Kirchturm links oder rechts?

pelzer

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Hallo

Ich habe eine simple Frage: Wenn eine Gemeinde im 15./16. Jahrhundert eine neue (katholische) Kirche baute, wo kam der Kirchturm hin - rechts oder links vom Chor?
Ich habe in meiner Region mal durchgezählt und komme auf genau auf gleich viele rechte und linke Kirchtürme. Gibt es da eine Regel oder ist das bloss zufällig? Oder hängt das vielleicht vom jeweiligen vom Kirchenpatron ab? Oder vom Standort im Dorf?

liebe Grüsse Pelzer
 
Vielleicht wissen da Theologen oder historische Bauforscher mehr, aber ich würde zunächst einmal davon ausgehen, dass das keine Beutung hat*. Oft steht der Kirchturm ja auch nicht links oder rechts, sondern bildet das Eingangsportal (Westwerk). Und bei vielen eintürmigen Kirchen ist es so, dass sie als zweitürmig gedacht waren, aber irgendwann eben das Geld ausging.
Es wäre vorstellbar, dass die Menge der Türme etwas über den Rang einer Kirche ausdrücken könnte, zugleich gibt es aber zuviele Kathedralen, die nur über einen Turm verfügen (und zwar gleich von der Anlage her, nicht von den Baukosten).
Letztlich wird man davon ausgehen müssen, dass die Platzierung des Turms wohl oft pragmatische Gründe hatte (höchster Platz, festester Untergrund....)



*wohlwissend, dass im Kirchenbau vieles eine Bedeutung hat, z.B. dass Kirchen (im Normalfall) grob geostet sind und man zumindest zeitweise nach Norden keinen Eingang baute, weil der Teufel aus dem Norden kam.
 
Erstmal gibt es für den Turm keine theologische Begründung. Erste Kirchenbauten haben keinen Turm.
Die häufigste Position ist das dem (Haupt-)Altar gegenüberliegende Ende des Kirchenschiffs. Traditionell ist dies das Westende, aber seit dem 16./17. Jahrhundert haben städtebauliche Überlegungen Vorrang vor der im Mittelalter üblichen Ost-West-Orientierung der Kirchen. Es gibt auch Kirchen mit einem seitlich angebauten Turm, mit freistehendem Turm, oder mit zwei bis sechs etwa gleich hohen Türmen.
 
Bei uns in der Zentralschweiz stehen die Kirchtürme meistens seitlich am Übergang vom Hauptschiff zum Chor. Vierungstürme, Dachreiter, Campanile, Westtürme und mehrtürmige Kirchen habe ich mal aussen vor gelassen. Die gibt es bei Dorfkirchen zwar auch, doch eher selten.

Unsere Dorfkirchen aus dem 15. Jh. sind oft geostet, allerdings bei weitem nicht alle. Geostet sind sie gerne nach dem Ort des Sonnenaufgangs am Tag des Kirchenpatrons. Je nach Bergkamm ist das irgendwo zwischen Nord- und Südosten.

Gruss Pelzer
 
Vielleicht wissen da Theologen oder historische Bauforscher mehr, aber ich würde zunächst einmal davon ausgehen, dass das keine Beutung hat*. Oft steht der Kirchturm ja auch nicht links oder rechts, sondern bildet das Eingangsportal (Westwerk). Und bei vielen eintürmigen Kirchen ist es so, dass sie als zweitürmig gedacht waren, aber irgendwann eben das Geld ausging.
Es wäre vorstellbar, dass die Menge der Türme etwas über den Rang einer Kirche ausdrücken könnte, zugleich gibt es aber zuviele Kathedralen, die nur über einen Turm verfügen (und zwar gleich von der Anlage her, nicht von den Baukosten).
Letztlich wird man davon ausgehen müssen, dass die Platzierung des Turms wohl oft pragmatische Gründe hatte (höchster Platz, festester Untergrund....)

