Übersetzungs-/Kopierfehler bei Tacitus

Irgendwie stellt sich aber schon die Frage, wieso Varus die Varusschlacht verloren hat:
Schlechtwetter? -> von Cassius Dio erfunden
Sümpfe und Wälder? -> literarischer Topos
Mangelnde Vorsicht und Aufklärung? -> von Cassius Dio erfunden

Vielleicht sollte man auch irgendwann akzeptieren, dass wir die meisten Details nie erfahren werden, auch nicht durch noch so intensives Interpretieren von wesentlich späteren Autoren, die gar nicht unbedingt eine exakte Geschichtsschreibung im Sinn hatten bei ihren Werken.
 
Nun, ex post betrachtet, Varus ist mit 3 Legionen untergegangen. Irgend etwas ging schief.
Aber: Tacitus ist zurückhaltend in der Kritik an Varus.

Vehement ist hingegen die Kritik am Konzept der Unterwerfung, Erschließung des freien Germaniens, so wie sie in der Rede des Arminius stilisiert wird. Aber ist das nicht das Konzept des Augustus, des Drusus und Tiberius?
Ist die Frage hier nicht, ob Tacitus da als historischer Chronist oder als politischer Kommentator spricht? Hält er sich mit Kritik an Varus zurück, weil er wirklich dachte, die Niederlage sei nicht primär sein Versagen, oder war das va ein Statement gegen das politische oder strategische "Konzept der Unterwerfung"?

Sowohl Caesar wie auch Varus hatten es jeweils mit einem flexiblen Gegner zu tun, der nicht in seinen zentralen Siedlungen zu packen war, und von dem man nicht wusste, ob er ausweichen würde, ob er sich einer Schlacht stellen würde oder - wie in diesem Fall - von sich aus überaus riskante Attacken versuchen würde.
Der Unterschied ist, dass Caesar gegen eine Besatzungsarmee in einem fremden, unterworfenen Land agierte, Varus gegen eine Erhebung einheimischer Bevölkerung.

Vielleicht sollte man auch irgendwann akzeptieren, dass wir die meisten Details nie erfahren werden, auch nicht durch noch so intensives Interpretieren von wesentlich späteren Autoren, die gar nicht unbedingt eine exakte Geschichtsschreibung im Sinn hatten bei ihren Werken.

Amen. Grad was irgendwelche militärischen Details angeht sind all diese Berichte nicht allzu aussagekräftig. Da ist mE Archäologie (zB was das Schlachtfeld angeht) und militärhistorische Sachkritik erfolgversprechender; auch wenn zumindest letzteres wohl auch immer Vermutung & Interpretation bleiben wird.
 
Vielleicht sollte man auch irgendwann akzeptieren, dass wir die meisten Details nie erfahren werden (...)
Das ist völlig richtig!
...nur finden sich immer wieder einseitige und auch willentlich falsche Quellen"Interpretationen", meist in der Überzeugung Marschwege und Schlachtfelder lokalisieren zu können - da hilft nur, was @El Quijote ausführlich gezeigt hat: wie die Quellen zu lesen und zu verstehen sind, was sie mitteilen und was nicht.
...es ist eine alte Geschichte, doch bleibt sie ewig neu (Heine)...
 
Der Unterschied ist, dass Caesar gegen eine Besatzungsarmee in einem fremden, unterworfenen Land agierte, Varus gegen eine Erhebung einheimischer Bevölkerung.

Es gibt noch mehr Unterschiede: Caesar hatte mehr als drei Legionen, zu Varus' Zeiten hatte man 60 Jahre mehr Erfahrungen mit germanischen Kriegsgegnern etc...

Die Frage war, ob es a) klug ist, gegen einen flexiblen und unberechenbaren Gegner in Eilmärschen vorzurücken, oder ob es b) klug ist, gegen einen flexiblen und unberechenbaren Gegner kleine Reitergrüppchen in der Größenordnung 50-100 Mann loszuschicken.

Ich würde b) grundsätzlich nicht für eine gute Idee halten, und bei a) hängt es davon ab, was in der konkreten Situation möglich (z. B. aus logistischer Sicht) und was notwendig ist (z. B. um den Gegner am Besetzen strategisch wichtiger Positionen zu hindern). Siehst Du das anders?
 
