@dekumatland Mon dieu. Könnest Du einmal beim Thema bleiben?
Zum Thema: Der Unterschied zwischen Literaten und Geschichtswissenschaftlern besteht in unterschiedlichen Karrierewegen und in einer anderen Art, sich zu gesellschaftlichen Themen zu positionieren. Der Historiker ist insofern Literaturproduzent, als er eine bestimmte Zahl an Publikationen vorweisen muss, um Karriere zu machen. Das führt dann zu den diversen Sammelbandsbeiträgen, Aufsätze und Artikeln, die selbst in der Fachwelt kaum jemand liest, weil sie selten etwas Neues bringen. Die Sprache spielt beim Historiker eine andere Rolle (Fachsprache).
Ein Literat ist hingegen in erster Linie ein Schriftsteller, Dichter oder Autor, der sich mit der Schaffung, Interpretation und Vermittlung von literarischen Werken beschäftigt. Er muss sich nicht gegenüber staatlich subventionenierten Strukturen, sondern gegenüber seinen Lesern und seinem Verleger und der eigenen Sprache rechtfertigen. Sein Fokus liegt auf kreativen Ausdrucksformen, Sprache, Ästhetik und oft auch auf persönlichen oder fiktionalen Geschichten. Literaten können Romane, Gedichte, Theaterstücke oder Essays verfassen und sind häufig im Bereich der Literatur und Kunst tätig.
Ein Historiker hingegen ist ein Wissenschaftler, der sich systematisch mit der Erforschung und Analyse vergangener Ereignisse, Entwicklungen und Zusammenhänge beschäftigt. Er arbeitet mit Quellen wie Dokumenten, Archiven, Artefakten und anderen Beweisen, um ein möglichst objektives Verständnis der Geschichte zu gewinnen. Sein Ziel sollte es sein, historische Zusammenhänge zu erklären, zu interpretieren und verständlich darzustellen, oft im Rahmen von Forschung, Lehre oder Publikationen. Der Literat muss gegenüber dem Publikum bestehen, der Historiker gegenüber der Fachwelt. Diese wird überwiegend aus staatlichen Quellen finanziert.
Da die meisten historischen Themen für die breite Öffentlichkeit uninteressant sind, leidet der Historiker, was dazu führt, dass er sich an den Zeitgeist anbiedern zu müssen glaubt. Typisch dafür sind Publikationen in Wissenschaftsverlagen mit sehr engem Leserkreis. Der Geschichtswissenschaftler ist, um es übertrieben auszudrücken, ein Lieferant für die Fachwelt.
Der moderne Historiker verzichtet zunehmend auf das breite Erzählen und tiefgreifende Erklären. Er beschränkt sich auf das Analysieren, was das Sujet für Außenstehende zunehmend uninteressant macht. Der Literat setzt sich mit Sprache als verdichteter Form der Wirklichkeitsauseinandersetzung auseinander, der Historiker betrachtet sprache als Mittel zum Zweck. Wissenschaftliche Werke aus Historikerhand sind selten sprachästhetisch hochstehende Kunstwerke. Historiker leben weit mehr im Elfenbeinturm als Literaten, während Schriftsteller vielfach an zu viel Phantasie und Einbildungsgabe leiden. Das ist aber nicht als Kritik zu verstehen. Was den Historiker kennzeichnet, ist der Umstand, dass er bezüglich des Zeitgeschehens um gefühlte 25 Jahre hinterherhinkt, während Literaten sehr oft Stellung zu extrem aktuellen Themen beziehen. Insoweit sind beide Gruppen unterschiedliche Spezies.
Es gibt natürlich immer positive Gegenbeispiele. Der Literat bzw. der Historiker, der sich selbst finanziert, ist selten geworden, weil das Bildungsbürgertum als gesellschaftlich tragende Kraft so nicht mehr existiert. Das vereint beide Gruppen. Unabhängiges Urteil? Kein Regelfall. Politiker und Medienschaffende benutzen Historiker und Literaten zur Selbstlegitimation. Das wird auch weiterhin so bleiben. Die Unabhängigkeit der Geschichtswissenschaft gibt es nicht. Dazu sind die Machtstrukturen zu eindeutig.