*wohlwissend, dass im Kirchenbau vieles eine Bedeutung hat, z.B. dass Kirchen (im Normalfall) grob geostet sind und man zumindest zeitweise nach Norden keinen Eingang baute, weil der Teufel aus dem Norden kam.
Im Kirchenbau hat alles symbolische Bedeutung.
Der ur-urspruengliche Zweck waren die Glocken die das Landvolk so weit wie moeglich hoeren sollten, demzufolge je hoeher die Glocken, desto besser die Hoerbarkeit. Dazu auch die Feldkapelle. Raison d'être fuer die Glocken war ur-urspruenglich die Leute im Feld an ihr Gebet zu erinnern -nicht ungleich der Moslems die das Gleiche vom Minaret aus rufen. Aus dieser Hinsicht heraus ,ist ein zweiter Glockenturm unnoetig. Doch architektonische Symmetrie, Prestige usw verlangten einen zweiten Turm.
Mit den Jahren evolvierte das Konzept, jeh nach finanzieller Situation, zu prunkvollen Prestigeobjekten.
Wie wir wohl alle wissen, wurden Kirchenglocken auch zur Warnung und Freudenanlaesse gebraucht, z.B. Ende des 2.WK's.

*wohlwissend, dass im Kirchenbau vieles eine Bedeutung hat, z.B. dass Kirchen (im Normalfall) grob geostet sind und man zumindest zeitweise nach Norden keinen Eingang baute, weil der Teufel aus dem Norden kam.

Jein: Im Christentum war es schon 'immer' die Bauregel gewesen, dass Kirchen 'mit dem Kopf' nach Jerusalem deuten sollen. Nicht ungleich der Juden die sich beim Gebet gen Jerusalem beugen, Moslems gen Mekka. Dass die Ausrichtung der Kirche/Kathedrale bei ihrer Grundsteinlegung vor x-hunderten Jahren nicht ganz genau gewesen war, spielt aus technischen Gruenden keine Rolle. Englische, deutsche, franzoesische Kathedralen zeigen, so gut es die Umstaende erlauben, alle in 'Richtung Jerusalem'. [Ausnahme amerikanische] Gute Beispiele Freiburger & Koelner Dom; 'Notre Dame' in Paris; Canterbury Cathedral; Westminster Cathedral, London; St Patrick’s Cathedral; Dublin etc
Die einzige Kirche/Kathedrale die meines Wissens dieser Regel widerlaeuft ist die St.Peter's Kirche in Jaffa.
 
*wohlwissend, dass im Kirchenbau vieles eine Bedeutung hat,
Im Kirchenbau hat alles symbolische Bedeutung.

Wir sind da nahe beieinander aber nicht ganz. Denn du schließt Pragmatismus aus, ich halte ihn - neben der symbolische Bedeutung - für wesentlich.


Der ur-urspruengliche Zweck waren die Glocken die das Landvolk so weit wie moeglich hoeren sollten, demzufolge je hoeher die Glocken, desto besser die Hoerbarkeit. Dazu auch die Feldkapelle. Raison d'être fuer die Glocken war ur-urspruenglich die Leute im Feld an ihr Gebet zu erinnern -nicht ungleich der Moslems die das Gleiche vom Minaret aus rufen.
Das Minarett ist dem Kirchturm und dem Leuchtturm nachempfunden. Das Wort Minarett ist ja türkisch, das arabische Original ist manāra(t) (was Leuchtturm bedeutet) kommt von nūr ('Licht') - Radikale n-Langvokal-r. Auf Arabisch wird das Minarett auch miʾḏana genannt. Radikale ʾ-ḏ-n, Bedeutung 'ankündigen', 'hören lassen'. ʾ = alif.