Die Passage, wo Caesars aus 5000 Reitern bestehende Vorhut von lediglich 800 Germanen zurückgeschlagen wird, hat mit Ariovist nichts zu tun, hier zog Caesar gegen Usipeter und Tenkterer zu Felde.
Hier muss ich Abbitte leisten, ich hatte deinen Beitrag #59 irgendwie nicht mehr präsent, nur deinen Beitrag #46, der sich auf Ariovist und die Schilderungen aus Caesars gallischem Krieg bezog. Mea culpa.


... und Varus nur vorhatte, ein paar Siedlungen mit ein paar Dutzend Einwohnern in Schach zu halten, wäre er nicht mit drei Legionen angerückt.

Offensichtlich war aber mit ernsthafter Feindberührung zu rechnen, und da wäre Varus bescheuert gewesen, 50 bis 100 Reiterlein vorauszuschicken. Der bereits erwähnte Caesar hatte auch einst gegen seine germanische Gegner eine berittene Vorhut vorausgeschickt. Das waren allerdings 5000 Mann! Und die wurden von der zahlenmäßig stark unterlegenen germanischen Vorhut sogar noch zurückgeschlagen:

"Inzwischen schickte er zu den Präfekten, die mit der ganzen Reiterei als Vorhut vorauszogen, Boten mit der Anordnung, die Feinde nicht anzugreifen, im Fall eines Angriffes aber standzuhalten, bis er selbst mit der Hauptmacht herangekommen sei. [...]

Und an der Stelle geht das ganze hübsch an dem vorbei, was ich geschrieben hatte.

Sich mit der Legionsreiterei in eine ausgewachsene Schlacht einzulassen, wäre natürlich heller Wahnsinn gewesen. Ich hatte aber auch klar beschrieben, dass ich an nichts dergleichen gedacht hatte.
Ich hatte ausdrücklich geschrieben, es wäre sinnvoll gewsen, die Reiterei in kleinen Trupps auszuschicken um in relativ weitem Umkreis die Siedlungen abzukalppern und die Bevölkerung einzuschüchtern, um sie davon abzuhalten, sich den Aufständischen anzuschließen, sich aber auf kein größeres Gefecht mit Feindkräften einzulassen und bei Feindberührung zurück zu weichen (in Richtung der eigenen nachrückenden Infanterie, mit der Implikation den Feind möglichst in deren Richtung zu locken um sich das Schlachtfeld aussuchen zu können).

Ich denke der Unterschied zwischen der Absicht mit der Kavallerie anzugreifen oder sie eine Schlacht wenigstens annhemen zu lassen und die Kavallerie ausschließlich in Siedlungen an den Rändern des potentiellen Aufstandsgebiets Präsenz zeigen zu lassen damit die Einwohner nicht auf dumme Gedanken kommen, sich bei anrückender größerer Feindmacht aber zurückzuziehen und auf Observation zu beschränken, um die eigene Infanterie ans Ziel zu lotsen sollte doch klar sein.
 
Ist die Frage hier nicht, ob Tacitus da als historischer Chronist oder als politischer Kommentator spricht? Hält er sich mit Kritik an Varus zurück, weil er wirklich dachte, die Niederlage sei nicht primär sein Versagen, oder war das va ein Statement gegen das politische oder strategische "Konzept der Unterwerfung"?
Ja. Ich bin immer wieder beeindruckt von seinem Stil, und der erkennbaren wie der verborgenen Intention, von seiner "Agenda".

Die militärischen Details sind sehr knapp, und dennoch präzise. Die Logistik und Strategie der Armee werden deutlich, und dies schon in der Beschreibung der Feldzüge des Drusus.

Einen viel größeren Teil nimmt das Innenleben der Figuren ein, und die geschilderte breitenpsychologische Wirkung. Sei es wuchtig und fundamental bei Arminius, und immer noch differenziert in der Beschreibung der romfreundlichen Elite.

Aber gerade die ausführliche Schilderung der meuternden Truppen ist Kritik an der Armee, Kritik an der Expansion des Imperiums, Kritik am Kaiserhaus.

