1914 sich noch im wilden Urzustand vor Abschluss von Gesellschaftsverträgen befunden hätte.
Als ob es im Zeitalter des Imperialismus völlig an der Tagesordnung gewesen wäre, das in der europäischen Politik das primitive Recht des Stärkeren eine Konstante der europäischen Politik gewesen wäre. die Politik bestimmt hätte.

Es brauchte auch nicht erst die beiden Weltkriege, um zu erkennen, das eine solche Politik selbstmörderisch war. Zu dieser Erkenntnis konnte man auch schon im Dreißigjäjhrigen Krieg kommen, und es hat Europa doch auch aus dieser Katastrophe glernt, und sei es auch nur die erkenntnis, dass sich eine Katastrophe nicht wiederholen durfte, dass Europa zu klein war, zu zivilisiert und differenziert, um dort das Gesetz des Dschungels ui praktizieren.

Selten wurden Kriegsgesetze und Regeln strenger befolgt, als in dem Jahrhundert nach dem Westfälischen Frieden. Das wurde freilich dadurch erkauft, dass die Soldaten einem Drill und einer Distiplin unterworfen wurden, wie es sie nie zuvor gegeben hatte,.

Die europäische Geschichte war reich an Kriegen, und Kriege Vietnam und Falkland, Golf 1, Golf 2 und Golf 3, auch nach Ende des 2. Weltkriegs, auch im Kalten Krieg war die erde jein sehr friedlicher Ort.


Es war aber doch auch eine eine Konstante in der europäischen Politik, dass die europäische Politik ein Gleichgewicht der Kräfte anstrebte, dass die europäischen Mächte sich gegen eine Hegemonie verbündeten.

Ludwig XIV., Napoleon, Hitler, alle die versuchten, in Europa eine Hegemonialstellung zu errichten, sind letztlich an diesem Ziel gescheitert, und

es haben Staaten sich versucht, mit Bündnissen zu sichern, das fein austarierte Gleichgewicht der europäischen Mächte war eine Grundkonstante der europäischen Politik seit dem Westfälischen Frieden, seit dem Frieden von Utrecht, seit dem Wiener Kongress.

Europa im Jahre 1914 hatte eine sehr lange Friedensperiode hinter sich, es hatte zwar immer wieder Krisen in Europa gegeben, bei denen die europäischen Mächte dann aber doch es geschafft haben, den großen europäischen Krieg zu verhindern. Kriege vermieden hatten, bei denen der Frieden in Europa bewahrt wurde.

Was der Krieg aus Europa machen würde, das haben 1914 wohl nur sehr wenige voraussehen können, die Risiken der Urkatastrophe aber, die waren durchaus auch schon 1914 absehbar, und es war auch durchaus absehbar, dass die Politik des Sacro Egoismo Italien und Europa nicht gut bekommen und zahlreiche Italiener das Leben kosten würde.
 

Ohne Gier und mit Geduld.

ch darf nochmal daran erinnern, es gab vor 1871 keine "Provinz" Elsass-Lothringen. Es gab die zwei mehrheitlich deutschsprachigen Rhein-Départements und das Mosel-Département um Metz in dem Sprecher des Deutschen in ähnlichem Maße eine Minderheit waren, wie die italienischsprachigen Communities in Istrien und Dalmatien.

Was soll jetzt die Haarspalterei? Du weißt genau, was gemeint ist.

Es war damals nichts unübliches, das der Verlierer eine Krieges territoriale Abtretungen zu leisten hatte. Unüblich und ungewöhnlich war vielmehr, das der Aggressor, der den Krieg begonnen hatte, sich mit der Niederlage und den Verlust überhaupt nicht abfinden konnte und wollte und auch nicht die Hand zur Versöhnung reichen wollte. Großzügig übersehen wurde hierbei, das Frankreich dieses Territorium sich selbst gewaltsam angeeigent hatte; auch wenn es schon eine Zeit zurücklag, ändert dies nichts an der Tatsache.