Im Christentum war es schon 'immer' die Bauregel gewesen, dass Kirchen 'mit dem Kopf' nach Jerusalem deuten sollen.
Das klingt zwar plausibel. ist aber nicht korrekt. Kirchen richten sich eben nicht nach Jersualem (auch wenn Jerusalem im MA als Zentrum der Welt galt oder zumindest auf den TO-Karten so dargestellt wurde)

Tatsächlich gilt der Osten als Gebetsrichtung. Basilieus erklärt das mit der Veortung des Paradieses als der alten Heimat (auf den geosteten TO-Karten ganz oben):

For instance, to take the first and most general example, who is thence who has taught us in writing to sign with the sign of the cross those who have trusted in the name of our Lord Jesus Christ? What writing has taught us to turn to the East at the prayer? Which of the saints has left us in writing the words of the invocation at the displaying [1272] of the bread of the Eucharist and the cup of blessing? For we are not, as is well known, content with what the apostle or the Gospel has recorded, but both in preface and conclusion we add other words as being of great importance to the validity of the ministry, and these we derive from unwritten teaching.​
[...]​
One form of this silence is the obscurity employed in Scripture, which makes the meaning of "dogmas" difficult to be understood for the very advantage of the reader: Thus we all look to the East [1275] at our prayers, but few of us know that we are seeking our own old country, [1276] Paradise, which God planted in Eden in the East. [1277] We pray standing, [1278] on the first day of the week, but we do not all know the reason.

Synopsis: Basileus schreibt, dass es keine schriftliche Quelle dafür gebe, warum Christen nach Osten beteten, sie es aber täten und viele wüssten nicht warum, aber sie täten es aus Sehnsucht nach dem Paradies, aus dem sie vertrieben wurden und das Gott im Osten eingerichtet habe. (Basileius, Über den Geist, Kapitel 27, Abschnitt 66)

Zum Vergleich auch noch mal exemplarisch eine Kreuzfahrerkirche in Syrien, die ich vor 23 Jahren besichtigt habe: also nicht, dass jetzt behauptet wird, dass levantinische Christen da andere Regeln hätten, denn diese Kirche wurde von europäischen Christen errichtet:

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Wir sind da nahe beieinander aber nicht ganz. Denn du schließt Pragmatismus aus, ich halte ihn - neben der symbolische Bedeutung - für wesentlich.
Pragmatismus kam wohl eher bei der Finanzierung der Kirche in's Spiel. Doch nicht unbedingt, dauerten doch Kirchen oft Jahrhunderte bis sie 'fertig' gebaut waren.
Und wer mal im Koelner Dom gewesen war, wird dort die 'ewigen' Grabstaetten reicher Finanziers sehen, denen ein schoenes Dasein im Jenseits versprochen wurde.
Das Minarett ist dem Kirchturm und dem Leuchtturm nachempfunden. Das Wort Minarett ist ja türkisch, das arabische Original ist manāra(t) (was Leuchtturm bedeutet) kommt von nūr ('Licht') - Radikale n-Langvokal-r. Auf Arabisch wird das Minarett auch miʾḏana genannt. Radikale ʾ-ḏ-n, Bedeutung 'ankündigen', 'hören lassen'. ʾ = alif.
In England, sowohl als auch in DEU, der Schweiz, Irland etc war der Landbevoelkerung Leuchttuerme und Minarets schnurzpieps; wenn die wei draussen im Felde arbeiteten wollten sie wissen wann Vesperzeit und Mittagszeit ist, also Zeiten zum Gebet und futtern. Uebrigens Lady Liberty, also die Freiheitsstatue war urspruenglich als Leuchtturm fuer Alexandria(?) gedacht, doch sie fand dort keinen Abnehmer. Die USA freute sich ueber das magnifizente Geschenk.
Das klingt zwar plausibel. ist aber nicht korrekt. Kirchen richten sich eben nicht nach Jersualem (auch wenn Jerusalem im MA als Zentrum der Welt galt oder zumindest auf den TO-Karten so dargestellt wurde)
Meine Informationen diesbezueglich weichen von Deinen merkbar ab.
Tatsächlich gilt der Osten als Gebetsrichtung. Basilieus erklärt das mit der Veortung des Paradieses als der alten Heimat (auf den geosteten TO-Karten ganz oben):

For instance, to take the first and most general example, who is thence who has taught us in writing to sign with the sign of the cross those who have trusted in the name of our Lord Jesus Christ? What writing has taught us to turn to the East at the prayer? Which of the saints has left us in writing the words of the invocation at the displaying [1272] of the bread of the Eucharist and the cup of blessing? For we are not, as is well known, content with what the apostle or the Gospel has recorded, but both in preface and conclusion we add other words as being of great importance to the validity of the ministry, and these we derive from unwritten teaching.​
[...]​
One form of this silence is the obscurity employed in Scripture, which makes the meaning of "dogmas" difficult to be understood for the very advantage of the reader: Thus we all look to the East [1275] at our prayers, but few of us know that we are seeking our own old country, [1276] Paradise, which God planted in Eden in the East. [1277] We pray standing, [1278] on the first day of the week, but we do not all know the reason.