Ex post betrachtet, ist Tacitus Lob des Germanicus und auffallend auch das der Agrippina fast eine Bezichtigung des Tiberius, die Macht ergriffen und den Konkurrenten beseitigt zu haben.
Ist natürlich nichts Neues, schon meine Lateinlehrer stellten uns die Frage: Wen und was lobt Tacitus, wen kritisiert er, versteckt oder offen?
 
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(...) Siehst Du das anders?
Höchstens in Details.

Kleine Reitergruppen zur Aufklärung (nicht als Vorhut, die wie bei Caesar dem Feind stand halten soll) sind bei einer Volkserhebung zB wesentlich gefährdeter als bei einem Vorgehen gegen eine Armee. Dabei müsste das zumindest im Nahbereich zum Standardvorgehen der römischen Armee gehört haben; die 120 Reiter pro Legion waren ja ua zur Aufklärung vorgesehen, soweit ich weiß. Ist halt die Frage, ab wann Varus wußte, mit was seine Legionen es zu tun hatten.

Die Sache mit den Eilmärschen ist, wie du sagst, so stark von den Umständen abhängig, und außerdem mE auch wenig relevant, dass ich mich da jeder Einschätzung enthalte.
 
Ich hatte ausdrücklich geschrieben, es wäre sinnvoll gewsen, die Reiterei in kleinen Trupps auszuschicken um in relativ weitem Umkreis die Siedlungen abzukalppern und die Bevölkerung einzuschüchtern, um sie davon abzuhalten, sich den Aufständischen anzuschließen, sich aber auf kein größeres Gefecht mit Feindkräften einzulassen und bei Feindberührung zurück zu weichen

Tja, das kann halt nur funktionieren, wenn man sich sicher sein kann, dass die geballte Streitmacht des ebenfalls über Reiterei verfügenden Gegners weit genug weg ist. Du kannst jetzt natürlich ein Phantasieszenario entwerfen, wo das tatsächlich der Fall ist, nur wüsste ich nicht, wozu man darüber diskutieren sollte.
 
Wenn wir von der Annahme ausgehen, dass alle Heeresteile in "die Varusschlacht" verwickelt waren. Wenn Dio recht hat, waren beträchtliche Teile des Heeres über das Land verteilt. Ich vermute, dass die Angabe "drei Legionen, drei Alen, sechs Kohorten" sich auf die Gesamtverluste bezieht. In den Gesamtverlusten können Gefallene, Gefangene, Deserteure und zum Gegner übergelaufene Einheiten mitgerechnet worden sein.
Das kann sein, muss aber nicht sein. Nach den Quellen hat Varus auf jeden Fall Truppen in dem Gebiet der Sommerkampagne zurückgelassen. Ob er aber auf die Reiterei bei seinem Rückmarsch verzichtet hat, halte ich eher für unwahrscheinlich. Bei der Episode ALISO wird nicht von Reiterei gesprochen. ALISO war wohl das Standlager einer Legion. Im Prinzip ist das gerade der Gegenpol zu dem oder den Kampagnenlager/n. Auch dort hat man wohl eine bestimmte Anzahl Legionäre zurückgelassen. Wer hat sich den eher bequemen Dienst im Standlager verdient? Die Veteranen, welche kurz vor der Entlassung stehen. Die Reiterei hat besondere Aufgaben für eine Streitmacht. Aufklärung, Abschirmung und Nachrichtendienst. Du hast die Zahl 120 Reiter Legionsreiterei in Gespräch gebracht. Die 360 Mann hätten diese Aufgabe meines Erachtens nicht leisten können. Wen hätte ich als Feldherr daher in den Kampagnenlagern als Belegung zurückgelassen? Eher frisch gezogene Soldaten, die das karge Los eines Winters im barbarischen Germanien zu ertragen haben. Die Wirte, Dirnen und Handwerker sind abgezogen und viel Vergnügen war in den geleerten Stützpukt/en nicht zu erwarten.

Vala wird als Legatus bezeichnet, er kommandierte also keine Ala, sondern eine Legion. Die Stelle würde ich also so verstehen, dass er mit seiner Legionsreiterei abgehauen ist.
Danke für den Hinweis. Ich habe bisher immer für bare Münze genommen, wenn Vala als Reiterführer des Varus bezeichnet wird - zum Beispiel hier auf der Homepage des LWL.