Ich hatte bereits darauf hingewiesen, dass Wien das Trentino zwar in Aussicht stellte, aber nicht bereit war, es vor Ende des Krieges zu übergeben.
Damit stand die italienische Regierung de facto mit nichts anderem da, als mit einem Versprechen.

Liest du eigentlich die Beiträge, die hier verfasst wurden?

Denn dann wüsstest du, ich habe es nämlich bereits geschrieben, das es dafür sehr gute Gründe gegeben hatte. Welchen Eindruck eine sofortige Übergabe das auf die Moral der eigenen Bevölkerung, auf potenzielle Verbündete wie Bulgarien und Rumänien gemacht hätte, das muss wohl nicht großartig erläutert werden.
 
Daran dass es annektiert wurde dürfte eigentlich genau so wenig Zweifel bestehen, wie daran, dass eine Annexion infolge eines Krieges immer insofern ein agressiver Akt ist, als dass sie eine Verletzung vorher bestehender Verträge und Regelungen betreffend Grenzverläufen bedeutet, die von einer Seite mit Gewalt erzwungen wurde.
Die Agression richtet sich hierbei nicht gegen den anderen Akteur, sondern gegen die bestehenden Vereinbarungen.

Immerhin hatte Frankreich ja durch seinen Vertreter den Frankfurter Frieden 1871 unterschrieben gehabt. Wenn du jetzt mit dem Argument kommst, Frankreich hätte keine andere Wahl gehabt usw., jaaa dann gilt das ja wohl ebenso auch für den Versailler Vertrag, der noch eine ganz andere Hausnummer war. Bismarck hat lange und ausgiebig mit den französischen Vertretern verhandelt. Mit Deutschland wurde in Versailles erst gar nicht verhandelt, die Mühe machten sich die alliierten Vertreter erst gar nicht.In Versaillers wurde nur festgelegt, wer wieviel vom Kuchen bekommen sollte und für Deutschland galt abschließend galt das Prinzip, "Friss oder stirb".
 
Daran dass es annektiert wurde dürfte eigentlich genau so wenig Zweifel bestehen, wie daran, dass eine Annexion infolge eines Krieges immer insofern ein agressiver Akt ist, als dass sie eine Verletzung vorher bestehender Verträge und Regelungen betreffend Grenzverläufen bedeutet, die von einer Seite mit Gewalt erzwungen wurde.
Die Agression richtet sich hierbei nicht gegen den anderen Akteur, sondern gegen die bestehenden Vereinbarungen.
...als Spitzfindigkeit getarnter Unsinn :D :D:D
 
Mal davon abgesehen, was macht denn der Umstand welche Sprache die Bevölkerung spricht für einen Unterschied, was das Faktum angeht, dass es sich um eine agressive Annexion handelte, für die es, wenn man nicht in schrägen, sehr verdreht nationalistischen Mustern oder eben in Kategorien machiavellistischer Funktionalität (die durchaus zynisch sein kann) denkt, keine wirklich gute Rechtfertigung gab?
Als Rechtfertigung reichte nach damaligen Maßstäben eigentlich schon der gewonnene Krieg. Es war eben nicht unüblich, dass der Besiegte dem Sieger Land abtreten musste.

Nur zur Erinnerung: Nur wenig mehr als ein halbes Jahrhundert vor dem Deutsch-Französischen Krieg annektierte Frankreich alles bis zum Rhein und in Norddeutschland auch weite Teile darüber hinaus, bis einschließlich Hamburg und Lübeck. Gebiete, die hunderte Kilometer von der Sprachgrenze entfernt lagen und um da einen irgendwie gearteten historischen Anspruch für Frankreich zu konstruieren, müsste man schon zur Karolingerzeit zurück gehen.

Demgegenüber waren die Annexionen Deutschland im Deutsch-Französischen Krieg doch sehr bescheiden.
 
Nur zur Erinnerung: Nur wenig mehr als ein halbes Jahrhundert vor dem Deutsch-Französischen Krieg annektierte Frankreich alles bis zum Rhein und in Norddeutschland auch weite Teile darüber hinaus, bis einschließlich Hamburg und Lübeck. Gebiete, die hunderte Kilometer von der Sprachgrenze entfernt lagen und um da einen irgendwie gearteten historischen Anspruch für Frankreich zu konstruieren, müsste man schon zur Karolingerzeit zurück kehren.