Synopsis: Basileus schreibt, dass es keine schriftliche Quelle dafür gebe, warum Christen nach Osten beteten, sie es aber täten und viele wüssten nicht warum, aber sie täten es aus Sehnsucht nach dem Paradies, aus dem sie vertrieben wurden und das Gott im Osten eingerichtet habe. (Basileius, Über den Geist, Kapitel 27, Abschnitt 66)

Zum Vergleich auch noch mal exemplarisch eine Kreuzfahrerkirche in Syrien, die ich vor 23 Jahren besichtigt habe: also nicht, dass jetzt behauptet wird, dass levantinische Christen da andere Regeln hätten, denn diese Kirche wurde von europäischen Christen errichtet:

Anhang anzeigen 24639
Ich sehe mehr Relevanz in den von mir gegebenen Beispielen als in Deinem einem, dass eine Ausnahme aus irgendwelchen Gruenden zu sein scheint. Das uebrigens eine Doppelfunktion einnahm:
"Die Kathedrale 'Unserer Lieben Frau von Tortosa' war eine Kathedrale aus der Zeit der Kreuzfahrer in der Stadt Tartus , heute ein Teil Syriens . Sie wurde Mitte des 12. Jahrhunderts von den Kreuzfahrern erbaut und diente als Festung und Kirche."

Im uebrigen kann man das Gleiche was auf 'Die Kathedrale 'Unserer Lieben Frau von Tortosa' zutrifft auf die 'Himmelfahrtskirche Auguste Victoria' und anderen katholischen, armenischen , griechischen Kirchen in Jerusalem selber uebertragen. Wer dort mal gewesen war, wird erkennen, dass sich Kirchen in vorhandenen Raum einquetschen muessen. Ich glaube die 'Jerusalem-Ausrichtung' gilt nicht bei Protestanten.
Synopsis: Basileus schreibt dass es keine schriftliche Quelle dafuue gebe, warum Christen nach Osten beteten, sie es aber taeten und viele wussten nicht warum, aber sie taeten es aus Sehnsucht nach dem Paradies, aus dem sie vertrieben wurden und das Gott im Osten eingerichtet have.(Basileius, ueber den Geist).
Ich finde diese Begruendung krampfhaft an den Haaren herbeigezogen. Denn es gibt eine konkrete Begruendung die im Talmud und den Psalmen steht: "Vergesse ich dein, Jerusalem,so werde meine Rechte vergessen". (Psalm 137 :5; Klage der Gefangenen zu Babel).
Vielleicht hilft das etwas weiter :)


 
Meine Informationen diesbezueglich weichen von Deinen merkbar ab.



In meinem Heimatdorf ist eine Kirche grob gen Westen ausgerichtet, die andere eher SSW. Im nächst größeren Ort die eine gen Osten, die andere gen Westen. In beiden Orten war die erste Kirche jeweils dem Ortskern zugewandt. Es gibt, zumindest bei der Masse der Kirchen ( hier natürlich die jeweils ältesten Kirchenbauten) die ich näher kenne, keine!!! signifikante Ausrichtung gen Rom oder Jerusalem.

Welche statistischen Infos hast du denn gefunden?

Die Ausrichtung protestantischer Kirchen ist banal ausgedrückt "egal". Bei uns gibt es keine bestimmte Ausrichtung, solches würde auch nicht unbedingt mit dem "Protestantismus" Konform gehen.
 
Meine Informationen diesbezueglich weichen von Deinen merkbar ab.