LWL schrieb:
. at Vala Numonius, legatus Vari, cetera quietus ac probus, diri auctor exempli, spoliatum equitem peditem relinquens fuga cum aliis Rhenum petere ingressus est. quod factum eius fortuna ulta est; non enim desertis superfuit, sed desertor occidit
(Zitat Velleius Paterculus)

Vala Numonius aber, ein Legat des Varus, sonst ein ruhiger und tüchtiger Mann, gab jetzt ein gräßliches Beispiel, ließ die Fußtruppen ohne die Reiterei zurück und stürzte sich mit anderen in die Flucht, um den Rhein zu erreichen. Seine Tat rächte das Schicksal; denn er überlebte nicht die im Stich Gelassenen, sondern fiel als Deserteur.
(Übersetzung eines mir unbekannten Autors)

Mehr Wert legt Paterculus auf das Verhalten der Protagonisten, dass er wertend gegenüberstellt, etwa wenn er Varus aufgrund seines Selbstmordes als mutlosen Heerführer (II,119,3), den fliehenden Reiterkommandeur Numonius Vala als Schandtäter (II, 119,4) oder den Neffen und Legaten des Varus, Lucius Asprenas aufgrund seiner sicheren Ankunft aus dem aufgewühlten Germanien am Rhein als Held charakterisiert
(Bewertung aus dem Artikel des LWL - Hervorhebung durch mich)

Internet-Portal "Westfälische Geschichte" / [o. D.]: Bericht Velleius Paterculus über die Varus-Schlacht (Velleius Paterculus 2, 117-119)


Vala flieht mit 120 Mann bis 360 Mann abzüglich der bis dahin bereits gefallenen Reitern. Moralisch ein Tiefschlag. Nicht so schlimm, wie wenn ein Großkönig seine Truppen in der Schlacht in Stich lässt. Vala ist als Legat nur zweite Liga. Das lese ich jetzt aus Deinem Beitrag heraus, korrekt?
Jedoch haben andere römische Verbände einen Reiterführer. Mir fallen da Stertinius oder Pedo ein. Waren das Leute aus dem Ritterstand?
Lucius Stertinius Avitus wird als Legat bezeichnet, war aber mit der Kavallerie und "leichten Truppen" von Germanicus zu einer eigenen Aufgabe delegiert worden: Obwohl Legat, hat er keine Legion dabei.
 
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So wie ich das verstanden habe, hat die nicht unerhebliche Reiterei der römischen Legionen trotz Absetzen von der Infanterie die Kämpfe auch nicht überlebt.

Die Soldaten des Germanicus fanden ja 6 Jahre später am Ort der Schlacht noch genug Pferdeknochen.
 
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Kleine Reitergruppen zur Aufklärung (nicht als Vorhut, die wie bei Caesar dem Feind stand halten soll) sind bei einer Volkserhebung zB wesentlich gefährdeter als bei einem Vorgehen gegen eine Armee.
Nur dann, wenn man sie mitten in das Aufstandsgebiet hinein geschickt hätte.

Aber darum ging es ja gar nicht.

Das Argument, gegenüber dem ich die Reiterei bemüht hatte war ja, Varus hätte die Infanterie in Eilmärschen ins Aufstandsgebiet schicken müssen, um ein Anwachsen des Aufstands zu verhindern.

Unterstützung konnte entweder in organisierter Form von benachbarten Stämmen in Form organisierter, ausgehobener Truppen kommen, oder durch dezentralen Zustrom von Teilen der Bevölkerung die selbst spontan beschließen konnten sich anzuschließen, sei es wegen der Chance Beute zu machen oder warum auch immer.
Jegliche Form von Eindämmung/Verhinderung des Anwachsens eines Aufstands konnte sich nur gegen letztere Gruppe richten.