Demgegenüber waren die Annexionen Deutschland im Deutsch-Französischen Krieg doch sehr bescheiden.
Volle Zustimmung. Aber das haben die Franzosen in ihrem Revanchedenken und dem Wunsch nach Rückabwicklung der Frankfurter Friedens wahrscheinlich vergessen gehabt.
 
Daran dass es annektiert wurde dürfte eigentlich genau so wenig Zweifel bestehen, wie daran, dass eine Annexion infolge eines Krieges immer insofern ein agressiver Akt ist, als dass sie eine Verletzung vorher bestehender Verträge und Regelungen betreffend Grenzverläufen bedeutet, die von einer Seite mit Gewalt erzwungen wurde.
Die Agression richtet sich hierbei nicht gegen den anderen Akteur, sondern gegen die bestehenden Vereinbarunge

Welche Vereinbarungen wurden denn eigentlich exakt gezeichnet, das Ludwig XIV. sich scheibchenweise das fragliche Territorium in Frankreich einverleibte und den neuen Grenzverlauf bestimmte?
 
Ich darf nochmal daran erinnern, es gab vor 1871 keine "Provinz" Elsass-Lothringen. Es gab die zwei mehrheitlich deutschsprachigen Rhein-Départements und das Mosel-Département um Metz in dem Sprecher des Deutschen in ähnlichem Maße eine Minderheit waren, wie die italienischsprachigen Communities in Istrien und Dalmatien.

Mal davon abgesehen, was macht denn der Umstand welche Sprache die Bevölkerung spricht für einen Unterschied, was das Faktum angeht, dass es sich um eine agressive Annexion handelte, für die es, wenn man nicht in schrägen, sehr verdreht nationalistischen Mustern oder eben in Kategorien machiavellistischer Funktionalität (die durchaus zynisch sein kann) denkt, keine wirklich gute Rechtfertigung gab?

Ich sehe ja die Annexion durchaus kritisch, sie war eine schwere Hypothek für die deutsch-französischen Beziehungen.

Aber brutale Annexion? Das verkennt ja nun doch ein wenig die historischen Fakten. Der Aggressor im Deutsch-Französischen Krieg war eindeutig Frankreich. Napoleon III. hatte sich gründlich verzockt, F hatte den Krieg verloren, und dass ein Aggressor nach einer selbst verschuldeten Niederlage dafür territoriale Kompensationen anbot, entsprach völlig den Gepflogenheiten.

Französische Armeen hatten im Pfälzer Erbfolgekrieg, im Siebenjährigen Krieg, in den Napoleonischen Kriegen immer wieder übel in der Pfalz, in Hessen und anderen Regionen übel gehaust. Nach den Erfahrungen von 1806 waren die geostrategischen Erwägungen, die Bismarck zur Annexion motivierten, vielleicht irgendwo durchaus nachvollziehbar.

Es hatte auch, anders als 1918/19 zumindest Verhandlungen gegeben, und Elsaß-Lothringen wurde von Frankreich abgetreten an Deutschland.

Das Elsass war nach Sprache und Kultur deutsch. Bei den Elsässern hielt sich die Begeisterung "heim ins Reich" geholt zu werden, durchaus in Grenzen. Die Protestanten begrüßten mehrheitlich die neuen Gegebenheiten, bei den Katholiken gab es Sorgen wegen des Kulturkampfs,

Trotz zahlreicher ungeschickter Auftritte der preußischen Beamten, hat sich die einheimische Bevölkerung doch recht bald mit den Tatsachen arrangiert. Auch das Elsass hat erheblich vom wirtschaftlichen Aufschwung profitiert, und nur relativ wenige Jahre später gab es zumindest im Elsass keine nennenswerte Bevölkerungsgruppe, die ernsthaft die französische Staatsangehörigkeit bevorzugten.
 
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