Ich sehe mehr Relevanz in den von mir gegebenen Beispielen als in Deinem einem, dass eine Ausnahme aus irgendwelchen Gruenden zu sein scheint. Das uebrigens eine Doppelfunktion einnahm:
Du hast ja eigentlich keine Beispiele gegeben.
Relevant dürfte doch sein, was die antiken christlichen Quellen zum Kirchbau sagen, wie etwa der Hl. Basilius.

In England, sowohl als auch in DEU, der Schweiz, Irland etc war der Landbevoelkerung Leuchttuerme und Minarets schnurzpieps;
Du hast mit Minaretten angefangen, ich habe nur den Zusammenhang von Minaretten und Kirch- sowie Leuchttürmen erklärt.

In meinem Heimatdorf ist eine Kirche grob gen Westen ausgerichtet, die andere eher SSW. Im nächst größeren Ort die eine gen Osten, die andere gen Westen.
Wie alt sind die Kirchen denn? Ab dem Barock, tw. schon in der Renaissance wird die Ostung der Kirchen oft aufgegeben, weil stadtplanerische Gedanken den größeren Ausschlag geben. Also neuzeitliche Kirchen passen nur bedingt in das Ostungsschema.
 
Stimmt, richtiger Gedanke, die Kirchenbauten, die ich hier meinte sind im Prinzip alle vor/um 1400, keine später als 1450.
(in den Ursprungsbauten, es ist ja häufig erweitert worden und zudem auch fast alle im nordwestlichen Norddeutschland gelegen)

Und richtig, die nach dem dreißigjährigem Krieg neu errichteten katholischen Kirchen sind tatsächlich stadtplanerisch errichtet worden.

Obacht, Kirchenbauten vor 1000 n. Ch. sind mir hier nicht bekannt, aber wir könnten uns hierzu mal den Dom zu OS in seiner Ausrichtung anschauen, vielleicht passt das da ja.
 
Englische, deutsche, franzoesische Kathedralen zeigen, so gut es die Umstaende erlauben, alle in 'Richtung Jerusalem'. [Ausnahme amerikanische] Gute Beispiele Freiburger & Koelner Dom; 'Notre Dame' in Paris; Canterbury Cathedral; Westminster Cathedral, London; St Patrick’s Cathedral; Dublin etc
Die einzige Kirche/Kathedrale die meines Wissens dieser Regel widerlaeuft ist die St.Peter's Kirche in Jaffa.

Eigentlich zeigen sie alle mehr oder weniger nach Osten, nicht "nach Jerusalem" (Jerusalem liegt im Südosten).

Doch auch von der Ostung gibt es einige Ausnahmen.

Kathedrale Ivrea (Italien):

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Kathedrale Luxemburg:

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Kathedrale Chartres (sehr prominent):

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Und der Petersdom in Rom (genaugenommen keine Kathedrale, aber noch prominenter) :

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Die Ausrichtung protestantischer Kirchen ist banal ausgedrückt "egal". Bei uns gibt es keine bestimmte Ausrichtung, solches würde auch nicht unbedingt mit dem "Protestantismus" Konform gehen.

Auch die älteren protestantischen Kirchen sind ganz überwiegend geostet. Noch das "Eisenacher Regulativ" von 1861 hält an dieser Tradition fest, Regel Nummer 1 lautet:

"Jede Kirche sollte nach alter Sitte orientirt, d. h. so angelegt werden, daß ihr Altarraum gegen den Sonnenaufgang liegt."
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich kenne allein in Mittelhessen 2 möglicherweise karolingische Kirchen, beide mit der sehr seltenen hufeisenförmigen Apsis, wobei die Kirche in Altenvers Lahn-Dill-Kreis) mit ihrer Apsis klar geostet ist, die in der Wüstung Udenhausen (Roßdorf, Kreis Msrburg-Biedenkppf) gelegene und noch ältere Kirche aber nach Nordosten ausgerichtet ist:


 
Du hast ja eigentlich keine Beispiele gegeben.
Relevant dürfte doch sein, was die antiken christlichen Quellen zum Kirchbau sagen, wie etwa der Hl. Basilius.
Nein?
bibliophile: Gute Beispiele Freiburger & Koelner Dom; 'Notre Dame' in Paris; Canterbury Cathedral; Westminster Cathedral, London; St Patrick’s Cathedral; Dublin etc
Von Zufall kann wohl kaum geredet werden.
Du hast mit Minaretten angefangen, ich habe nur den Zusammenhang von Minaretten und Kirch- sowie Leuchttürmen erklärt.
Womit Du ja auch voellig richtig liegst: primaerer Zweck war und ist auch heute noch bei Mohammedanern der Aufruf zum Gebet mit Richtung Mekka.
"slender, lofty turret of a mosque," typically rising by stages and having one or more projecting balconies around it, 1680s, from French minaret, from a Turkish pronunciation of Arabic manarah, manarat "minaret," also "lamp, lighthouse," which is related to manar "candlestick," a derivative of nar "fire;" compare Hebrew ner "lamp" (see menorah).​
Das Christentum im Gegensatz zum Mohammedanismus ist der ideologischen Atrophie unterlegen, es verkuemmert also, und damit die alten Braeuche & Gewohnheiten.
Wie alt sind die Kirchen denn?
Mitunter ueber oder fast 1,000 Jahre
Ab dem Barock, tw. schon in der Renaissance wird die Ostung der Kirchen oft aufgegeben, weil stadtplanerische Gedanken den größeren Ausschlag geben. Also neuzeitliche Kirchen passen nur bedingt in das Ostungsschema.
Stimmt. Hatte ja selber oblique darauf hingewiesen: 'sich den Gegebenheiten anpassen'. Das trifft sowohl auf den Peterdom als auch auf andere Kathedralen zu. Drum schrieb ich dass sie sich in den gegebenen Stadtplan 'einquetschen' muessen. Dafuer gibt es bestimmt viele Beispiele.
Doch wo vor hunderten von Jahren Platz gewesen war, bedeutete die Ausrichtung der Laegsrichtung der Kirche gen Jerusalem eine 'Huldigung' zur 'Heiligen Stadt' bzw dem 'Heiligem Land'.
Dass mit den damaligen Mitteln die exakte geolocation Jerusalems nicht erfasst werden konnte, liegt auf der Hand. Drum 'gegen Osten' war wohl gut genug. Kompassrichtung Koeln-Jerusalem : 132.45° (SO), London-Jerusalem: 127.11° (SO)
לְשָׁנָה הַבָּאָה בִּירוּשָלָיִם :),​
 
Nein?
bibliophile: Gute Beispiele Freiburger & Koelner Dom; 'Notre Dame' in Paris; Canterbury Cathedral; Westminster Cathedral, London; St Patrick’s Cathedral; Dublin etc
Von Zufall kann wohl kaum geredet werden.

Die Kirchen zeigen alle mehr oder weniger nach Osten, wie bereits hinreichend belegt wurde. Also Richtung Warschau, Minsk oder Kiew, jedoch nicht Richtung Jerusalem (Jerusalem liegt bekanntlich im Südosten).

Beispiel Freiburg (der rote Pfeil zeigt Richtung Jerusalem):

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Das einzige Deiner Beispiele, wo die Richtung "Jerusalem" einigermaßen stimmt, ist Notre Dame de Paris.


Stimmt. Hatte ja selber oblique darauf hingewiesen: 'sich den Gegebenheiten anpassen'. Das trifft sowohl auf den Peterdom als auch auf andere Kathedralen zu. Drum schrieb ich dass sie sich in den gegebenen Stadtplan 'einquetschen' muessen. Dafuer gibt es bestimmt viele Beispiele.