Ein verstärkendes Heer benachbarter Stämme, die ggf. hinzuzogen, hätte man mit der Legionsreiterei sicherlich nicht angreifen können.
Wäre ein solches zu den ursprünglichen Aufständischen dazugestoßen und bereits einigermaßen nah und mit diesen in Kontakt gewesen, hätten im Übrigen Eilmärsche der Infanterie für einen Blitzangriff überhaupt nichts gebracht.
Nachricht von deren Erscheinen, hätte die Aufständischen dann allenfalls dazu veranlasst sich unter hinhaltendem Widerstand in Richtung der Anrückenden Verbündeten zurück zu ziehen.
Im schlimmsten Fall hätte das für die Römer bedeutet, nach mehreren Gewaltmärschen den aufgespührten Gegner noch verfolgen zu müssen und am Ende zu allem überfluss, sollte dieser noch Verstärkungen erhalten in einigermaßen entkräftetem Zustand auf eine größere Feindmacht zu treffen als erwartet.

Infanterie über die Gegend um das Aufstandsgebiet zu verteilen um sicher zu gehen, dass die Neutralen auch neutral bleiben würden, bis die Sache gelaufen war, war auf Grund von deren Langsamkeit nicht praktikabel, das wäre nur mit Kavallerie möglich gewesen.

Natürlich hätte die in letzter Konsequenz nur die Kampagne der Infanterie vorbereitet.


So lange aber keine größeren festen Hauptorte im Gebiet der Aufständischen lagen, durch deren Bedrohung man sie zur Schlacht zwingen konnte, wäre eine Blitzkampagne der Infanterie nur bei ausgemachter Dummheit der Aufständischen machbar gewesen.
Da darauf nicht zu rechnen ist, musste realistischer Weise von einem länger dauernden Feldzug ausgegangen werden und der hätte es sinnvoll gemacht das Aufstandsgebiet möglichst zu isolieren.
Dafür hätte es die Reiterei benötigt, nicht um damit tief rein zu gehen.
 
Nur dann, wenn man sie mitten in das Aufstandsgebiet hinein geschickt hätte.
Wie genau wusste Varus denn, wie groß das Aufstandsgebiet ist, und wann wusste er das? Einem 50-Mann-Trupp können selbst die Bewohner von ein, zwei Weilern gefährlich werden, wenn sie die Römer überraschend angreifen. Hört sich für mich ziemlich gefährlich an.

Infanterie über die Gegend um das Aufstandsgebiet zu verteilen um sicher zu gehen, dass die Neutralen auch neutral bleiben würden, bis die Sache gelaufen war, war auf Grund von deren Langsamkeit nicht praktikabel, das wäre nur mit Kavallerie möglich gewesen.
ME wäre es im Falle eines (größeren) Aufstands in jedem Falle unklug, seine Kräfte derart aufzuteilen, egal ob zu Fuß oder zu Pferd. Ich kann mich auch nicht erinnern, mal davon gehört zu haben, dass Varus so vorgegangen wäre, auch wenn das natürlich nicht allzuviel sagt.
 
Tja, das kann halt nur funktionieren, wenn man sich sicher sein kann, dass die geballte Streitmacht des ebenfalls über Reiterei verfügenden Gegners weit genug weg ist. Du kannst jetzt natürlich ein Phantasieszenario entwerfen, wo das tatsächlich der Fall ist, nur wüsste ich nicht, wozu man darüber diskutieren sollte.
Dafür brauche ich kein Phantasieszenario zu entwerfen.

Ein Heer von Aufständischen, dessen Anführer wissen, das sie in einer offenen Schlacht mit der Besatzungsmacht sehr wahrscheinlich den Kürzeren ziehen, wird immer auf Zeit spielen und von sich aus keinen Angriff riskieren, im Besonderen nicht, wenn es eventuell noch Zulauf erwartet.

Wissen die Aufständischen wenn sie Kavallerietrupps des Gegner ausmachen wie weit deren Infanterie weg ist? Kann 1 oder 2 Tage sein, kann aber auch nur eine Marschstunde sein. Und ob sie möglicherweise in genau die Schlacht hineinstolpern die sie sich nicht leisten können, wenn sie zum Angriff übergehen und Verstärkung des Feindes auftauchen sollte?
 
Wie genau wusste Varus denn, wie groß das Aufstandsgebiet ist, und wann wusste er das?
Nun, man musste ihm ja mitgeteilt haben, welche Stämme sich angeblich im Aufstand befinden, folglich wäre es das Naheliegendste gewesen erstmal in den Gebieten der Nachbarstämme Präsenz zu demonstrieren.

Einem 50-Mann-Trupp können selbst die Bewohner von ein, zwei Weilern gefährlich werden, wenn sie die Römer überraschend angreifen.
Natürlich, also vorrausgesetzt dass sie komplett lebensmüde sind.
Denn was ist, wenn man anfängt den Trupp zu massakrieren und auf einmal tauchen irgendwo mehr von denen auf? Wissen die Bewohner des Weilers, ob die Reitertruppe allein oder nur die Vorhut weiterer anrückender Verbände ist?

Ich für meinen Teil würde ja, wenn ich mich in meinem Weiler befinde die potentielle Vorhut einer feindlichen Streitkraft, wenn die bei mir zu Hause einreitet lieber nicht massakrieren, weil das könnte damit enden, dass am Ende des Tages mein Weiler eingeäschert ist.
Ich würde mich entweder samt angehöriger im nächsten Wald verdrücken und hoffen, dass der Spuk bald vorbei ist, oder auf Aufforderung zähneknirschend meine Waffen abliefern, mich ruhig verhalten und hoffen, dass es nicht so schlimm wird und dass die nur durchziehen.
 
Das kann sein, muss aber nicht sein. Nach den Quellen hat Varus auf jeden Fall Truppen in dem Gebiet der Sommerkampagne zurückgelassen. Ob er aber auf die Reiterei bei seinem Rückmarsch verzichtet hat, halte ich eher für unwahrscheinlich.
Dem will ich nicht widersprechen, ich wollte nur darauf hinaus, dass wir nicht wissen, ob Varus tatsächlich drei alae in seinem Heereszug hatte.

Bei der Episode ALISO wird nicht von Reiterei gesprochen.
Dafür von Bogenschützen, also Mitgliedern einer Auxiliareinheit. Das ist das einzige, was über die Besatzung überliefert ist. Außerdem wird von Zivilisten (Frauen und Kindern) gesprochen. Alles andere ist Spekulation.


Jedoch haben andere römische Verbände einen Reiterführer. Mir fallen da Stertinius oder Pedo ein. Waren das Leute aus dem Ritterstand?
Lucius Stertinius Avitus wird als Legat bezeichnet, war aber mit der Kavallerie und "leichten Truppen" von Germanicus zu einer eigenen Aufgabe delegiert worden: Obwohl Legat, hat er keine Legion dabei.
Pedo wird als "praefectus" bezeichnet, das ist die übliche Bezeichnung für einen Alenführer, er wird wohl aus dem Ritterstand gewesen sein. Wie sich der von Stertinius kommandierte Verband zusammensetzte, ist nicht überliefert.


So wie ich das verstanden habe, hat die nicht unerhebliche Reiterei der römischen Legionen trotz Absetzen von der Infanterie die Kämpfe auch nicht überlebt.

Velleius erwähnt exemplarisch drei hochrangige Offiziere, als "leuchtendes" Beispiel Lucius Eggius (ohne weiteren Kommentar, er wird wohl heldenhaft bis zum Schluss gekämpft haben), als "schändliches" Beispiel Ceionius, der sich in die Kapitulation fügen wollte, und als "grausiges" Beispiel Vala Numonius, der mit seinen Reitern desertierte (und trotzdem nicht überlebt hat).
Wie "erheblich" die Anzahl der mit ihm Geflüchteten gewesen ist, darauf gibt Velleius keinen Hinweis.
 
Die meisten Alenkastelle mit Reiterei waren ja später in Süddeutschland, wo das Gelände besser geeignet war.

Der Rachefeldzug des Germanicus, mit Anlandung von 10.000 Pferden an der Emsmündung, heißt ja nichts anderes, als dass man hoch mobil Gebiete in der Fläche beherrschen wollte. Zudem musste man auch mit Reiterei des Gegners rechnen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Dafür brauche ich kein Phantasieszenario zu entwerfen.

Und tust es trotzdem. Anstatt dass Varus das Kerngebiet des Aufstands plattmacht, verzettelt er sich erstmal in den Gebieten der Nachbarstämme. Und Varus weiß genau, dass die Anführer des Aufstands auf keinen Fall losschlagen werden, auch nicht auf vereinzelte Vortrupps. Sich über das zu unterhalten, mag amüsant sein; wer darauf Lust hat, tue sich keinen Zwang an.
 