Der Petersdom musste sich in keinen Stadtplan "einquetschen", da war Platz ohne Ende:





Doch wo vor hunderten von Jahren Platz gewesen war, bedeutete die Ausrichtung der Laegsrichtung der Kirche gen Jerusalem eine 'Huldigung' zur 'Heiligen Stadt' bzw dem 'Heiligem Land'.
Dass mit den damaligen Mitteln die exakte geolocation Jerusalems nicht erfasst werden konnte, liegt auf der Hand. Drum 'gegen Osten' war wohl gut genug. Kompassrichtung Koeln-Jerusalem : 132.45° (SO), London-Jerusalem: 127.11° (SO)
לְשָׁנָה הַבָּאָה בִּירוּשָלָיִם :),​
 
Doch wo vor hunderten von Jahren Platz gewesen war, bedeutete die Ausrichtung der Laegsrichtung der Kirche gen Jerusalem eine 'Huldigung' zur 'Heiligen Stadt' bzw dem 'Heiligem Land'.
Dass mit den damaligen Mitteln die exakte geolocation Jerusalems nicht erfasst werden konnte, liegt auf der Hand. Drum 'gegen Osten' war wohl gut genug. Kompassrichtung Koeln-Jerusalem : 132.45° (SO), London-Jerusalem: 127.11° (SO)
לְשָׁנָה הַבָּאָה בִּירוּשָלָיִם :),​
Noch mal: Die Kirchen wurden nicht gen Jerusalem ausgerichtet, sondern gen Osten, Jerusalem war das Zentrum der mittelalterlichen Welt, das Paradies lag im äußersten Osten. Ausdrücklich sagt Basilius, dass Kirchen nach dem Paradies ausgerichtet seien.

Origenes (der in Caesarea, also nördlich von Jerusalem, lebte) schreibt (vom Gebet, Kapitel 31):

Um aber das Problem des Gebets zu erschöpfen, scheint es mir hiernach am Platz zu sein, zur weiteren Einführung über die Stimmung und die Haltung, die der Betende haben muß, zu handeln und über den Ort, wo man beten soll, und über die Himmelsrichtung, nach welcher man ohne alle Umstände blicken soll, und über die für das Gebet passende und ausgesuchte Zeit, und wenn es sonst etwas dem Ähnliches gibt. Was nun die „Stimmung“ betrifft, so muß man diese in die Seele hineinlegen, die „Haltung“ aber in den Körper. Dementsprechend deutet Paulus, wie oben1 erwähnt, die „Stimmung“ an, wenn er sagt: man müsse „beten frei von Zorn und Bedenklichkeiten“, die „Haltung“ aber in den Worten: „heilige Hände aufhebend2.“ Dies scheint er mir von den Psalmen entlehnt zu haben, wo es so heißt: „Das Aufheben meiner Hände ist Abendopfer3.“ Von dem „Ort“ aber (sagt der Apostel): „Ich will nun, dass die Männer beten an jedem Ort4.“ Über die „Himmelsrichtung“ heißt es in der Weisheit Salomos: „Damit es bekannt würde, dass man der Sonne zuvorkommen muß mit Danksagung gegen dich, und vor Aufgang des Sonnenlichts dir nahen müsse5.“

Isidor von Sevilla differenziert zwar nicht zwischen heidnischem Tempel und Kirche, da kommt zwischen Einsiedelei und Gemeinschaftsklaster, fanum (heidnisches Heiligtum) und Orakel auch die Gebetsrichtung und die Ausrichtung des Temepls vor:

Monasterium unius monachi habitatio est. MONOS enim apud Graecos solus, STERION statio; id est solitarii habitatio. Coenobium ex Graeco et Latino videtur esse conpositum. Est enim habitaculum plurimorum in commune viventium; KOINON enim Graece commune dicitur. Templi nomen generale; pro locis enim quibuscumque magnis antiqui templa dicebant: et templa dicta quasi tecta ampla. Sed et locus designatus ad orientem a contemplatione templum dicebatur. Cuius partes quattuor erant: antica ad ortum, postica ad occasum, sinistra ad septentrionem, dextra ad meridiem spectans. Vnde et quando templum construebant, orientem spectabant aequinoctialem, ita ut lineae ab ortu ad occidentem missae fierent partes caeli dextra sinistra aequales; ut qui consuleret atque precaretur rectum aspiceret orientem.​

Thomas von Aquin schreibt:

AD TERTIUM DICENDUM quod secundum quandam decentiam adoramus versus orientem. Primo quidem, propter divinae maiestatis indicium quod nobis manifestatur in motu caeli, qui est ab Oriente. Secundo, propter Paradisum in Oriente constitutum, ut legitur Gen. II8, secundum litteram Septuaginta, quasi quaeramus ad Paradisum redire. Tertio, propter Christum, qui est „lux mundi" et „Oriens" nominatur, Zach. VI1 2; et „qui ascendit super caelum caeli ad orientem"; et ab Oriente etiam expectatur venturus, secundum illud Matth. XXIV2 7: „Sicut fulgur exit ab Oriente et paret usque ad occidentem, ita erit adventus Filii hominis".​
Auf das Dritte ist zu antworten, dass wir aus einem gewissen Anstand heraus nach Osten beten. Erstens: wegen des Zeichens der göttlichen Majestät, das uns im Himmelslauf offenbar wird, denn dieser beginnt im Osten. Zweitens: wegen des Paradieses, das im Osten gelegen war – wie es in Genesis 2,8 nach dem Wortlaut der Septuaginta heißt –, gleichsam als suchten wir, ins Paradies zurückzukehren.
Drittens: wegen Christus, der das „Licht der Welt“ ist und „Aufgang“ (Oriens) genannt wird (Sacharja 6,12); und „der aufstieg über den Himmel des Himmels gegen Osten“; und auch vom Osten her wird er erwartet zu kommen, gemäß Matthäus 24,27:
„Denn wie der Blitz vom Osten ausgeht und bis zum Westen leuchtet, so wird die Ankunft des Menschensohnes sein.“​

Gerade, weil Genauigkeit nicht gewährleistet werden kann, habe ich exemplarisch die Kreuzfahrerkriche von Tartus ausgewählt, die, wären Kirchen nach Jerusalem ausgerichtet, nach Süden ausgerichtet sein müsse. Aber nein, sie ist, wie üblich, nach Osten ausgerichtet.
So im Übrigen auch die Kapelle von Krak des Chevaliers:

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Die Kreuzfahrerkathedrale von Caesarea Maritima (rot: Jerusalem):

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Das von dir erwähnte Freiburger Münster:

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Köln:

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Paris: Notre Dame zeigt tatsächlich auf Jerusalem, was aber eher Zufall sein dürfte, da die Kirche nun mal auf der Île de France liegt und dementsprechend in die römische Stadt eingebaut wurde.

1750659254619.png
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Die grüne Linie endet in Jerusalem.

Westminster (blaue Linie: Jerusalem) und Canterbury (grüne Linie: Jerusalem):

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1750665642442.png




Fazit: Viele Kirchen zeigten geradewegs in den Osten, andere eher südöstlich und andere nordöstlich. Antike und mittelalterliche Theologen sprechen vom Osten als Gebetsrichtung, darunter auch der Caesarea Maritima lebende Origenes, der gewusst haben dürfte, dass Jerusalem mehr südlich als östlich lag. Begründung für den Osten ist: 1.) Lage des Paradieses, 2.) Gottes Schöpfung, die symboplisch mit dem Sonnenaufgang beginnt, 3.) die Widerkunft Christi - dem Licht der Welt - aus dem Osten. Eine Jersualemorientierung ist bei den erwähnten Kirchen lediglich für Notre Dame de Paris feststellbar, dort aber wohl eher topographisch als theologisch begründet: Parallel zum Seine-Ufer.
 

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Im Normalfall befinden sich (echte) Türme eher im Westen (Westwerk), also dem Altar gegenüberliegend, Kuppeln über der Vierung, Dachreiter (im Volksmund auch Turm) über dem Hauptschiff. Manchmal sind Türme aber abgerückt oder stehen anderswo. Die Menge der Türme ist oft eine Frage der Möglichkeiten. Oft sieht man ja Kathedralen, die unvollständig wirken: Das liegt dann daran, dass der Bau des (zweiten) Turms nicht mehr finanziert werden konnte.
 
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