Nun, man musste ihm ja mitgeteilt haben, welche Stämme sich angeblich im Aufstand befinden, folglich wäre es das Naheliegendste gewesen erstmal in den Gebieten der Nachbarstämme Präsenz zu demonstrieren.+
Und damit seine Kräfte völlig verzetteln...

Ich würde mich entweder samt angehöriger im nächsten Wald verdrücken und hoffen, dass der Spuk bald vorbei ist, oder auf Aufforderung zähneknirschend meine Waffen abliefern, mich ruhig verhalten und hoffen, dass es nicht so schlimm wird und dass die nur durchziehen.
Hätte die Mehrheit der Germanen so gedacht wie du, würden wir die Debatte heute vielleicht in einer romanischen Sprache führen. ;)
 
Und tust es trotzdem. Anstatt dass Varus das Kerngebiet des Aufstands plattmacht, verzettelt er sich erstmal in den Gebieten der Nachbarstämme.
Gerade nicht.

Mit was sollte er denn das Kerngebiet des Aufstands angreifen, wenn die Infanterie überhaupt noch nicht am Platz war und erst anrücken musste?
Reiterei kann sich deutlich schneller Bewegen als die Infanterie, kann also bei deren Eintreffen recht zügig zusammen gezogen werden.

Und Varus weiß genau, dass die Anführer des Aufstands auf keinen Fall losschlagen werden, auch nicht auf vereinzelte Vortrupps.
Nun, du wirst ja sicherlich darlegen können, warum diese eine Angriffsoperation am Rand des von ihnen kontrollierten Gebiets oder sogar außerhalb davon hätten versuchen sollen, wenn sie davon ausgehen mussten, dass falls römische Verstärkung in der Nähe sein konnte und dass womöglich genau zu der offenen Schlacht führen würde, die ihr Untergang sein konnte?
Ist das potentielle Aufreiben einer möglichen berittenen Vorhut es wert die gesamte eigene Streitkraft in einer Schlacht mit möglicherweise sehr nachteilhaften Ausgangsbedingungen dem Risiko einer vernichtenden Niederlage auszusetzen, statt darauf zu setzen, die gesamte Feindmacht in einer wesentlich günstigeren Lage tief im eigenen Gebiet zu erwischen?

Aber sicher, dass Wissen um die eigene Unterlegenheit gegenüber dem potentiellen Feind und die Gefahren, sollte es sich um dessen gesamte Streitmacht handeln, spielt ja keine Rolle.
Man fragt sich, warum die Cherusker nicht einfach auf Rom marschiert sind um die römiche Okkupation zu beenden.


Hätte die Mehrheit der Germanen so gedacht wie du, würden wir die Debatte heute vielleicht in einer romanischen Sprache führen. ;)
Ich wusste nicht, dass Varus Armee beim durchzug durch germanische Siedlungen von der lokalen Bevölkerung massakriert wurde, ich hatte immer angenommen, er sei von einem zusammengezogenen Heer von Aufständischen in einen Hinterhalt gelockt worden.

Sich einem Heer von Aufständischen anzuschließen, dass sich irgendwo in der Gegend versammelt und dort hinzuziehen, während die eigene Siedlung und Familie in relativer Sicherheit ist, weil sie sich außerhalb der erwartbaren römischen Anmarschrichtung und des römischen Zugriffs befinden ist die eine Sache.
Sich einem aufständischen Heer anzuschließen, in dem Wissen, dass römische Truppen die eigene Siedlung besetzt haben und als Vergeltungsaktion für Versuche von Teilen der Bevölkerung am Aufstand teilzunehmen auf die Idee kommen könnten, die Siedlung einfach niederzubrennen und die Bevölkerung zu massakrieren, ist eine andere Nummer.

Und ich denke, man wird durchaus davon ausgehen können, dass die meisten, die in erster Situation vielleicht geneigt sind den Helden zu spielen und beim Aufstand mitzumachen, sich dass in der zweiten Situation 3 mal überlegen würden
 
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